Mit der Formulierung „Zusätzlich zum Grundgehalt wird … eine Weihnachtsgratifikation gezahlt“, wie sie in § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I verwendet wird, begründet der Arbeitgeber typischerweise einen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers.

Die Bezeichnung der Gratifikation als „freiwillige Leistung“ schließt – wovon auch die Arbeitgeberin ausgeht – den Rechtsanspruch auf die Leistung ebenso wenig aus wie die Formulierung „derzeit“1.
Aus der Bezeichnung als „Weihnachtsgratifikation“ in § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I folgt, dass sie zum Ende des laufenden Kalenderjahres fällig wird. Dass sie nicht vor dem 30.11.zu zahlen ist, ergibt sich aus der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsvertrag, wonach die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses beträgt, „sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30.11.eines Jahres weniger als 11 Monate liegen.“
Zur Höhe der Weihnachtsgratifikation bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I, dass diese „jeweils jährlich durch die Arbeitgeberin bekanntgegeben wird und … derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.“ Da nur der „derzeit“, dh. zur Zeit des Vertragsschlusses, ausgekehrte Betrag angegeben ist, der „ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt“, lässt die Regelung erkennbar offen, ob die Gratifikation diese Höhe auch zukünftig erreichen, höher sein oder darunterbleiben wird. Damit kann die Arbeitgeberin die Höhe der Weihnachtsgratifikation einseitig nach billigem Ermessen festsetzen (§ 315 BGB).
Nach der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag hat die Arbeitnehmerin im Juni eines jeden Kalenderjahres Anspruch auf einen Vorschuss auf die Weihnachtsgratifikation von bis zu einem halben Monatsgehalt. Unter einem Vorschuss ist eine Vorauszahlung auf nicht verdienten Lohn zu verstehen. Der Vorschussnehmer erhält Geld für eine Forderung, die entweder noch nicht oder nur aufschiebend bedingt entstanden oder zwar entstanden, aber noch nicht fällig ist2. Die Höhe des Vorschusses, die § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag auf maximal ein halbes Monatsgehalt begrenzt, kann die Arbeitgeberin einseitig nach billigem Ermessen festsetzen (§ 315 BGB).
Dass die vertragliche Regelung der Arbeitgeberin sowohl in Bezug auf den Vorschuss als auch auf die endgültige Höhe der Weihnachtsgratifikation ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB einräumt, ist grundsätzlich zulässig. Höhe und Art einer Sonderzahlung müssen nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Kontrolle3.
Die Bezeichnung des in der Vergütungsabrechnung für Mai 2014 als „Abschl. J-gratifikat.“ ausgewiesenen Vorschusses rechtfertigt nicht die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach die Arbeitgeberin ihr Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die Weihnachtsgratifikation bereits im Mai 2014 mit dem Inhalt ausgeübt habe, dass diese insgesamt ein Monatsgehalt betragen sollte. Mehr als die – konkludente – Erklärung der Arbeitgeberin, im Kalenderjahr 2014 jedenfalls ein halbes Gehalt als Weihnachtsgratifikation auszahlen zu wollen, lässt sich der Vergütungsabrechnung für Mai 2014 nicht entnehmen.
Lohnabrechnungen geben nur die Höhe der aktuellen Vergütung wieder. Sie dokumentieren den konkret abgerechneten Lohn, bestimmen aber nicht den Anspruch4.
Überdies können „Abschläge“ zwar als Geldzahlungen auf den bereits verdienten, aber noch nicht abgerechneten Lohn verstanden werden5. Sie sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie nur vorläufig bis zu einer im Wege der Abrechnung festzustellenden endgültigen Vergütung zu leisten sind, und bilden insoweit lediglich (unselbstständige) Rechnungsposten der abzurechnenden Gesamtleistung, ohne dass sie auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können. Dabei kommt ein Anspruch auf Rückzahlung in Betracht, wenn die geleisteten Abschlagszahlungen nach dem Ergebnis der vereinbarten Endabrechnung einen entsprechenden Überschuss an Abschlagsbeträgen ergeben6. Dies zeigt, dass auch einer Abschlagszahlung – ebenso wenig wie einem Vorschuss – nicht zwingend noch eine weitere Zahlung folgen muss.
Dem vertraglich vereinbarten Recht der Arbeitgeberin zur Leistungsbestimmung steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin in der Vergangenheit stets eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts gezahlt hat. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt – anders als die Revision meint – nicht zu einer Konkretisierung mit der Folge, dass jede andere Ausübung des Ermessens nicht mehr der Billigkeit entspräche7. Andere Umstände hat die Arbeitnehmerin nicht benannt.
Eine den Vertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.
Der Umstand, dass die Arbeitgeberin die Zahlungen in der Vergangenheit vorbehaltlos erbracht hat, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Soweit das Bundesarbeitsgericht erkannt hat, der Arbeitnehmer könne aus der mehrmaligen vorbehaltlosen Auszahlung einer Gratifikation auf ein verbindliches Angebot des Arbeitgebers iSv. § 145 BGB schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten8, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der es an einer ausdrücklichen Vereinbarung fehlte. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin indes durch die vorbehaltlose Zahlung der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses auf diese in den vergangenen Kalenderjahren nicht mehr und nicht weniger getan als die Vereinbarung im Arbeitsvertrag umzusetzen.
