Verhaltensbedingte Kündigung – wegen chronisch negativen Arbeitszeitkontos

Ist in einer Dienstvereinbarung zu Gleitzeit nebst Kernarbeitszeit vereinbart, dass maximal 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen werden dürfen und überschreitet der Arbeitnehmer diese Grenze der Minusstunden wiederholt um ein Vielfaches, kann dies die verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Verhaltensbedingte Kündigung – wegen chronisch negativen Arbeitszeitkontos

Dies gilt auch dann, wenn der aktuelle Vorwurf (nur) im fehlenden Abbau des schon bestehenden unzulässigen Negativsaldos besteht, nachdem das frühere Aufbauen des negativen Saldos bereits abgemahnt wurde, und wenn objektiv nach dem Arbeitszeitmodell beim Arbeitgeber unter Beachtung des Arbeitszeitgesetzes unproblematisch die Möglichkeit bestand, den entstandenen unzulässigen Negativsaldo abzubauen.

Sieht die Dienstvereinbarung einen frühestmöglichen Dienstbeginn und ein spätmöglichstes Dienstende vor, was auch in Wechselwirkung zur Schaltung der Alarmanlage und zur Arbeitszeit des Hausmeisters steht, der das Gebäude verschließt, so kann sich der Arbeitnehmer nicht darauf berufen, man habe ihm eine Arbeit außerhalb dieser möglichen Dienstzeiten verweigert. Auch eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister rechtfertigt nicht dieses Begehren.

Der Arbeitnehmer kann sich in dieser Situation auch nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber – wie oftmals in der Vergangenheit – doch eine Verrechnung des Negativsaldos mit Entgeltansprüchen oder Urlaubsansprüchen hätte vornehmen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber frühere Verrechnung mit einer Abmahnung oder sonstigen rügenden Äußerungen wegen des zugrundeliegenden Arbeitszeitverstoßes verbunden hatte.

Die Kündigung ist nach § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 LSGchG, dessen Anwendbarkeit unstreitig ist, sozial gerechtfertigt, da sie durch Gründe, die im Verhalten der Arbeitnehmerin liegen, bedingt ist.

Die Arbeitnehmerin hat in erheblichem Maße arbeitsvertragliche Pflichten in Zusammenhang mit der Arbeitszeit verletzt.

Zunächst war die Arbeitnehmerin arbeitsvertraglich zu einer Arbeitsleistung von 40 Stunden je Woche verpflichtet. Diese nicht nur Nebenpflicht sondern Hauptleistungspflicht hat sie wiederholt verletzt. Sie hat die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 40 Wochenstunden wiederholt nicht erfüllt, obwohl die Arbeitgeberin ihren Verpflichtungen nachgekommen ist. Dabei ist auch zu beachten, dass es aufgrund der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitgestaltung der Arbeitnehmerin selbst in gewissen Freiräumen überlassen war, die Erfüllung ihrer Arbeitsverpflichtung in quantitativer Hinsicht zu steuern. So sieht die Dienstvereinbarung unter anderem vor, dass maximal nur 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen werden dürfen, was insoweit schon ein gewisses Entgegenkommen der Arbeitgeberin darstellt.

Nach den unstreitigen Darstellungen hatte sich die Arbeitnehmerin nicht an die für sie bindend geltende Dienstvereinbarung gehalten und damit gleichzeitig auch ihre Hauptleistungspflicht in quantitativer Hinsicht nicht erfüllt. Eine derartige Pflichtverletzung hat sich auch nach Ausspruch der letzten Abmahnung vom August 2013 ereignet, da insoweit zu beachten sind, dass bereits abgemahnte Vorfälle nicht mehr den Grund einer verhaltensbedingten Kündigung darstellen können. Hier hatte die Arbeitnehmerin nach Ablauf des Monats Oktober 2013 33, 10 Minusstunden in den Monat November 2013 übertragen. Damit hat sie in erheblichem Maße gegen die Dienstvereinbarung verstoßen, die nur eine Übertragung von 10 Stunden zulässt. Das zulässige Maß wurde somit um 230 % überschritten. Gleichzeitig hat die Arbeitnehmerin damit nicht nur gegen eine Vorschrift der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit verstoßen, sondern auch deutlich ihre Hauptleistungspflicht zur Arbeitsleistung untererfüllt.

