Zahlungsansprüche aus einer Höhergruppierung – und die Ausschlussfrist

Zahlungsansprüche, die sich aus einem erfolgreichen Höhergruppierungsantrag nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund ergeben, unterfallen der Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD. Diese Vorschrift wird insoweit nicht durch die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmte Ausschlussfrist verdrängt. Deren Wirkung ist auf das Antragsrecht nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund beschränkt.

Zahlungsansprüche  aus einer Höhergruppierung – und  die Ausschlussfrist

Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD verfallen Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällig werdende Leistungen aus.

Diese – allgemeine – Ausschlussfrist wird nicht für Ansprüche, die im Zusammenhang mit einer Überleitung in die neue Entgeltordnung nach § 26 TVÜ-Bund stehen, von der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund genannten Ausschlussfrist als einer Spezialregelung verdrängt1. Die Wirkung der Ausschlussfrist nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund ist vielmehr auf das Antragsrecht nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund beschränkt, lediglich insoweit wird § 37 Abs. 1 TVöD verdrängt2.

Gegen ein Verständnis des § 26 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 TVÜ-Bund als eine generelle Spezialvorschrift gegenüber § 37 Abs. 1 TVöD spricht schon der Wortlaut. Dieser bezieht sich ausschließlich auf das die Tarifautomatik (wieder) in Kraft setzende Antragsrecht3. Zu den sich aus der Überleitung in die neue Entgeltordnung ergebenden Zahlungsansprüchen verhält sich die Tarifnorm nicht.

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Dem entspricht auch die systematische Stellung von § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund. Die Frist findet sich bei den Überleitungsvorschriften in die neue Entgeltordnung. Hätten die Tarifvertragsparteien mit dieser Vorschrift nicht nur die entsprechende Antragsfrist bestimmen, sondern auch die allgemeine Verfallfrist modifizieren wollen, hätte es nahegelegen, dies im TVöD selbst zu regeln oder, zumindest – im TVÜ-Bund entsprechend klarzustellen.

Auch Sinn und Zweck von § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund sprechen nicht für eine Spezialität der Ausschlussfrist. Die Regelungszwecke von § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund auf der einen und von § 37 Abs. 1 TVöD auf der anderen Seite sind unterschiedlich und können sinnvoll nebeneinander bestehen.

§ 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund regelt die „Wiederinkraftsetzung“ der Tarifautomatik für die übergeleiteten Beschäftigten auf Antrag4. Um dem Arbeitnehmer eine gründliche Prüfung der Folgen eines solchen Antrags zu ermöglichen, steht ihm insoweit gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund eine lange Frist – sie betrug zunächst ein Jahr und wurde sodann durch den Änderungstarifvertrag Nr. 9 vom 17.10.2014 um ein weiteres halbes Jahr bis zum 30.06.2015 verlängert, zur Verfügung. Wird der Antrag fristgerecht gestellt, entsteht der Höhergruppierungsanspruch rückwirkend. Wird die Frist nicht gewahrt, scheidet eine Überleitung in die neue Entgeltordnung ohne einen Wechsel der Tätigkeit endgültig aus5. Damit besteht nach Fristablauf für beide Arbeitsvertragsparteien Klarheit, welche Entgeltordnung auf ihr Arbeitsverhältnis bei unveränderter Tätigkeit Anwendung findet. Eine Aussage über die zutreffende Eingruppierung innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung oder gar über konkrete Zahlungsansprüche wird dadurch nicht getroffen.

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Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD dient – wie typischerweise tarifvertragliche Verfallfristen – der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hinsichtlich wechselseitig erhobener konkreter Ansprüche. Der Anspruchsgegner soll sich auf die nach Auffassung des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und ggf. Rücklagen bilden können. Er soll vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und nicht rechnen muss, geschützt werden6.

Die unterschiedlichen Anwendungsbereiche der verschiedenen Ausschlussfristen schließen einander nicht aus. Insbesondere wird die lange Frist, die die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund eingeräumt haben, nicht durch die gleichzeitig geltende sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD unterlaufen. Bei dem Antrag auf Überleitung nach § 26 Abs. 1 TVÜ-Bund handelt es sich um eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung7. Die geänderte Eingruppierung ist dessen unmittelbare Rechtsfolge, dh. der Antrag entfaltet – mit seinem Zugang – konstitutive Wirkung, ohne dass es einer entsprechenden Annahmeerklärung des Arbeitgebers bedarf (vgl. zu § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder BAG 18.10.2018 – 6 AZR 300/17, Rn. 35). Wegen des konstitutiven Charakters entstehen die Ansprüche nach der neuen Entgeltordnung erst ab Zugang des Antrags und werden, da die Fälligkeit eines Anspruchs regelmäßig nicht vor seiner Entstehung eintritt8, erst ab diesem Zeitpunkt fällig9. Da § 37 Abs. 1 TVöD an die Fälligkeit des Anspruchs anknüpft10, beginnt die sechsmonatige Ausschlussfrist auch erst dann zu laufen. Hat sich der Arbeitnehmer aber einmal entschieden, den Antrag nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund zu stellen und ergibt sich nach der neuen Entgeltordnung ein höherer Vergütungsanspruch, ist es ihm auch zumutbar, den Anspruch ordnungsgemäß innerhalb der Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD geltend zu machen, um dem Arbeitgeber Gewissheit über sein konkretes Begehren zu verschaffen. Ob der Antrag nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund zugleich eine – ausreichende – Geltendmachung iSv. § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD enthält, hängt von dessen Inhalt ab und ist deshalb in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.

