Wet-Lease in der Luftfahrt – als Arbeitnehmerüberlassung

Das in der Luftfahrt praktizierte Wet-Lease stellt keine Arbeitnehmerüberlassung dar. Die Leasinggeberin überlässt seine Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung, vielmehr erbringt sie Dienstleistungen, die nicht von den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes umfasst sind.

Wet-Lease in der Luftfahrt – als Arbeitnehmerüberlassung

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AÜG kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 AÜG).

Eine den Vorschriften des AÜG unterfallende Überlassung liegt nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vor, wenn der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist und seinen Weisungen unterliegt. Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG ist durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat1.

Von Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfasst2.

Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist von der projektbezogenen werkvertraglichen Anweisung iSd. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterscheiden. Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen und ergebnisorientiert. Sie ist gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht ist demgegenüber personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und weiterhin die Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind3.

Der Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten ist sowohl auf Grundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (vgl. nunmehr § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp. Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt. Dafür ist nicht die Häufigkeit, sondern sind Gewicht und Bedeutung der behaupteten Vertragsabweichung entscheidend4.

Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher als zustande gekommen gilt. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast können jedoch eine Abstufung der Darlegungs- und Beweislast verlangen. Kann eine darlegungspflichtige Partei die erforderlichen Tatsachen nicht vortragen, weil sie außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, genügt das einfache Bestreiten durch den Gegner nicht, wenn dieser die wesentlichen Umstände kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind. Hier kann von ihm das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden. Die Erleichterungen der sekundären Darlegungslast greifen aber nur ein, wenn die darlegungspflichtige Partei alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat und sie dennoch ihrer primären Darlegungslast nicht nachkommen kann5.

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Die Feststellung, ob ein Beschäftigter in einen bestimmten Betrieb eingegliedert ist und den Weisungen des Betriebsinhabers unterliegt, obliegt den Tatsacheninstanzen. Dem Berufungsgericht kommt bei der erforderlichen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die Prüfung in der Revisionsinstanz beschränkt sich deshalb darauf, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat6.

Danach ist im hier entschiedenen Fall das Landesarbeitsgericht Düsseldorf7 zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung knüpft, im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Fluggesellschaft nicht vorliegen. Der Kläger hat nicht den Weisungen der Fluggesellschaft unterlegen. Die Befugnis, Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Arbeitsleistung des Klägers zu bestimmen, lag bei der Leasinggeberin und wurde ab dem 1.11.2017 in Teilen von der EWA GmbH, nicht aber von der Fluggesellschaft ausgeübt. Eines Rückgriffs auf die von der Rechtsprechung entwickelte sog. Geprägetheorie8 bedarf es im Streitfall nicht.

Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Leasinggeberin und der Fluggesellschaft geben keinen Anhaltspunkt dafür, dass das der Leasinggeberin als Arbeitgeberin des Klägers zustehende Weisungsrecht auf die Fluggesellschaft übertragen werden sollte. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

Der zwischen der Leasinggeberin Leasinggeberin und der Fluggesellschaft unter dem 25.10.2017 geschlossene ACMIO RV räumt der Fluggesellschaft nicht das Recht ein, dem Kläger Weisungen zu erteilen. Die Bestimmungen des ACMIO RV haben in der Mehrzahl Bezug auf die geleasten Flugzeuge. Soweit der Vertrag Regelungen bezüglich der Besatzung vorsieht, handelt es sich um Absprachen der Vertragsparteien, die der Annahme entgegenstehen, die Fluggesellschaft sei befugt, Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit des Klägers einseitig festzulegen.

