Der prozessualen Verwertung von Beweismitteln, die der Arbeitgeber aus einer in Abwesenheit und ohne Einwilligung des Arbeitnehmers durchgeführten Kontrolle von dessen Schrank erlangt hat, kann schon die Heimlichkeit der Durchsuchung entgegenstehen.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei sind vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat1.
Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine auf ihn gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat2. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft3. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus4.
Die kündigungsrechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Verhaltens hängt – auch soweit es Grundlage eines Verdachts ist – nicht von der strafrechtlichen Bewertung des mitgeteilten Kündigungssachverhalts ab. Entscheidend ist der mit dem Verhalten oder dem Verdacht einhergehende Vertrauensverlust5.
Die Würdigung, ob dem Arbeitnehmer ein Vermögensdelikt zum Nachteil seines Arbeitgebers oder eine ähnlich schwerwiegende Pflichtverletzung anzulasten ist oder ob zumindest ein dahingehender, dringender Verdacht besteht, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung iSd. § 286 ZPO. Diese ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht den Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob eine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist6.
Die Verwertung von Beweismitteln, die der Arbeitgeber aufgrund der in Abwesenheit des Arbeitnehmers und insoweit für ihn heimlich erfolgten Durchsuchung gewonnen hat, ist im Streitfall ausgeschlossen. Dies folgt – sofern sich ein entsprechendes Verbot nicht bereits unmittelbar aus § 32 BDSG ergibt – daraus, dass mit der prozessualen Verwertung der Beweismittel durch Beweiserhebung ein – erneuter bzw. fortgesetzter – Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einherginge, ohne dass ein solcher Eingriff durch überwiegende Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt wäre. Das Verwertungsverbot impliziert ein Erhebungsverbot und schließt es aus, Personen, die die Schrankkontrolle selbst durchgeführt haben oder zu ihr hinzugezogen wurden, als Zeugen zu vernehmen7.
Die Zivilprozessordnung kennt für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein – ausdrückliches – prozessuales Verwendungs- bzw. Verwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt im Gegenteil die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen8. Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindern soll, einer besonderen Legitimation in Gestalt einer gesetzlichen Grundlage9.
Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet10. Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind11. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist12. Dieses Recht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen Rechnung13. Es gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Diesem Schutz dient auch Art. 8 Abs. 1 EMRK14.
Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im BDSG konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig sind15. Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert16.
Gemäß der, zum 1.09.2009 in Kraft getretenen und damit im Streitfall anwendbaren – Bestimmung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Abs. 1 Satz 2 der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
Es spricht viel dafür, dass es sich bei der in Rede stehenden Schrankkontrolle tatbestandlich um eine Datenerhebung iSv. § 32 Abs. 1 BDSG handelt17. Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 Satz 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Um die Gewinnung und Verwertung solcher Daten geht es hier. Die Durchsuchung des dem Arbeitnehmer zugeordneten Spinds hatte zum Ziel, Erkenntnisse über dessen Inhalt zu gewinnen, um festzustellen, ob der Arbeitnehmer im Besitz nicht bezahlter Waren aus dem Bestand der Beklagten war. § 32 BDSG setzt nicht voraus, dass die Datenerhebung zum Zwecke ihrer Nutzung und Verarbeitung in automatisierten Dateien erfolgt. Durch § 32 Abs. 2 BDSG wird die grundsätzliche Beschränkung der Anwendung des dritten Abschnitts des BDSG auf dateigebundene bzw. automatisierte Verarbeitungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 1 BDSG)) ausdrücklich aufgehoben. Die Vorschrift erfasst damit sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Regelungsgehalt die Datenerhebung durch rein tatsächliche Handlungen18.
