Der Vorschlag des zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II, mit dem dieser der Bundesagentur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach § 6c Abs. 1 SGB II in seinen Dienst übergetreten sind, zur Wiedereinstellung vorschlägt, ist – wie die Zustimmung der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu dem erneuten Arbeitgeberwechsel – eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, die die in § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II genannten Rechtsfolgen kraft Gesetzes auslöst.

Hat der kommunale Träger durch Zugang einer von ihm abgegebenen Erklärung der Bundesagentur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorbehaltlos gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II zur Wiedereinstellung vorgeschlagen, ist er grundsätzlich an seinen Vorschlag gebunden.
Nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II treten die Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die am Tag vor der Zulassung eines weiteren kommunalen Trägers nach § 6a Abs. 2 SGB II und mindestens seit 24 Monaten Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben, zum Zeitpunkt der Neuzulassung kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers über. Der Übertritt setzt neben der Zulassung des kommunalen Trägers nach § 6a Abs. 2 SGB II eine insgesamt zumindest 24-monatige Wahrnehmung von Tätigkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende voraus, die nicht vor dem Tag der Zulassung des kommunalen Trägers beendet worden ist. Der Referenzzeitraum iSv. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist nicht auf die letzten 24 Kalendermonate vor dem Tag der Zulassung oder Erweiterung der Zulassung des kommunalen Trägers beschränkt. Auch vor diesem Zeitpunkt liegende Zeiten der Tätigkeit können zu berücksichtigen sein [1].
„Aufgabenwahrnehmung“ iSv. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II erfordert eine tatsächliche Tätigkeit, weshalb die bloße Übertragung entsprechender Aufgaben durch die Bundesagentur nicht ausreicht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Bestimmung, sondern auch aus ihrem Zweck. Der Gesetzgeber wollte mit § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II die Qualität der Aufgabenerfüllung beim kommunalen Träger durch eingearbeitetes Personal sicherstellen und deshalb nicht zu viele Personen mit nur geringer einschlägiger Berufserfahrung überleiten [2]. Die kommunalen Träger sind bei ihrer Zulassung zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Grundsicherung auf personelle Kontinuität und die Erfahrungen und Fachkompetenz der Beschäftigten der Bundesagentur angewiesen [3]. Der in § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmte Referenzzeitraum von mindestens 24 Monaten und das Abstellen auf eine „Aufgabenwahrnehmung“ im Sinne einer tatsächlichen Tätigkeit soll gewährleisten, dass die übertretenden Beschäftigten eine hinreichend einschlägige Fachkompetenz und Berufserfahrung aufweisen. Es soll nur objektiv qualifiziertes Personal übergehen, das gründlich eingearbeitet ist [4].
Der Annahme einer mindestens 24-monatigen „Aufgabenwahrnehmung“ iSv. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer zwischenzeitlich Elternzeit in Anspruch nahm und in dieser Zeit keine aktive Tätigkeit für die Bundesagentur für Arbeit ausübte. Nicht nur die üblichen Unterbrechungen der tatsächlichen Tätigkeit, die typischerweise in jedem Arbeitsverhältnis vorkommen oder vorkommen können, sondern auch nicht typische Unterbrechungen der Aufgabenwahrnehmung, wie vorliegend die Unterbrechung wegen Inanspruchnahme von Elternzeit durch den Arbeitnehmer, stehen der Annahme einer durchgängigen Aufgabenwahrnehmung iSv. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich nicht entgegen [5]. Eine Ausnahme ist allerdings dann geboten, wenn der/die Beschäftigte im Referenzzeitraum überhaupt keine aktive Tätigkeit im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeübt hat. Andernfalls würde der gesetzgeberischen Intention, dem kommunalen Träger eingearbeitetes Personal zur Verfügung zu stellen, mit dem die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nahtlos fortgeführt werden können, nicht hinreichend Rechnung getragen [6]. Die Voraussetzungen dieser Ausnahme sind im Fall des Arbeitnehmers aufgrund seiner Aufgabenwahrnehmung außerhalb der Elternzeit nicht erfüllt.
§ 6c SGB II verletzt nicht das Grundgesetz.
