Verfall vertraglicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – und die Kontrolle der Ausschlussfrist

Zu den „vertraglichen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ im Rahmen einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel gehören nicht Ansprüche auf Schadensersatz und zwar unabhängig davon, ob sie auf einer unerlaubten oder strafbaren Handlung einer Vertragspartei nach §§ 823 ff. BGB oder auf der Verletzung von Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis beruhen.

Verfall vertraglicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – und die Kontrolle der Ausschlussfrist

Arbeitsverträge sind, soweit sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind, nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Maßgebend sind insoweit die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners1. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht2.

Die Auslegung ergibt, dass Ansprüche auf Schadensersatz von der Verfallklausel nicht erfasst werden. Die Parteien haben im vorliegenden Fall im Arbeitsvertrag keine global gefasste Verfallklausel vereinbart. § 12 des Arbeitsvertrages sieht nicht einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vor, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden. Vielmehr bestimmt § 12 des Arbeitsvertrages, dass „vertragliche“ Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie „nicht spätestens innerhalb von sechs Monaten nach jeweiliger Fälligkeit eines Anspruchs schriftlich geltend gemacht werden“. Mit dieser Beschränkung auf „vertragliche Ansprüche“ haben die Parteien erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubten oder strafbaren Handlungen einer Vertragspartei nach §§ 823 ff. BGB von der Verfallklausel nicht erfasst sein sollen. Da sich unerlaubte oder strafbare Handlungen einer Arbeitsvertragspartei gegenüber der anderen typischerweise zugleich als Verletzungen arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen, spricht alles dafür, dass auch Schadensersatzansprüche aus solchen Vertragsverstößen, mithin Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB, nicht von der Verfallklausel erfasst werden sollen.

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Dass Ansprüche auf Schadensersatz – unabhängig von der konkreten Anspruchsgrundlage – nicht zu den „vertraglichen“ Ansprüchen im Sinne dieser arbeitsvertraglichen Verfallklausel gehören, findet vorliegend seine Bestätigung auch in Sinn und Zweck der im Arbeitsvertrag ebenfalls bestimmten Ausschlussklausel.

Die im Arbeitsvertrag bestimmte Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs dient, wie Ausschlussfristen generell, der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden3. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben4. Mit ihr sollen streitige Ansprüche möglichst zeitnah geklärt werden5. Eine solche möglichst zeitnahe Klärung gegenseitiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gelingt allerdings regelmäßig nur bei Ansprüchen, deren Entstehung und Fälligkeit sich ohne Schwierigkeiten ermitteln lassen, was bei den üblichen gegenseitigen Ansprüchen aus dem Dauerschuldverhältnis, nicht aber – wie der vorliegende Rechtsstreit belegt, in dem die Parteien vor allem über die Frage der Fälligkeit etwaiger Ansprüche streiten – bei Schadensersatzansprüchen der Fall ist.

Da die Parteien im vorliegenden Fall keine global gefasste Verfallklausel, sondern vereinbart haben, dass „vertragliche“ Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht spätestens innerhalb von sechs Monaten nach jeweiliger Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden und eine Auslegung dieser Verfallklausel ergibt, dass von ihr sämtliche Ansprüche auf Schadensersatz – unabhängig von der konkreten Anspruchsgrundlage – nicht erfasst werden, kam es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Fragen, wie pauschale Ausschlussklauseln auszulegen sind und ob und ggf. inwieweit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts6 mit der des Bundesgerichtshofs zur Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 7 BGB übereinstimmt7, von vornherein nicht an.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. April 2016 – 8 AZR 753/14

  1. vgl. etwa BAG 4.08.2015 – 3 AZR 137/13, Rn. 31, BAGE 152, 164; 23.01.2014 – 8 AZR 130/13, Rn. 18; 19.03.2008 – 5 AZR 429/07, Rn. 23, BAGE 126, 198[]
  2. etwa BAG 10.12 2013 – 3 AZR 715/11, Rn. 17; 25.06.2013 – 3 AZR 219/11, Rn.19 mwN, BAGE 145, 314[]
  3. vgl. etwa BAG 18.12 2008 – 8 AZR 105/08, Rn. 46; 22.01.2008 – 9 AZR 416/07, Rn. 34; 19.12 2007 – 5 AZR 1008/06, Rn. 32[]
  4. BAG 19.03.2014 – 5 AZR 252/12 (B), Rn. 61, BAGE 147, 342; 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, zu IV 3 der Gründe mwN, BAGE 115, 19[]
  5. vgl. etwa BAG 18.03.2003 – 9 AZR 44/02, zu I 2 f bb (1) der Gründe; zu tariflichen Ausschlussfristen vgl. BAG 10.02.2015 – 3 AZR 65/14, Rn. 72[]
  6. vgl. etwa BAG 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, zu II 4 der Gründe, BAGE 116, 66[]
  7. vgl. BGH 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, Rn. 18 ff., BGHZ 170, 31[]