Urlaubsabgeltungsanspruch – und die Abrechnungs- und Ausgleichsklausel im Kündigungsvergleich

Die Vereinbarung der Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung des Bruttomonatsgehalts für einen bestimmten Monat erfasst nicht einen nicht erwähnten Urlaubsabgeltungsanspruch. Die in einem Prozessvergleich vereinbarte Klausel „Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, erledigt“ erfasst auch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung.

Urlaubsabgeltungsanspruch – und die Abrechnungs- und Ausgleichsklausel im Kündigungsvergleich

Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des Abgeltungsverbots. Der Streit über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses führt nicht zu einer späteren Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung.

Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des Abgeltungsverbots. Er wird grundsätzlich gleichzeitig fällig. § 7 Abs. 4 BUrlG knüpft allein an die durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verursachte Unmöglichkeit an, den noch bestehenden Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers durch bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht zu realisieren. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt die Arbeitspflicht und damit die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer durch Freistellung von der Arbeitspflicht Urlaub zu gewähren1.

Das von dem Arbeitnehmer eingeleitete Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch gerichtlichen Vergleich hatten auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs keinen Einfluss. Der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses führte nicht zu einer späteren Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung. Maßgeblich war allein die objektive Rechtslage2.

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Im vorliegenden Fall habens sich die Parteien mit dem Prozessvergleich (und durch das Verstreichenlassen der Widerrufsfrist) darauf verständigt, dass ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2020 geendet hat. Sie haben damit auch die Rechtswirkung des § 7 KSchG herbeigeführt3. Daher war der Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers bereits mit Ablauf des 30.06.2020 entstanden. Er konnte daher als bereits entstandene Forderung im Zusammenhang mit der am 03.07.2020 erfolgten Aushandlung des Prozessvergleichs von der dort in Ziffer 7 des Vergleichs vereinbarten Ausgleichsquittung objektiv bereits erfasst werden.

Im vorliegenden Fall ist der Urlaubsabgeltungsanspruch damit erloschen, denn er wird von der in Ziffer 7 des Vergleiches geregelten Ausgleichsquittung umfasst. Das ergibt die Auslegung.

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge und damit auch Prozessvergleiche so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen4.

Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht besteht (§ 397 Abs. 2 BGB). Ein solches, konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen (LAG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O. Rn 39 m.w.N.).

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Ausgleichsklauseln in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder in einem Aufhebungsvertrag sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch eine Ausgleichsklausel im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie an diese dachten oder nicht5.

Die Ausgleichsklausel in dem gerichtlichen Vergleich der Parteien vom 03.07.2020 ist als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis zu verstehen.

Mit dem Vergleich vom 03.07.2020 haben sich beide Parteien in Bezug auf Zahlungsforderungen ausdrücklich darauf geeinigt, dass eine Coronaprämie gezahlt wird , dass eine Abfindung gezahlt wird, dass der Monat Juni auf Basis eines Bruttomonatsgehaltes von 3.200,00 € abgerechnet und der sich daraus ergebende Betrag an den Arbeitnehmer gezahlt wird und dass mit Erfüllung alle gegenseitigen Ansprüche erledigt sind. Etwas Anderes kann dem Wortlaut des Vergleiches nicht entnommen werden. Nur die zuvor aufgeführten Ansprüche der Parteien sind danach noch zu erfüllen.

Entgegen der Ansicht des Arbeitnehmers kann der nicht im Wortlaut des Vergleiches erwähnte Urlaubsabgeltungsanspruch nicht in die geschuldete ordnungsgemäße Abrechnung des Bruttomonatsgehalts für Juni hineininterpretiert werden. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Ein Bruttomonatsgehalt ist zweifelsfrei und eindeutig das „Gehalt“ für den angesprochenen Monat und beruht auf § 612 BGB. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein völlig anderer Streitgegenstand und beruht auf § 7 Abs. 4 BUrlG. Er ist kein Verdienst im Sinne des § 612 BGB.

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Abgesehen von den im Vergleich geregelten Ansprüchen sollen damit „alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und solche Ansprüche, die damit in Verbindung stehen“, erledigt sein.

Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehört u. a. der Anspruch auf Urlaubsabgeltung (LAG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.).

Da die Ausgleichsklausel ihrem Wortlaut nach „alle Ansprüche“ unabhängig von ihrem Rechtsgrund erfasst, ist auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung „erledigt „. Das entspricht dem Sinn und Zweck des Prozessvergleichs, die arbeitsrechtliche Beziehung zwischen den Parteien endgültig zu klären und zu bereinigen.

Dieses Auslegungsergebnis führt nicht zu einem Verstoß gegen die Urteile des EuGH vom 06.11.20186. Diese Entscheidungen sind vorliegend nicht einschlägig, insbesondere führen sie nicht dazu, dass der im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits verklagte Arbeitgeber dem – noch dazu anwaltlich vertretenen – Arbeitnehmer vor wirksamer Vereinbarung einer Ausgleichsklausel dessen potentielle Forderungen auflisten muss.

Landesarbeitsgericht Schleswig -Holstein, Urteil vom 9. Juni 2021 – 3 Sa 82/21

  1. BAG 27.10.2020 – 9 AZR 531/19 – Rn 31; BAG 22.01.2019 – 9 AZR 328/16 – Rn. 29 – 31[]
  2. BAG a.a.O. Rn. 32ff m.w.N.[]
  3. vgl. BAG a.a.O, Rn. 34, vgl. auch hierzu im Einzelnen BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 – Rn. 30 ff. m.w.N.[]
  4. LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 12.05.2020 – 5 Sa 197/19, Rn 38, BAG v. 10.12. 2014 – 10 AZR 63/14 – Rn. 21, LAG Rheinland-Pfalz v. 15.05.2018 – 8 Sa 1/18 – Rn. 47[]
  5. LAG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.; BAG, v. 22.10.2008 – 10 AZR 617/07 – Rn. 30[]
  6. EuGH, Urteile vom 06.11.2018 – Az. C 619/16 und C 684/16[]
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