Art. 91e GG als verfassungsrechtliche Grundlage der §§ 6a bis 6c SGB II ist kein verfassungswidriges Verfassungsrecht. Weder das Gesetzgebungsverfahren noch die Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund unterliegen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschriften über den Übertritt von Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers verstoßen nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) folgende Gebot der Normenklarheit. Soweit die Bestimmungen den Übertritt von Beamtinnen und Beamten kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers – in untrennbarer Einheit mit denen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer [7] – regeln, sind sie mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG [8].
§ 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verletzt auch nicht das durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Recht der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Zwar räumt das Gesetz den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II kraft Gesetzes auf den kommunalen Träger übergehen, kein Widerspruchs- oder Rückkehrrecht ein [9]; ihre Einflussmöglichkeit auf einen etwaigen Arbeitgeberwechsel sieht das Gesetz ausschließlich vor, wenn der kommunale Träger gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II ihre Rückkehr zur Bundesagentur vorschlägt [10]. Der Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl ist jedoch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil er durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und im Übrigen verhältnismäßig ist. Das Bundesarbeitsgericht schließt sich der Rechtsprechung des Achten Bundesarbeitsgerichts des Bundesarbeitsgerichts [11] an. Neben Art. 12 Abs. 1 GG scheidet Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit aus [12].
e GG als verfassungsrechtliche Grundlage der §§ 6a bis 6c SGB II ist kein verfassungswidriges Verfassungsrecht. Weder das Gesetzgebungsverfahren noch die Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund unterliegen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschriften über den Übertritt von Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers verstoßen nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) folgende Gebot der Normenklarheit. Soweit die Bestimmungen den Übertritt von Beamtinnen und Beamten kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers – in untrennbarer Einheit mit denen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer [7] – regeln, sind sie mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG [8].
§ 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verletzt – was der Arbeitnehmer allein gegen die Wirksamkeit der Norm einwendet – auch nicht das durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Recht der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Zwar räumt das Gesetz den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II kraft Gesetzes auf den kommunalen Träger übergehen, kein Widerspruchs- oder Rückkehrrecht ein [9]; ihre Einflussmöglichkeit auf einen etwaigen Arbeitgeberwechsel sieht das Gesetz ausschließlich vor, wenn der kommunale Träger gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II ihre Rückkehr zur Bundesagentur vorschlägt [10]. Der Eingriff in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl ist jedoch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil er durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und im Übrigen verhältnismäßig ist. Das Bundesarbeitsgericht schließt sich der Rechtsprechung des Achten Bundesarbeitsgerichts des Bundesarbeitsgerichts [11] an. Neben Art. 12 Abs. 1 GG scheidet Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab unter dem Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit aus [12].
Rückgabe von Arbeitnehmern
Nach § 6c Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 SGB II besteht für den kommunalen Träger die Möglichkeit, der Bundesagentur bis zu 10 vH des zunächst vollständig übergegangenen Personals wieder zur Verfügung zu stellen. Dies erfolgt bei Beamten/Beamtinnen durch Rückversetzung nach den geltenden Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes mit der Maßgabe, dass eine Zustimmung der Bundesagentur nicht erforderlich ist. Bei Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen ist die Bundesagentur zu einer Wiedereinstellung zu den bisherigen Bedingungen verpflichtet [13].
Bei der Wiedereinstellung iSd. § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II handelt es sich nicht um einen Übertritt kraft Gesetzes in den Dienst eines anderen Trägers, sondern um die vertragliche Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses [14]. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 6c Abs. 1 SGB II. Während § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II den Übertritt des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin kraft Gesetzes von der Bundesagentur zu dem kommunalen Träger anordnet, spricht § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II von Wiedereinstellung. Unter einer Wiedereinstellung ist typischerweise die vertragliche Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses durch Abgabe entsprechender Willenserklärungen zu verstehen. Solche Willenserklärungen sind bei einem Übertritt kraft Gesetzes nicht erforderlich [15]. Die vertragliche Vereinbarung der Wiedereinstellung iSd. § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers. Dieser ging davon aus, dass eine Wiedereinstellung nicht ohne Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers möglich ist [16]. Die Annahme „einer Wiedereinstellung kraft Gesetzes“ durch § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II ist hiermit unvereinbar [17].
