Versetzung – und die verspätete Unterrichtung des Betriebsrats

Voraussetzung für die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf1.

Versetzung – und die verspätete Unterrichtung des Betriebsrats

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat „vor“ der personellen Maßnahme zu unterrichten und die Zustimmung zu der „geplanten“ Maßnahme einzuholen. Auch der Zweck des Mitbestimmungsrechts macht es grundsätzlich erforderlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer Zeit erfolgt, zu der noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden ist oder eine solche zumindest noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden kann2.

Eine Unterrichtung des Betriebsrats, die erst nach einer, zustimmungsbedürftigen – Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs erfolgt, ist nicht fristgerecht und damit nicht ordnungsgemäß iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG3.

Die bloße Mitteilung der Arbeitgeberin, sie nehme die bereits erfolgte Versetzung „zurück“ und diese erfolge ab sofort nur noch „vorläufig“, bedeutet nicht, dass sie dadurch eine „neue“ Versetzung des Arbeitnehmers geplant hätte, für die ein Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ordnungsgemäß hätte eingeleitet werden können.

Zwar ist der Arbeitgeber nicht gehindert, noch während des Laufs eines von ihm eingeleiteten gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens einen neuen Versetzungsvorgang nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beginnen mit der Folge, dass sich das gerichtliche Verfahren erledigt, wenn er das ursprüngliche Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat zurückzieht. Auch ist es ihm unbenommen, nach (rechtskräftigem) Unterliegen in einem solchen Verfahren die auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme erneut nach Maßgabe von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuleiten und ggf. den Weg des § 99 Abs. 4, § 100 Abs. 2 BetrVG zu beschreiten. Unter diesen Umständen ist es ihm ebenso wenig verwehrt, bereits während eines noch laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens ein weiteres Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat zu richten und bei erneuter Verweigerung der Zustimmung ein eigenständiges Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu betreiben. Der Arbeitgeber kann den Betriebsrat ggf. mehrmals hintereinander um Zustimmung zur Einstellung oder Versetzung desselben Arbeitnehmers auf denselben (neuen) Arbeitsplatz ersuchen. Er kann dementsprechend mehrere Zustimmungsersetzungsverfahren – nacheinander oder auch zeitlich parallel – bei Gericht anhängig machen, weil sie – trotz des gleichen Rechtsschutzziels – prozessual unterschiedliche Verfahrensgegenstände haben. In allen Fällen ist allerdings stets erforderlich, dass der Arbeitgeber von seiner ursprünglichen Maßnahme Abstand genommen und eine neue – eigenständige – Einstellung oder Versetzung eingeleitet hat4.

Weiterlesen:
Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel - und ihre Reichweite

Erfolgt eine Einstellung oder – wie hier – eine Versetzung ohne Beteiligung des Betriebsrats, kann der Arbeitgeber von der bereits durchgeführten personellen Einzelmaßnahme nur Abstand nehmen, indem er die Maßnahme tatsächlich aufhebt. Es genügt nicht, wenn er den Betriebsrat lediglich nachträglich um Zustimmung zur bereits (endgültig) vorgenommenen Einstellung oder Versetzung ersucht oder – wie im Entscheidungsfall – nur mitteilt, er nehme die Versetzung „zurück“ und führe sie nunmehr nur noch „vorläufig“ durch. Dies folgt aus § 101 BetrVG. Danach kann der Betriebsrat die Aufhebung einer personellen Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verlangen, wenn der Arbeitgeber sie ohne seine Zustimmung durchführt. Es widerspräche dem Zweck dieser Norm, wenn der Arbeitgeber den durch den endgültigen Vollzug der personellen Maßnahme begründeten betriebsverfassungswidrigen Zustand durch bloße Nachholung der Betriebsratsbeteiligung beseitigen könnte. Mit der Vorschrift des § 101 BetrVG sollte dem Betriebsrat ein Werkzeug an die Hand gegeben werden, welches gewährleistet, dass der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats achtet und die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung einhält. Dies ist nur sichergestellt, wenn der Arbeitgeber im Fall einer unterbliebenen Beteiligung ein – ordnungsgemäßes – Zustimmungsersuchen allein bei vorheriger Aufhebung der ursprünglichen Maßnahme an den Betriebsrat richten kann5.

Unerheblich ist, dass der Arbeitgeberin nach erfolgter Umorganisation eine Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers auf seinem früheren Arbeitsplatz unmöglich sein dürfte. Der Vollzug einer bereits endgültig durchgeführten Versetzung kann nicht lediglich durch eine „Rückversetzung“ des betroffenen Arbeitnehmers auf seinen bisherigen Arbeitsplatz aufgehoben werden. Entscheidend ist vielmehr, dass der Einsatz des Arbeitnehmers auf seiner ihm zuletzt zugewiesenen Stelle, zumindest vorübergehend bis zur Einleitung eines etwaigen neuen Beteiligungsverfahrens nach § 99 Abs. 1, § 100 Abs. 2 BetrVG – unterbleibt.

Weiterlesen:
Verdachtskündigung eines Betriebsratsmitglieds

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11. Oktober 2022 – 1 ABR 18/21

  1. vgl. BAG 20.10.2021 – 7 ABR 34/20, Rn. 26 mwN; 9.04.2019 – 1 ABR 25/17, Rn. 28 mwN[]
  2. vgl. zur Einstellung BAG 21.11.2018 – 7 ABR 16/17, Rn. 18, BAGE 164, 230[]
  3. vgl. zur Einstellung BAG 21.11.2018 – 7 ABR 16/17 – aaO[]
  4. vgl. BAG 21.11.2018 – 7 ABR 16/17, Rn. 21 mwN, BAGE 164, 230[]
  5. vgl. ausf. BAG 21.11.2018 – 7 ABR 16/17, Rn. 22 f., BAGE 164, 230[]