Erfasst die Regelung eines Manteltarifvertrag zur Ausschlussfirst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“, so gehört zu diesen auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben [1].
Dies gilt auch für den zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie geschlossenen Manteltarifvertrag der chemischen Industrie vom 24.06.1992 idF vom 02.02.2016 (MTV). Hiervon ausgenommen sind nach § 16 Ziffer 5 MTV allein beiderseitige Schadensersatzansprüche sowie beiderseitige nachwirkende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.
Nach § 16 Ziffer 2 Satz 1 MTV müssen die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden; im Falle des Ausscheidens gemäß § 16 Ziffer 3 MTV spätestens einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ansprüche, die erst danach fällig werden, müssen gemäß § 16 Ziffer 4 MTV spätestens einen Monat nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Fristen ist die Geltendmachung gemäß § 16 Ziffer 2 Satz 2 MTV ausgeschlossen.
Es kann im Streitfall dahinstehen, ob § 16 Ziffer 3 MTV wegen unangemessener Kürze der Ein-Monats-Frist unwirksam ist, denn daraus ergäbe sich nicht, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung überhaupt keiner Ausschlussfrist unterläge. Vielmehr wäre dann auf die Drei-Monats-Frist des § 16 Ziffer 2 MTV abzustellen. Auch diese Frist hat der Arbeitnehmer nicht gewahrt.
§ 16 Ziffer 3 MTV knüpft – wie § 16 Ziffer 4 MTV – als Spezialregelung an die Grundregelung des § 16 Ziffer 2 MTV an, die für alle Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis mit Ausnahme der in § 16 Ziffer 5 MTV genannten gilt. Dies ergibt sich nicht nur aus der systematischen Stellung der Bestimmungen, sondern auch daraus, dass § 16 Ziffer 3 und Ziffer 4 MTV die Art der erfassten Ansprüche und die Rechtsfolgen der unterlassenen Geltendmachung nicht eigenständig regeln [2].
Wäre die in § 16 Ziffer 3 MTV gesetzte Ausschlussfrist unangemessen kurz, würde durch diese Sondervorschrift die Grundregelung in § 16 Ziffer 2 MTV nicht verdrängt. Die Beschränkung auf Ansprüche, deren Fälligkeit während des Arbeitsverhältnisses eintritt, lässt sich nicht unmittelbar aus § 16 Ziffer 2 MTV herleiten. Sie ergibt sich erst aus § 16 Ziffer 3 und Ziffer 4 MTV. Nur soweit diese Regelungen für Ansprüche, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits fällig sind oder nach Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden, eine kürzere Ausschlussfrist – wirksam – festlegen, tritt die Grundregelung des § 16 Ziffer 2 MTV zurück [3].
§ 16 Ziffer 2 MTV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Eine Beschränkung der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien kann sich nur aus einem Verstoß gegen höherrangiges Recht ergeben [4].
§ 16 MTV ist nicht gemäß § 202 Abs. 1, § 134 BGB unwirksam. Nach § 16 Ziffer 5 MTV sind beiderseitige Schadensersatzansprüche und damit auch die Haftung wegen Vorsatzes aus dem Anwendungsbereich der Ausschlussfrist ausgenommen. Ein Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB hätte zudem lediglich die Teilnichtigkeit der tariflichen Regelung nach § 134 BGB zur Folge. Im Übrigen bliebe sie wirksam [5].
§ 16 Ziffer 2 MTV ist auch nicht wegen der Kürze der darin vorgesehenen Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 BGB. Tarifliche Ausschlussfristen sind keiner Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen [6].
Tarifverträge sind nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer AGB-Kontrolle ausgenommen. Auch eine Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglich insgesamt in Bezug genommenen Tarifverträgen erfolgt nicht, weil sie nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur stattfindet, wenn von Rechtsvorschriften abgewichen wird. Tarifverträge stehen nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, aufgrund welcher Regelungstechnik der betreffende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis in seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich erfasst [7].
