Ansprüche auf Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD-F und auf Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a TVöD-F setzen voraus, dass die Arbeitnehmer im streitgegenständlichen Zeitraum ständig Wechselschichtarbeit iSv. § 7 Abs. 1 TVöD-F geleistet haben.

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Flughäfen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-F) vom 07.02.2006 sieht u.a. folgende Regelungen vor:
§ 7 Sonderformen der Arbeit
1Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. 2Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. 3Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.
…
Nachtarbeit ist die Arbeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr.
…
§ 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit
…
1Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105, 00 Euro monatlich. …
§ 27 Zusatzurlaub
Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 … leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 … zusteht, erhalten
a)) bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate …
einen Arbeitstag Zusatzurlaub.
Demgegenüber sieht § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD-F für ständige Schichtarbeit iSd. § 7 Abs. 2 TVöD-F eine Schichtzulage von nur 40, 00 Euro monatlich vor. Ein Zusatzurlaub von einem Arbeitstag wird bei ständiger Schichtarbeit erst nach vier zusammenhängenden Monaten gewährt.
Wechselschichtarbeit ist im Geltungsbereich des allgemeinen Teils des TVöD (TVöD-AT) die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT). Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird (§ 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT).
Die Regelungen des TVöD-F weichen nicht von diesen Vorschriften des TVöD-AT ab. Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn liegt daher auch im Bereich des TVöD-F nur dann vor, wenn in dem Arbeitsbereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn beispielsweise an Sonn- und Feiertagen in aller Regel keine Schichtarbeit anfällt oder die tägliche Arbeit, sei es auch nur in geringfügiger Form, unterbrochen wird. Unerheblich ist hingegen, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird oder ob in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern arbeitet1. Die Arbeit muss nach einem Dienst- oder Schichtplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten im genannten Sinn vorsieht. Der Beschäftigte muss zur Arbeit in allen Schichtarten eingesetzt werden (zB Früh, Spät- und Nachtschicht im tariflichen Sinn), nicht aber in allen Schichten2. Die Beschäftigten leisten ständig Wechselschichtarbeit, wenn ihnen diese Tätigkeit dauerhaft vom Arbeitgeber zugewiesen ist und die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird. Unterbrechungen in den in § 21 Abs. 1 Satz 1 TVöD-F genannten Fällen der Entgeltfortzahlung sind allerdings unschädlich3.
Ausgehend von diesen Grundsätzen haben im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall beide Arbeitnehmer im streitgegenständlichen Zeitraum keine Wechselschichtarbeit iSv. § 7 Abs. 1 TVöD-F geleistet.
Hinsichtlich des als Busfahrer im Bereich AET beschäftigten Arbeitnehmers kann zwar davon ausgegangen werden, dass in seinem Arbeitsbereich ununterbrochen in Wechselschichten iSv. § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F gearbeitet wird, denn der Bustransport wird unstreitig 24 Stunden täglich gewährleistet. Dementsprechend kann nach Ziff. 2.2 BV-WS im Bereich AET im Bustransport freiwillig Wechselschichtarbeit geleistet werden, welche auch das Zeitfenster von 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr abdeckt. Dieser Arbeitnehmer hat sich hierzu aber nicht bereit erklärt und leistet dementsprechend keine Wechselschichtarbeit iSv. § 7 Abs. 1 TVöD-F.
