Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.

Einer solchen Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn
- bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder
- es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist ((BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30; 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 28, BAGE 159, 267)).
Für den Erfolg einer Kündigungsschutzklage reicht es daher nicht aus, dass das Arbeitsgericht eine Wiederholungsgefahr für den Fall einer Abmahnung verneint. Es bedarf zusätzlich auch an Ausführungen dazu, warum es sich – ggfs. den Vortrag der Arbeitgeberin als wahr unterstellt – nicht um so schwere Pflichtverletzungen gehandelt habe, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Arbeitgeberin nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen war.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Februar 2020 – 2 AZR 570/19