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Selbst bis zum Kündigungsausspruch hatte sich ihr Arbeitszeitkonto nicht verbessert, so dass prognostisch von einem kurzfristigen Ausgleich des Arbeitszeitkontos hätte ausgegangen werden können. Vielmehr hatte sich der Stand auf 34, 04 Minusstunden erhöht.

Dabei besteht der Vorwurf nicht darin, dass die Arbeitnehmerin seit der letzten Abmahnung aus dem August 2013 weitere Minusstunden angehäuft habe (was sie in der Tat nicht nennenswert hat). Die Pflichtverletzung liegt hier schon in dem Umstand, dass die Arbeitnehmerin es unterlassen hat, den pflichtwidrigen Zustand von mehr als 10 Minusstunden, welcher ihr schon in der Abmahnung im August 2013 vorgeworfen wurde, abzuändern, so dass auch nach der Abmahnung pflichtwidrig mehr als 10 Minusstunden in den Folgemonat übertragen wurden, obwohl der Arbeitgeber zur vollen Gehaltszahlung (grundsätzlich) verpflichtet ist. Bereits in den August 2013 hatte die Arbeitnehmerin unzulässigerweise 32, 11 Minusstunden übertragen. In den Monaten zuvor waren die Minusstundenüberträge seit Mai 2013 stetig angestiegen. An dieser im August 2013 durch Abmahnung gerügten Situation hat sich nachfolgend bis zur Kündigung nichts positiv geändert.

Dabei hätte die Arbeitnehmerin objektiv hinreichend Gelegenheit gehabt, ihren Minusstand abzubauen. Im Schnitt konnte doch von 6:30 Uhr bis 17:00 Uhr gearbeitet werden. Dies sind 10,5 Stunden. Nach Abzug von 45 min Pause verbleibt eine mögliche Nettoarbeitszeit von 9:45 Stunden. Damit hätte die Arbeitnehmerin im Schnitt täglich 1:45 Stunden abbauen können. Unstreitig war ihr sogar eingeräumt worden, um 6:00 Uhr zu beginnen, so dass sie noch eine halbe Stunde mehr hätte schaffen können. Die weiteren Möglichkeiten am langen Dienstag oder an Tagen einer Ausschusssitzung seien einmal ausgeblendet. Der Arbeitnehmerin wäre vielleicht noch nicht einmal kündigungsrelevant vorzuwerfen, nicht die zur Verfügung stehenden maximalen Möglichkeiten ausgenutzt zu haben. Im Kern hat die Arbeitnehmerin bei ehrlicher Betrachtung seit der Abmahnung jedoch schlicht nichts zur Verbesserung der Situation unternommen. Zwischen der Abmahnung und der Kündung liegen etwa 3 Monate. In der Zwischenzeit lagen auch drei Wechsel von einem Monat auf den Nächsten. Es wäre nachvollziehbar, dass die Arbeitnehmerin das Arbeitszeitkonto nicht bis zum Wechsel vom August auf den September ausgleichen kann. Aber wenn die Arbeitnehmerin täglich nur 1 Stunde länger geblieben wäre, so hätte sie in nur einem einzigen Durchschnittsmonat schon 21, 66 Stunden abgebaut und wäre der Grenze von 10 Minusstunden sehr nahe gekommen. In den 3 Monaten bis zur Kündigung hätte die Arbeitnehmerin weit mehr erreichen können. Wäre die Arbeitnehmerin alternativ täglich nur eine halbe Stunde länger geblieben, so hätte sie in 3 Monaten über 30 Stunden abbauen können. Es ist ersichtlich, dass mit nur sehr geringem Aufwand in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Dienstvereinbarung ein Verlassen der Pflichtwidrigkeit hätte erreicht werden können. Bei der Arbeitnehmerin war jedoch nicht einmal eine spürbare Bewegung in diese Richtung erkennbar. Die Abmahnung aus dem August 2013 ist offenbar im Nichts verhallt.

