Wenn Sicherheitsschuhe nicht getragen werden

Trägt ein Mitarbeiter nicht die gemäß einer Betriebsanweisung vorgeschriebene persönliche Schutzkleidung, kann das zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Wenn Sicherheitsschuhe nicht getragen werden

So hat das Sächsische Landesarbeitsgericht in dem hier vorliegenden Fall eines Arbeitnehmers entschieden, der keine Warnweste getragen hat. Gleichzeitig ist das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau abgeändert worden. Seit dem 7. April 1992 hat der Arbeitnehmer bei einem Hersteller von Zement bzw. dem Rechtsvorgänger gearbeitet. Der dort als Mischmeister beschäftigte Kläger ist Jahrgang 1958. Mit einer Betriebsordnung, der Vereinbarung über die Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der Betriebsanweisung „Tragen der persönlichen Schutzausrüstung“ vom 26.03.2015 hat die Firma Arbeitsschutzvorschriften geregelt. Der Gebietsleiter hat den Kläger am 15. Juni 2015 auf dem Gelände der Mischanlage ohne Warnweste angetroffen. Am gleichen Tag fand deshalb gegen 16:00 Uhr ein Personalgespräch statt. Einen Monat später, am 15.07.2015, erfolgte auf dem Gelände der Mischanlage eine Einweisung in Bezug auf einen neuen Radlader, die der stellvertretende technische Leiter durchführte. Beim Eintreffen des stellvertretenden technischen Leiters trug der Kläger weder eine Warnweste noch Arbeitssicherheitsschuhe.

Allgemein existiert die unterschiedlichste Berufsbekleidung für verschiedene Branchen. Besteht die Berufsbekleidung aus einer speziellen Schutzkleidung, soll diese berufsspezifischen Gefahren und Gesundheitsrisiken vorbeugen. Neben Schutzhelm und Sicherheitsweste sind hier vor allem Sicherheitsschuhe, Schutzhandschuhe, Schutzbrille und schnitt- bzw. feuerfeste Anzüge zu nennen. Eine große Auswahl an passender Bekleidung findet man in gut sortierten Fachgeschäften, die z.T. auch im Internet präsent sind. Besonders im Bereich der Medizin, der Industrie und auch des Handwerks sind oftmals strenge Vorschriften bezüglich der Schutzkleidung zu beachten. Werden diese nicht befolgt, so hat der Arbeitgeber mit rechtlichen Folgen und bei eingetretenen Schäden mit Schadensersatzzahlungen und Bußgeldern zu rechnen. Verweigert ein Arbeitnehmer das Tragen der vorhandenen Schutzkleidung können im Fall eines Schadens Schwierigkeiten mit der Kostenübernahme der Versicherung auftreten.

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Mit Schreiben vom 15.07.2015 hat die beklagte Firma das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 29.02.2016 gekündigt. Gegen diese Kündigung hat sich der Arbeitnehmer mit der Klage gewehrt. Den Antrag zur Klageabweisung hat das Unternehmen damit begründet, dass der Kläger wiederholt erklärt habe, „in seinem Werk“ grundsätzlich Betriebsanweisungen nur zu befolgen, wenn die Anweisungen aus seiner Sicht Sinn gäben. Auch auf Nachfrage habe der Kläger wiederholt, dass er für sich in Anspruch nehme, betriebliche Anweisungen selbst zu prüfen und das Recht habe, diese bei Unsinnigkeit auch zukünftig nicht zu befolgen. Es fehle jegliche Einsicht und es sei daher mit weiteren Pflichtverletzungen zu rechnen.

Das Arbeitsgericht Zwickau1 hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung sei das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 15.07.2015 beendet worden. Es liegen beim Kläger wiederholt beharrliche Verstöße gegen die ihm obliegenden Pflichten vor. Außerdem sei eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Mit dieser Entscheidung war der Kläger nicht einverstanden und hat beim Sächsischen Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt.

In seiner Entscheidung hat das Sächsische Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass gemäß § 626 Abs. 1 BGB ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei kann sich ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 BGB dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer sich beharrlich weigert, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Allerdings genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer eine Weisung des Arbeitgebers nicht befolgt. Eine intensive Weigerung muss zwingend vorliegen. Das Moment der Beharrlichkeit kann allerdings auch schon darin zu sehen sein. Dabei kann nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auch das einmalige Nichtbefolgen einer Anweisung als beharrlich eingestuft werden, wenn das z. B. durch eine vorhergehende erfolglose Abmahnung verdeutlicht worden ist2.

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In diesem Fall hat der Kläger die Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten, nämlich das regelmäßige Anlegen von zur persönlichen Schutzausrüstung gehörenden Kleidungsstücken, beharrlich verweigert. Aufgrund der Betriebsanweisung und der Betriebsordnung war der Kläger zum Tragen u.a. von Warnweste, Arbeitsschutzschuhe und Schutzbrille verpflichtet. Dagegen hat der Kläger nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstoßen. Darüber hinaus stellt es eine besondere Nachhaltigkeit dar, wenn der Kläger dem Arbeitsschutz dienende Betriebsanweisungen der Beklagten infrage stellt und wiederholt ankündigt, Weisungen der Beklagten zu missachten, weil er sie nicht für sinnvoll hält.

Trotzdem stehen nach Meinung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts der Kündigung aus wichtigem Grund Tatsachen entgegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann. So ist der Kläger in besonderer Weise von den Folgen einer Kündigung betroffen aufgrund des hohen Alters. Er ist etwa 57 Jahre. Dieses spricht dafür, dass er erhebliche Schwierigkeiten bei der Vermittlung einer anderen Arbeitsstelle haben könnte. Außerdem war er rund 23 Jahre in dem Betrieb beschäftigt.

Aus diesen Gründen ist die Kündigung vom 15.07.2015 sozial ungerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG. Dagegen ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 15.07.2015 aufgelöst worden. Dabei hat das Sächsische Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass auch eine frühere Kündigung die Funktion einer Abmahnung erfüllen kann, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen für sozialwidrig erachtet worden ist. So hat auch schon das Bundesarbeitsgericht entschieden3.

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So hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und im Übrigen – in Bezug auf die ordentliche Kündigung vom 15.07.2015 – die Berufung zurückgewiesen.

Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Januar 2017 – 5 Sa 85/16

  1. ArbG Zwickau, Urteil vom 27.01.2016 – 8 Ca 1007/15[]
  2. BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2 AZR 580/99[]
  3. BAG, Urteil vom 19.04.2007 – 2 AZR 180/06; Urteil vom 31.08.1989 – 2 AZR 13/89[]