Dienstvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge und Gesetze auszulegen1. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Parteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt2.

Danach ergibt die Auslegung der im vorliegenden Fall einschlägigen Dienstvereinbarung, dass die Gesamtversorgung zunächst gemäß § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 iVm. den beamtenrechtlichen Grundsätzen – unter Berücksichtigung der §§ 5 und 6 DV Nr. 1, zu ermitteln ist und hiervon die anderen Versorgungsleistungen in Abzug zu bringen sind.
Nach § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 errechnet sich die Höhe der Gesamtversorgung in entsprechender Anwendung der für Beamte des Landes Schleswig-Holstein geltenden Grundsätze. § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 erklärt damit nach seinem Wortlaut nicht das Beamtenversorgungsrecht insgesamt für anwendbar, sondern verweist auf die Grundsätze, nach denen sich die Versorgung der schleswig-holsteinischen Beamten bestimmt. Für die Anwendung dieser Grundsätze enthält die DV Nr. 1 eigenständige, von den Bestimmungen des Beamtenversorgungsrechts abweichende Festlegungen, etwa zum Zahlungszeitpunkt des Versorgungszuschusses (§ 2 DV Nr. 1), zu dem versorgungsfähigen Gehalt und dazu, welche Vergütungsbestandteile hierzu zählen (§ 5 DV Nr. 1), zur Berücksichtigung von Vordienstzeiten (§ 6 DV Nr. 1) und zur Anrechnung von Renten auf die Gesamtversorgung (§ 7 DV Nr. 1). Es sollen daher nicht sämtliche Bestimmungen des Beamtenversorgungsrechts für den Versorgungszuschuss maßgeblich sein; vielmehr soll sich die Versorgung der unter die DV Nr. 1 fallenden Beschäftigten unter Berücksichtigung der in der DV Nr. 1 getroffenen Vorgaben an den grundlegenden Prinzipien orientieren, nach denen sich die Versorgung der Beamten richtet3.
Es gehört seit jeher zu den grundlegenden Prinzipien des Beamtenrechts, dass sich die Versorgung nach der dem zuletzt wahrgenommenen Amt entsprechenden Besoldungsgruppe sowie der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berechnet (vgl. § 4 Abs. 3 BeamtVG; ebenso: § 4 Abs. 3 SHBeamtVG) und ein bestimmter Versorgungsgrad (vgl. § 14 BeamtVG ggf. iVm. § 85 BeamtVG; ebenso: § 16 SHBeamtVG) sichergestellt wird. Eine Versorgung erfolgt nach den Grundsätzen des Beamtenversorgungsrechts und ist deshalb beamtenmäßig, wenn es sich um eine an der zuletzt bezogenen Vergütung und der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit orientierte Versorgung mit einem dem Beamtenversorgungsrecht entsprechenden Versorgungsgrad handelt4. Hiervon geht auch die DV Nr. 1 aus. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 4 Abs. 2 DV Nr. 1, welche die in § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 in Bezug genommenen Grundsätze konkretisiert. Danach sind maßgebende Kriterien für die Festsetzung des Versorgungszuschusses die Dienstjahre, das Gehalt und die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Gruppenversicherung (§ 1 Abs. 1 Buchst. a und b DV Nr. 1). Die Gesamtversorgung soll daher in Abhängigkeit von der zuletzt bezogenen Vergütung und den anrechenbaren Dienstjahren (§ 4 Abs. 3 BeamtVG) festgelegt werden, von der anschließend die nach § 7 DV Nr. 1 anzurechnenden Versorgungsleistungen in Abzug gebracht werden5.
Danach hat die Arbeitgeber von der nach § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 iVm. den beamtenrechtlichen Grundsätzen ermittelten Gesamtversorgung zu Recht die anrechnungsfähige Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Provinzial-Rente gemäß § 7 DV Nr. 1 in Abzug gebracht. Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Vorgaben des § 55 BeamtVG bzw. § 66 SHBeamtVG zur Berechnung der Beamtenversorgung beim Zusammentreffen von Versorgungsbezügen und Renten um einen beamtenrechtlichen Grundsatz iSd. § 4 Abs. 1 DV Nr. 1 handelt. Die beamtenrechtlichen Grundsätze finden nach der DV Nr. 1 nur insoweit Anwendung als die DV Nr. 1 keine Abweichungen vorsieht. Für die Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Anrechnung der Provinzial-Rente enthält § 7 DV Nr. 1 jedoch eine solche Abweichung.