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Die Behauptung der Arbeitnehmerin, sie habe keinen Überblick über ihr Arbeitszeitkonto und sie könne ihre Daten am Zeiterfassungsgerät nicht abrufen, ändert nichts an obiger Betrachtung. Das Gericht hält diese völlig pauschale Behauptung für eine offensichtliche Schutzbehauptung. Die Arbeitnehmerin kann dem Gericht nicht unsubstantiiert weismachen, allein ihrer Person sei es nicht möglich, mit ihrem Finger die Taste F1 zu drücken, um danach den im Display angezeigten Stand des Arbeitszeitkontos abzulesen. Die Arbeitnehmerin ist seit Jahren in der Entgeltgruppe 10 in der Bauverwaltung tätig. Da sollte es der Arbeitnehmerin ohne weiteres möglich sein, vorgenannte Ablesehandlung durchzuführen und den angezeigten Wert des Arbeitszeitkontos gedanklich zu verarbeiten. Selbst wenn die Arbeitnehmerin dies überraschenderweise nicht könnte, war ihr nach der Dienstvereinbarung die Einhaltung der Wochenarbeitszeit überlassen. Dann hätte sie sich selbst Aufzeichnungen erstellen müssen. Außerdem ergibt sich aus den Abmahnungen und weiteren Schreiben der Arbeitgeberin, dass der Arbeitnehmerin der aktuelle Stand immer wieder mitgeteilt wurde. Insoweit trägt auch nicht die pauschal gebliebene Behauptung, die Arbeitnehmerin habe einen Ausdruck angefordert, was ihr jedoch verweigert worden sei.

Wenn die Arbeitnehmerin nun meint, sie könne wegen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Bürgermeisterin nicht vor 8:30 Uhr anfangen, so belässt es die Arbeitnehmerin auch hier bei dieser völlig pauschalen Behauptung. Hintergründe sind für das Gericht wie auch die Stadt nicht erkennbar. Eine Unmöglichkeit der Arbeitsleistung vor 8:30 Uhr kann hieraus nicht abgeleitet werden. Es existiert auch keine allgemein anerkannte Tatsache, dass ehrenamtliche Bürgermeister nicht vor 8:30 Uhr arbeiten können. Zudem ist die Aussage schon durch den konkreten Fall der Arbeitnehmerin widerlegt. Aus den in der Akte befindlichen Journalen ergeben sich tatsächlich gearbeitete Zeiten vor 8:30 Uhr. Selbst wenn die Arbeitnehmerin erst um 8:30 Uhr anfangen hätte können, so hätte sie bis 17:00 Uhr jeweils 8 Stunden erbringen können. Dann wäre jedoch nicht ersichtlich, weshalb überhaupt wiederholt Minusstunden aufgelaufen sind. Die Arbeitnehmerin hat sich auch nicht einfach dauerhaft bei 30 bis 40 Minusstunden befunden. Da es immer wieder zwischenzeitliche Verrechnungen mit Urlaub etc. gab, sind auch immer wieder neu Minusstunden angefallen. Letztlich wäre auch zu beachten, dass etwaige Aufgaben als ehrenamtliche Bürgermeisterin es der Arbeitnehmerin nicht objektiv unmöglich gemacht haben, ihrer Arbeitsverpflichtung bei der Arbeitgeberin nachzukommen. Sie hat sich vielmehr subjektiv freiwillig entschieden, ihre Arbeitspflicht nicht zu erfüllen, egal ob der Auslöser dieser Entscheidung nun tatsächlich entsprechend ihrer pauschalen Behauptung bei ihrem Ehrenamt zu suchen ist. Bei einer tatsächlich bestehenden objektiven Nichtvereinbarkeit beider Aufgaben, hätte sich die Arbeitnehmerin zudem abschließend für eine Tätigkeit entscheiden müssen. Jedenfalls war sie bei der Arbeitgeberin vertraglich zu einer Leistung von 40 Stunden in der Woche verpflichtet, solange dieser Vertrag nicht gekündigt war.

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festgestellten Pflichtverletzung auch für die Zukunft von fortgesetzten Arbeitspflichtverletzungen ausgehen und das Arbeitsverhältnis als hinreichend gestört ansehen.

Denn die Arbeitnehmerin hat eine hier selten gesehene Beharrlichkeit an gleichartigen Pflichtverstößen schon in der Vergangenheit an den Tag gelegt. Von einer künftigen Verbesserung ihres Verhaltens konnte die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung, auf den nach ständiger Rechtsprechung des BAG allein abzustellen ist, nicht ausgehen.

