Verlängerung sachgrundlos befristeter Verträge – und die tariflichen Regelungen

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG die höchstens dreimalige Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig.

Verlängerung sachgrundlos befristeter Verträge – und die tariflichen Regelungen

Allerdings kann nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung durch Tarifvertrag abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegt werden. Das ist durch Ziff. 2 Abs. 2 ETV wirksam geschehen.

Eine solche tarifliche Regelung besteht in Ziff. 2 Abs. 2 des von dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. und der IG Metall abgeschlossenen „Ergänzungstarifvertrags über den zulässigen Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse auf Grundlage von § 14 Abs. 2 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)“ vom 26.05.2009 (ETV).

ETV trifft eine Festlegung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG. Die Tarifbestimmung legt abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung auf 48 Monate und die Anzahl der Vertragsverlängerungen auf sechs fest. Die tarifliche Regelung ist wirksam. Sie ist von der gesetzlichen Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt.

Der Wirksamkeit der tariflichen Regelung steht nicht entgegen, dass sowohl die Höchstdauer der Befristung als auch die Anzahl der Verlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt sind. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Höchstdauer der Befristung oder die Anzahl der Verlängerungen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, sondern kumulativ beide Vorgaben abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt werden. Zwar könnte der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG wegen der Verwendung der Konjunktion „oder“ dafür sprechen, dass eine Abweichung von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nur entweder hinsichtlich der Höchstdauer der Befristung oder hinsichtlich der Anzahl der Verlängerungen ermöglicht werden soll. Die Entstehungsgeschichte und insbesondere Sinn und Zweck der Norm gebieten es aber, die Vorschrift nicht nur auf Tarifverträge zu beziehen, die entweder die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG regeln, sondern auch Tarifverträge einzubeziehen, die sowohl zur Höchstdauer als auch zur Anzahl möglicher Vertragsverlängerungen von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG abweichende Bestimmungen enthalten. Nach der Gesetzesbegründung1 wollte der Gesetzgeber Tarifbestimmungen zur Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen vor dem Hintergrund bestimmter, branchentypischer Bedürfnisse zulassen. Diese Möglichkeit soll nach dem verlautbarten Gesetzeszweck auf die Höchstbefristungsdauer und die Höchstzahl der Verlängerungen, und damit kumulativ auf beide Umstände bezogen sein2.

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Die tarifvertragliche Regelung hält sich auch hinsichtlich der vorgesehenen Befristungsdauer und der Anzahl der Vertragsverlängerungen im Rahmen der den Tarifvertragsparteien zustehenden Regelungsbefugnis.

Die den Tarifvertragsparteien mit § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung oder beide Umstände abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut weder hinsichtlich der Höchstdauer noch der Anzahl der Verlängerungen eingeschränkt. Dennoch ist sie nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien3.

Bereits nach dem systematischen Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck des TzBfG ist die Befugnis der Tarifvertragsparteien, sachgrundlose Befristungen zu ermöglichen, nicht völlig schrankenlos. Anderenfalls ergäbe sich ein Wertungswiderspruch insbesondere zu § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Von dieser Bestimmung, nach der eine Befristungsabrede grundsätzlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig ist, kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG auch durch Tarifvertrag nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Daher muss auch ein tariflich geregelter Sachgrund den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG genügen4. Dieses gesetzgeberische Konzept würde konterkariert, wenn die Tarifvertragsparteien völlig unbeschränkt sachgrundlose Befristungen gestatten könnten5.

Für eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis sprechen auch verfassungsrechtliche Erwägungen.

GG garantiert für Arbeitsverhältnisse einen staatlichen Mindestbestandsschutz. Diesen hat der Gesetzgeber für die Befristung von Arbeitsverträgen durch das TzBfG näher ausgestaltet. Ausgehend von dem Grundsatz, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall und das befristete Arbeitsverhältnis die Ausnahme ist6, sollen das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung in § 14 Abs. 1 TzBfG sowie das Festlegen bestimmter Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust des Arbeitsplatzes bewahren7.

Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs, arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum8. Diesem Gestaltungsspielraum entspricht es, zumal in Ansehung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie, wenn der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien ermöglicht, die Voraussetzungen zur Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen in Abweichung seiner Festlegungen zur Höchstdauer und zur Anzahl der Verlängerungen zu regeln. Die mittels der Tarifautonomie herzustellende sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens ist Grundlage der Praxis des Gesetzgebers, in vielen Bereichen den Tarifvertragsparteien Regelungsbefugnisse zuzuweisen, die er aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes den Arbeitsvertragsparteien versagt. Diese gesetzliche Konzeption beruht auf der Annahme, dass Tarifverträge ein größeres „Richtigkeitsvertrauen“ genießen als der Arbeitsvertrag des Einzelnen. Sie bieten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine materielle Richtigkeitsgewähr. Aufgrund des Verhandlungsgleichgewichts der Tarifvertragsparteien ist davon auszugehen, dass die vereinbarten tariflichen Regelungen den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln9. Das gilt grundsätzlich auch für Tarifverträge, die aufgrund der Tariföffnungsklausel des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG geschlossen werden10.

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Gleichwohl sind Fallgestaltungen denkbar, in denen die tarifvertragliche Gestaltung sachgrundloser Befristungen trotz der Vermutung der materiellen Richtigkeit nicht mehr der mit den Regelungen des TzBfG verfolgten Verwirklichung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflicht entspräche. Das bei Anwendung und Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG zu beachtende Untermaßverbot führt daher ebenfalls zu einer Beschränkung der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien11.

Eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis entspricht schließlich auch den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung), deren Umsetzung der befristungsrechtliche Teil des TzBfG dient12.

Aus dem zweiten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, aus ihren Allgemeinen Erwägungen 6 und 8 sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geht hervor, dass feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellen, während befristete Arbeitsverträge nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können13. Die Richtlinie und die inkorporierte Rahmenvereinbarung verlangen daher von den Mitgliedstaaten zur Verhinderung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge die Ergreifung einer oder mehrerer der drei in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat zu einer dieser Maßnahmen oder zu mehreren, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen zu gewährleisten14.

Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 14 Abs. 1 bis Abs. 3 TzBfG für eine Kombination der genannten Maßnahmen entschieden und ua. in § 14 Abs. 2 TzBfG die Zulässigkeit einer Befristung ohne sachliche Gründe in Abhängigkeit von der maximal zulässigen Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge und der Zahl von Verlängerungen solcher Verträge näher ausgestaltet. In diesem Zusammenhang hat er den Tarifvertragsparteien nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die Möglichkeit eröffnet, die an die Höchstdauer und die Höchstanzahl von Verlängerungen anknüpfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen befristeter Arbeitsverträge abweichend vom Gesetz zu regeln15. Bei der Wahrnehmung dieser Regelungsbefugnis ist aber auch von den Tarifvertragsparteien das Ziel der Richtlinie, den Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern, zu beachten. Die gesetzliche Tariföffnungsklausel erlaubt daher keine Tarifverträge, die diesem Ziel erkennbar zuwiderliefen16.

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Die Grenzen der den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis sind durch Ziff. 2 Abs. 2 ETV nicht überschritten. Durch diese Tarifbestimmung werden die zulässige Höchstbefristungsdauer von 24 auf 48 Monate und die Anzahl der zulässigen Vertragsverlängerungen von drei auf sechs erhöht. Die Verdopplung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegten Werte ist weder nach der Systematik und dem Zweck des TzBfG noch aus verfassungs- oder unionsrechtlichen Gründen bedenklich. Durch eine vierjährige sachgrundlose Befristung bei sechsmaliger Verlängerungsmöglichkeit wird die Konzeption des § 14 TzBfG nicht in Frage gestellt, wonach Befristungen grundsätzlich nur mit Sachgrund zulässig sind und sachgrundlose Befristungen nur unter bestimmten Voraussetzungen vereinbart werden dürfen. Eine solche tarifliche Bestimmung führt auch nicht dazu, dass der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht nicht mehr genügt wäre. Der dem Arbeitnehmer zu gewährende Mindestbestandsschutz wird dadurch nicht unterschritten. Die Festlegung dieser Höchstgrenzen für die Gesamtdauer und die Verlängerungsmöglichkeiten sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge ist geeignet, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern. Dies zeigt auch die Regelung in § 14 Abs. 2a TzBfG, die für neu gegründete Unternehmen sachgrundlose Befristungen bis zur Dauer von vier Jahren bei mehrfacher Verlängerungsmöglichkeit gestattet.

Die Arbeitgeberin kann die Befristung auf Ziff. 2 Abs. 2 ETV stützen. Der ETV findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die tarifvertraglichen Voraussetzungen liegen vor.