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Gemessen an diesen Maßstäben hat der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD für die Ansprüche von Januar bis einschließlich September 2014 nicht gewahrt.

Der Arbeitnehmer hat mit Schreiben vom 20.06.2014 einen „Antrag auf Höhergruppierung durch Überleitung in die neue EGO“ gestellt. Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, wann dieses Schreiben der Arbeitgeberin zugegangen ist. Ausweislich der auf diesem Schreiben handschriftlich angebrachten Verfügung „09/07“ hatte die Arbeitgeberin es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, spätestens aber vor ihrer Erwiderung mit Schreiben vom 15.09.2014 erhalten. Geht man zugunsten des Arbeitnehmers von diesem späteren Zugang aus, hat er die Entstehung der aus der Überleitung in die neue Entgeltordnung resultierenden Ansprüche für die Monate Januar bis September 2014 spätestens im September 2014 herbeigeführt. Da § 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TVöD von einer monatlichen Fälligkeit tarifvertraglicher Ansprüche ausgeht11, sind diese sämtlich spätestens am 30.09.2014 fällig geworden. Die Ausschlussfrist für diese Monate endete damit gemäß § 187 Abs. 1 iVm. § 188 Abs. 2 BGB spätestens am 30.03.2015.

Die sich nach der – durch seinen Antrag wieder in Gang gesetzten – Tarifautomatik konkret ergebenden Ansprüche hat der Arbeitnehmer erst mit undatiertem Schreiben, welches der Arbeitgeberin ausweislich des entsprechenden handschriftlichen Vermerks am 2.04.2015 zugegangen ist, geltend gemacht. Das Schreiben vom 20.06.2014 stellt demgegenüber keine ausreichende Geltendmachung iSv. § 37 Abs. 1 TVöD dar.

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Ausgehend von ihrem Sinn und Zweck ist die Ausschlussfrist nur gewahrt, wenn der Anspruchsteller unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er Inhaber einer nach Grund und Höhe spezifizierten Forderung ist und auf der Erfüllung dieser Forderung besteht12. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer lediglich „um Prüfung“ bittet, ob die Voraussetzungen eines näher bezeichneten Anspruchs vorliegen, weil er damit nicht zum Ausdruck bringt, den Arbeitgeber auch unabhängig vom Ergebnis der Prüfung auf Zahlung von Vergütung nach einer bestimmten Entgeltgruppe in Anspruch nehmen zu wollen13.

Diesen Anforderungen wird ein Schreiben nicht gerecht, in dem der Arbeitnehmer lediglich die Überleitung in die neue Entgeltordnung verlangt sowie um „Prüfung einer Höhergruppierung“ bittet, aus dem aber weder der Wille hervorgeht, die Arbeitgeberin auch unabhängig vom Ergebnis der Prüfung auf Zahlung von Vergütung in Anspruch nehmen zu wollen, noch welche Entgeltgruppe er geltend machen wollte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2019 – 4 AZR 42/19

  1. ebenso für § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder: BeckOK TV-L/Dannenberg Stand 1.01.2013 TVÜ-Länder § 29a Rn. 38; aA LAG Köln 29.11.2018 – 7 Sa 265/18, zu II 5 der Gründe; Sächsisches LAG 2.11.2016 – 3 Sa 213/16, zu I B 3 der Gründe [jeweils unter Hinweis auf die Rückwirkung des Antrags]; unklar Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand 8/2019 Teil B 2.2 § 26 TVÜ-Bund Erl. 2 Rn. 6; Litschen in Adam/Bauer/Bettenhausen/ua. Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst Stand Dezember 2015 Teil II § 26 TVÜ-Bund B I 1 Rn. 4; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand August 2019 Teil IV/3 Rn. 372[]
  2. Augustin ZTR 2012, 484, 490[]
  3. ebenso Augustin ZTR 2012, 484[]
  4. iE BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16, Rn.19 mwN, BAGE 162, 81[]
  5. für § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder: BeckOK TV-L/Dannenberg Stand 1.01.2013 TVÜ-Länder § 29a Rn. 25, 37[]
  6. BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16, Rn. 50, BAGE 162, 81; 22.09.2016 – 6 AZR 432/15, Rn. 13[]
  7. zu § 29a Abs. 3 TVÜ-Länder BAG 19.10.2016 – 4 AZR 457/15, Rn. 40[]
  8. BAG 30.01.2019 – 10 AZR 596/17, Rn. 21[]
  9. ähnlich für § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder: BeckOK TV-L/Dannenberg Stand 1.01.2013 TVÜ-Länder § 29a Rn. 38; Augustin ZTR 2012, 484, 490[]
  10. vgl. dazu zuletzt zB BAG 18.02.2016 – 6 AZR 628/14, Rn. 16 ff.[]
  11. sh. auch für § 29a Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Länder: BeckOK TV-L/Dannenberg Stand 1.01.2013 TVÜ-Länder § 29a Rn. 38[]
  12. BAG 15.12.2016 – 6 AZR 578/15, Rn. 26[]
  13. BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16, Rn. 50 f. mwN, BAGE 162, 81[]
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