Einem Verzugseintritt stehen weder die staatsanwaltschaftliche Pfändung der Forderung noch das im Pfändungsbeschluss gegen die Drittschuldnerin verhängte Zahlungsverbot entgegen.

So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall:
Die Leistung ist insoweit nicht infolge eines Umstandes unterblieben, den die Arbeitgeberin (Drittschuldnerin) nicht zu vertreten hat, § 286 Abs. 4 BGB. Zwar war es der Arbeitgeberin aufgrund des Pfändungsbeschlusses vom 10.11.2016 im Zeitraum zwischen der Zustellung dieses Beschlusses und dem 12.05.2020 nach § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO verboten, die Abfindung an den Arbeitnehmer (Vollstreckungsschuldner) zu leisten. Hierdurch ist ihr die Erfüllung der Abfindungsforderung aber nicht unmöglich geworden, da sie die Möglichkeit der Hinterlegung nach § 372 Satz 2 BGB unter Verzicht auf das Rücknahmerecht (§ 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB) hatte. Dass die Arbeitgeberin davon keinen Gebrauch gemacht hat, führt zu keiner anderen Bewertung.
Nach § 372 Satz 1 BGB kann der Schuldner Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle für den Gläubiger hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzug der Annahme ist. Das Gleiche gilt nach § 372 Satz 2 BGB, wenn der Schuldner aus einem anderen in der Person des Gläubigers liegenden Grund oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann.
Hiernach war die Arbeitgeberin berechtigt, die Abfindung nach deren Pfändung durch die Staatsanwaltschaft G bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle zu hinterlegen.
Dass es sich bei der in Geld geschuldeten Abfindung um eine hinterlegungsfähige Sache iSv. § 372 Satz 1 BGB handelt, steht außer Frage. Die Arbeitgeberin war nach der mit dem Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarung mit Ablauf des 30.11.2016 auch berechtigt, die Abfindungsleistung zu bewirken. Denn der Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers war zu diesem Zeitpunkt fällig und „an sich“ auch erfüllbar1.
Die Arbeitgeberin konnte ihre Verbindlichkeit zudem aus einem in der Person des Gläubigers liegenden Grund iSv. § 372 Satz 2 Alt. 1 BGB nicht erfüllen. Ein solcher Grund liegt anerkanntermaßen auch dann vor, wenn die Forderung mit einem Arrest belegt oder gepfändet, aber – wie hier – nicht zur Einziehung überwiesen ist, da in diesem Fall weder der ursprüngliche Gläubiger noch der Pfändungsgläubiger zur Entgegennahme der Leistung befugt ist2. Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben. Die staatsanwaltschaftliche Pfändung erfolgte nach der Begründung des Pfändungsbeschlusses vom 10.11.2016 und den darin aufgeführten Bestimmungen in Vollziehung eines durch das Amtsgericht G angeordneten dinglichen Arrests nach § 111b Abs. 2 und Abs. 5, §§ 111d, 111e und § 111f Abs. 3 StPO (in der vom 25.07.2015 bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung [aF]). Die Arrestierung auf der Grundlage dieser Bestimmungen zielt allein auf die Sicherung eines dem Verfall oder der Einziehung von Wertersatz unterliegenden Gegenstands. Eine Überweisung der Forderung nach §§ 835 f. ZPO findet und fand nicht statt3.
Der Arbeitgeberin ist wegen der Möglichkeit der Hinterlegung unter Verzicht auf das Rücknahmerecht (§ 372 iVm. § 376 Abs. 2 BGB) die Erfüllung der Abfindungsforderung nicht unmöglich geworden. Die Hinterlegung ist nämlich Erfüllungssurrogat. Ist die Rücknahme ausgeschlossen, wird der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit in gleicher Weise befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung an den Gläubiger geleistet hätte, § 378 BGB4. Auf den Verzug der Arbeitgeberin hat die Pfändung der Abfindungsforderung wegen der Berechtigung der Arbeitgeberin, den gepfändeten Forderungsbetrag nach § 372 BGB unter Verzicht auf das Rücknahmerecht (§ 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu hinterlegen, demnach keine Auswirkung5.
Nach § 288 Abs. 1 iVm. § 247 BGB kann der Arbeitnehmer für die Dauer des in der Zeit vom 01.01.2017 bis zum 12.05.2020 bestehenden Zahlungsverzugs der Arbeitgeberin von dieser Verzugszinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Bruttobetrag der Abfindung, dh. aus 18.000, 00 Euro brutto verlangen6.
Die Arbeitgeberin kann dem Zinsanspruch des Arbeitnehmers nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass nach § 12 Satz 1 ThürHintG hinterlegte Geldbeträge nicht verzinst werden und dem Arbeitnehmer im Fall einer beklagtenseits erfolgten Hinterlegung bei einer Hinterlegungsstelle iSv. § 1 ThürHintG ein Zinsanspruch nicht entstanden wäre. Der vor diesem Hintergrund von der Arbeitgeberin erhobene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens greift nicht durch.
Die Berufung auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, dh. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann grundsätzlich für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwands richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm oder der Vertragspflicht7. Rechtmäßiges Alternativverhalten setzt voraus, dass derselbe Schadenserfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus8.
An diesen Voraussetzungen fehlt es.
