„Vorübergehende“ Arbeitnehmerüberlassung

Der Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 2 AÜG ist arbeitnehmer-, nicht arbeitsplatzbezogen. Eine vorübergehende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen ist also nicht grundsätzlich verboten.

„Vorübergehende“ Arbeitnehmerüberlassung

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.07.20131 ist auch klargestellt, dass die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz enthält, sondern die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung untersagt. Somit konnte der Betriebsrat unter Hinweis auf diese Bestimmung mit der Begründung eines Gesetzesverstoßes – § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG – ordnungsgemäß widersprechen.

Allerdings war die damit ordnungsgemäß verweigerte Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG gerichtlich zu ersetzen, da durch den auf ein Jahr befristeten Einsatz einer Leiharbeitnehmerin auf einem Arbeitsplatz, für den auf Dauer an der entsprechenden Besetzung ein Bedarf besteht, nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamburg kein Verstoß gegen die Bestimmung aus § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorliegt.

Die Auslegung des Begriffes „vorübergehend“ ist vor einer Entscheidung des BAG in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte2 und der Literatur3 umstritten. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.07.20131 klärt diese Frage noch nicht.

Allerdings wird in dieser Entscheidung zu Recht betont, dass ein Einsatz des Leiharbeitnehmers ohne zeitliche Begrenzung statt einer Stammkraft kein vorübergehender Einsatz mehr ist. Angesichts der früher im AÜG geregelten Höchstbegrenzungen des Einsatzes von Leiharbeitnehmern4 ist jedoch vorliegend eine vorgesehene Überlassung im Umfang von einem Jahr personenbezogen zweifelsfrei nicht von Dauer und damit vorübergehend. Dies wird auch vom Betriebsrat nicht in Abrede gestellt.

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Der Betriebsrat sieht den Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG darin, dass ein – wenn auch begrenzter – Einsatz des Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz erfolgen soll und zwar aus seiner Sicht auch aus Kostenersparnisgründen. Der gesetzgeberischen Intention, eine Aufspaltung der Belegschaft im Entleiherbetrieb in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft zu verhindern, kann so nicht genügt werden. Das Merkmal „vorübergehend“ ist nach dieser Auffassung also arbeitsplatz- und nicht personenbezogen. Eine nur vorübergehende Überlassung liegt also auch dann nicht vor, wenn zwar die Person des Leiharbeitnehmers wechselt, der Arbeitgeber aber den Arbeitskräftebedarf auf einem Dauerarbeitsplatz ausschließlich mit Leiharbeitnehmern deckt5.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg teilt die rechtpolitische Intention, die mit dieser Auffassung verfolgt wird. Kurz gesagt: Es geht um die Eindämmung des Missbrauchs der Leiharbeit, u.a. um Kosten für Stammpersonal zu sparen.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg sieht sich allerdings im Rahmen der bestehenden Regelungen gehindert, eine Umsetzung dieser rechtspolitischen Intention durch Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ zu erreichen. Aus Wortlaut und Systematik sowie der Entstehungsgeschichte der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ergibt sich nicht eine solche Beschränkung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern6. Die Einschränkung des Terminus „vorübergehend“ mittels einer Missbrauchskontrolle iSd. Vorliegens eines anerkennenswerten Grundes für den Einsatz von Leiharbeitnehmern widerspricht bereits dem Wortlaut des auszulegenden Begriffs, der nichts anderes bedeutet als „nicht von Dauer“ und insoweit eine zeitliche Komponente enthält, nicht mehr und nicht weniger. Befristungsketten und Dauerentleihe – personenbezogene Merkmale – sind zu verhindern, denn sie sind geeignet, das u.a. mit Art. 6 Abs. 1 bis 3 RL Leiharbeit verfolgte Ziel, den Zugang der Leiharbeitnehmer zur Beschäftigung im entleihenden Unternehmen zu verbessern, zu erschweren7.

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Die zweckbestimmte Auslegung des Begriffs dagegen führte dazu, zu überprüfen, ob ein Dauerarbeitsplatz betroffen ist, ob es für diesen Dauerarbeitsplatz überhaupt Bewerber auf dem Arbeitsmarkt gibt, ob der Einsatz von Leiharbeitnehmern eigentlich zum Zwecke der Kostenersparnis erfolgt. Beim Wort genommen würde diese Ansicht ergeben, dass selbst eine Vielzahl von kurzfristigen Überlassungen dann nicht mehr vorübergehend ist, wenn damit eine Substitution eines einzelnen festangestellten Arbeitnehmers eintritt8. Dies wird im Übrigen auch bereits vom Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Entscheidung zur Kleinbetriebsklausel9 nicht anders gesehen, wenn es heißt: „Dabei kommt es nicht darauf an, welche Bedeutung der mit Wirkung vom 01.12.2011 in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG aufgenommenen Formulierung zukommt, die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolge „vorübergehend“. Selbst wenn danach nur ein jeweils vorübergehender Einsatz der einzelnen Leiharbeitnehmer als Personen zulässig wäre, könnte durch ihren ständigen Austausch auch ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf abgedeckt werden.“

Das in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG aufgenommene Erfordernis der „vorübergehenden Überlassung“ ist im Ergebnis ebenso auszulegen, wie im Rahmen des früheren § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG10. Jede weitere – zeitliche oder sachliche – Einschränkung ist vom Gesetz nicht intendiert und resultiert auch nicht aus den Vorgaben der RL 2008/104/EG11. Eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung liegt mithin nur dann nicht vor, wenn die Überlassung dauerhaft erfolgt, also wenn die Rückkehr zum Verleiher ursprünglich nicht vorgesehen ist.

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Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 4. September 2013 – 5 TaBV 6/13

  1. BAG 10.07.2013 – 7 ABR 91/11[][]
  2. LAG Düsseldorf 2.10.2012 – 17 TaBV 38/12, LAGE § 1 AÜG Nr. 5; LAG Berlin-Brandenburg 9.01.2013 – 24 TaBV 1868/12[]
  3. Thüsing „Zum Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG“, DB 12, 632, weitere Nachweise bei LAG Berlin-Brandenburg aaO.[]
  4. BAG 24.01.2013 – 2 AZR 140/12, NZA 13, 726[]
  5. LAG Berlin-Brandenburg aaO.[]
  6. LAG Düsseldorf aaO.[]
  7. Hamann Anm. zu LAG Niedersachsen 16.11.2011 – 17 TaBV 99/11, jurisPR-ArbR 13/2012[]
  8. Thüsing aaO S. 633[]
  9. BAG 24.01.2013 – 2 AZR 140/12, NZA 13, 1442[]
  10. ErfK-Wank 13. Aufl.2013 Nr. 12 Einl. AÜG[]
  11. Thüsing aaO. S. 635[]