Bei einem vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Anspruch auf Weiterbeschäftigung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Arbeitgeberin nach § 888 ZPO durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann1.

Demgegenüber kann sich die Arbeitgeberin nicht mit Erfolg darauf berufen kann, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers (hier: als kaufmännischer Leiter) sei aufgrund der von ihr getroffenen unternehmerischen Organisationsentscheidung entfallen.
Dem steht nicht entgegen, dass im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO zu prüfen ist, ob die zu vollstreckende Handlung unmöglich geworden ist2. Denn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers (hier: als kaufmännischer Leiter) ist der Arbeitgeberin nicht unmöglich.
Die Verhängung von Zwangsmitteln nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass eine Handlung erzwungen werden soll, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Daraus ergibt sich, dass die objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Handlung die Anordnung eines Zwangsmittels ausschließt3. Sofern der Einwand der Unmöglichkeit bereits Gegenstand des Erkenntnisverfahrens bis zum Erlass des Titels war, ist er im Zwangsvollstreckungsverfahren jedoch nicht mehr zu prüfen4.
Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers als kaufmännischer Leiter ist der Arbeitgeberin nicht unmöglich geworden. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich insofern von derjenigen, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.02.2020 zugrunde lag, in der die Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer europaweiten Umstrukturierung des Konzerns entfallen war, die nicht vom Willen der Vertragsarbeitgeberin abhängig war5. Im vorliegenden Verfahren hat die Arbeitgeberin indes behauptet, sie selbst habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, die betrieblichen Abläufe so zu organisieren, dass die Stelle des kaufmännischen Leiters entfallen sei. Sie habe dessen bisherigen Aufgaben auf andere Personen übertragen. Aus dem Vortrag der Arbeitgeberin ergibt sich nicht, dass sie nicht in der Lage wäre, den Betrieb so zu organisieren, dass der Arbeitnehmer als kaufmännischer Leiter beschäftigt werden könnte.
Aus dem Umstand, dass die gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen nur darauf abzielt, Missbrauch zu verhindern, und nicht, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen6, folgt vorliegend nichts Abweichendes. Dieser Umstand hat für die Frage, ob der Arbeitgeberin die Beschäftigung des Arbeitnehmers als kaufmännischer Leiter objektiv oder subjektiv unmöglich ist, keine Bedeutung.
Im Übrigen könnte – wovon das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist – der Einwand, die Beschäftigungsmöglichkeit sei aufgrund einer unternehmerischen Organisationsentscheidung entfallen, im Verfahren nach § 888 ZPO nur berücksichtigt werden, wenn der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit unstreitig oder offenkundig wäre7, was hier nicht der Fall ist.
Der Berücksichtigung eines streitigen und nicht offenkundigen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer unternehmerischen Organisationsentscheidung im Verfahren nach § 888 ZPO stehen die eingeschränkten Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren entgegen8. Grundsätzlich ist im Erkenntnisverfahren festzustellen, welche Verpflichtungen den Schuldner treffen, während im Vollstreckungsverfahren zu prüfen ist, welche Verpflichtungen tatsächlich tituliert worden sind9. Die Entscheidung, ob eine Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer unternehmerischen Organisationsentscheidung entfallen ist, kann umfangreiche und schwierig zu treffende tatsächliche Feststellungen erfordern, die nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden können10. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das arbeitsgerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren in besonderer Weise auf eine Beschleunigung und frühzeitige Durchsetzung der Ansprüche von Arbeitnehmern ausgelegt ist, wie sich aus den die ZPO ergänzenden Sonderregelungen des § 62 Abs. 1 ArbGG ergibt11.
Würde der Einwand des Schuldners, die Beschäftigungsmöglichkeit sei aufgrund einer Unternehmerentscheidung entfallen, im Verfahren nach § 888 ZPO auch dann geprüft, wenn dies streitig und nicht offenkundig ist, bestünde im Übrigen die Gefahr widerstreitender Entscheidungen im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Denn im Erkenntnisverfahren wird auf die Berufung gegen den zu vollstreckenden Weiterbeschäftigungstitel regelmäßig zu prüfen sein, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der titulierten Weise entfallen ist.
Wäre im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO der mögliche Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer unternehmerischen Organisationsentscheidung auch dann zu prüfen, wenn er nicht unstreitig oder offenkundig wäre, würde zudem die Durchsetzung eines Weiterbeschäftigungstitels erheblich erschwert. Die regelmäßig vom Willen des Schuldners abhängige Organisation der betrieblichen Abläufe, durch deren Änderung die Möglichkeit, den Arbeitnehmer in der titulierten Weise zu beschäftigen, wegfallen kann, stünde einer einfachen und zeitnahen Vollstreckung nach § 888 ZPO entgegen. Der Schuldner hätte es – abhängig vom konkreten Arbeitsplatz des Arbeitnehmers – ggf. einseitig in der Hand, das Zwangsvollstreckungsverfahren mit schwierigen Tatsachenfeststellungen zu belasten, die grundsätzlich dem Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben sollten12.
Der Schuldner wird nicht in seinem Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt, wenn der streitige Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit infolge einer Organisationsentscheidung nicht im Verfahren nach § 888 ZPO geklärt wird.
2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip garantiert den Parteien im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz13. Die Gerichte müssen bei der Auslegung und Anwendung der Prozessordnungen das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes verfolgen14.
