Ein Betriebsratsmitglied, dessen Arbeitszeit im Rahmen von zwölfstündigen Schichten zu leisten ist, hat für außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit nur einen Anspruch auf eine Zeitgutschrift für die tatsächlich aufgewendete Zeit. Das Betriebsratsmitglied kann nicht verlangen, dass ihm für die Teilnahme an einer achtstündigen Betriebsratssitzung eine Zeitgutschrift von zwölf Stunden entsprechend seiner individuellen täglichen Arbeitszeit erteilt wird.

Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung und auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die – wie vorliegend unstreitig und unproblematisch – aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist.
Die Regelungen in § 37 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG sorgen dafür, dass den Betriebsratsmitgliedern durch ihre Betriebsratstätigkeit keine Vermögensnachteile entstehen. Dementsprechend sind die Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG im erforderlichen Umfang ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien. Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechend bezahlte Arbeitsbefreiung, wenn es Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen hat. Wenn der Freizeitausgleich innerhalb eines Monats aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist, muss der Arbeitgeber die aufgewendete Zeit gemäß § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG wie Mehrarbeit vergüten. Mitglieder des Betriebsrats erhalten danach weder eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip. Dieses wird durch § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht durchbrochen. Der dort geregelte Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betrifft lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat. Es handelt sich im Ergebnis um ein zeitlich verschobenes Arbeitsentgelt für eine sonst in der persönlichen Arbeitszeit anfallende Betriebsratstätigkeit, die nur infolge eines dem Arbeitgeber zuzurechnenden Umstands in die Freizeit verlegt worden ist1.
Die Frage des Umfangs des Ausgleiches ist in Rechtsprechung und Literatur bislang immer dahingehend beantwortet worden, dass die tatsächlich aufgewendete Zeit für die Betriebsratsarbeit maßgeblich ist.
Das BAG hat bereits mit Urteil vom 19.07.1977 entschieden, dass ein Betriebsratsmitglied, das aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Betriebszeit Betriebsratsarbeit durchführen muss, nach § 37 Abs. 3 BetrVG nur Anspruch auf Arbeitsbefreiung hat, die der tatsächlich für die Betriebsratstätigkeit aufgewandten Zeit entspricht2. Das Betriebsratsmitglied solle, wie sich aus dem jedenfalls insoweit eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs. 3 BetrVG ergebe, für die von ihm aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit nur einen Ausgleich – eine Art Entschädigung – erhalten. Diese Betriebsratstätigkeit sei somit nicht gleichzusetzen mit der beruflichen Tätigkeit3. Im Urteil vom 25.08.1999 hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass dem Betriebsratsmitglied ein Ausgleichsanspruch in dem Umfang der von ihm aufgewendeten Zeit zustehe, wenn es erforderliche Betriebsratstätigkeit ausnahmsweise aus betriebsbedingten Gründen nicht während seiner Arbeitszeit, sondern in seiner Freizeit leisten müsse4. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in seinem Beschluss vom 20.04.2015 auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.07.1977 Bezug genommen und dafür gehalten, dass ein Betriebsratsmitglied, das aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Betriebszeit Betriebsratsarbeit durchführen muss, nach § 37 Abs. 3 BetrVG nur Anspruch auf Arbeitsbefreiung habe, die der tatsächlich für die Betriebsratstätigkeit aufgewandten Zeit entspreche5.
In der Kommentarliteratur wird ausgeführt, dass der Ausgleichsanspruch in dem gleichen Umfang bestehe, wie das Betriebsratsmitglied aus betrieblichen Gründen außerhalb der Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit durchgeführt habe. Für so viel Zeit, wie das Betriebsratsmitglied für die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit aufgewendet habe, sei ihm entsprechende Arbeitsbefreiung zu gewähren.6. Die Arbeitsbefreiung müsse den gleichen Umfang haben, wie Freizeit aufgewendet worden sei, um die Betriebsratsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit zu erfüllen7. Ein Ausgleichsanspruch bestehe in dem Umfang, in dem das Betriebsratsmitglied Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit verrichtet habe8. Einzig DKK-Wedde9 lehnt die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 19.07.1977 ab. Zielrichtung der dortigen Argumentation ist allerdings nicht die vorliegende Konstellation, sondern die Auffassung, dass ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge bzw. einen entsprechend höheren Freizeitausgleich gegeben sein kann, falls das Betriebsratsmitglied eine Mehrbelastung auf sich genommen habe, zu deren Ausgleich üblicherweise Zuschläge gezahlt würden.