Bereits seit dem Jahr 2008 hatte die Arbeitnehmerin wiederholt und fortgesetzt Minusstunden in einem Maß angehäuft und auf Folgemonate übertragen, welches deutlich über das nach der Dienstvereinbarung zulässige Maß hinausging. Dabei ist auch hier darauf hinzuweisen, dass die Arbeitnehmerin nicht einmalig etwa 30 Minusstunden angehäuft hätte und diese dann vor sich hergeschoben hätte. Die vielfältigen Verrechnungen mit Urlaub und Lohn, die offenbar im Prozess nur in Auszügen konkretisiert vorgetragen wurden, zeigen, dass die Arbeitnehmerin nach einer abbauenden Verrechnung immer wieder neue Minusstunden angesammelt hatte. Auch hatte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin seit 2008 mehrfach und völlig eindeutig darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmerin die Grenze von 10 Minusstunden künftig einhalten solle. Diese Äußerungen waren auch nicht von eher beiläufiger Natur, so dass die Arbeitnehmerin etwa an der Ernsthaftigkeit hätte zweifeln können. Zudem steigerte die Arbeitgeberin ihre Kommunikationsweise von Hinweisen und Aufforderungen bis zu einer ersten arbeitsrechtlichen Abmahnung vom 02.02.2012. Schon hier wurde auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hingewiesen. Nach fortgesetzten Pflichtverletzungen auch in 2013 folgte sodann eine weitere Abmahnung. Diese ließ die Arbeitgeberin nunmehr sogar schon durch ihren Prozessbevollmächtigten schreiben. Allein diese Bevollmächtigung eines Externen nebst notwendiger Vergütung zeigte doch deutlich, wie ernst es der Arbeitgeberin ist. Zudem wurde in dieser anwaltlich erstellten Abmahnung noch einmal der Sachverhalt seit 2008 geschildert und detailliert aufgezählt, welche vielen Pflichtverletzungen den Pflichtverletzungen seit Anfang 2013 hinzu kamen. Es wurde dargelegt, dass die Arbeitgeberin „nicht bereit“ sei, dieses Verhalten hinzunehmen. Schließlich wurden nicht mehr arbeitsrechtliche Konsequenzen sondern konkret allein die Kündigung angedroht. Aus obigem unstreitigen Tatbestand ergeben sich somit jahrelang gleichartige und wesentliche Pflichtverstöße, bei einem an Deutlichkeit der Missbilligung ansteigendem Verhalten der Arbeitgeberin. Setzt die Arbeitnehmerin ihr Verhalten gerade nach der letzten Abmahnung wieder unverändert fort, so kann auch für die Zukunft eine nur negative Prognose erstellt werden.

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Die von der Arbeitnehmerin gewünschte Berücksichtigung der Entwicklung nach Zugang der Kündigung kann nicht erfolgen. Die Arbeitnehmerin beachtet nicht, dass nach allgemein bekannter, ständiger und nur logischer Rechtsprechung sich die Wirksamkeit einer Kündigung – egal ob verhaltensbedingt oder aus anderen Gründen – allein nach den Umständen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bemisst. Bei Ausspruch der Kündigung muss dem Arbeitgeber ein hinreichender Kündigungsgrund zur Seite stehen. Spätere Änderung in die eine oder andere Richtung sind nicht relevant. Anderenfalls wäre es für keinen Arbeitgeber abschätzbar, ob er nun kündigen könne oder nicht. Niemand kann in die Zukunft schauen. Zudem wäre die nachfolgende Entwicklung für die Arbeitnehmerin – gelinde gesagt – nicht von Vorteil.

Soweit die Arbeitnehmerin nun sogar meint, die Arbeitgeberin könne aus der Vergangenheit nichts ableiten, da keine Pflichtverletzungen aufgrund der vorgenommenen Verrechnungen vorlägen oder sich die Pflichtverletzungen jedenfalls nicht mehr auswirken könnten oder aber die Arbeitgeberin mit dem Vorgehen der Arbeitnehmerin einverstanden gewesen sei oder aber die Arbeitnehmerin bis 2013 nicht mit einem Vorwurf habe rechnen können, tragen auch diese Argumente ganz offensichtlich nicht und sind teils nicht einmal mit dem unstreitigen Sachverhalt in Einklang zu bringen.

Natürlich und unstreitig können, wie bereits oben dargestellt, bereits abgemahnte Pflichtverletzungen nicht mehr als tragender Kündigungsgrund herangezogen werden. Gleichzeitig verlieren Sie aber doch durch die Abmahnung nicht ihre Eigenschaft als Pflichtverletzungen, die bei der Prognose zukünftiger Pflichtverletzungen mit heranzuziehen sind. Anderenfalls wäre im Ergebnis nach klägersicher Ansicht der Ausspruch einer Abmahnung doch tödlich für eine künftige Kündigung. Offensichtlich ist nach ständiger Rechtsprechung und einfacher Logik aber gerade das Gegenteil der Fall: Der Ausspruch einer Abmahnung für ein gleichartiges Fehlverhalten eröffnet bei späterer Wiederholung die negative Prognose und damit die Kündigung. Dazu muss dem Gericht aber die Abmahnung nebst der ihr zugrunde liegenden Pflichtverletzungen vorgetragen werden können. Die Ansicht der Arbeitnehmerin ist hier absolut unvertretbar.