Ein auf die Wiedereinstellung des Arbeitnehmers gerichteter Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und der Bundesagentur für Arbeit kommt nicht zustande, wenn es an der Abgabe der für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen fehlt.
Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem ein Antrag (§ 145 BGB, „Angebot“) der einen Vertragspartei gemäß den §§ 146 bis 149 BGB von der anderen Vertragspartei angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist.
Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen [18]. Die Auslegung nichttypischer Erklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat. Die Auslegung typischer Erklärungen unterliegt dagegen einer uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle. Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob eine Erklärung überhaupt eine Willenserklärung darstellt [19].
Die Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit zur Wiedereinstellung aus § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II ist auch ncht entfallen, nachdem der zugelassene kommunale Träger den Arbeitnehmer von der Liste der zurückzugebenden Mitarbeiter gestrichen hat.
Die Bundesagentur für Arbeit ist unter den Voraussetzungen des § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II verpflichtet, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den bisherigen Bedingungen wiedereinzustellen, wenn der kommunale Träger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die von ihm zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht benötigten Beschäftigten nach § 6c Abs. 1 Satz 3 bis Satz 5 SGB II wieder zur Verfügung zu stellen und die Betroffenen erklärt haben, dass sie „dazu bereit sind“ [20]. Für die Bundesagentur besteht ein Kontrahierungszwang, wenn die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dem erneuten Arbeitgeberwechsel zustimmen [21]. § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II räumt allein den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Wahlmöglichkeit ein, sich zwischen einer Rückkehr zur Bundesagentur und dem Verbleib bei dem kommunalen Träger zu entscheiden [22].
Nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II ist die Bundesagentur zur Wiedereinstellung von bis zu 10 vH der nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II übergetretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet, die auf Vorschlag des kommunalen Trägers dazu bereit sind. Die Wiedereinstellung ist nach § 6c Abs. 1 Satz 5 SGB II innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Neuzulassung abzuschließen.
Der Wiedereinstellungsanspruch nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II erfordert danach – neben den weiteren in der Bestimmung genannten Voraussetzungen – einen Vorschlag des kommunalen Trägers und die Bereitschaft der übergetretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Wiedereinstellung durch die Bundesagentur.
Der Vorschlag des kommunalen Trägers nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II ist, wie die Erklärung der zu ihm übergetretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Wiedereinstellung bereit zu sein, keine rechtsgestaltende Willenserklärung, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, die die in § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II genannten Rechtsfolgen kraft Gesetzes auslöst.
Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sind auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Erklärungen, deren Rechtsfolgen nicht – wie bei Willenserklärungen – kraft des ihnen innewohnenden Willensaktes, sondern kraft Gesetzes eintreten. Regelmäßig ermöglichen oder verhindern sie den Eintritt gesetzlich angeordneter Folgen des Tätigwerdens oder Untätigbleibens. In erster Linie handelt es sich dabei um Aufforderungen und Mitteilungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und vielfach im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, jedoch nicht unmittelbar auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerichtet sind oder gerichtet sein müssen [23]. Auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen finden die Bestimmungen über Willenserklärungen einschließlich der Grundsätze, die für ihre Auslegung und ihren Zugang gelten, entsprechende Anwendung. Eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung setzt damit eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung voraus, ein bloßes Schweigen oder Untätigbleiben reicht dazu grundsätzlich nicht aus [24].
Der Vorschlag des kommunalen Trägers nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II besitzt rechtsgeschäftsähnlichen Charakter.
Das Vorschlagsrecht des kommunalen Trägers nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II soll gewährleisten, dass dem kommunalen Träger durch die langfristige Begrenzung der Übernahmeverpflichtung auf 90 vH des Personals der Bundesagentur die Möglichkeit verbleibt, die personelle Ausstattung ausreichend selbst zu bestimmen. Insoweit soll durch die getroffenen Regelungen sichergestellt werden, dass der kommunale Träger bis zu 10 vH von ihm selbst ausgebildetes bzw. von ihm selbst eingestelltes Personal einsetzen und so die Aufgabenwahrnehmung durch den Einsatz von eigenen personellen Ressourcen bestimmen kann. Auch soll gewährleistet werden, dass der kommunale Träger eigenes Personal mit besonderen Kompetenzen im Bereich der Leistungserbringung und Arbeitsvermittlung bzw. eigene Führungskräfte einsetzen kann, um sich für eine erfolgreiche Trägerschaft auszustatten [25].