Nach diesen rechtlichen Maßstäben hat der Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf eine weitere Stundengutschrift, die über den Umfang der tatsächlich geleisteten Betriebsratstätigkeit hinausgeht. Die Kammer schließt sich der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden und überzeugenden Auffassung an. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich bereits daraus, dass § 37 Abs. 3 BetrVG einen Ausgleichsanspruch nur für Nachteile enthält, die ein Betriebsratsmitglied dadurch erleidet, dass es aus betriebsbedingten Gründen zur Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben Freizeit opfern muss10. Der Bezugspunkt der Betrachtungsweise liegt damit gerade nicht auf einer hypothetischen Arbeitszeit. Entscheidend ist vielmehr der Blick in die andere Richtung: die aufgewendete Freizeit. Diese beträgt nicht zwölf Stunden, sondern acht Stunden, die (in einer erstaunlichen Gleichförmigkeit) pro Betriebsratssitzung angefallen sind.
Die Einwände gegen diese Auffassung verfangen nicht.
Soweit der Betriebsratsmitglied vorbringt, dass die tariflichen und betrieblichen Regelungen zur Bewertung der Arbeitszeit mit heranzuziehen seien, ändert sich hieran nichts. Insbesondere ergibt sich entgegen der Ansicht des Betriebsratsmitglieds auch aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.08.200911 nichts Gegenteiliges. In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass es für das Bestehen eines Anspruchs auf Freizeitausgleich für Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Erfüllung erforderlicher betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit aufwendet, auf die maßgeblichen tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen über die Durchführung von Dienstreisen im Betrieb des Arbeitgebers ankomme12. Im Unterschied zu der vorliegenden Konstellation hat das dortige Betriebsratsmitglied aber tatsächlich Reisezeiten aufgewandt und damit entsprechende Freizeit geopfert. Es geht in der genannten Entscheidung also nicht um fiktive, sondern tatsächlich eingesetzte Zeiten.
Auch die Ausführungen des Betriebsratsmitglieds zu der Bedeutung des Wortes „entsprechend“ führen zu keinem anderen Verständnis von § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Zwar ist dem Betriebsratsmitglied zuzugestehen, dass entsprechend nicht zwingend einen „Eins-zu-Eins-Ausgleich“ in zeitlicher Hinsicht erfordert. Gleichwohl legt der Wortlaut dies nahe und jedenfalls führen auch die vom Betriebsratsmitglied aufgeführten Synonyme nicht zu der von ihm gewünschten Rechtsfolge. Das von der herrschenden Auffassung und auch der Kammer zugrundgelegte Verständnis des § 37 Abs. 3 BetrVG führt zu einem „angemessenen“, „im richtigen Verhältnis stehenden“ und „zur Sache passenden“ Ergebnis.
Der Betriebsratsmitglied hat auch keinen Anspruch auf eine zwölfstündige Gutschrift aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung heraus.
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zu den tragenden Ordnungsprinzipien im Arbeitsrecht. Dieser verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Unzulässig ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer auf Grund individueller, an persönliche Umstände anknüpfende Vereinbarungen besser stellt, können daraus andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip auf Grund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen13.
Gemessen hieran lässt sich der begehrte Anspruch des Betriebsratsmitglieds nicht herleiten.
Dies gilt zunächst, soweit der Betriebsratsmitglied auf die Praxis des Arbeitgeberin abstellt, Betriebsratsmitglieder, die während ihrer persönlichen Arbeitszeit an Betriebsratssitzungen teilnehmen, vor oder nach diesen Sitzungen nicht zu weiterer Arbeit heranzuziehen. Mit Bezug hierauf fehlt es bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt, da bereits der Gesetzgeber zwischen Betriebsratstätigkeit innerhalb der Arbeitszeit (§ 37 Abs. 2 BetrVG) und außerhalb der Arbeitszeit (§ 37 Abs. 3 BetrVG) unterscheidet. Die Absätze 2 und 3 des § 37 BetrVG regeln zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Während § 37 Abs. 2 BetrVG sicherstellen will, dass dem Betriebsratsmitglied, sofern es wegen seiner Tätigkeit Arbeitszeit versäumen muss, Arbeitsbefreiung zuteil wird und das ihm zustehende Arbeitsentgelt erhalten bleibt, soll § 37 Abs. 3 BetrVG einen Ausgleich für die Nachteile gewähren, die ein Betriebsratsmitglied erleidet, weil es aus betriebsbedingten Gründen zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Betriebsratsaufgaben Freizeit opfern muss14. Hiervon abgesehen könnte der Betriebsratsmitglied selbst dann nicht den von ihm gewünschten Anspruch herleiten, wenn man von einem vergleichbaren Sachverhalt ausginge. Denn für eine Ungleichbehandlung läge ein sachlicher Grund vor. Der Arbeitgeberin hat vorgetragen, dass ein sinnvoller Einsatz für eine Teilschicht nicht möglich sei. Dieser seitens des Betriebsratsmitglieds nicht bestrittene Vortrag stellt auch aus Sicht der Kammer einen anerkennenswerten Grund für eine unterschiedliche Handhabung und keinesfalls eine willkürliche Ungleichbehandlung dar.