Die Abmahnung vom 02.02.2012 hat sich auch nicht durch Zeitablauf erledigt. Das Arbeitsgericht hatte bereits richtig dargestellt, dass dies der Fall sein könnte, wenn durch langen Zeitablauf die Warnfunktion verloren gegangen wäre. Davon kann hier aber nicht im Ansatz die Rede sein. Feste Fristen für ein zeitliches Ablaufen einer Abmahnung existieren nicht. Jedoch ist die Abmahnung aus dem Februar 2012 bereits 1, 5 Jahre später durch eine erneute Abmahnung aufgefrischt worden. Zudem gab es schon zuvor viele Hinweise auf das vom Arbeitgeber gewünschte Verhalten. Schließlich erfolgte die Kündigung weniger als 2 Jahre nach der ersten Abmahnung. Bei dieser Konstellation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Abmahnung vom Februar 2012 nicht mehr gewirkt habe. Zudem wäre dies nicht einmal unbedingt von Bedeutung, da es noch im August 2013 eine sehr deutliche Abmahnung gegeben hatte.

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Auch zwischenzeitliche Verrechnungen machen eine vergangene Pflichtverletzung nicht ungeschehen. Bei der Verrechnung der Minusstunden mit Urlaub oder Entgelt wird – untechnisch persönlich für die Arbeitnehmerin gesprochen – der durch die bereits vorliegende Pflichtverletzung bei der Arbeitgeberin eingetretene „Schaden“ offensichtlich nur ausgeglichen. Mit der späteren Forderung nach einem Schadensausgleich billigt der geschädigte Arbeitgeber keinesfalls die zum Schaden führende Pflichtverletzung. Der Schadensausgleich ist nur die notwendige Folge einer Pflichtverletzung. Hat die Arbeitnehmerin wiederholt in der Vergangenheit erhebliche Minusstunden angesammelt und übertragen, der Arbeitgeber jedoch das volle Entgelt geleistet, so ist ein Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung eingetreten. Durch den Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung in einem bestimmten Umfang und der Arbeitgeber im Gegenzug zu einer Zahlung in bestimmter Höhe. Hat der Arbeitnehmer nicht voll geleistet, der Arbeitgeber jedoch voll gezahlt, so besteht ein Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers. Diesen Zahlungsanspruch könnte er nun gesondert geltend machen oder aber u.U. eine Verrechnung vornehmen. Allerdings ist eine Verrechnung mit Urlaub ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers gar nicht möglich und eine Verrechnung mit künftigen Entgeltforderungen auch nur unter Beachtung gewisser Grenzen erlaubt. Das Einvernehmen, von dem die Arbeitnehmerin hier spricht, bezog sich damit offensichtlich nur auf den gewählten Verrechnungsweg. Das Einvernehmen, wie der „Schaden“ ausgeglichen wird, ändert doch aber nichts an dem Umstand, dass die Arbeitnehmerin im Arbeitsvertrag zu 40 Stunden je Woche verpflichtet ist. Eine andere Sichtweise geht völlig an der Realität vorbei. Denn die Arbeitgeberin hatte die Arbeitnehmerin immer wieder, auch vor 2013, bis hin zur Abmahnung deutlich darauf hingewiesen, dass sie sich an die Arbeitszeitregelungen halten solle. Teilweise erfolgte die Mitteilung der Verrechnung sogar in demselben Schreiben, in dem eine künftige Einhaltung der Pflichten verlangt wurde. Dem Gericht ist unverständlich, wie die Arbeitnehmerin dies anders sehen kann und meinen kann, sie sei von einem plötzlichen Sinneswandel der Arbeitgeberin überrascht worden.

Im Rahmen der notwendigen Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen, war die Kündigungsentscheidung der Arbeitgeberin nicht zu beanstanden.

