Zweckbefristung – und die Schließung einer Betriebsstätte

Eine Zweckbefristung erfordert eine unmissverständliche schriftliche (§ 14 Abs. 4 TzBfG) Einigung darüber, dass das Arbeitsverhältnis bei Zweckerreichung enden soll1. Außerdem muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass hieraus das Ereignis, dessen Eintritt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll, zweifelsfrei feststellbar ist2.

Zweckbefristung – und die Schließung einer Betriebsstätte

Die Erreichung eines im Arbeitsvertrag vereinbarten Zwecks „Schließung Standort E-Lager B“ lässt sich zweifelsfrei feststellen. Das Ereignis tritt ein, wenn die für ein Zentrallager maßgeblichen Funktionen der Anlieferung, Lagerung und Auslieferung von Warenbeständen dauerhaft eingestellt werden.

Die Zweckbefristung bedarf zu ihrer Wirksamkeit des Vorliegens eines sachlichen Grundes iSv. § 14 Abs. 1 TzBfG. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht.

Die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein betrieblicher Bedarf mehr besteht. Bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags hat der Arbeitgeber über den vorübergehenden betrieblichen Bedarf an der Arbeitsleistung eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist ein Teil des Sachgrundes für die Befristung. Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeit rechtfertigt die Befristung nicht. Eine solche Unsicherheit gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags auf den Arbeitnehmer abwälzen darf. Die tatsächlichen Grundlagen für die Prognose hat der Arbeitgeber im Prozess darzulegen3.

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Geht es – wie hier – um eine Zweckbefristung, muss sich die Prognose auf die Erreichung des Zwecks richten. Da der zulässige Zweck iSd. TzBfG ein Ereignis ist, dessen Eintritt die Parteien hinsichtlich des „Ob“ als sicher ansehen, dessen „Wann“ aber noch nicht feststeht, fordert eine auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gestützte Zweckbefristung eine hinreichende Prognosedichte dahingehend, dass der in den Arbeitsvertrag aufgenommene Vertragszweck nicht nur möglicherweise oder wahrscheinlich erreicht wird, sondern dass im Rahmen des Vorhersehbaren sicher angenommen werden kann, dass er eintreten wird. Die Prognose muss sich auf einen arbeitsorganisatorischen Ablauf richten, der hinreichend bestimmt ist und an dessen Ende der Wegfall des Bedarfs für die Tätigkeit des Arbeitnehmers steht. Es reicht nicht aus, dass sich lediglich unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Zukunft entbehrlich sein könnte. An die Zuverlässigkeit der Prognose sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je weiter die vereinbarte Zweckerreichung in der Zukunft liegt4.

Der vorübergehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung kann sich daraus ergeben, dass für einen begrenzten Zeitraum in dem Betrieb zusätzliche Arbeiten anfallen, die mit dem Stammpersonal allein nicht erledigt werden können, oder daraus, dass sich der Arbeitskräftebedarf künftig verringert, zB wegen der Inbetriebnahme einer neuen technischen Anlage oder aufgrund von Abwicklungsarbeiten bis zur Betriebsschließung5. Maßgebend für die Feststellung des betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung sind dabei die Verhältnisse in dem Betrieb, für den der Arbeitnehmer befristet eingestellt ist. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist seinem Wortlaut sowie Sinn und Zweck nach weder arbeitgeber- noch betriebsorganisationsbezogen, sondern betriebstätigkeitsbezogen auszulegen.

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Eine bei Vertragsabschluss bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens steht der Wirksamkeit der Befristung nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG entgegen6. Zwar setzte die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des TzBfG für einen sachlichen Grund voraus, dass sich der Arbeitgeber bei Vertragsabschluss zur Schließung des Betriebs oder der Dienststelle entschlossen hat und die Prognose stellen konnte, dass auch eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Betrieb nicht möglich sein werde7. Die Sachgrundbefristung in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist demgegenüber ihrem eindeutigen Wortlaut nach betriebs- und nicht arbeitgeberbezogen ausgestaltet. Sie hat damit den für die Befristungskontrolle vor dem Inkrafttreten des TzBfG maßgeblichen „Wertungsgleichklang“ zu der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht übernommen und unterscheidet sich damit von der sachgrundlosen Befristung; das dort in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG geregelte Anschlussverbot bezieht sich auf eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber8.

Eine Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses wegen einer beabsichtigten Schließung eines betrieblichen Standorts ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags eine sichere Vorstellung darüber hat, wie sich die betriebliche Tätigkeit und damit der Bedarf an der Arbeitsleistung danach konkret weiterentwickelt9. Dieses Verständnis des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung. Der Sachgrund soll dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, mit Arbeitnehmern nur dann eine zeitlich begrenzte vertragliche Bindung eingehen zu müssen, wenn absehbar ist, dass die mit diesen vereinbarten Arbeitsaufgaben im Betrieb nur vorübergehend anfallen und die Arbeitnehmer deshalb voraussichtlich nach Wegfall der Arbeitsaufgaben in dem Betrieb nicht mehr beschäftigt werden können10. Beabsichtigt der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss, seine betriebliche Tätigkeit nach einer räumlichen und/oder organisatorischen Änderung fortzuführen, und besteht der betriebliche Bedarf an der vertraglichen Arbeitsleistung des befristet eingestellten Arbeitnehmers dort fort, sind die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG nicht ohne Weiteres erfüllt. In diesem Fall müsste der fortbestehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung durch einen neu einzustellenden Arbeitnehmer abgedeckt werden. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen eines vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung besteht in einem solchen Fall nur dann, wenn bereits bei Vertragsschluss feststeht, dass die vertragliche Tätigkeit für den befristet beschäftigten Arbeitnehmer an dem neuen Standort nicht mehr anfällt oder ihm diese nicht zugewiesen werden könnte.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. März 2017 – 7 AZR 222/15

  1. BAG 29.06.2011 – 7 AZR 774/09, Rn. 28[]
  2. BAG 21.12 2005 – 7 AZR 541/04, Rn. 36[]
  3. st. Rspr. BAG 15.05.2012 – 7 AZR 35/11, Rn. 30; 17.03.2010 – 7 AZR 640/08, Rn. 12 f., BAGE 133, 319; 20.02.2008 – 7 AZR 950/06, Rn. 12; 17.01.2007 – 7 AZR 20/06, Rn. 28, BAGE 121, 18; 11.02.2004 – 7 AZR 362/03, zu I 2 a der Gründe, BAGE 109, 339; 5.06.2002 – 7 AZR 241/01, zu I 3 a der Gründe, BAGE 101, 262[]
  4. BAG 15.05.2012 – 7 AZR 35/11, Rn. 31[]
  5. BT-Drs. 14/4374 S.19[]
  6. aA HaKo/Mestwerdt 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 69; Plander/Witt DB 2002, 1002[]
  7. BAG 3.12 1997 – 7 AZR 651/96, zu I 1 der Gründe, BAGE 87, 194[]
  8. vgl. BAG 17.01.2007 – 7 AZR 20/06, Rn. 30, BAGE 121, 18[]
  9. vgl. BAG 15.05.2012 – 7 AZR 35/11, Rn. 32[]
  10. BAG 17.01.2007 – 7 AZR 20/06, Rn. 29, BAGE 121, 18[]