Im Streitfall kann offen bleiben, ob § 32 BDSG einschlägig ist. Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung des Spinds ergeben sich aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegenüber einer unmittelbar an Art. 2 Abs. 1 GG orientierten Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers keine anderen Vorgaben. Entsprechendes gilt mit Blick auf die Frage, ob der durch § 32 BDSG oder unmittelbar durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz des Persönlichkeitsrechts die prozessuale Verwertung der durch die Spindkontrolle gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel ausschließt. Auf die im Schrifttum umstrittene Frage, ob § 32 BDSG der Durchführung rein präventiver Kontrollen entgegensteht19, kommt es nicht an. Um eine solche Maßnahme handelt es sich hier nicht.
Nach der Gesetzesbegründung sollte die Regelung des § 32 BDSG die bislang von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG orientiert sich im Wortlaut an § 100 Abs. 3 Satz 1 TKG und inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27.03.200320 zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat21. Dementsprechend setzt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten zur „Aufdeckung [einer Straftat] erforderlich ist“. Das verlangt eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten berücksichtigende Abwägung im Einzelfall, so wie sie ua. bei der heimlichen Videoüberwachung eines Arbeitnehmers vorzunehmen ist22. Auch körperliche und sonstige Untersuchungen wie die Kontrolle des persönlichen Schranks des Arbeitnehmers, mitgeführter Taschen oder von Kleidungsstücken stellen grundsätzlich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Da das Persönlichkeitsrecht im Arbeitsverhältnis – jedenfalls außerhalb des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensführung – nicht schrankenlos gewährleistet ist, können solche Eingriffe aufgrund überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Das ist im Rahmen einer Güterabwägung festzustellen23. Mitentscheidend ist die Intensität des Eingriffs24. In diesem Zusammenhang gibt auch das Unionsrecht nichts anderes vor25.
Der persönliche Schrank eines Arbeitnehmers und dessen Inhalt sind Teil der Privatsphäre. Sie sind gleichwohl nicht unter allen Umständen einer Kontrolle durch den Arbeitgeber entzogen. Betroffen ist nicht der absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung, sondern der nur relativ geschützte Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts26. Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – ggf. zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus § 6 Abs. 2 ArbStättV iVm. Nr.04.1 Abs. 3 des Anhangs – einen abschließbaren Schrank zur Verfügung, berührt diese Überlassung auch seine eigenen Belange. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer den Spind nicht bestimmungsgemäß nutzt, möglicherweise darin Gegenstände aufbewahrt, von denen Gefahren ausgehen, die der Arbeitgeber abzuwenden verpflichtet ist. Zum anderen kann es das Vorhandensein von Orten, auf die der Arbeitgeber keinen Zugriff hat, böswilligen Arbeitnehmern erleichtern, Handlungen zum Nachteil des Arbeitgebers oder anderer Mitarbeiter zu begehen. Dass dies uU Kontrollen des Arbeitgebers erforderlich machen kann, muss einem Arbeitnehmer bewusst sein.
Arbeitnehmer müssen gleichwohl darauf vertrauen können, dass ihnen zugeordnete Schränke nicht ohne ihre Einwilligung geöffnet, dort eingebrachte persönliche Sachen nicht ohne ihr Einverständnis durchsucht werden. Geschieht dies dennoch, liegt regelmäßig ein schwerwiegender Eingriff in ihre Privatsphäre vor. Er kann nur bei Vorliegen zwingender Gründe gerechtfertigt sein. Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und zählt der Arbeitnehmer zu dem anhand objektiver Kriterien eingegrenzten Kreis der Verdächtigen, kann sich zwar aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 242 BGB eine Verpflichtung ergeben, Aufklärungsmaßnahmen zu dulden24. Erforderlich iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bzw. verhältnismäßig im Sinne einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann eine Schrankkontrolle aber nur sein, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Dem Arbeitgeber dürfen keine ebenso effektiven, den Arbeitnehmer weniger belastenden Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung stehen. Außerdem muss die Art und Weise der Kontrolle als solche den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren.
