Lässt ein Unternehmen als Vertragsarbeitgeber sein arbeitsvertragliches Weisungsrecht von einem zweiten Unternehmen ausüben und überlässt es diesem insbesondere auch das situationsbezogene „Dirigieren“ der Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall, und ermöglicht das andere Unternehmen seinerseits einem dritten Unternehmen durch diese Steuerung des Personals die Betriebsführung des dritten Unternehmens, liegt eine Arbeitnehmerüberlassung an das zweite Unternehmen vor.

Der durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gewährleistete Schutz darf jedenfalls nicht dadurch umgangen werden, dass die Erteilung arbeitsrechtlicher Weisungen einerseits und die „Betriebseingliederung“ andererseits aufgespalten werden. Das gilt auch im Bereich der Luftfahrt.
§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen einem Entleiher und einem Leiharbeitnehmer als zustandegekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher nach § 9 Abs. 1 AÜG unwirksam ist. Eine solche Unwirksamkeit kann sich nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG daraus ergeben, dass der Verleiher nicht über die nach § 1 AÜG erforderliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt, bzw. seit 01.04.2017 nach näherer Maßgabe des § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG beispielsweise auch daraus, dass entgegen § 1 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 AÜG die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnet ist und die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert worden ist. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass es sich überhaupt um einen Fall von Arbeitnehmerüberlassung handelt. An der Definition dessen, was Arbeitnehmerüberlassung ist, hat sich durch die Neufassung des AÜG mit Wirkung ab dem 01.04.2017 nichts geändert. Es wurden nur die schon bisher in der Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen ausdrücklich in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG aufgenommen.
Eine Überlassung zur Arbeitsleistung liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen1.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Diese ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (den Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfasst2.
Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrags ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und somit den Vertragstyp. Die Vertragspraxis lässt aber nur dann Rückschlüsse auf den wirklichen Geschäftswillen der Vertragspartner zu, wenn die zum Vertragsabschluss berechtigten Personen die vom Vertragswortlaut abweichenden Vertragspraxis kennen und sie zumindest billigen3. Ein Arbeitnehmer, der die vertraglichen Vereinbarungen zwischen seinem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten nicht kennt, muss Tatsachen vortragen, die eine Würdigung rechtfertigen, wonach der Arbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung überlassen ist. Es ist dann Aufgabe des Entleihers, die Tatsachen darzulegen, die gegen das Vorliegen des Tatbestands, den das AÜG als „Überlassung zur Arbeitsleistung“ kennzeichnet, sprechen. Er genügt seiner Darlegungslast, wenn er die eine werkvertragliche Vereinbarung begründenden Tatsachen vorträgt. In diesem Fall ist es nunmehr Sache des Arbeitnehmers, die Kenntnis der auf Seiten der beteiligten Arbeitgeber handelnden und zum Vertragsabschluss berechtigten Personen von der tatsächlichen Vertragsdurchführung vorzutragen4.
Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt. Dafür ist nicht die Häufigkeit, sondern Gewicht und Bedeutung der behaupteten Vertragsabweichung entscheidend5.
Die arbeitsvertragliche Weisungsbefugnis ist von der projektbezogenen werkvertraglichen Anweisung iSd. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterscheiden. Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen und ergebnisorientiert. Sie ist gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht ist demgegenüber personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und weiterhin die Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts ist6.
Legen die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten bereits vorher konkret fest, kann das für das Vorliegen eines Werkvertrags sprechen7. Eine Eingliederung in den Betrieb und die Organisation des Auftraggebers ist nämlich nicht schon dann anzunehmen, wenn Personen im Betrieb des Auftraggebers tätig werden und ihre Dienstleistung und das von ihnen zu erstellende Werk nach Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen Arbeitsprozess eingeplant oder detailliert beschrieben ist. Es genügen auch weder die enge räumliche Zusammenarbeit von Arbeitnehmern im Betrieb noch die Einweisung und Koordination des Fremdfirmeneinsatzes durch Beschäftigte des Betriebsinhabers oder der Umstand, dass die betreffende Tätigkeit bislang von Arbeitnehmern des Beschäftigungsbetriebs ausgeführt wurde und zu bestimmten Zeiten weiterhin durchgeführt wird. Auch aus der Verzahnung mit den dortigen Betriebsabläufen folgt keine Eingliederung8.