Soweit aufgrund des Flugplans mittelbar Arbeitszeiten und Arbeitsort der Crewmitglieder festgelegt werden, erfolgt dies nicht kraft einseitigen Bestimmungsrechts seitens der Fluggesellschaft, sondern aufgrund einer vertraglichen Absprache in einem ACMIO KV, den für jedes Flugzeug abzuschließen sich die Vertragsparteien verpflichtet haben (vgl. Nr. 12.2 Satz 4 ACMIO RV). Für die ersten zwei Monate seiner Laufzeit liegen dem zwischen der Leasinggeberin und der Fluggesellschaft abgeschlossenen ACMIO KV für jedes Flugzeug die Flugpläne bei (vgl. Nr. 8.1 Satz 1 ACMIO RV). Jeder anschließende Flugplan bedarf einer gesonderten Vereinbarung der Vertragsparteien (vgl. Nr. 8.1 Satz 2 ACMIO RV). Jede Änderung des Flugplans oder eines einzelnen Fluges einschließlich ua. der geplanten Abflug- oder Ankunftszeit, der Wartungsstellen, der Routen, des Umlaufs sowie der Art des einzelnen Flugzeugs kann von der Fluggesellschaft nicht einseitig bestimmt werden, sondern ist von ihr bei der Leasinggeberin vorab schriftlich anzufordern (vgl. Nr. 8.2 Satz 1 ACMIO RV). Die Leasinggeberin hat in einem solchen Fall lediglich die Verpflichtung, wirtschaftlich vertretbare Anstrengungen zu unternehmen, um diese Anforderung zu erfüllen. Eine Weisungsbefugnis der Fluggesellschaft gegenüber dem bei der Leasinggeberin beschäftigten Personal liegt hierin ebenso wenig wie in den Bestimmungen über das Personal in Nr. 13 ACMIO RV. Nach Nr. 13.01.2 Satz 2 ACMIO RV fällt es in die Zuständigkeit der Leasinggeberin, das auf den Flugzeugen eingesetzte Personal auszubilden. Die Bestimmung des Nr. 13.01.3 Satz 1 ACMIO RV, der zufolge die Leasinggeberin „bestätigt“, dass die Kabinenprodukte einschließlich der Uniformen der Fluggesellschaft „zum Zeitpunkt dieses Vertrages“ den geltenden tarif- und arbeitsvertraglichen Vorgaben entsprechen, gibt der Fluggesellschaft nicht das Recht, die bei der Leasinggeberin beschäftigten Arbeitnehmer anzuweisen, während des Dienstes bestimmte Uniformen zu tragen. Vielmehr beruht diese Verpflichtung allein auf der genannten Vertragsbestimmung, deren Umsetzung gegenüber dem fliegenden Personal der Leasinggeberin und nicht der Fluggesellschaft oblag. Soweit die Fluggesellschaft in Nr. 13.01.6 ACMIO RV die Verpflichtung übernommen hat, sich auf eigene Kosten um den Transport des Personals zwischen dem Hotel und den Personalräumen „zu kümmern“, handelt es sich hierbei im Wesentlichen um eine Kostenregelung, ohne der Fluggesellschaft das Recht einzuräumen, die Unterbringung eines Mitarbeiters in einem bestimmten Hotel anzuweisen.

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Die Bestimmungen des ACMIO RV zielen vielmehr darauf ab, das Weisungsrecht der Leasinggeberin ihren Mitarbeitern gegenüber unangetastet zu lassen. So bestimmt Nr. 6.2 ACMIO RV, dass jedes Mitglied des Personals an Bord des Flugzeugs den Anweisungen des Kapitäns hinsichtlich des sicheren Betriebs des Flugzeugs Folge zu leisten hat. In dieselbe Richtung weisen die Vereinbarungen unter Nr. 13.2 und 13.3 ACMIO RV. Nach Nr. 13.02.1 Satz 1 ACMIO RV stellt die Leasinggeberin die Cockpitbesatzung, die bei der Beklagten angestellt bleibt, und sie allein ist berechtigt, der Besatzung Anweisungen zu erteilen. Eine ähnliche Vorschrift findet sich in Nr. 13.03.1 Satz 1 ACMIO RV. Danach stellt die Leasinggeberin das Kabinenpersonal, das bei allen Flügen Mitarbeiter bzw. Vertragsarbeiter der Leasinggeberin bleibt. Die Vertragskonzeption, die der Leasinggeberin und nicht der Fluggesellschaft die Steuerung der auf den Flügen eingesetzten Mitarbeiter zuweist, spiegelt sich zudem in den Bestimmungen wider, die Unterrichtungs- und Informationsrechte der Vertragsparteien regeln. Nach Nr. 21.1 ACMIO RV hat die Leasinggeberin die Fluggesellschaft unverzüglich zu unterrichten, wenn Personal nicht verfügbar ist. Wäre es Sache der Fluggesellschaft und nicht die der Leasinggeberin, das Personal zu steuern, wäre eine solche Klausel nicht erforderlich, da die Fluggesellschaft diesbezüglich über eigene Kenntnis verfügte.