Wechselschichtarbeit iSv. § 7 Abs. 1 TVöD-AT wird nur dann, wie tariflich verlangt, „geleistet“, wenn der Arbeitnehmer in allen Schichten, die „rund um die Uhr“ geleistet werden, eingesetzt wird. Dies umfasst das Erfordernis, dass die wechselnden Arbeitsschichten „ununterbrochen“ iSv. § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT stattfinden und der Arbeitnehmer in diesen Ablauf integriert ist. Er muss selbst mit seinen individuellen Schichten, zu denen er eingeteilt ist, den kompletten Zeitrahmen „rund um die Uhr“ abdecken4. Nur dann ist er in allen Schichtarten eingesetzt. Erst der Wechsel „rund um die Uhr“ in bestimmten Zeiträumen und die damit einhergehenden Belastungen lösen die Wechselschichtzulage aus5. Das gilt auch im Anwendungsbereich des TVöD-F6. Die Tarifvertragsparteien haben mit ihrer Definition in § 7 Abs. 1 TVöD-F den Begriff der Wechselschicht abschließend und eindeutig formuliert. Danach steht jede Unterbrechung der täglichen Arbeit, sei es auch nur in geringfügiger Form, der Annahme von Wechselschichtarbeit entgegen7.
Der Arbeitnehmer hat keine Bereitschaft zur Wechselschichtarbeit erklärt und wird schon deshalb nicht „rund um die Uhr“ eingesetzt. Seine Einsatzmöglichkeit ist nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (BV-AZ) auf die Zeit von 03:00 Uhr bis 01:00 Uhr des Folgetags . Dies gilt gemäß § 106 Satz 1 GewO auch für das Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Insoweit gebietet die nur zweistündige Unterbrechung der Einsatzmöglichkeit auch nicht nach Sinn und Zweck der Wechselschichtzulage bzw. des Zusatzurlaubs eine Annahme der Leistung von Wechselschichtarbeit. Bei der Wechselschichtzulage handelt es sich um einen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteil, der dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren soll, dass die Wechselschichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirkt und ihr Beginn und ihr Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen8. Eine vergleichbare Belastung ist zwar auch bei einer Arbeitsunterbrechung von 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr zu verzeichnen. Die Tarifvertragsparteien haben aber dem Begriff „ununterbrochen“ in § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F nicht den Sinn beigelegt, dass geringfügige Unterbrechungen unschädlich sein sollen. Wäre dies der Fall, müssten sich aus dem Tarifvertrag Anhaltspunkte dafür ergeben, ab welchem Umfang Unterbrechungen unerheblich sein sollten9. Solche Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Zudem haben die Tarifvertragsparteien die durch den bloßen Schichtdienst entstehenden Belastungen durch Gewährung einer Schichtzulage (§ 8 Abs. 6 TVöD-F) und des Zusatzurlaubs für Schichtarbeit (§ 27 Abs. 1 Buchst. b TVöD-F) berücksichtigt. Schichtarbeit unterscheidet sich von Wechselschichtarbeit gerade dadurch, dass der Arbeitnehmer bei Schichtarbeit zwar in regelmäßigem Wechsel in Arbeitsschichten eingeteilt ist, diese aber nicht „rund um die Uhr“ zu leisten sind10. Die Tarifvertragsparteien haben damit einen differenzierten Belastungsausgleich vorgesehen, der an Wechselschichtarbeit erhöhte Anforderungen stellt, die vorliegend nicht erfüllt sind. Dies ist zu respektieren.
Es kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine Dienstplangestaltung zur Vermeidung von Wechselschichtarbeit durch kurzzeitige Unterbrechungen der Arbeitszeit im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein kann. In der Praxis dürften schon die Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte einen Rechtsmissbrauch verhindern11. Dementsprechend beruht die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitszeit durch die BV-AZ und die BV-WS nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf einem verminderten Arbeitskräftebedarf von 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr, der die Unterbrechung des Regelbetriebs in dieser Zeit rechtfertigt. Ein Rechtsmissbrauch liegt damit im konkreten Fall nicht vor. Dies stellt die Revision auch nicht in Abrede, sondern verweist nur auf ein abstraktes Missbrauchsrisiko.
Der im Frachttransport, Frischwasser- und Toilettenservice beschäftigte, zweite hier klagende Arbeitnehmer hat ebenfalls keine Wechselschichtarbeit iSv. § 7 Abs. 1 TVöD-F geleistet.
Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass er nach Ziff. 1.1 BV-WS dem Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung unterfällt. Dort wird ebenso wie in Ziff. 1 BV-AZ der zum Bereich AET gehörige Frachttransport, Frischwasser- und Toilettenservice genannt, obwohl diese Leistungen nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Zeitraum von 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr nicht erbracht werden und Ziff. 2.2 und 2.3 BV-WS dementsprechend für den Bereich AET einen Bedarf an freiwilliger Wechselschichtarbeit nur für den Bustransport vorsehen. Es wäre dessen ungeachtet möglich, dass im Frachttransport, Frischwasser- und Toilettenservice beschäftigte Arbeitnehmer sich zur freiwilligen Wechselschichtarbeit bereit erklären können und dann ggf. zwischen 01:00 Uhr und 03:00 Uhr in einem Bereich mit Arbeitskräftebedarf eingesetzt werden.
Dieser Arbeitnehmer hat jedoch ebenso wie der erste Arbeitnehmer keine Bereitschaft zur Wechselschichtarbeit erklärt und demzufolge schon deshalb keine Wechselschichtarbeit geleistet. Seine Arbeitszeit bestimmt sich auch bei eröffnetem Geltungsbereich der BV-WS nur nach der BV-AZ. Die Frage, ob der zweite Arbeitnehmer in einem Arbeitsbereich tätig ist, in dem in Wechselschichten nach § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD-F gearbeitet wird, ist daher nicht entscheidungserheblich.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Juni 2021 – 6 AZR 179/20
- BAG 13.06.2012 – 10 AZR 351/11, Rn. 14, BAGE 142, 55; 18.05.2011 – 10 AZR 255/10, Rn. 13; zu § 7 TVöD-K BAG 23.11.2017 – 6 AZR 43/16, Rn. 31; zur Unterbrechung durch Bereitschaftsdienst BAG 11.12.2013 – 10 AZR 480/13, Rn. 16[↩]
- vgl. BAG 26.05.2020 – 9 AZR 129/19, Rn.20; 24.05.2018 – 6 AZR 191/17, Rn. 14, BAGE 163, 47; 13.01.2016 – 10 AZR 792/14, Rn. 16; 16.10.2013 – 10 AZR 1053/12, Rn. 43 f. mwN, Rn. 48; 13.06.2012 – 10 AZR 351/11, Rn. 14, BAGE 142, 55; zu § 7 TV-Charité BAG 20.01.2010 – 10 AZR 990/08, Rn. 11 ff.[↩]
- vgl. zum TVöD-K BAG 24.05.2018 – 6 AZR 191/17, Rn. 13, aaO[↩]
- Burger in HK-TVöD/TV-L 4. Aufl. § 7 Rn. 3; aA Litschen öAT 2019, 199, 201[↩]
- vgl. BAG 24.09.2008 – 10 AZR 140/08, Rn. 13, 15 f.; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Teil B 4.5 § 7 TVöD-F Stand März 2013 Rn. 1 mit Verweis auf die Kommentierung zu § 7 TVöD in Teil B 1 Stand Januar 2021 Rn.06.01. f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 7 Stand November 2012 Rn. 13, 15[↩]
- vgl. BAG 16.10.2013 – 10 AZR 1053/12, Rn. 48[↩]
- vgl. BAG 24.09.2008 – 10 AZR 669/07, Rn. 22, BAGE 128, 29; ebenso zu § 7 TV-Charité BAG 20.01.2010 – 10 AZR 990/08, Rn. 16[↩]
- BAG 24.05.2018 – 6 AZR 191/17, Rn. 13, BAGE 163, 47[↩]
- vgl. BAG 20.01.2010 – 10 AZR 990/08, Rn.20[↩]
- vgl. Conze/Karb/Wölk/Reidel 7. Aufl. Schicht- und Wechselschichtarbeit Rn. 2682[↩]
- vgl. Reinfelder ZTR 2010, 555, 556 zu Ziff. 2.02.01.[↩]
Bildnachweis:
- Flughafen Frankfurt: Mr. Worker | CC0 1.0 Universal