Sowohl die Gerichte für Arbeitssachen als auch die ordentlichen Gerichte sind befugt, Erkenntnisse zu verwerten, die sich eine Prozesspartei durch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschafft hat, wenn eine Abwägung der beteiligten Belange ergibt, dass das Interesse an einer Verwertung der Beweise trotz der damit einhergehenden Rechtsverletzung das Interesse am Schutz der Daten überwiegt. Das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen dabei für sich betrachtet nicht aus, dem Verwertungsinteresse den Vorzug zu geben27. Dafür bedarf es zusätzlicher Umstände. Sie können etwa darin liegen, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet28. Die besonderen Umstände müssen gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt ausweisen29.
Nach diesen Grundsätzen billigte das Bundesareitsgerichts im vorliegenden Fall eine zu einem Verwertungsverbot führende Interessenabwägung: Zugunsten des Arbeitgebers kann unterstellt werden, dass zum Zeitpunkt der Schrankkontrolle ein durch objektive – im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu dokumentierende – Tatsachen begründeter Verdacht gegen den Arbeitnehmer bestand, sich Unterwäsche aus dem Bestand des Arbeitgebers rechtswidrig zugeeignet oder zu einer solchen Tat zumindest unmittelbar angesetzt zu haben. Der Eingriff erweist sich auch dann als unverhältnismäßig. Der Arbeitgeber hätte den Arbeitnehmer zur Kontrolle seines Schranks hinzuziehen müssen. Ein Grund, der unter Berücksichtigung der Intensität des Eingriffs eine „heimliche“ Durchsuchung hätte rechtfertigen können, liegt nicht vor.
Eine in Anwesenheit des Arbeitnehmers durchgeführte Schrankkontrolle ist gegenüber einer heimlichen Durchsuchung das mildere Mittel. Die Kontrolle in seinem Beisein gibt dem Arbeitnehmer nicht nur die Möglichkeit, auf die Art und Weise ihrer Durchführung Einfluss zu nehmen. Er kann sie uU – etwa durch freiwillige Herausgabe gesuchter Gegenstände – sogar ganz abwenden. Die verdeckte Ermittlung führt ferner dazu, dass dem Betroffenen vorbeugender Rechtsschutz faktisch verwehrt und nachträglicher Rechtsschutz erschwert wird. Die Heimlichkeit einer in Grundrechte eingreifenden Maßnahme erhöht typischerweise das Gewicht der Freiheitsbeeinträchtigung30.
Der Arbeitgeber hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass eine Kontrolle im Beisein des Arbeitnehmers gegenüber der heimlichen weniger effektiv gewesen wäre. Zwar mögen „ertappte“ Arbeitnehmer im Falle offener Kontrollen einwenden können, sie hätten die bei ihnen aufgefundene, unbezahlte Ware vor Verlassen des Betriebs noch bezahlen wollen. Eine solche Einlassung ist aber auch bei heimlich durchgeführter Kontrolle nicht auszuschließen. Im Streitfall kommt – ausgehend vom eigenen Vorbringen des Arbeitgebers – hinzu, dass die Etiketten der im Besitz des Arbeitnehmers vermuteten Unterwäsche im Abfall der Getränkeabteilung gefunden worden waren. Dies hätte – als wahr unterstellt – eine (mögliche) Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die in seinem Spind gefundene Ware noch bezahlen wollen, ohne Weiteres als Schutzbehauptung entlarvt. Das gilt erst recht, wenn im Betrieb die Anweisung bestanden haben sollte, keinerlei für den Verkauf bestimmte Ware im Spind aufzubewahren. Dagegen kann der Arbeitgeber nicht erfolgreich einwenden, in seinen Märkten würden gelegentlich auch nicht ausgezeichnete Waren zum Verkauf angeboten. Darauf musste es in Anbetracht des vom Arbeitgeber unterbreiteten Geschehensablaufs nicht ankommen.