Ein anderer Schluss lässt sich auch nicht daraus ziehen, dass die Vertragsparteien in Nr. 13.03.1 ACMIO RV eine Nr. 13.02.1 Satz 1 ACMIO RV entsprechende Vorschrift nicht aufgenommen haben. Fehlt in einem Vertrag, in dem die Parteien – wie in dem vorliegenden – ihre Rechtspositionen detailliert regeln, eine Vereinbarung, der zufolge die eine Vertragspartei ihr zustehender Rechte auf den Vertragspartner überträgt, ist daraus im Zweifel zu schließen, dass die Rechtspositionen – hier das Weisungsrecht – bei demjenigen verbleiben, dem sie ursprünglich zugewiesen sind. Das ist hier die Leasinggeberin.

Soweit Nr. 13.03.5 ACMIO RV bestimmt, das „Kabinenpersonal des Leasingnehmers“ befolge das Kabinenservicekonzept der Fluggesellschaft, handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen. Gemeint ist das Kabinenpersonal der Leasinggeberin, wie sich aus Nr. 13.03.1 ACMIO RV ergibt. Danach wird das Kabinenpersonal nicht von der Fluggesellschaft, sondern allein von der Leasinggeberin gestellt. Im Übrigen wäre es sinnwidrig, in einem Wet-Lease-Vertrag wie dem vorliegenden, der auf die Verschaffung eines mit Besatzung versehenen Flugzeugs und die Erbringung anderer Leistungen gerichtet ist, eine Klausel aufzunehmen, die den Umgang des Leasingnehmers mit seinen eigenen Mitarbeitern regelte. Selbst wenn man dies annehmen wollte, behandelte die Regelung keine Weisungsrechte der Fluggesellschaft gegenüber Mitarbeitern der Leasinggeberin, sondern lediglich die Befugnis der Fluggesellschaft, ihren eigenen Mitarbeitern Weisungen zu erteilen.

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Die Regelung in Nr.19.6 ACMIO RV, der zufolge die Fluggesellschaft „für besondere Anweisungen hinsichtlich des Inhalts und der Form (… ihrer) Durchsagen an Bord“ „sorgt“, räumt der Fluggesellschaft gegenüber der Leasinggeberin die Befugnis ein, auf den Inhalt der Durchsagen Einfluss zu nehmen. Ein Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern der Leasinggeberin folgt daraus nicht. Das Direktionsrecht verbleibt vielmehr bei der Leasinggeberin, die aufgrund der genannten Bestimmung gegenüber der Fluggesellschaft verpflichtet ist, ihre Mitarbeiter entsprechend anzuweisen. Eine „Weisung über Dritte“ unterfällt nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, dessen Tatbestand verlangt, dass dem Entleiher im Verhältnis zum Arbeitnehmer das Recht zukommt, ihm Weisungen zu erteilen, die ansonsten dem Vertragsarbeitgeber vorbehalten sind.

Auch die ACMIO KV, die die Leasinggeberin und die Fluggesellschaft auf der Grundlage des ACMIO RV schlossen (vgl. Nr. 12.2 Satz 4 ACMIO RV), regeln kein Weisungsrecht der Fluggesellschaft Das Muster, das sie hierzu verwendeten (vgl. Anlage 1 zum ACMIO RV), enthält ausschließlich Regelungen zum geleasten Flugzeug, nicht aber solche, die Mitarbeiter und etwaige Rechte der Fluggesellschaft ihnen gegenüber zum Gegenstand hätten.

