Eine Regelungsabrede der Betriebsparteien wirkt nach einer Kündigung nicht entsprechend § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Dies gilt auch, soweit die Regelungsabrede eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit betrifft.

Auch anlässlich der Weiterbeschäftigung einer zunächst befristet eingestellten Arbeitnehmerin über den Befristungszeitpunkt hinaus und damit ihrer (erneuten) Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist eine Eingruppierung erforderlich.
Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die rechtliche Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Entgeltgruppe zuzuordnen ist. Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber bei jeder Einstellung und Versetzung vorzunehmen. Eine Neueinstellung ist nur dann nicht mit einer Eingruppierung verbunden, wenn keine neue Tätigkeit aufgenommen wird und die maßgebende Vergütungsordnung unverändert geblieben ist [1].
Danach war in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall zum 1.01.2016 eine erneute Eingruppierung der ‑bis zum 31.12.2015 befristet beschäftigten- Arbeitnehmerin R notwendig. Zwar übte die Arbeitnehmerin R auch über den 31.12.2015 unverändert dieselbe Tätigkeit als Maschinenhelferin aus; jedoch hatte sich zu diesem Zeitpunkt die ihrer Eingruppierung zugrunde gelegte Vergütungsordnung geändert.
Entsprechend der mit Schreiben vom 21.01.2009 und 9.02.2009 zustande gekommenen Regelungsabrede wandte die Arbeitgeberin bis Ende November 2015 auf gewerbliche Arbeitnehmer, die nach dem 1.07.2008 in der Buchbinderei oder im Versand der Druckerei eingestellt wurden, eine von den Vorgaben des § 2 LRTV abweichende Vergütungsordnung an. Demzufolge gruppierte sie Arbeitnehmer, die – wie die Mitarbeiterin R – als Helfer tätig waren, ungeachtet der in § 2 LRTV vorgegebenen Tätigkeitsmerkmale zunächst in LG IV LRTV ein und gruppierte sie nach einer Beschäftigungszeit von sechs Monaten in Zwischenlohngruppe „L4+“ um. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats gewährte die Arbeitgeberin durch die Einstufung in eine Zwischenlohngruppe nicht lediglich eine übertarifliche Zulage. Vielmehr erfolgte in Übereinstimmung mit dem Inhalt der zwischen den Betriebsparteien getroffenen Regelungsabrede eine Einreihung der Arbeitnehmer in der durch Zeitaufstieg erreichten höheren Lohngruppe.
Nach Kündigung der Regelungsabrede zum 30.11.2015 [2] brachte die Arbeitgeberin die mit dem Betriebsrat abgesprochene Vergütungsordnung bei einer Einstellung von Arbeitnehmern in der Druckerei nicht mehr zu Anwendung. Stattdessen legte sie für die Eingruppierung der ab Anfang Dezember 2015 eingestellten gewerblichen Arbeitnehmer die Vorgaben des § 2 LRTV einschließlich der dortigen Lohngruppen zugrunde. Damit bedurfte es anlässlich der weiteren Beschäftigung der Arbeitnehmerin R ab dem 1.01.2016 deren Eingruppierung in dieser Vergütungsordnung.
Der Zulässigkeit des Zustimmungsersetzungsantrags steht nicht entgegen, dass der Betriebsrat die im Mai 2015 von der Arbeitgeberin erbetene Zustimmung anlässlich der erstmaligen Einstellung der Arbeitnehmerin R zum 1.07.2015 zu deren Eingruppierung in der LG IV LRTV erteilt hat. Aufgrund der damals von der Arbeitgeberin angewandten; vom LRTV abweichenden Vergütungsordnung und des hierauf bezogenen Zustimmungsersuchens bezieht sich diese auf einen anderen Verfahrensgegenstand.
Der Zustimmungsersetzungsantrag ist begründet. Voraussetzung für die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf [3].
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 01.12 2015 über die beabsichtige Eingruppierung rechtzeitig unterrichtet und um Zustimmung gebeten. Aufgrund der Mitteilung der Arbeitgeberin, ab Dezember 2015 bei „Neueinstellungen“ nur noch nach den tariflichen Vorgaben einzugruppieren, konnte und musste der Betriebsrat das Schreiben auch als Zustimmungsgesuch hinsichtlich der Eingruppierung der Arbeitnehmerin verstehen. Das Schreiben enthält zudem die für den Betriebsrat notwendigen Informationen bezogen auf die Tätigkeit der Arbeitnehmerin R. Da dieser erkennbar mit den betrieblichen Verhältnissen vertraut ist, reichte die Angabe aus, die Arbeitnehmerin werde als Maschinenhelferin weiterbeschäftigt.
Die begehrte Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht bereits nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, weil er seine Zustimmung nicht form- und fristgerecht verweigert hat. Dies steht infolge der rechtskräftigen Abweisung des ursprünglichen Hauptantrags der Arbeitgeberin durch das Arbeitsgericht bindend fest.
Der Betriebsrat konnte seine Zustimmungsverweigerung nicht auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG stützen.
Ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung der Arbeitnehmerin in der LG IV LRTV folgt nicht aus einem etwaigen Verstoß der Arbeitgeberin gegen die Regelungsabrede der Betriebsparteien.
Die Regelwerke, deren Vorgaben den Betriebsrat zur Verweigerung seiner Zustimmung zu einer personellen Maßnahme berechtigen können, sind in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG abschließend aufgeführt. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasst die Norm keine Verstöße gegen Regelungsabreden.