Die Schrankkontrolle erweist sich auch mit Blick auf die beabsichtigte anschließende Taschen-/Personenkontrolle als unverhältnismäßig. Damit wird nicht eine allgemeine, gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern angeordnete Taschenkontrolle oder eine Videoüberwachung als „milderes Mittel“ angesehen. Es besteht vielmehr ein überschießender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darin, dass die heimliche Schrankkontrolle lediglich der Vorbereitung einer geplanten Taschenkontrolle diente und deshalb nicht zwingend erforderlich war. Vorliegend hatte der Arbeitgeber selbst vorgetragen, er habe abwarten wollen, ob der Arbeitnemer die Ware bis Dienstschluss noch bezahle. Dies kann nur so verstanden werden, dass auch er selbst – aus der maßgebenden Sicht ex ante – in der Ausgangskontrolle das effektivere Mittel erblickt hatte, den Arbeitnehmer zu überführen. Die Schrankdurchsuchung sollte lediglich dazu dienen, die Grundlage für eine passgenaue Taschenkontrolle zu schaffen. Das reicht nicht aus, um den mit der verdeckten Durchsuchung verbundenen intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu rechtfertigen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass Arbeitnehmer in großen Einkaufsmärkten während der Geschäftszeiten in aller Regel – so auch hier – mehrere Möglichkeiten haben, den Arbeitsplatz zu verlassen. Der Arbeitgeber hat nicht dargelegt, weshalb er den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten nicht durch eine intensivere Beobachtung des Arbeitnehmers hätte begegnen können. Eine plausible Begründung dafür, dass sie nicht den Kündigungssachverhalt ebensogut durch eine (Personen-)Kontrolle des Arbeitnehmers beim Verlassen des Marktes und ggf. eine anschließende – offene – Schrankkontrolle hätte aufklären können, hat sie nicht gegeben.
Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dem Arbeitgeber müsse hinsichtlich mehrerer zur Verfügung stehender Aufklärungsmöglichkeiten ein Bewertungsspielraum zugebilligt werden; nicht jeder „Fehlgriff“ dürfe zur Unverhältnismäßigkeit der gewählten Maßnahme führen. Es ist stattdessen nicht Sache des Arbeitgebers, die Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer Arbeitnehmer Schutz vor Eingriffen in ihr Persönlichkeitsrecht beanspruchen können. Wie Sachverhalte zu beurteilen sind, bei denen der Arbeitgeber unter mehreren gleich effektiven Aufklärungsmaßnahmen diejenige ergreift, die den Arbeitnehmer – geringfügig – stärker belastet, bedarf keiner Entscheidung; so liegt der Streitfall nicht.
Ein anderes Abwägungsergebnis wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass die heimliche Spindkontrolle vom Arbeitsgebers mit dem Betriebsrat abgestimmt war und ein Mitglied des Betriebsrates an der Kontrolle teilgenommen haben sollte, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Aus persönlichkeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Sicht ist der Eingriff deshalb nicht weniger intensiv. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Privatsphäre des Arbeitnehmers umso stärker verletzt wird, je mehr Personen ohne sein Einverständnis an dem Eingriff beteiligt sind31.
Eine Beweiserhebung über das Ergebnis der Schrankdurchsuchung war deshalb ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer – wie vom Arbeitgeber behauptet – einer Ausgangskontrolle bewusst entzogen haben sollte. Dies ändert nichts an der Unverhältnismäßigkeit der vom Arbeitgeber ergriffenen Aufklärungsmaßnahmen.
Auf die Frage, ob Personalaufenthaltsräume einschließlich dort vorhandener Schränke als „Wohnung“ iSv. Art. 13 GG zu qualifizieren sind32 und ob die Erkenntnisse aus einer heimlichen Schrankdurchsuchung durch den Arbeitgeber auch mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO einem Verwertungsverbot unterliegen, kommt es nicht an. Ebenso wenig braucht der Frage nachgegangen zu werden, ob die Beklagte ihre Erkenntnisse aus der Schrankkontrolle mitbestimmungswidrig erlangt hat33.