Soweit andere Arbeitnehmer für die Teilnahme an Fortbildungen und dergleichen zwölf Stunden pro Arbeitstag gutgeschrieben bekommen, auch wenn die entsprechenden Veranstaltungen diese Zeitdauer nicht erreichen, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei den hier in Streit stehenden aufgewandten Zeiten des Betriebsratsmitglieds um solche für Betriebsratstätigkeit handelt, bei anderen Mitarbeitern im Rahmen der Fortbildung um „normale“ Arbeitszeit. Insofern sind bereits die Sachverhalte nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Arbeitgeberin, insoweit vom Betriebsratsmitglied nicht bestritten, vorgetragen, dass die Teilnahme an Fortbildungen und ähnlichen Veranstaltungen immer auch mit Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenfällt bzw. als solche gewertet wird. Auch dieser Aspekt führt dazu, dass die vom Betriebsratsmitglied genannten Fallgruppen nicht mit seinem Fall vergleichbar sind. Soweit vor und nach den Fortbildungen Arbeitszeit nicht abgerufen wird, gilt das unter (1) Ausgeführte.
Nach Auffassung des Gerichts wäre der Ansatz des Betriebsratsmitglieds im Gegenteil ein Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG. Im Einklang mit dem Ehrenamt und dem Lohnausgleichsprinzip bestimmt § 78 Satz 2 BetrVG, dass die Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Diese Bestimmung dient, ebenso wie das Ehrenamtsprinzip der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder, BAG 5.05.2010 – 7 AZR 728/08; 25.02.2009 – 7 AZR 954/07 Rn. 17 mwN)). Wäre die Auffassung des Betriebsratsmitglieds richtig, würde er mit einem Einsatz von acht Stunden Freizeit ein Stundenguthaben von zwölf Stunden erwerben, wohingegen andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils zwölf Stunden an Freizeit einzusetzen haben, um zu dem gleichen Stundenguthaben zu gelangen. Soweit der Betriebsratsmitglied meint, dass eine Begünstigung in diesem Falle deshalb nicht vorliege, weil er für einen freien Tag zwölf Stunden vom Zeitkonto einsetzen müsse, verfängt dies nicht. Dies ändert nämlich nichts daran, dass er nach seiner Auffassung im Gegensatz zu den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Falle von Betriebsratsarbeit lediglich acht Stunden aufwenden müsste, um einen Tag frei machen zu können, wohingegen die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeweils zwölf Stunden ihrer Freizeit hierfür eingebracht haben müssen.
Landesarbeitsgericht Baden ‑Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2016 – 19 Sa 26/16
- BAG 19.03.2014 – 7 AZR 480/12, Rn. 16; 5.05.2010 – 7 AZR 728/08, Rn. 29 mwN[↩]
- BAG 19.07.1977 – 1 AZR 376/74 – Leitsatz[↩]
- BAG aaO Rn. 18[↩]
- BAG 25.08.1999 – 7 AZR 713/97, Rn. 13[↩]
- LAG Niedersachsen 20.04.2015 – 12 TaBV 76/14, Rn. 37; der Beschluss befasst sich allerdings im Schwerpunkt mit der arbeitsschutzrechtlichen Qualifizierung der Betriebsratsarbeit[↩]
- Fitting 28. Auflage § 37 Rn. 98[↩]
- Richardi BetrVG/Thüsing 15. Auflage § 37 Rn. 55[↩]
- Erfurter Kommentar/Koch 16. Auflage BetrVG § 37 Rn. 8[↩]
- BetrVG 13. Auflage § 37 Rn. 68[↩]
- BAG 11.01.1995 – 7 AZR 543/94 Rn. 27; Erfurter Kommentar/Koch 16. Aufl. BetrVG § 37 Rn. 7[↩]
- BAG 12.08.2009 – 7 AZR 218/08[↩]
- BAG 12.08.2009 – 7 AZR 218/08, Rn. 12[↩]
- st. Rspr., vgl. zB BAG. 14.06.2006 – 5 AZR 584/05, Rn. 16 mit zahlreichen weiteren Nachweisen[↩]
- BAG 19.07.1977 – 1 AZR 376/74, Rn. 18[↩]