Wartezeiten im Linienverkehr – und die Pausenregelung für Busfahrer

Ein im Linienverkehr eingesetzter Busfahrer hat nach § 8 Abs. 2 Unterpunkt 3 des Manteltarifvertrag Privater Kraftomnibusverkehr in Baden-Württemberg iVm. § 611 BGB Anspruch auf Vergütung seiner Wartezeiten, soweit es sich nicht um wirksam angeordnete Pausen handelte.

Wartezeiten im Linienverkehr – und die Pausenregelung für Busfahrer

Nach § 8 Abs. 2 Unterpunkt 3 MTV sind „Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten bis zur Dauer von drei Stunden je Arbeitsschicht“ mit 100 % des Stundenlohnes zu vergüten. Hierzu rechnen auch die im Linienverkehr anfallenden Wartezeiten. § 5 Abs. 2 MTV nimmt Wartezeiten im Linienverkehr nicht von der Vergütungspflicht aus. Vielmehr trifft die darin gegebene Begriffsbestimmung auch auf die Wartezeiten im Linienverkehr zu. Zeiten, die während der Arbeitsschicht anfallen, wenn der Arbeitnehmer von jeder beruflichen Tätigkeit freigestellt ist und über seine Zeit frei verfügen kann, gibt es auch im Linienverkehr. Ebenso wenig findet sich im Wortlaut des § 8 MTV ein Anknüpfungspunkt für eine Beschränkung auf den Gelegenheitsverkehr1. Ausgehend von der Überschrift „Begriffsbestimmungen im Gelegenheitsverkehr“ könnte zwar vertreten werden, § 5 Abs. 2 MTV definiere Wartezeiten ausschließlich für den Gelegenheitsverkehr und berechtige so zu der Annahme, außerhalb des Gelegenheitsverkehrs gebe es keine Wartezeiten im tariflichen Sinn. Doch regelt der MTV keine Begriffsbestimmungen allein für den Linienverkehr, eine § 5 MTV entsprechende Regelung für den Linienverkehr fehlt. Vielmehr finden sich ausschließlich im § 5 MTV Erläuterungen zu Begriffen, die auch im Linienverkehr Bedeutung besitzen. Ein Beispiel findet sich in § 5 Abs. 4 MTV. Die dort definierten Pausen gibt es nicht nur im Gelegenheitsverkehr, auch im Linienverkehr sind sie rechtlich geboten und notwendig. Dieser Befund begründet durchgreifende Zweifel, ob überhaupt der Überschrift des § 5 MTV eine die Tarifauslegung bestimmende Bedeutung beigemessen werden kann. Darüber hinaus spricht gegen eine rechtliche Relevanz der Überschrift des § 5 MTV, dass im Abs. 3 der „Liegetag“ definiert wird als eine Wartezeit von 24 Stunden, die „während einer Fahrt im Gelegenheitsverkehr anfällt“. Diese Begriffsbestimmung wäre ohne tieferen Sinn, wenn die Begriffsbestimmungen des § 5 MTV ohnehin und ausschließlich im Gelegenheitsverkehr gölten.

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Besonders deutlich belegt die Verwendung des Begriffs „Wartezeit“ in § 6 Abs. 1 MTV, dass Wartezeiten auch im Linienverkehr anfallen können. So bestimmt § 6 Abs. 1 MTV, dass Schichtzeit „der Zeitraum zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende einschließlich Arbeitsbereitschaftszeiten, Wartezeiten und Pausen“ ist. Daraus folgt, dass zur Schichtzeit auch Wartezeiten gehören. § 6 MTV enthält keine Beschränkung auf den Gelegenheitsverkehr. Vielmehr werden gerade im Linienverkehr Schichtdienste geplant und durchgeführt. Gilt aber § 6 MTV auch für den Schichtdienst im Linienverkehr, folgt daraus, dass auch im Linienverkehr Wartezeiten im tarifrechtlichen Sinne anfallen können.

Der Busfahrer hat nach seiner Darlegung während der von ihm erbrachten Arbeitsschichten Wartezeiten iSv. § 8 Abs. 2 Unterpunkt 3 iVm. § 5 Abs. 2 MTV absolviert. Allerdings steht ihm ein Anspruch auf Vergütung dieser Wartezeiten nur zu, soweit für diese Unterbrechungen der Arbeitsleistung nicht wirksam Pausen angeordnet waren.

Pausen und Wartezeiten können sich zeitlich überschneiden. Während Wartezeiten zu vergüten sind, ist dies bei – wirksam angeordneten – Pausen im Hinblick auf § 8 Abs. 1 MTV nicht der Fall, insoweit besteht keine Vergütungspflicht.

Pausen sind im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann2. Weil sie keine Arbeit, sondern eine Unterbrechung der Arbeit sind, zählen sie nicht zur Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG; BAG 18.11.2009 – 5 AZR 774/08, Rn. 13) und müssen nicht nach § 611 Abs. 1 BGB vergütet werden3.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2015 – 5 AZR 536/13

  1. vgl. BAG 23.10.1991 – 4 AZR 121/91, Rn.20[]
  2. BAG 16.12 2009 – 5 AZR 157/09, Rn. 10[]
  3. BAG 16.12 2009 – 5 AZR 157/09, Rn. 11; 20.04.2011 – 5 AZR 200/10, Rn. 21 mwN, BAGE 137, 366[]