Zwar war die Arbeitnehmerin schon durchaus lange bei der Arbeitgeberin seit 1994 beschäftigt. Besondere Störungen im Arbeitsverhältnis vor 2008 sind auch nicht vorgetragen worden. Allerdings ist zugunsten der Arbeitgeberin zu beachten, dass die Arbeitnehmerin von 2008 bis 2013 fortgesetzt gleichartige Pflichtverletzungen gezeigt hatte. Diese betrafen auch nicht nur eine unbedeutende Nebenpflicht, sondern gerade die vertraglich vereinbarte Hauptleistungspflicht. Die Pflichtverletzungen waren auch hier nicht nur marginal. Die Arbeitnehmerin hatte jeweils deutlich um ein Vielfaches die vereinbarte Grenze (10 Minusstunden am Monatsende) überschritten. Trotz zwischenzeitlicher Verrechnungen trat dies immer wieder ein. Selbst Abmahnungen als milderes Mittel zeigten keinerlei Wirkung. Aufgrund der deutlich ansteigenden Drohwirkung der Arbeitgeberin ist es auch nicht zu beanstanden, dass sich die Arbeitgeberin mehrere Jahre bis zur Kündigung Zeit ließ. Insoweit ist der Fall von der Konstellation etwa 15 lapidarer Abmahnungen zu unterscheiden, nach denen eine Kündigung dann als überraschend erscheinen mag.

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Die Arbeitnehmerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Arbeitgeberin hätte eine Weisung zum Abbau von Überstunden erteilen müssen. Genau dies ist doch bereits mit all den Abmahnungen und weiteren Schreiben geschehen. Wobei es in diesem Zusammenhang ohnehin als sonderbar erscheint, wenn die Arbeitnehmerin wohl meinen will, dass ihr eine offensichtliche Pflichtverletzung nicht vorgehalten werden können, wenn man ihr keine Anweisung erteile, dies zu beenden.

Erfolglos bleibt auch der Hinweis auf eine beantragte Arbeitszeitreduzierung. Die Arbeitnehmerin belässt es hier bei der streitigen pauschalen Behauptung, sie habe einen solchen Antrag gestellt. Sie macht jedoch keine Aussage dazu, konkret wann, wie, gegenüber wem mit welchem konkreten Antragsinhalt. Auch fehlt ein Beweisantritt.

Ebenso kann sich die Arbeitnehmerin nicht darauf berufen, dass sie nicht nach 17 Uhr arbeiten durfte. Unstreitig konnte sie es an Tagen der Ausschusssitzung. Zu konkret anderen Anträgen ist substantiiert nichts vorgetragen worden. Allerdings ist auch von besonderer Bedeutung, dass die Arbeitgeberin nicht einfach völlig grundlos ein Arbeiten nach 17 Uhr verweigert hat, sofern es denn einen konkreten Antrag gibt. Aus § 106 GewO folgt das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Allein er legt die Arbeitszeit nach betrieblichen Erfordernissen fest. Es ist kein allgemeines Recht des Arbeitnehmers bekannt, wonach es ihm überlassen wäre, seine Arbeitszeit frei selbst festzulegen. Arbeitsvertraglich hat die Arbeitnehmerin Solches auch nicht vereinbart. Im vorliegenden Fall ist zudem durch die Dienstvereinbarung bindend für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Arbeitszeit geregelt worden. Dort ist 17 Uhr als Ende bestimmt. Der Arbeitgeber hat sich somit nur an eine Vereinbarung gehalten, die für alle gilt. Auch ist nachvollziehbar, dass dies aus gutem Grund erfolgte: Arbeitszeit des Hausmeisters, Abschließen des Gebäudes, Einschalten der Sicherungsanlage, Gleichbehandlung.

Die Arbeitnehmerin kann auch nicht verlangen, dass wieder eine Verrechnung vorgenommen werde. Denn dies würde nichts an der Pflichtverletzung ändern. Die Arbeitnehmerin ist zur Ableistung von 40 Stunden in der Woche verpflichtet. Damit kalkuliert die Arbeitgeberin. Soll die Arbeitgeberin über Rechtsverletzungen hinwegschauen, nur weil es die Möglichkeit des nachträglichen Ausgleichs gibt? Mit dieser Überlegung der Arbeitnehmerin könnte man dann nahezu jede Rechtsverletzung im Staat sanktionslos stellen, weil nahezu immer eine Art Schadensausgleich möglich ist.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg -Vorpommern, Urteil vom 15. Januar 2015 – 5 Sa 219/14