Die Vorschriften über den Dienst- oder Werkvertrag schließen nicht aus, dass die zu erbringende Dienstleistung vertraglich hinsichtlich aller Einzelheiten bezüglich Ausführung, Umfang, Güte, Zeit und Ort der Erbringung so detailliert und bestimmt vereinbart wird, dass dem Dienstnehmer hinsichtlich der Erbringung der Dienstleistung kein eigener Entscheidungsspielraum mehr verbleibt. Er ist vertraglich verpflichtet, die Dienstleistung hinsichtlich aller Einzelheiten vereinbarungsgemäß zu erbringen. Davon, dass er die vertraglich geschuldete Leistung erbringt, geht der Besteller aus. Die vertragsgemäß erbrachte Dienstleistung plant er in seine Arbeitsorganisation ein, ebenso wie er die rechtzeitige und vertragsgemäße Zulieferung von Material oder angekauften Vorprodukten einplant. Damit wird aber zunächst nur die vertragsgemäße Dienstleistung als solche in die Planung des Arbeitsablaufs einbezogen. Es kann gleichwohl Aufgabe des Dienstnehmers bleiben, dafür zu sorgen, dass er – in Zusammenarbeit mit seinen Erfüllungsgehilfen – die Leistung vertragsgemäß erbringen kann. Dass er dafür notwendige Einzelanweisungen an seine Arbeitnehmer nicht ausschließlich selbst erbringt, sondern dem Auftraggeber gestattet, ergänzende Weisungen auch unmittelbar seinen Erfüllungsgehilfen zu erteilen, begründet keinen rechtlichen Unterschied, sondern ist nur eine Frage der praktikablen Vertragsdurchführung. Die Erfüllungsgehilfen des Dienstnehmers haben dann diese Weisungen des Auftraggebers nicht deswegen zu erfüllen, weil sie zu diesem in einem Rechtsverhältnis stehen und in dessen Arbeits- und Produktionsprozess eingesetzt sind, sondern weil sie die Arbeitsleistung aus dem zwischen ihnen und dem Dienstnehmer bestehenden Rechtsverhältnis schuldeten9.
Detaillierte Vorgaben sind insbesondere auch dann keine Anhaltspunkte für Arbeitnehmerüberlassung, wenn diese Vorgaben auf normativen Vorgaben beruhen zur Sicherung eines vom Auftraggeber gewünschten Qualitätsstandards. So hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall, der die Vergabe der Dienstleistung „Fluggastkontrollen“ betraf, angenommen, der Umstand, dass die dortige Vertragsarbeitgeberin detaillierte Vorgaben des dortigen Auftraggebers in ihr Stationsprofil übernommen und verschiedene Anweisungen der Auftraggeberin beigefügt habe, spiegele als projektbezogene Anweisung den vom Auftraggeber gewünschten gesetzeskonformen Qualitätsstandard wider. Im Sicherheitsgewerbe bestimme der Auftraggeber regelmäßig, wie die Sicherheitskontrollen durchzuführen seien, und insbesondere bei der Fluggastkontrolle müsse ein hoher, durch eine Vielzahl von Normen geregelter Qualitätsstandard angelegt werden. Die weitgehende Anlehnung der Vertragsarbeitgeberin an die Dienstanweisungen des Auftraggebers indiziere deshalb nicht das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung10. In demselben Urteil hat das Bundesarbeitsgericht es bei seiner Verneinung des Tatbestands der Arbeitnehmerüberlassung für relevant gehalten, dass der dortige Auftraggeber lediglich vorgab, wie viele Mitarbeiter er pro Schicht benötigte, indessen die Auswahl, welcher Mitarbeiter in welcher Schicht eingesetzt wurde, durch den von der Vertragsarbeitgeberin eingesetzten Disponenten erfolgte11.
Muss hingegen der Gegenstand der zu erbringenden Leistung vom „Auftraggeber“ erst noch bestimmt und Arbeit und Einsatz erst noch bindend organisiert werden und richtet sich die vom „Auftragnehmer“ zu erbringende Leistung somit nach dem jeweiligen Bedarf des „Auftraggebers“, so kann darin ein Indiz für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, etwa, wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird. Einem Werkbesteller steht das Recht zu, Anweisungen für die Ausführung des Werks zu erteilen. Davon abzugrenzen ist aber die Ausübung von Weisungsrechten bezüglich des Arbeitsvorgangs und der Zeiteinteilung. Wird die Tätigkeit vom „Besteller“ geplant und organisiert und der „Werkunternehmer“ in einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten „Werks“ faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe7.
Hinsichtlich der Arbeitsmittel gilt: Ein Unternehmer muss einen Dienst- oder Werkvertrag nicht notwendig mit eigenen technischen Mitteln erfüllen12.
LAmtsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 4. Oktober 2022 – 15 Sa 30/21
- vgl. BAG 15.04.2014 – 3 AZR 395/11 20; 18.01.2012 – 7 AZR 723/10 26; 13.08.2008 – 7 AZR 269/07 14 mwN[↩]
- vgl. BAG 27.06.2017 – 9 AZR 133/16 26 und 27; 20.09.2016 – 9 AZR 735/12 29 und 30; BAG 15.04.2014 – 3 AZR 395/11 20[↩]
- vgl. BAG 20.09.2016 – 9 AZR 735/15 31 und 45; 15.04.2014 – 3 AZR 395/11 21[↩]
- vgl. BAG 15.04.2014 – 3 AZR 395/11 22[↩]
- vgl. BAG 27.06.2017 – 9 AZR 133/16 29 mwN[↩]
- vgl. BAG 27.06.2017 – 9 AZR 133/16 28 mwN[↩]
- vgl. BAG 25.09.2013 – 10 AZR 282/12 17[↩][↩]
- vgl. BAG 8.11.2016 – 1 ABR 57/14 15 und Rn.20[↩]
- vgl. BAG 1.10.1991 – 1 ABR 75/90 23: zur Dienstleistung „Durchführung von Überführungsfahrten“[↩]
- vgl. BAG 18.01.2012 – 7 AZR 723/10 33[↩]
- vgl. BAG 18.01.2012 – 7 AZR 723/10 32[↩]
- vgl. BAG 25.09.2013 – 10 AZR 282/12 35[↩]