Der ETV findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

Es sind zwar keine Feststellungen zu einer Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers getroffen. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der ETV für das Arbeitsverhältnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend gilt. Die Parteien haben die Anwendung des ETV aber nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG einzelvertraglich wirksam vereinbart. In dem Vertrag vom 01.07.2010 haben sie geregelt, dass die Verlängerung der Befristung aufgrund von § 14 Abs. 2 TzBfG iVm. dem ETV erfolgt. Zudem galt der ETV aufgrund der Bezugnahme im Arbeitsvertrag vom 25.01.2008.

Die Parteien haben bei Abschluss der streitbefangenen Befristungsabrede – wie auch zuvor bei Abschluss der Verlängerungsvereinbarungen vom 13.01.2009; und vom 17.12 2009 – vereinbart, dass die im Arbeitsvertrag vom 25.01.2008 getroffenen Vereinbarungen weiterhin Gültigkeit haben. Dazu gehört die Vertragsbestimmung, dass auf das Arbeitsverhältnis die aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, soweit der Arbeitnehmer unter deren persönlichen Geltungsbereich fällt.

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Diese dynamische Bezugnahmeklausel erfasst den ETV, der am 26.05.2009 in Kraft getreten ist und bei Abschluss der letzten Verlängerungsabrede am 1.07.2010 noch galt. Der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin unterfielen bei angenommener Tarifgebundenheit dem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des ETV. Sie haben damit iSd. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG „im Geltungsbereich“ des Tarifvertrags dessen Anwendung vereinbart.

Die Bezugnahmeklausel ist wirksam. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Bezugnahmeklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, denn die auf die einschlägigen Tarifverträge bezogene dynamische Bezugnahmeklausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand. Sie verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht iSd. § 305c Abs. 1 BGB überraschend ist17. Bezugnahmeklauseln auf das jeweils gültige Tarifrecht entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit des Arbeitsverhältnisses. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG genügt deshalb der bloße allgemeine Hinweis auf Tarifverträge18.

Eine Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerkes führt auch für sich genommen nicht zur Intransparenz, selbst wenn sie dynamisch ausgestaltet ist. Das Bestimmtheitsgebot als maßgebliche Ausprägung des Transparenzgebots verlangt lediglich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung müssen die geltenden, in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sein19.

Die Bezugnahmeklausel war für den Arbeitnehmer weder unverständlich noch unklar. Welche konkreten tariflichen Regelungen jeweils das Arbeitsverhältnis ausfüllen sollten, war für ihn feststellbar. Die Frage, ob solche tariflichen Bestimmungen nicht Vertragsinhalt werden, die für die Vertragspartner bei Abschluss des Vertrags schlechterdings nicht vorhersehbar waren20, kann hier dahinstehen. Der Arbeitnehmer musste damit rechnen, dass die Tarifvertragsparteien von dem ihnen durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Gestaltungsspielraum Gebrauch machen würden.

Das Arbeitsverhältnis unterfällt dem Geltungsbereich des ETV. Nach Ziff. 1 ETV gilt dieser räumlich und fachlich für die S AG Schaltwerk B und persönlich für Beschäftigte, die in einem nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnis stehen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Arbeitnehmer war bei Inkrafttreten des ETV und bei Abschluss des Verlängerungsvertrags in einem nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnis bei der Arbeitgeberin im Schaltwerk B beschäftigt.

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Die Voraussetzungen von Ziff. 2 ETV sind erfüllt.

Nach Ziff. 2 Abs. 1 ETV konnte ein im Jahr 2010 auslaufendes befristetes Arbeitsverhältnis während der Laufzeit des ETV im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und nach Maßgabe des ETV gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG weiter befristet werden. Dies ist mit der Vereinbarung vom 01.07.2010 geschehen.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien lief aufgrund der am 17.12 2009 vereinbarten Befristung am 31.12 2010 und damit im Jahr 2010 aus. Die weitere Befristung wurde am 1.07.2010, mithin während der Laufzeit des am 31.12 2010 endenden ETV vereinbart. Es ist unerheblich, dass der ETV vor dem Ablauf der Befristung außer Kraft getreten ist. Die Tarifvertragsparteien haben durch die Regelung in Ziff. 3 Abs. 2 ETV klargestellt, dass die während der Laufzeit des ETV gemäß Ziff. 2 vereinbarten Befristungen bis zu ihrem jeweils vereinbarten Ende bestehen bleiben, auch wenn der ETV bereits geendet hat.