Die Rechtsfolgen des Vorschlags des kommunalen Trägers treten kraft Gesetzes ein. Mit seinem Vorschlag macht der kommunale Träger von seinem durch § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II gewährleisteten Recht Gebrauch, die betreffenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur wieder zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig löst der Vorschlag die Verpflichtung der Bundesagentur zur Wiedereinstellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus, die „dazu bereit sind“. Der Vorschlag begründet, weil seine Umsetzung der Mitwirkung der Bundesagentur als auch der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedarf, die Obliegenheit der Bundesagentur, die Bereitschaft der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Wiedereinstellung zu klären, und, bei deren Vorliegen, die zur Erfüllung ihrer Wiedereinstellungsverpflichtung erforderlichen Maßnahmen für den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu treffen. Andernfalls würde das Ziel der gesetzlichen Regelung verfehlt, die Übernahmeverpflichtung des kommunalen Trägers auf dessen tatsächlichen Personalbedarf zu beschränken.
Hat der kommunale Träger der Bundesagentur durch Zugang einer von ihm abgegebenen Erklärung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorbehaltlos zur Wiedereinstellung vorgeschlagen, ist er grundsätzlich an seinen Vorschlag gebunden. Die Regelungen in § 6c Abs. 1 Satz 3 bis Satz 5 SGB II dienen sowohl der Planungssicherheit der Arbeitnehmer [20] als auch der Bundesagentur. Es soll möglichst frühzeitige Klarheit über die Wiedereinstellung bestehen [26]. Dem stände es entgegen, wenn der kommunale Träger zu einer Änderung oder Rücknahme seines Vorschlags befugt wäre. Die Bindung besteht selbst dann, wenn der Vorschlag – wie vorliegend – vor der Zulassung des kommunalen Trägers erfolgt. Das Gesetz sieht für die Wiedereinstellung mit § 6c Abs. 1 Satz 5 SGB II nur eine zeitliche Begrenzung von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Neuzulassung des kommunalen Trägers vor. Der Vorschlag des kommunalen Trägers kann daher – wie die Wiedereinstellung [27] – bereits vor dem Zeitpunkt der Neuzulassung erfolgen. Die Bindung des kommunalen Trägers an seinen Vorschlag iSv. § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II entfällt nur dann, wenn zu ihm kraft Gesetzes übergetretene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor dem vom kommunalen Träger für den Rückgang zur Bundesagentur vorgesehenen Termin eine Wiedereinstellung ablehnen oder sich trotz einer Wiedereinstellungsanfrage der Bundesagentur nicht innerhalb einer angemessenen Frist zum Vorschlag des kommunalen Trägers erklären. Liegt die Zustimmung der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor, ist der kommunale Träger an seinen Vorschlag gebunden.
Auch die Zustimmung der vom kommunalen Träger nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ihrer Wiedereinstellung besitzt rechtsgeschäftsähnlichen Charakter. Sie löst kraft Gesetzes die Verpflichtung der Bundesagentur zur Wiedereinstellung aus.
§ 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II schreibt für die Zustimmung der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine bestimmte Form vor. Sie muss weder schriftlich noch sonst verkörpert erfolgen und kann deshalb auch mündlich erklärt werden. Die Zustimmung setzt allerdings eine auf einen konkreten Vorschlag des kommunalen Trägers bezogene ausdrückliche oder konkludente Erklärung der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer voraus, aus der sich für die Bundesagentur aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergibt, dass die Bereitschaft zur Wiedereinstellung besteht. Ob die Erklärung diesen Anforderungen genügt, ist durch Auslegung im Einzelfall nach den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen zu ermitteln [28].
Da die Zustimmungserklärung der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II die Verpflichtung der Bundesagentur zu ihrer Wiedereinstellung auslöst, muss sie der Bundesagentur entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen zugehen. Ein Schweigen oder Untätigbleiben der vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reicht grundsätzlich nicht aus. Aus Gründen der Rechtssicherheit reicht es grundsätzlich ebenso wenig aus, wenn die Bundesagentur nicht durch die vorgeschlagenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auf andere Art und Weise von der Bereitschaft zur Wiedereinstellung erfährt [29].