Der Schuldner kann die aus seiner Sicht weggefallene Möglichkeit, den Arbeitnehmer in der titulierten Weise zu beschäftigen, außerhalb des Verfahrens nach § 888 ZPO prozessual wirkungsvoll geltend machen. Sofern der Schuldner gegen den erstinstanzlichen Weiterbeschäftigungstitel Berufung einlegt, steht es ihm offen, nach § 719 und § 707 ZPO iVm. § 62 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ArbGG die Einstellung der Zwangsvollstreckung zu beantragen. Wenn der Schuldner auf eine Berufung gegen das die Weiterbeschäftigungspflicht titulierende Urteil verzichtet, kann er den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit durch eine unternehmerische Organisationsentscheidung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 767, 769 ZPO geltend machen15. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin vorliegend mit ihrem Antrag nach § 719 und § 707 ZPO iVm. § 62 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ArbGG auf Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolglos geblieben ist, ändert nichts daran, dass grundsätzlich eine wirkungsvolle Rechtsschutzmöglichkeit gegeben ist.
Im Übrigen ist auch die Möglichkeit des Arbeitnehmers, zivilrechtliche Titel im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, durch den Grundsatz der Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip geschützt16. Der Weiterbeschäftigungsanspruch selbst ist ebenfalls grundrechtlich determiniert, denn er findet seine Rechtsgrundlage in § 611 Abs. 1, § 613 BGB iVm. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG ausgefüllt wird17. Die das Verfahren der Zwangsvollstreckung regelnden Bestimmungen sind daher in einer Weise anzuwenden, die den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen beider Parteien gerecht wird.
Die Arbeitgeberin kann sich – wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat – auch nicht mit Erfolg darauf berufen, aufgrund ihres nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gestellten weiteren Auflösungsantrags könne ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO nicht festgesetzt werden. Dem steht nicht entgegen, dass die aus dem Auflösungsantrag folgende Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung begründet18. Bei dem Auflösungsantrag handelt es sich nämlich um eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch, der nicht im Verfahren nach § 888 ZPO, sondern nach § 719 und § 707 ZPO iVm. § 62 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ArbGG geltend zu machen ist19.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. Februar 2023 – 8 AZB 17/22
- BAG 5.02.2020 – 10 AZB 31/19, Rn. 14; 15.04.2009 – 3 AZB 93/08, Rn. 13, BAGE 130, 195[↩]
- vgl. BAG 5.02.2020 – 10 AZB 31/19, Rn. 17[↩]
- BGH 23.09.2021 – I ZB 20/21, Rn. 58; 27.11.2008 – I ZB 46/08, Rn. 13[↩]
- vgl. BAG 15.04.2009 – 3 AZB 93/08, Rn. 25, BAGE 130, 195[↩]
- BAG 05.02.2020 – 10 AZB 31/19; vgl. auch LAG Hamm 6.12.2021 – 12 Ta 378/21[↩]
- BAG 24.09.2015 – 2 AZR 562/14, Rn. 47, BAGE 152, 345[↩]
- vgl. LAG Hamm 6.12.2021 – 12 Ta 378/21, zu II 2 a der Gründe; LAG Schleswig-Holstein 22.11.2018 – 1 Ta 124/18, zu B II 1 e aa (1) der Gründe; Hessisches LAG 6.07.2016 – 10 Ta 266/16, zu II 3 b der Gründe; LAG Baden-Württemberg 9.11.2015 – 17 Ta 23/15, zu II A 2 b bb bbb der Gründe; Hörland jurisPR-ArbR 16/2022 Anm. 7; Horcher NZA 2022, 747, 753; Ahmad/Horcher NZA 2018, 1234, 1238[↩]
- LAG Hamm 6.12.2021 – 12 Ta 378/21, zu II 2 a der Gründe[↩]
- BAG 15.04.2009 – 3 AZB 93/08, Rn. 25, BAGE 130, 195[↩]
- vgl. zur Prüfung, ob das Weisungsrecht ordnungsgemäß ausgeübt wurde BAG 15.04.2009 – 3 AZB 93/08 – aaO[↩]
- BeckOK ArbR/Hamacher Stand 1.12.2022 ArbGG § 62 Rn. 3; Helml/Pessinger/Helml ArbGG 5. Aufl. § 62 Rn. 1; GMP/Schleusener 10. Aufl. § 62 Rn. 1[↩]
- vgl. Hessisches LAG 6.07.2016 – 10 Ta 266/16, zu II 3 b dd der Gründe[↩]
- BVerfG 2.11.2020 – 1 BvR 533/20, Rn. 12 mwN[↩]
- BVerfG 2.12.2014 – 1 BvR 3106/09, Rn. 23, BVerfGE 138, 33[↩]
- vgl. LAG Baden-Württemberg 9.11.2015 – 17 Ta 23/15, zu II A 2 b bb bbb (2) der Gründe; Horcher NZA 2022, 747, 751 ff.[↩]
- vgl. BVerfG 27.04.1988 – 1 BvR 549/87; BGH 15.12.2005 – I ZB 63/05, Rn. 10; Musielak/Voit/Lackmann ZPO 19. Aufl. Vor § 704 Rn. 6[↩]
- grundlegend BAG 27.02.1985 – GS 1/84, zu C I 2 der Gründe, BAGE 48, 122; seither st. Rspr., vgl. nur BAG 1.06.2022 – 5 AZR 407/21, Rn. 17; 24.06.2015 – 5 AZR 462/14 ua., Rn. 34, BAGE 152, 65[↩]
- BAG 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn. 123; 16.11.1995 – 8 AZR 864/93, zu E der Gründe, BAGE 81, 265[↩]
- vgl. Corzelius NZA 2021, 1754, 1757[↩]
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