Der unter dem 3.11.2017 geschlossene Dienstleistungsrahmenvertrag zwischen der Leasinggeberin und der EWA GmbH räumt der Fluggesellschaft keine Rechte, insbesondere keine Weisungsrechte gegenüber den Mitarbeitern der Leasinggeberin ein. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.

Mit dem Dienstleistungsrahmenvertrag schufen die Leasinggeberin und die EWA GmbH im Jahr 2017 die rechtliche Grundlage für kommerzielle, administrative und operative Dienstleistungen der EWA GmbH (vgl. Nr. 1 DLRV), die mittels gesonderter Vereinbarung in sog. Leistungsscheinen (vgl. Nr. 2 Satz 4 und Satz 9 sowie Nr. 3 Satz 3 DLRV) spezifiziert werden sollten. In der Folgezeit lagerte die Leasinggeberin sowohl mit den Leistungsscheinen „Crew Planning“ als auch mit den Leistungsscheinen „Crew Control“ Teile der Arbeitsorganisation auf die EWA GmbH aus. So war die EWA GmbH verpflichtet, für die Mitarbeiter der Leasinggeberin verschiedene Meetings betreffend „Operations“, „Training Planning“ und „Flight Plan Evaluation“ anzuberaumen und durchzuführen (vgl. Nr. 3 Buchst. a Leistungsschein „Crew Planning“), monatlich individuelle Einsatzpläne für die Kabinen- und Cockpitmitarbeiter (vgl. Nr. 3 Buchst. b Leistungsschein „Crew Planning“), Urlaubspläne zu erstellen (vgl. Nr. 3 Buchst. c Leistungsschein „Crew Planning“) sowie Schulungen und Dienstreisen der Mitarbeiter zu planen (vgl. Nr. 3 Buchst. d Leistungsschein „Crew Planning“). In den Leistungsscheinen „Crew Control“ übernahm die EWA GmbH die Aufgabe, die Besatzungen hinsichtlich „Legalität, Sicherheit, Effizienz und Pünktlichkeit“ zu kontrollieren (vgl. Nr. 3 Buchst. a Leistungsschein „Crew Control“), Proceedings zu buchen und zu kontrollieren (vgl. Nr. 3 Buchst. b Leistungsschein „Crew Control“), die Crew zu informieren (vgl. Nr. 3 Buchst. c Leistungsschein „Crew Control“) sowie Crew Unregelmäßigkeiten zu erfassen und weiterzuverarbeiten (vgl. Nr. 3 Buchst. d Leistungsschein „Crew Control“). Sowohl im Leistungsschein „Crew Planning“ (vgl. Nr. 3 Leistungsschein „Crew Planning“) als auch im Leistungsschein „Crew Control“ (vgl. Nr. 3 Leistungsschein „Crew Control“) stellten die Vertragsparteien klar, dass sämtliche diesbezüglichen Entscheidungen ausschließlich bei der Leasinggeberin liegen.

Das Bundesarbeitsgericht braucht nicht darüber zu befinden, ob die Leasinggeberin mit Abschluss des Dienstleistungsrahmenvertrags oder der hierauf beruhenden Leistungsscheine Teile des ihr als Arbeitgeberin zustehenden Weisungsrechts auf die EWA GmbH übertragen hat. Die EWA GmbH, die mit der Fluggesellschaft nicht personenidentisch ist, ist alleinige Vertragspartnerin der Leasinggeberin. Umstände, die darauf schließen ließen, dass die Erklärungen, die die EWA GmbH im Hinblick auf den Abschluss der verschiedenen Vertragswerke abgab, für und wider die Fluggesellschaft wirkten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Anhaltspunkte hierfür sind auch weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt insbesondere für eine rechtsgeschäftliche Vertretung der Fluggesellschaft durch die EWA GmbH bei Vertragsabschluss (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es finden sich keine Indizien dafür, dass die EWA GmbH als bevollmächtigte Vertreterin der Fluggesellschaft aufgetreten wäre. Der Umstand, dass sowohl die EWA GmbH als auch die Fluggesellschaft einem Konzern angehören, rechtfertigt nicht die Annahme, Rechte, die die Leasinggeberin – möglicherweise – auf die EWA GmbH übertragen hat, ständen damit auch der Fluggesellschaft zu. Auch für die rechtsgeschäftlichen Beziehungen im Arbeitsrecht gilt das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip, dem zufolge jede Konzerngesellschaft juristisch eigen- und selbstständig ist9. Dies schließt eine Zurechnung rechtgeschäftlicher Erklärung allein aufgrund einer konzernrechtlichen Verbundenheit aus.