Die Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit zur Wiedereinstellung des Arbeitnehmers wird nach § 6c Abs. 1 Satz 4 SGB II mit dessen Zustimmung begründet. Der Bundesagentur für Arbeit oblag es infolgedessen, dem Arbeitnehmer zur Erfüllung dieser Verpflichtung, ein annahmefähiges Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages zu unterbreiten.
Ist die Bundesargentur für Arbeit dieser Obliegenheit nicht nachgekommen, kann sie sich nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht darauf berufen, zwischenzeitlich eine andere Arbeitnehmerin auf Vorschlag des kommunalen Trägers eingestellt zu haben, und/oder gegen den Anspruch des Arbeitnehmers einwenden, die Wiedereinstellung sei nicht, wie es § 6c Abs. 1 Satz 5 SGB II verlangt, innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Neuzulassung erfolgt [30].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2020 – 9 AZR 493/18
- BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 22, BAGE 165, 278[↩]
- vgl. BVerfG 21.03.2018 – 1 BvL 1/14, Rn. 14 mwN, BVerfGE 148, 64[↩]
- BT-Drs. 17/1555 S.19[↩]
- BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 28, 36 ff., BAGE 165, 278; 17.03.2016 – 6 AZR 96/15, Rn. 13[↩]
- vgl. dazu im Einzelnen BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 41 ff., BAGE 165, 278; 17.03.2016 – 6 AZR 96/15, Rn. 13[↩]
- BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 46, BAGE 165, 278[↩]
- vgl. BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 51, BAGE 165, 278[↩][↩]
- vgl. hierzu grundl. und im Einzelnen BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 50 ff., aaO[↩][↩]
- BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 66 ff., BAGE 165, 278[↩][↩]
- BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 66 ff., aaO[↩][↩]
- vgl. ua. BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13 – aaO[↩][↩]
- vgl. BVerfG 25.01.2011 – 1 BvR 1741/09, Rn. 70, BVerfGE 128, 157[↩][↩]
- BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 32, BAGE 165, 278[↩]
- st. Rspr.; BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 32, BAGE 165, 278; grundl. BAG 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn. 21 ff.[↩]
- BAG 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn. 22[↩]
- BT-Drs. 17/1555 S.20[↩]
- vgl. BAG 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn. 23[↩]
- st. Rspr., sh. etwa BAG 3.07.2019 – 4 AZR 312/18, Rn. 21 mwN[↩]
- BAG 19.12.2018 – 7 AZR 70/17, Rn. 24, BAGE 165, 278[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/1555 S.20[↩][↩]
- st. Rspr.; BAG 31.01.2019 – 8 AZR 410/13, Rn. 32, 67 und 100, BAGE 165, 278; 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn. 29[↩]
- BAG 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn. 29[↩]
- BAG 29.06.2017 – 8 AZR 402/15, Rn. 22, BAGE 159, 334[↩]
- BAG 29.06.2017 – 8 AZR 402/15, Rn. 23, aaO[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/1555 S. 17, BAG 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn. 28[↩]
- BAG 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn.19[↩]
- vgl. hierzu BAG 24.09.2015 – 6 AZR 511/14, Rn.19[↩]
- vgl. zur „Ablehnung“ iSv. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG BAG 29.06.2017 – 8 AZR 402/15, Rn.20, BAGE 159, 334[↩]
- vgl. zur Ablehnung durch den Arbeitgeber iSv. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG BAG 29.06.2017 – 8 AZR 402/15, Rn.20, 25, BAGE 159, 334[↩]
- vgl. zum allgemeinen Wiedereinstellungsanspruch BAG 4.05.2006 – 8 AZR 299/05, Rn. 38, BAGE 118, 168; 26.01.2017 – 2 AZR 61/16, Rn. 32, 40; 24.11.2005 – 2 AZR 514/04, Rn. 39[↩]
Bildnachweis:
- Arbeitsamt Dessau: Birgit Böllinger | CC0 1.0 Universal