Sowohl Wortlaut als auch die Systematik von § 7 DV Nr. 1 sprechen dafür, dass von der nach den Regelungen der DV Nr. 1 ermittelten Gesamtversorgung die anzurechnenden Renten iSd. § 1 Abs. 1 Buchst. a und b DV Nr. 1 in Abzug gebracht werden. § 7 DV Nr. 1 bestimmt, dass die dort genannten Renten auf die Gesamtversorgung anzurechnen sind. „Anrechnen“ bedeutet „gesondert in Rechnung stellen“ oder „gegen etwas aufrechnen“6 und „etwas mit einbeziehen“ oder „abziehen“7. Zudem wäre die Regelung bei einem anderen Verständnis überflüssig: Wäre eine Anrechnung nach beamtenrechtlichen Regelungen gewollt, hätte es der Vorschrift des § 7 DV Nr. 1 nicht bedurft.
Auch der Zweck der Anrechnung der Renten nach § 1 Abs. 1 Buchst. a und b DV Nr. 1 spricht für dieses Verständnis von § 7 DV Nr. 1. § 55 BeamtVG bzw. § 66 SHBeamtVG einerseits und § 7 DV Nr. 1 andererseits enthalten grundlegend unterschiedliche Anrechnungsregeln. Die beamtenversorgungsrechtlichen Bestimmungen dienen dazu, in Versorgungsfällen mit sog. Mischbiografien – dh. zunächst sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die erst später Beamte werden – eine Doppelversorgung zu verhindern. Die Regelungen beruhen auf der Erwägung, dass die Beamtenversorgung eine volle für die Lebensarbeitszeit bestimmte Alimentation gewährleistet und damit auf Beamte zugeschnitten ist, die ihr gesamtes Erwerbsleben im Beamtenverhältnis verbracht haben8. § 55 BeamtVG und § 66 SHBeamtVG sehen deshalb vor, dass eine Beamtenversorgung neben Renten nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze gewährt wird, die ein vergleichbarer „Nur-Beamter“ erreichen würde. In der DV Nr. 1 wird diesem Zweck dadurch Rechnung getragen, dass in früheren Arbeitsverhältnissen erworbene Sozialversicherungsrenten nach § 7 Satz 2 DV Nr. 1 lediglich hälftig angerechnet werden.
Das vorliegende Verständnis von § 7 DV Nr. 1 führt auch zu einem sachgerechten, am Zweck der mit der DV Nr. 1 zugesagten Gesamtversorgung orientierten Ergebnis. Der Versorgungsanspruch bleibt als Gesamtversorgung iSd. § 1 DV Nr. 1 erhalten. Der Versorgungszuschuss wird abhängig von den ruhegehaltsfähigen Dienstjahren, dem ruhegehaltsfähigen Monatsgehalt sowie den Renten gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a und b DV Nr. 1 ermittelt und damit ein an der Beschäftigungszeit und dem Endgehalt orientiertes Gesamtversorgungsniveau sichergestellt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. März 2015 – 3 AZR 36/14
- BVerwG 3.12 2001 – 6 P 12.00, zu II 1 b aa der Gründe[↩]
- BAG 15.04.2014 – 3 AZR 83/12, Rn. 12 mwN[↩]
- BAG 15.04.2014 – 3 AZR 83/12, Rn. 14[↩]
- vgl. etwa BAG 17.09.2013 – 3 AZR 421/11, Rn. 33; 11.03.2008 – 3 AZR 719/06, Rn. 40; 13.11.2007 – 3 AZR 717/06, Rn. 29[↩]
- BAG 15.04.2014 – 3 AZR 83/12, Rn. 15[↩]
- Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. S. 144[↩]
- Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. S. 155[↩]
- vgl. etwa Brinktrine in Kugele BeamtVG § 55 Rn. 2[↩]