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Entsprechendes gilt für den Vertrag über Übergangsdienstleistungen, den die Leasinggeberin im März 2019 mit der EWA GmbH und der EWT GmbH schloss. Die Fluggesellschaft war weder Vertragspartnerin noch sind Umstände ersichtlich, die die Annahme begründen könnten, eine der vertragsschließenden Gesellschaften habe die Fluggesellschaft beim Vertragsschluss vertreten oder in ihrem Auftrag gehandelt.

Die Vertragspraxis steht im Einklang mit den vertraglichen Vorgaben. Das Landesarbeitsgericht hat sämtliche diesbezüglichen Umstände widerspruchsfrei gewürdigt.

Zugunsten des Klägers unterstellt, der Welcome Guide vom 23.12.2017 beschriebe die geübte Vertragspraxis zutreffend, ließe sich daraus nicht ableiten, dass die Fluggesellschaft gegenüber Mitarbeitern der Leasinggeberin entgegen den vertraglichen Absprachen arbeitsrechtliche Weisungen erteilte.

4 WCG schreibt vor, dass Besatzungsmitglieder ihr mitgeführtes Gepäck mit einem „Crew Baggage Label“ versehen sollen, der die Aufschrift „E“ trägt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Weisung seitens der Fluggesellschaft, sondern allenfalls um eine solche der Leasinggeberin. Dies folgt bereits daraus, dass die Leasinggeberin zusammen mit der EWA GmbH – und nicht die Fluggesellschaft – den WCG herausgab. Erklärungen der Herausgeberinnen des WCG sind nicht solche der Fluggesellschaft Es fehlt an Umständen, die darauf schließen ließen, der Inhalt des WCG sei der Fluggesellschaft als eigene Erklärung zuzurechnen.

Entsprechendes gilt für die Regelung, die den Austausch der „Crew-Ausweise“ zum Gegenstand hat. Nach Nr. 4.1 Satz 1 WCG erhalten die Mitarbeiter der Leasinggeberin Ausweise, die mit dem Wort „E“ beschriftet sind. Selbst wenn man dies als Weisung iSd. § 106 Satz 1 GewO auffasste, handelte es sich nicht um eine Anordnung der Fluggesellschaft, da diese nicht Autorin des WCG ist.

Soweit der WCG unter Nr. 3.2 die Steuerung der Flugbetriebe beschreibt, ergibt sich daraus nicht, dass der Fluggesellschaft die Befugnis zustand, den Mitarbeitern der Leasinggeberin Weisungen zu erteilen. Wie aus Satz 1 ersichtlich erfolgt die Steuerung aus einer „Zentrale bei der E Aviation in K“. Die EWA GmbH ist weder personenidentisch mit der Fluggesellschaft noch sind Weisungen, die die EWA GmbH im Rahmen der ihr übertragenen Steuerungsbefugnisse erteilt, der Fluggesellschaft als eigene zuzurechnen.