Auch wenn der Arbeitgeber damit den Beweis fällig geblieben ist, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Unterwäsche entwendet hat, folgt daraus nicht notwendig, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliegt, sofern der Arbeitgeber die Kündigung auch auf den Verdacht der rechtswidrigen Entwendung gestützt hat.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12
- BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 17; 10.06.2010 – 2 AZR 541/09, Rn. 26, BAGE 134, 349; jeweils mwN[↩]
- st. Rspr., BAG 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, Rn. 13; 24.05.2012 – 2 AZR 206/11, Rn. 16[↩]
- BAG 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, Rn. 14; 25.11.2010 – 2 AZR 801/09, Rn. 17[↩]
- BAG 24.05.2012 – 2 AZR 206/11, Rn. 17; 29.11.2007 – 2 AZR 724/06, Rn. 30[↩]
- BAG 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, Rn. 15; 24.05.2012 – 2 AZR 206/11, Rn. 18; 25.11.2010 – 2 AZR 801/09, Rn. 17[↩]
- vgl. BAG 18.10.2012 – 6 AZR 289/11, Rn. 43; 24.05.2012 – 2 AZR 206/11, Rn. 29[↩]
- zum Beweiserhebungsverbot vgl. BAG 23.04.2009 – 6 AZR 189/08, Rn. 26, aaO; 10.12 1998 – 8 AZR 366/97, zu II 1 der Gründe[↩]
- BVerfG 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96 ua., Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 13.12 2007 – 2 AZR 537/06, Rn. 37; 27.03.2003 – 2 AZR 51/02, zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356[↩]
- vgl. BAG 13.12 2007 – 2 AZR 537/06 – aaO; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MünchKommZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64[↩]
- BVerfG 13.02.2007 – 1 BvR 421/05, Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202[↩]
- BVerfG 13.02.2007 – 1 BvR 421/05, Rn. 94 mwN, aaO[↩]
- BVerfG 13.02.2007 – 1 BvR 421/05 – aaO; BGH 15.05.2013 – XII ZB 107/08, Rn. 21[↩]
- BVerfG 11.03.2008 – 1 BvR 2074/05 ua. – BVerfGE 120, 378; BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 28[↩]
- BGH 15.05.2013 – XII ZB 107/08, Rn. 14[↩]
- vgl. für das Datenschutzgesetz NRW BAG 15.11.2012 – 6 AZR 339/11, Rn. 16[↩]
- Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1[↩]
- so Brink in jurisPR-ArbR 20/2013[↩]
- Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 32 Rn. 7; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Simitis/Seifert BDSG 7. Aufl. § 32 Rn. 14, 100[↩]
- zum Meinungsstand ErfK/Franzen 13. Aufl. § 32 BDSG Rn. 7; Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 43 Rn. 7[↩]
- BAG 27.03.2003 – 2 AZR 51/02, BAGE 105, 356[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/13657, S. 21[↩]
- statt vieler: Thüsing Anm. zu BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11 – EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; Wybitul BB 2010, 2235; zur Videoüberwachung BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 30; 27.03.2003 – 2 AZR 51/02, zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO[↩]
- BAG 13.12 2007 – 2 AZR 537/06, Rn. 35, 36[↩]
- ErfK/Schmidt 13. Aufl. Art. 2 GG Rn. 100[↩][↩]
- vgl. BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 43[↩]
- zur Abgrenzung vgl. BVerfG 14.09.1989 – 2 BvR 1062/87 – BVerfGE 80, 367; vgl. auch BAG 29.06.2004 – 1 ABR 21/03, zu B I 2 c der Gründe, BAGE 111, 173[↩]
- BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 29[↩]
- BAG 13.12 2007 – 2 AZR 537/06, Rn. 36; BGH 15.05.2013 – XII ZB 107/08, Rn. 22; jeweils mwN[↩]
- BVerfG 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98, zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11 – aaO[↩]
- BAG 26.08.2008 – 1 ABR 16/07, Rn. 21 mwN, BAGE 127, 276[↩]
- vgl. Brink jurisPR-ArbR 20/2013[↩]
- bejahend für nicht allgemein zugängliche Personalaufenthaltsräume Papier in Maunz/Dürig <2013> Art. 13 GG Rn. 11[↩]
- zur Problematik vgl. BAG 13.12 2007 – 2 AZR 537/06, Rn. 26[↩]