Vereinbart eine Artistengruppe mit einem Zirkusunternehmen, im Rahmen einer Zirkusaufführung eine in einem Video dokumentierte Artistennummer darzubieten, liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor.

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.
Die Beantwortung der Frage, welche Art von Rechtsverhältnis vorliegt, erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Dem Gericht kommt hierbei ein Beurteilungsspielraum zu.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall verpflichteten sich die klagende Mitglieder einer Artistengruppe in einem sog. „Vertrag über freie Mitarbeit“, im Rahmen der von der beklagten Zirkusbetreiberin ranstalteten Zirkusaufführungen eine von ihnen zuvor einstudierte „Hochseil- und Todesradnummer … gesehen wie auf dem Video bei Youtube“ darzubieten. Einer der Artisten verunglückte während der Premierenveranstaltung. Als die übrigen Artisten in der Folgezeit erfuhren, dass der Zirkus sie nicht zur Krankenversicherung angemeldet hatte, weigerten sie sich aufzutreten. Der Zirkus nahm dies zum Anlass, das Rechtsverhältnis ua. fristlos zu kündigen.
Während das erstinstanzlich hiermit befasste Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abwies, es liege kein Arbeitsverhältnis vor, gab auf die Berufung der Artisten das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anahlt der Klage statt1. Das Landesarbeitsgericht ging davon aus, der Zirkus habe die Artisten als Arbeitnehmer beschäftigt und sei deshalb verpflichtet gewesen, sie zur Krankenversicherung anzumelden. Die hiergegen gerichtete Revision des Zirkus hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg:
Die Artisten erbrachten ihre Artistenleistung nicht als Arbeit, sondern als freie Dienstnehmer, befand das Bundesarbeitsgericht. Der „Vertrag über freie Mitarbeit“ sehe ein für Arbeitsverhältnisse charakteristisches Weisungsrecht nicht vor. Tatsachen, die auf eine von dieser Vereinbarung abweichende Durchführung des Vertrages schließen lassen, seien nicht festgestellt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. August 2015 – 9 AZR 98/14
- LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09.01.2014 – 3 Sa 444/12[↩]