Soweit Nr. 3.02.2 WCG verschiedene Ansprechpartner für unterschiedliche Angelegenheiten (Urlaub, Dienstplanverwaltung, Krankmeldungen, Proceedings etc.) benennt, handelt es sich nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die der Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, um Mitarbeiter der EWA GmbH und nicht solche der Fluggesellschaft

Eine „Nominated Person“ iSd. AMC1 ORO.AOC.135(a) des Acceptable Means of Compliance and Guidance Material to Annex III – Part-ORO für Flugzeuge des Typs Dash 8 Q400, ohne die eine Fluggesellschaft ein solches Flugzeug nicht in ihrem Flugbetrieb einsetzen darf, benannte die Fluggesellschaft nicht. Die „Nominated Person“ war vielmehr bei der Leasinggeberin angesiedelt.

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Weitere Umstände wie die Beteiligung der EWA GmbH an der Einstellung und Auswahl von neuen Mitarbeitern, die Nutzung von IT-Einrichtungen der Fluggesellschaft durch die EWA GmbH einschließlich der Nutzung von E-Mail-Adressen mit der Endung „@e.com“, die Teilnahme an Tarifverhandlungen und andere besagen nichts darüber, dass die Fluggesellschaft von den vertraglichen Vorgaben des ACMIO RV abgewichen wäre und für sich ein Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern in Anspruch genommen hätte.

Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (im Folgenden Richtlinie 2008/104/EG) gibt im Streitfall kein abweichendes Ergebnis vor. Dies kann das Bundesarbeitsgericht entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden EuGH) nach Art. 267 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen (sog. „acte claire“, vgl. EuGH 9.09.2015 – C-72/14 – [van Dijk] Rn. 55).

Ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen – wie die des Bundesarbeitsgerichts – nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, kann davon absehen, dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Unionsrechts vorzulegen und sie stattdessen in eigener Verantwortung lösen, wenn die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt10. Dies setzt voraus, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde11. Dies hat das Gericht unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union zu beurteilen12. Die bloße Möglichkeit, von einer Vorschrift des Unionsrechts eine oder mehrere weitere Auslegungen vornehmen zu können, sofern keine von ihnen dem betreffenden einzelstaatlichen Gericht insbesondere im Hinblick auf den Zusammenhang und die Ziele der Vorschrift sowie die Regelung, zu der sie gehört, hinreichend plausibel erscheint, kann nicht die Annahme begründen, dass an der richtigen Auslegung dieser Vorschrift ein vernünftiger Zweifel besteht13.

Die Richtlinie 2008/104/EG gilt für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten (Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG).

3 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2008/104/EG versteht Leiharbeitsunternehmen als natürliche oder juristische Person, die nach einzelstaatlichem Recht mit Leiharbeitnehmern Arbeitsverträge schließt oder Beschäftigungsverhältnisse eingeht, um sie entleihenden Unternehmen zu überlassen, damit sie dort unter deren Aufsicht und Leitung vorübergehend arbeiten. „Überlassung“ meint in diesem Zusammenhang den Zeitraum, während dessen der Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, um dort unter dessen Aufsicht und Leitung vorübergehend zu arbeiten (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e Richtlinie 2008/104/EG).

Die Auslegung des für das Leiharbeitsverhältnis prägenden Begriffs „unter … Aufsicht und Leitung“ ist eindeutig. Das für die Leiharbeit kennzeichnende Arbeiten „unter Aufsicht und Leitung“ wird maßgeblich durch den Schutzzweck der Richtlinie 2008/104/EG bestimmt, den diese in ihrem Art. 2 beschreibt. Danach ist es Ziel der Richtlinie, für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen und die Qualität der Leiharbeit zu verbessern. Die besondere Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer resultiert aus ihrer Einbindung in eine dreipolige Rechtsbeziehung, die zur Folge hat, dass die „Aufsicht und Leitung“, die im Normalfall eines Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber des Arbeitnehmers liegt, auf einen Dritten übertragen wird. Von einer solchen Übertragung kann aber nur die Rede sein, wenn der Dritte berechtigt oder faktisch in der Lage ist, den Einsatz und die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu lenken.

Dies ist im Streitfall nicht der Fall. Die Annahme, der Kläger habe nicht unter der Aufsicht und Leitung der Fluggesellschaft gearbeitet, begegnet im Streitfall nach den getroffenen Feststellungen keinem vernünftigen Zweifel.