Daher sind §§ 305 ff. BGB im Streitfall nicht anzuwenden. Die zu prüfende Ausschlussfristenregelung ist nicht im Arbeitsvertrag geregelt, sondern in einem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifvertrag. Der Arbeitsvertrag verweist nicht lediglich auf einzelne Vorschriften oder Teilkomplexe des MTV, sondern auf den gesamten Tarifvertrag. Für die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags ist zu vermuten, dass die divergierenden Interessen angemessen ausgeglichen werden [6]. Deswegen ist jedenfalls für die Globalverweisung – wie vorliegend – auf einen gesamten Tarifvertrag anerkannt, dass sie nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB privilegiert ist [8]. Der Arbeitnehmer stellt nicht in Abrede, dass das Arbeitsverhältnis vom Geltungsbereich des MTV erfasst ist.
Der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG führt lediglich zur Teilunwirksamkeit von § 16 Ziffer 2 MTV. Die tarifliche Ausschlussfrist erfasst zwar den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn und sieht damit eine nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksame Beschränkung der Geltendmachung des Anspruchs vor. Dies führt jedoch lediglich „insoweit“ zur Unwirksamkeit der tariflichen Verfallklausel, als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist. Hinsichtlich der Übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bleibt die Verfallklausel wirksam [9]. Anders als bei einer vom Arbeitgeber gestellten Ausschlussfristenregelung führt die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns nicht zur Unwirksamkeit der Regelung wegen Intransparenz [10], denn bei tariflichen Ausschlussfristen findet eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht statt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit liegt nicht vor [11].
Der Wirksamkeit von § 16 Ziffer 2 MTV steht der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht entgegen.
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs kann nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterliegen [12].
Ausgehend von der durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommenen und für das Bundesarbeitsgericht nach Art. 267 AEUV verbindlichen Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC verstößt § 16 Ziffer 2 MTV auch nicht gegen Unionsrecht.
Die Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC enthalten keine Vorgaben hinsichtlich der Möglichkeit, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub und – als eng mit diesem Anspruch verbundenen Anspruch – den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub [13] nach nationalem Recht, einer zeitlich befristeten Geltendmachung zu unterwerfen. Fehlt es an einer unionsrechtlichen Regelung des Verfahrens der Rechtsdurchsetzung, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten [14]. Die getroffenen Regelungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) [15].
Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Anwendung der Ausschlussfrist des § 16 Ziffer 2 MTV auf den in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC verankerten Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs mit Unionsrecht vereinbar.
Die Entstehung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG wird durch § 16 Ziffer 2 MTV nicht von einer weiteren Voraussetzung abhängig gemacht. Tarifliche Ausschlussfristen betreffen nicht den Inhalt eines Anspruchs, sondern regeln den Fortbestand eines bereits entstandenen Rechts [16].
Der Grundsatz der Äquivalenz ist gewahrt. § 16 Ziffer 2 MTV unterscheidet nicht zwischen Ansprüchen, die auf Unionsrecht beruhen und solchen, die einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben [17] und aus innerstaatlichem Recht resultieren. Der streitgegenständliche auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen gerichtete Zahlungsanspruch ist mit sonstigen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber vergleichbar, insbesondere mit Ansprüchen auf Zahlung von Vergütung, für die § 16 Ziffer 2 MTV in gleicher Weise gilt.
§ 16 Ziffer 2 MTV verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Effektivität.
Die Festsetzung von angemessenen Ausschlussfristen ist als ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar [18]. Derartige Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren [19], soweit der Fristlauf nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt [20].