Dass der Vorschuss in der Vergangenheit stets mit der Vergütung für Mai abgerechnet und ausgezahlt wurde, ist gleichfalls nicht geeignet, eine den Vertrag abändernde Vereinbarung zu belegen. Nach § 3 Abs. 1 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I ist die Vergütung „zahlbar am 1. des folgenden Monats“. Dementsprechend wurde durch die Abrechnung des Vorschusses zusammen mit der Vergütung für Mai lediglich sichergestellt, dass dieser, wie in § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag vereinbart, tatsächlich „im Juni“ gezahlt wurde.
Die Arbeitnehmerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Arbeitgeberin bei der Zahlung des Vorschusses nicht darauf hingewiesen hat, sie behalte sich die Ausübung des ihr vertraglich eingeräumten Ermessens in Bezug auf die Weihnachtsgratifikation vor. Dass die Höhe der Gratifikation jeweils von der Arbeitgeberin festgesetzt und im Juni ein Vorschuss gezahlt wird, ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 1 Satz 3 und aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitsvertrag idF des Nachtrags I. Der vorbehaltlosen Auszahlung des Vorschusses ohne weiteren Hinweis konnte die Arbeitnehmerin mithin nicht mehr als die konkludente Erklärung der Arbeitgeberin entnehmen, sie habe sich nach Prüfung aller Umstände (auch diesmal wieder) für einen Vorschuss in Höhe eines halben Monatsgehalts entschieden.
Der Klageanspruch kann auch nicht erfolgreich auf eine betriebliche Übung gestützt werden.
Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden9.
Im Streitfall hat die Arbeitgeberin die Entscheidung über die Zahlung und die Höhe der Weihnachtsgratifikation auf der Grundlage des Arbeitsvertrags getroffen. Nach dem Vortrag der Arbeitnehmerin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie das Verhalten der Arbeitgeberin so verstehen durfte, als werde der mit der Vergütung für Mai geleisteten Zahlung unabhängig von der vertraglichen Vereinbarung oder erkennbar aufgrund einer daneben bestehenden anderen Rechtspflicht noch eine weitere Zahlung in derselben Höhe zum Jahresende folgen.
Ob eine einseitige Leistungsfestsetzung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten10. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem er die Ermessensentscheidung zu treffen hat11.
Danach bestanden im hier entschiedenen Streitfall für das Bundesarbeitsgericht keine Bedenken gegen die Billigkeit der von der Arbeitgeberin getroffenen Entscheidung. Die Arbeitgeberin hat im Einzelnen dargelegt, welche wirtschaftlichen Umstände sie zu der im September 2014 getroffenen Entscheidung veranlasst haben, für das Kalenderjahr 2014 insgesamt nur ein halbes Bruttogehalt als Weihnachtsgratifikation zu zahlen. Nach ihren im August 2014 angestellten prognostischen Berechnungen hätte das Betriebsergebnis vor Steuern zum Jahresende im vierstelligen Bereich unter null gelegen, falls zusätzlich zu dem bereits an die Belegschaft gezahlten Vorschuss weitere 320.000, 00 bis 350.000, 00 Euro für die Weihnachtsgratifikation aufgewandt worden wären. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Arbeitgeberin, keine weitere Weihnachtsgratifikation an die Belegschaft zu zahlen, nachvollziehbar. Die Arbeitnehmerin hat weder die prognostischen Berechnungen angegriffen noch hat sie geltend gemacht, ihre Interessen hätten diejenigen der Arbeitgeberin überwogen. Sie hat auch keine sonstigen Umstände vorgetragen, die gegen die Billigkeit der Entscheidung der Arbeitgeberin sprechen würden.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2017 – 10 AZR 97/17
- vgl. BAG 13.05.2015 – 10 AZR 266/14, Rn. 22 mwN[↩]
- BAG 21.01.2015 – 10 AZR 84/14, Rn. 21, BAGE 150, 286[↩]
- BAG 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, Rn. 42 mwN, BAGE 147, 322[↩]
- vgl. BAG 19.10.2011 – 5 AZR 359/10, Rn.19 zur Bezeichnung einer Vergütung als „Tariflohn“[↩]
- BAG 8.12 1998 – 9 AZR 623/97, zu I 4 d der Gründe[↩]
- BGH 23.05.2012 – VIII ZR 210/11, Rn. 10 mwN[↩]
- ebenso zum Direktionsrecht BAG 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, Rn. 26 mwN[↩]
- BAG 13.05.2015 – 10 AZR 266/14, Rn. 18[↩]
- BAG 19.03.2014 – 5 AZR 954/12, Rn. 43 mwN[↩]
- BAG 19.03.2014 – 10 AZR 622/13, Rn. 42, BAGE 147, 322[↩]
- BAG 3.08.2016 – 10 AZR 710/14, Rn. 26 mwN[↩]