Bei der Vereinbarung vom 01.07.2010 handelt es sich um eine Verlängerung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 TzBfG. Es wurde nur die Vertragsdauer geändert, die übrigen bisher geltenden Arbeitsbedingungen wurden beibehalten. Der Hinweis auf den erst nach Abschluss des Ausgangsvertrags in Kraft getretenen ETV ist keine Vertragsänderung. Dieser Hinweis gibt nur wieder, dass der ETV seit seinem Inkrafttreten auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Er dokumentiert nur den zum Zeitpunkt der Verlängerung geltenden Vertragsinhalt21.

Die Befristung entspricht auch im Übrigen den Vorgaben in Ziff. 2 Abs. 2 ETV. Die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von 47 Monaten überschreitet die nach Ziff. 2 Abs. 2 ETV zulässige Höchstdauer nicht. Die Befristung vom 01.07.2010 ist die dritte Verlängerungsabrede.

Der Wirksamkeit der Befristung steht nicht entgegen, dass der ETV bei Abschluss des Ausgangsvertrags am 25.01.2008 noch nicht galt, sondern erst während des Arbeitsverhältnisses am 26.05.2009 in Kraft trat. Die Wirksamkeit einer Befristung richtet sich nach der im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung bestehenden Rechtslage. Das gilt auch für die in einem Verlängerungsvertrag vereinbarte Befristung22. Bei Abschluss des Verlängerungsvertrags am 1.07.2010 fand der ETV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Deshalb kann sich der Arbeitnehmer auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. In eine Rechtsposition des Arbeitnehmers wurde durch den ETV nicht eingegriffen. Der ETV eröffnete lediglich für die Zeit ab seinem Inkrafttreten zusätzliche sachgrundlose Befristungsmöglichkeiten in noch abzuschließenden Verlängerungsverträgen. Der Arbeitnehmer konnte auch nicht darauf vertrauen, dass die Tarifvertragsparteien von dem ihnen durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eingeräumten Gestaltungsspielraum keinen Gebrauch machen würden.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2015 – 7 AZR 272/13

  1. BT-Drs. 14/4374 S. 14[]
  2. vgl. hierzu ausführlich BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 17 bis 22 mwN, BAGE 143, 10[]
  3. BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 23, BAGE 143, 10[]
  4. vgl. BAG 9.12 2009 – 7 AZR 399/08, Rn. 26 mwN, BAGE 132, 344[]
  5. BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 24, BAGE 143, 10[]
  6. vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 12[]
  7. BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 26 mwN, BAGE 143, 10[]
  8. vgl. BVerfG 18.11.2003 – 1 BvR 302/96, zu C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64[]
  9. vgl. BAG 28.03.2006 – 1 ABR 58/04, Rn. 47 mwN, BAGE 117, 308[]
  10. BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 27, BAGE 143, 10[]
  11. BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 28, BAGE 143, 10[]
  12. BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 29, BAGE 143, 10[]
  13. vgl. zuletzt EuGH 26.02.2015 – C-238/14 – [Kommission/Luxemburg] Rn. 36; 26.11.2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 73 mwN[]
  14. EuGH 26.11.2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 74; 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 25 f. mwN; 23.04.2009 – C-378/07 ua. – [Angelidaki ua.] Rn. 94 f. mwN, Slg. 2009, I-3071; BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 30, BAGE 143, 10[]
  15. allgemein zur Regelungsbefugnis richtlinienumsetzenden Rechts durch die Sozialpartner: vgl. zB EuGH 18.12 2008 – C-306/07 – [Ruben Andersen] Rn. 24, Slg. 2008, I-10279; 28.10.1999 – C-187/98 – [Kommission/Griechenland] Rn. 46 mwN, Slg. 1999, I-7713[]
  16. BAG 15.08.2012 – 7 AZR 184/11, Rn. 31, BAGE 143, 10[]
  17. BAG 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, Rn.20 mwN, BAGE 128, 73[]
  18. vgl. BAG 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, Rn. 31 mwN, aaO[]
  19. vgl. BAG 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, Rn. 31 mwN, BAGE 128, 73[]
  20. vgl. dazu BAG 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, Rn. 21 mwN, BAGE 128, 73[]
  21. vgl. hierzu BAG 20.02.2008 – 7 AZR 786/06, Rn. 9 mwN; 23.08.2006 – 7 AZR 12/06, Rn. 11, BAGE 119, 212[]
  22. vgl. BAG 15.01.2003 – 7 AZR 346/02, zu I der Gründe, BAGE 104, 244[]