Eine analoge Anwendung von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG auf Regelungsabreden kommt nicht in Betracht.
Eine Analogie setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke besteht und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Anderenfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers – also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will – als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden [4].
§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist nicht planwidrig lückenhaft. Dem Betriebsrat sollte ein Zustimmungsverweigerungsrecht ersichtlich nur bei einem Verstoß der personellen Maßnahme gegen solche Regelungen gewährt werden, die, zumindest auch – normativ und damit unmittelbar und zwingend für die Arbeitnehmer gelten können. Eine solche Wirkung kommt einer zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Regelungsabrede nicht zu. Sie entfaltet als lediglich schuldrechtliche Vereinbarung nur zwischen den Betriebsparteien Wirkung [5].
Die Eingruppierung verstößt nicht gegen ein Gesetz.
Die beabsichtigte Eingruppierung eines Arbeitnehmers verstößt gegen ein Gesetz, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in ein anderes Entgeltschema eingruppieren will als dasjenige, welches als Teil der betrieblichen Lohngestaltung im Betrieb zur Anwendung kommen muss. Die darin liegende Änderung der bestehenden Entlohnungsgrundsätze ist nicht einseitig möglich. Sie bedarf nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG einer Einigung mit dem Betriebsrat. Fehlt diese oder ist sie nicht durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden, verstößt die Eingruppierung gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG [6].
Das Bundesarbeitsgericht kann zugunsten des Betriebsrats unterstellen, dieser habe mit seinen Ausführungen im Schreiben vom 04.12 2015 die Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin R in der LG IV LRTV auch wegen eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verweigern wollen. Denn der geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund liegt nicht vor. Die ehemals normativ (§ 3 Abs. 1 TVG) an den FTV und infolgedessen an den dort in Bezug genommenen LRTV gebundene Arbeitgeberin muss – auch nach Eintritt der Nachwirkung des FTV infolge seiner Kündigung zum 31.10.2016 (§ 4 Abs. 5 TVG) – diesen als die für die nicht bereits am 1.07.2008 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer maßgebende Vergütungsordnung in der Buchbinderei und im Versand zur Anwendung bringen. Hierin liegt keine nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtige Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze.
Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers stellt die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Zwar handelt es sich bei tariflichen Vergütungsregelungen nicht um Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 TVG, die unabhängig von der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer maßgeblich sind, sondern um Inhaltsnormen, die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend nur zwischen dem Arbeitgeber und den tarifgebundenen Arbeitnehmern gelten [7]. Dennoch ist der tarifgebundene Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Dieses Verständnis geben die Funktion des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG sowie der Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vor [8].
Die Entscheidung der Arbeitgeberin, ab dem 1.12 2015 auf alle in der Buchbinderei und im Versand neu eingestellten gewerblichen Arbeitnehmer die Vergütungsordnung des im FTV in Bezug genommenen LRTV anzuwenden, bedurfte nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Da die Arbeitgeberin zum damaligen Zeitpunkt noch unmittelbar und zwingend an den FTV gebunden war, bestand nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG kein Mitbestimmungsrecht. Der Eintritt der Nachwirkung des FTV ab dem 1.11.2016 ändert hieran nichts. Die ursprünglich kraft Tarifgebundenheit des Arbeitgebers im Betrieb geltenden Grundsätze der tariflichen Vergütungsordnung bilden auch nach dem Wegfall dieser Bindung das für den Betrieb maßgebliche kollektive Vergütungsschema. Bis zu einem wirksamen Änderungsakt ist dieses betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig [9].
Der Betriebsrat kann sich vorliegend nicht darauf berufen, die Eingruppierung der Arbeitnehmerin R verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG und benachteilige sie außerdem, ohne dass dies aus betrieblichen oder in ihrer Person liegenden Gründen gerechtfertigt sei (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Diese Zustimmungsverweigerungsgründe hat der Betriebsrat in seinem Schreiben vom 04.12 2015 nicht geltend gemacht. Ein Nachschieben weiterer Gründe nach Ablauf der Wochenfrist scheidet aus [10].
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. August 2019 – 1 ABR 10/18
- vgl. BAG 1.07.2009 – 4 ABR 17/08, Rn. 15 mwN[↩]
- zur Kündigungsmöglichkeit entsprechend § 77 Abs. 5 BetrVG vgl. BAG 23.06.1992 – 1 ABR 53/91, zu B II 2 b der Gründe mwN[↩]
- vgl. statt aller BAG 9.04.2019 – 1 ABR 25/17, Rn. 28 mwN[↩]
- vgl. etwa BAG 9.04.2019 – 9 AZB 2/19, Rn. 23 mwN[↩]
- vgl. etwa BAG 26.09.2018 – 7 ABR 18/16, Rn. 38[↩]
- vgl. statt aller BAG 23.10.2018 – 1 ABR 26/17, Rn. 17 mwN[↩]
- vgl. BAG 4.05.2011 – 7 ABR 10/10, Rn. 22 mwN, BAGE 138, 39[↩]
- BAG 23.08.2016 – 1 ABR 15/14, Rn. 18 mwN[↩]
- vgl. BAG 15.04.2008 – 1 AZR 65/07, Rn. 28 mwN, BAGE 126, 237[↩]
- vgl. etwa BAG 23.01.2019 – 4 ABR 56/17, Rn. 17 mwN[↩]