§ 16 Ziffer 2 MTV schränkt die Effektivität der Durchsetzung des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht unzulässig ein. Als Ergebnisse kollektiv ausgehandelter Tarifvereinbarungen hat die Tarifnorm nach nationalem Recht die Vermutung der Angemessenheit für sich [21]. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass die Länge der mit § 16 Ziffer 2 Satz 1 MTV gesetzten Frist von drei Monaten nach Fälligkeit als solche die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte [22], zumal Fälligkeit im Sinne tariflicher Ausschlussfristen nicht stets ohne weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs eintritt. Es muss dem Gläubiger vielmehr tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen [23]. Der Arbeitnehmer kann sich mithin nicht in einer Situation befinden, in der die Ausschlussfrist zu laufen beginnt oder sogar abgelaufen ist, ohne dass ihm die anspruchsbegründenden Tatsachen überhaupt bekannt sind [24]. Der ausscheidende Arbeitnehmer ist zudem grundsätzlich in der Lage, seinen Abgeltungsanspruch anhand des Bundesurlaubsgesetzes und der einschlägigen tariflichen Vorschriften selbst zu berechnen und gegenüber dem Arbeitgeber in Textform geltend zu machen. Er ist regelmäßig nicht auf zusätzliche Auskünfte angewiesen, deren Einholung zusätzliche Zeit beanspruchen würde [25].
Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV [26] bedarf es daher nicht. Mit der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die unionsrechtlichen Grundsätze, nach denen der Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaubs einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen kann, als geklärt anzusehen.
§ 16 MTV erfasst aufgrund seiner weiten Formulierung auch Ansprüche auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs. Die Tarifvertragsparteien können die Abgeltung von Urlaubsansprüchen, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln [27]. Der tarifliche Mehrurlaub und dessen Abgeltung unterfallen weder dem tariflich unabdingbaren Schutz der §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC [28]. Die Tarifvertragsparteien sind deshalb nicht gehindert, die Durchsetzung des Anspruchs von der Einhaltung einer tariflichen Ausschlussfrist abhängig zu machen [29].
Beginn der Ausschlussfrist
Die Ausschlussfrist beginnt mit Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs zu laufen.
Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des Abgeltungsverbots. Er wird grundsätzlich gleichzeitig fällig [30].
Die Fälligkeit des Anspruchs iSv. § 16 Ziffer 2 MTV ist nicht aufgrund besonderer Umstände, die zu einem Auseinanderfallen von Entstehung und Fälligkeit eines Anspruchs führen können [31], erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitnehmer nicht vorgetragen; sie sind auch nicht ersichtlich. Der Arbeitnehmer hat insbesondere nicht behauptet, das Bestehen und der Umfang des Urlaubsanspruchs seien ihm nicht bekannt gewesen.
Der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses führte nicht zu einer späteren Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung. Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses steht der Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht entgegen. Die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Befristung hat lediglich feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Maßgeblich ist allein die objektive Rechtslage [32].
Keine Fristwahrung durch Erhebung einer Bestandsschutzklage
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hat der Arbeitnehmer den Urlaubsabgeltungsanspruch nicht fristgerecht iSv. § 16 Ziffer 2 MTV geltend gemacht:
Zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch den Arbeitnehmer mit Schreiben vom 04.12.2017 war der Anspruch bereits verfallen. Die Ausschlussfrist des § 16 Ziffer 2 MTV endete drei Monate nach Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs mit Ablauf des 30.12.s 2016 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die in § 16 Ziffer 3 MTV gesetzte Frist wäre bereits vor diesem Zeitpunkt abgelaufen.
Der Arbeitnehmer hat die tarifliche Ausschlussfrist hinsichtlich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nicht durch die Erhebung der Befristungskontrollklage gewahrt. Diese Klage ließ die Obliegenheit des Arbeitnehmers nicht entfallen, den Anspruch iSd. § 16 MTV geltend zu machen [33].
Mit einer Bestandsschutzklage wahrt der Arbeitnehmer, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, eine einstufige Ausschlussfrist bzw. die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist für alle aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultierenden Ansprüche [34].
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung knüpft nicht an den mit der Befristungskontrollklage angestrebten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an, sondern setzt mit der in § 7 Abs. 4 BUrlG geforderten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraus. Will der Arbeitnehmer den Verfall solcher Ansprüche verhindern, reicht die Erhebung einer Befristungskontrollklage nicht aus [35].
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts liegt darin kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 iVm. Art.20 Abs. 3 GG.
Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art.20 GG gewährleistet den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Die Gerichte haben die Tragweite des Grundrechts auf einen effektiven Rechtsschutz zu beachten und das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass sie hierzu nicht in Widerspruch geraten [36]. Diese Grundsätze sind auch bei der Auslegung und Anwendung von Ausschlussfristen zu beachten [37]. Dem Arbeitnehmer dürfen danach keine übersteigerten Obliegenheiten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt werden [38]. Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten kann vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht [39].
Die einstufige Ausschlussfrist des § 16 MTV, die eine außergerichtliche Geltendmachung in Textform verlangt, stellt keine Hürde für den Zugang zu den Gerichten für Arbeitssachen auf [40]. Für den Arbeitnehmer entstehen durch die Obliegenheit einer Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Textform keine unzumutbaren zusätzlichen Kostenrisiken.
Einem vollständigen Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs steht § 3 Satz 1 MiLoG nicht entgegen. Die Bestimmungen des MiLoG finden – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat – auf den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG keine Anwendung [41]. Eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Die Frage, ob der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung den Regelungen des MiLoG unterfällt, ist allein nach nationalem Recht zu entscheiden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2020 – 9 AZR 323/19
- BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, Rn. 12[↩]
- vgl. zum Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie BAG 19.01.1999 – 1 AZR 606/98, zu II 2 a der Gründe[↩]
- vgl. BAG 19.01.1999 – 1 AZR 606/98, zu II 2 b aa der Gründe; vgl. zum Manteltarifvertrag für die Kautschukindustrie in den Ländern Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland vom 17.12.2003 BAG 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, Rn. 28, BAGE 140, 133[↩]
- BAG 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, Rn. 29, BAGE 148, 139; vgl. auch 22.03.2018 – 6 AZR 835/16, Rn. 66, BAGE 162, 247; 4.08.2016 – 6 AZR 129/15, Rn. 26 mwN[↩]
- vgl. BAG 23.01.2019 – 4 AZR 541/17, Rn. 41[↩]
- vgl. BAG 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, Rn. 29, BAGE 148, 139[↩][↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 300/18, Rn. 14; 27.06.2018 – 10 AZR 290/17, Rn. 28 f. mwN, BAGE 163, 144[↩]
- BAG 3.07.2019 – 10 AZR 300/18, Rn. 15; 18.09.2012 – 9 AZR 1/11, Rn. 24[↩]
- BAG 23.01.2019 – 4 AZR 541/17, Rn. 41[↩]
- vgl. hierzu BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, Rn. 27 ff. mwN, BAGE 163, 282[↩]
- vgl. hierzu im Einzelnen BAG 26.02.2020 – 4 AZR 48/19, Rn. 38 ff. mwN[↩]
- st. Rspr. vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen BAG 22.01.2019 – 9 AZR 149/17, Rn. 33 mwN; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, Rn. 29, BAGE 163, 282[↩]
- EuGH 25.06.2020 – C‑762/18 und – C‑37/19 – [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 83[↩]
- vgl. nur EuGH 19.06.2014 – C‑501/12 bis – C‑506/12, – C‑540/12 und – C‑541/12, Rn. 112; 8.07.2010 – C‑246/09 – [Bulicke] Rn. 24 f. mwN[↩]