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Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs es nicht rechtfertigt, abweichend zu entscheiden.

Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung beschränkt ua. Rechtsinstitute und Normen. Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind14. Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch unionsrechtlich gehalten, eine solche Missbrauchskontrolle vorzunehmen15.

Danach lässt sich im Streitfall kein Rechtsmissbrauch feststellen, der die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Fluggesellschaft zur Folge hätte.

Das Landesarbeitsgericht hat keine Tatsachen festgestellt, die den Schluss zulassen, die Leasinggeberin und die Fluggesellschaft hätten bestimmte Personalbefugnisse auf die EWA GmbH übertragen mit der Folge, dass unter Vermeidung der in §§ 10 und 9 AÜG angeordneten Rechtsfolgen die Fluggesellschaft einen weisungsähnlichen Einfluss auf die bei der Leasinggeberin beschäftigten Arbeitnehmer ausüben konnte. Der Hinweis des Klägers, dass die EWA GmbH den Einsatz der Mitarbeiter beider Unternehmen koordinierte und beaufsichtigte, ist in diesem Zusammenhang unergiebig. Die Befugnisse, die mehrere Unternehmen des Konzerns der EWA GmbH übertrugen, berechtigen allein diese, den Einsatz des bei der Leasinggeberin beschäftigten Personals im delegierten Rahmen zu steuern. Die Ausübung einer rechtlichen oder faktischen Leitungsmacht der Fluggesellschaft ergibt sich daraus nicht.

Der Umstand, dass die im August 2018 berufenen Geschäftsführer der Leasinggeberin, S und K, zur gleichen Zeit andere Funktionen innerhalb der E-Gruppe, nicht aber bei der Fluggesellschaft, ausübten, reicht für sich genommen ebenso wenig aus, um einen Rechtsmissbrauch anzunehmen, wie der Umstand, dass C, ein Mitarbeiter der GW GmbH, als Betriebsleiter der Leasinggeberin fungierte. Eine Verbindung dieser Personen zur Fluggesellschaft bestand nach den für das Bundesarbeitsgericht bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. September 2022 – 9 AZR 468/21

  1. BAG 24.05.2022 – 9 AZR 337/21, Rn. 44[]
  2. BAG 5.07.2022 – 9 AZR 323/21, Rn. 18; 21.03.2017 – 7 AZR 207/15, Rn. 71, BAGE 158, 266[]
  3. BAG 5.07.2022 – 9 AZR 323/21, Rn.19; allg. zum arbeitsvertraglichen Weisungsrecht vgl. BAG 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, Rn. 35 ff., BAGE 173, 111[]
  4. st. Rspr., vgl. nur BAG 5.07.2022 – 9 AZR 323/21, Rn.20; 21.03.2017 – 7 AZR 207/15, Rn. 72, BAGE 158, 266[]
  5. vgl. BAG 5.07.2022 – 9 AZR 323/21, Rn. 21[]
  6. vgl. BAG 5.07.2022 – 9 AZR 323/21, Rn. 22[]
  7. LAG Düsseldorf 07.07.2021 – 12 Sa 155/21[]
  8. vgl. dazu BAG 22.02.1994 – 7 AZR 77/93, zu II 2 der Gründe; 17.02.1993 – 7 AZR 167/92, zu II 2 b der Gründe, BAGE 72, 255[]
  9. vgl. dazu Weck NZG 2016, 1374, 1375[]
  10. vgl. EuGH 6.10.2021 – C-561/19 – [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 47[]
  11. vgl. EUGH 28.07.2016 – C-379/15 – [Association France Nature Environnement] Rn. 48[]
  12. vgl. EuGH 9.09.2015 – C-160/14 – [Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 39[]
  13. vgl. EuGH 6.10.2021 – C-561/19 – [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 48[]
  14. BAG 15.05.2013 – 7 AZR 494/11, Rn. 27[]
  15. vgl. EuGH 17.03.2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 60[]

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