Dabei kann offenbleiben, ob gegenüber einem Zinsanspruch aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB überhaupt ein rechtmäßiges Alternativverhalten eingewendet werden kann, was das Thüringer Landesarbeitsgericht in der Vorinstanz9 vor dem Hintergrund ausgeschlossen hat, dass der in § 288 BGB geregelte Verzugszins den Ausgleich eines gesetzlich fingierten Mindestschadens bezweckt, den der Gläubiger ohne Rücksicht darauf erhalten soll, ob und in welcher Höhe ihm tatsächlich ein Schaden entstanden ist10.
Im Streitfall greift der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens bereits deshalb nicht durch, weil im Fall der Hinterlegung des Abfindungsbetrags nach § 372 BGB bei dessen Fälligkeit unter Verzicht auf das Rücknahmerecht (§ 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB) derselbe Schadenserfolg gerade nicht eingetreten wäre.
Hätte die Arbeitgeberin den Abfindungsbetrag bei Fälligkeit der Abfindungsforderung nach § 372 BGB unter Verzicht auf die Rücknahme (§ 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB) bei der zuständigen Hinterlegungsstelle hinterlegt, wäre sie mit der Zahlung der Abfindung nicht in Verzug geraten, ein verzugsbedingter Zinsschaden, für den sie hätte einstehen müssen, wäre nicht entstanden. Die Hinterlegung ist nämlich – wie ausgeführt – Erfüllungssurrogat. Ist die Rücknahme ausgeschlossen, wird – wie ebenfalls bereits ausgeführt – der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit in gleicher Weise befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung an den Gläubiger geleistet hätte, § 378 BGB.
Demgegenüber kann sich die Arbeitgeberin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach § 12 Satz 1 ThürHintG hinterlegte Geldbeträge nicht verzinst werden, der Arbeitnehmer mithin für die hinterlegte Abfindung keine Zinsen hätte beanspruchen können. Insoweit handelt es sich nicht um einen durch einen Verzug herbeigeführten Schaden und damit nicht um denselben (Schadens-)Erfolg wie bei der verzugsbedingten Zinszahlungspflicht. Soweit die Arbeitgeberin meint, der Arbeitnehmer sei hinsichtlich des Anspruchs auf Verzugszinsen nicht schutzwürdig, übersieht sie, dass derartige Überlegungen im Zusammenhang mit Verzugszinsansprüchen grundsätzlich keine Rolle spielen. Sie lässt zudem außer Acht, dass sie für sich eine Besserstellung in Anspruch nimmt, soweit sie meint, aufgrund der Pfändung Zinsen nicht leisten zu müssen, obwohl sie eine Hinterlegung unterlassen hat und mit dem Abfindungsbetrag weiterhin wirtschaften konnte.
Da bei einer Hinterlegung des Abfindungsbetrags bei dessen Fälligkeit unter Verzicht auf die Rücknahme (§ 372 iVm. § 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ein verzugsbedingter Zinsschaden, für den die Arbeitgeberin hätte einstehen müssen, nicht entstanden wäre, kann die Hinterlegung nicht zugleich ein „Alternativverhalten“ im Sinne des in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Zurechnung eines Schadenserfolgs anerkannten Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens sein.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Juni 2023 – 8 AZR 160/22
- zu dieser Voraussetzung vgl. MünchKomm-BGB/Fetzer 9. Aufl. § 372 Rn. 5; Staudinger/Kern [2022] § 372 Rn. 7[↩]
- MünchKomm-BGB/Fetzer 9. Aufl. § 372 Rn. 8; Staudinger/Kern [2022] § 372 Rn. 12; Gernhuber Die Erfüllung und ihre Surrogate 2. Aufl. § 15 II 4[↩]
- zur Vollziehung des Vermögensarrestes nach § 111f StPO nF vgl. MünchKomm-StPO/Bittmann 2. Aufl. § 111f Rn. 9[↩]
- vgl. BGH 9.11.2021 – II ZR 137/20, Rn. 16; 22.02.2007 – IX ZR 2/06, Rn. 21; 10.12.2004 – V ZR 340/03, zu II der Gründe; MünchKomm-BGB/Fetzer 9. Aufl. § 378 Rn. 6[↩]
- vgl. bereits RG 17.10.1901 – VI 209/01 – RGZ 49, 201; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Smid 6. Aufl. § 829 Rn. 65; Zöller/Herget ZPO 34. Aufl. § 829 ZPO Rn.19[↩]
- vgl. BAG 7.03.2001 – GS 1/00, BAGE 97, 150[↩]
- BAG 26.07.2016 – 1 AZR 160/14, Rn. 68, BAGE 155, 347; BGH 10.07.2018 – II ZR 24/17, Rn. 39, BGHZ 219, 193[↩]
- BAG 26.07.2016 – 1 AZR 160/14 – aaO; BGH 19.01.2023 – III ZR 234/21, Rn. 47; 8.08.2022 – KZR 111/18, Rn. 129; 10.07.2018 – II ZR 24/17 – aaO mwN[↩]
- Thür. LAG 22.03.2022 – 1 Sa 241/20[↩]
- zu diesem Zweck vgl. etwa: BAG 24.06.2021 – 5 AZR 385/20, Rn. 34, BAGE 175, 182; 7.03.2001 – GS 1/00, zu III 4 b bb der Gründe, BAGE 97, 150; BGH 26.10.2011 – VIII ZR 30/11, Rn. 12; 27.03.1980 – VII ZR 214/79, zu 2 b der Gründe, BGHZ 77, 60[↩]