- EuGH 19.06.2014 – C‑501/12 bis – C‑506/12, – C‑540/12 und – C‑541/12, Rn. 112[↩]
- BAG 9.08.2011 – 9 AZR 365/10, Rn. 29, BAGE 139, 1[↩]
- vgl. EuGH 8.07.2010 – C‑246/09 – [Bulicke] Rn. 26 mwN[↩]
- st. Rspr. des Gerichtshofs, vgl. nur EuGH 21.12.2016 – C‑154/15, – C‑307/15 und – C‑308/15 – [Gutiérrez Naranjo] Rn. 69; 8.07.2010 – C‑246/09 – [Bulicke] Rn. 36 mwN; 10.07.1997 – C‑261/95 – [Palmisani] Rn. 28 mwN[↩]
- vgl. EuGH 24.03.2009 – C‑445/06 – [Danske Slagterier] Rn. 48[↩]
- vgl. EuGH 8.07.2010 – C‑246/09 – [Bulicke] Rn. 41; BAG 18.05.2017 – 8 AZR 74/16, Rn. 36, BAGE 159, 159[↩]
- vgl. BAG 3.07.2019 – 10 AZR 300/18, Rn. 15; 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, Rn. 29, BAGE 148, 139; 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, Rn. 27, BAGE 140, 133[↩]
- vgl. für eine Frist von zwei Monaten EuGH 8.07.2010 – C‑246/09 – [Bulicke] Rn. 39 [zu § 15 Abs. 4 AGG]; 6.10.2009 – C‑40/08, Rn. 42 ff.[↩]
- BAG 27.03.2019 – 5 AZR 71/18, Rn. 34, BAGE 166, 222; 14.11.2018 – 5 AZR 301/17, Rn. 27 mwN, BAGE 164, 159[↩]
- vgl. EuGH 6.10.2009 – C‑40/08, Rn. 45; BAG 11.04.2019 – 6 AZR 104/18, Rn. 24, BAGE 166, 285; 18.05.2017 – 8 AZR 74/16, Rn. 56, BAGE 159, 159[↩]
- vgl. zu einer zweimonatigen und alternativ zu einer dreimonatigen Ausschlussfrist BAG 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, Rn. 27, BAGE 140, 133; zur zweimonatigen Ausschlussfrist des RTV Gebäudereiniger BAG 6.05.2014 – 9 AZR 758/12, Rn. 12; vgl. zu einer tariflichen Ausschlussfrist sechs Wochen ab Entstehung des Anspruchs BAG 18.09.2012 – 9 AZR 1/11, Rn. 29[↩]
- vgl. zu den Voraussetzungen hierfür BVerfG 9.05.2018 – 2 BvR 37/18, Rn. 29; 15.12.2016 – 2 BvR 221/11, Rn. 36 f. mwN; BAG 23.05.2018 – 5 AZR 303/17, Rn. 23 mwN; 16.05.2018 – 4 AZR 209/15, Rn. 50; 23.02.2017 – 6 AZR 843/15, Rn. 27 f., BAGE 158, 230[↩]
- vgl. EuGH 3.05.2012 – C‑337/10 – [Neidel] Rn. 34 ff. mwN; BAG 22.01.2019 – 9 AZR 149/17, Rn. 28 mwN[↩]
- vgl. BAG 9.08.2011 – 9 AZR 365/10, Rn. 13 mwN, BAGE 139, 1[↩]
- st. Rspr. BAG 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, Rn. 42, BAGE 140, 133[↩]
- BAG 22.01.2019 – 9 AZR 149/17, Rn. 37; 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, Rn. 29 mwN[↩]
- vgl. BAG 22.01.2019 – 9 AZR 149/17, Rn. 38; BAG 9.08.2011 – 9 AZR 475/10, Rn. 37[↩]
- vgl. BAG 22.10.2019 – 9 AZR 98/19, Rn.20; 19.02.2019 – 9 AZR 321/16, Rn. 55[↩]
- vgl. BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, Rn. 37 ff.[↩]
- vgl. BAG 24.09.2014 – 5 AZR 593/12, Rn. 27, BAGE 149, 169; 19.09.2012 – 5 AZR 627/11, Rn. 14, BAGE 143, 119[↩]
- vgl. BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, Rn. 35 ff. mwN[↩]
- vgl. BVerfG 22.10.2004 – 1 BvR 894/04, zu II 2 a der Gründe zu § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG aF[↩]
- vgl. BAG 18.09.2019 – 5 AZR 240/18, Rn. 42[↩]
- vgl. zu tariflichen Ausschlussfristen BVerfG 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, Rn. 21 f.; BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, Rn. 39[↩]
- BVerfG 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, Rn. 21 f.[↩]
- vgl. BAG 30.10.2019 – 6 AZR 465/18, Rn. 38[↩]
- vgl. hierzu im Einzelnen BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 55 ff.[↩]
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