Zweistufige tarifliche Ausschlussfristen – und die Kündigungsschutzklage

Tarifliche Ausschlussfristen, die in ihrer zweiten Stufe eine „gerichtliche Geltendmachung“ verlangen, sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die vom Erfolg der Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche gerichtlich geltend gemacht sind1.

Zweistufige tarifliche Ausschlussfristen – und die Kündigungsschutzklage

Der Wortsinn einer „gerichtlichen Geltendmachung“ verlangt nicht zwingend, dass gerade der Streitgegenstand „Vergütung“ zum Inhalt des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gemacht wird2. Es genügt eine prozessuale Auseinandersetzung über den Anspruch3.

Bei der Auslegung und Anwendung tariflicher Ausschlussfristen ist das in zivilrechtlichen Streitigkeiten durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art.20 Abs. 3 GG verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz zu beachten. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Dem Arbeitnehmer dürfen keine übersteigerten Obliegenheiten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt werden. Die Beschreitung des Rechtswegs und die Ausschöpfung prozessualer Möglichkeiten kann vereitelt werden, wenn das Kostenrisiko zu dem mit dem Verfahren angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht4.

Der Zugang zu den Gerichten wird durch eine zweistufige tarifliche Ausschlussfrist nicht unzumutbar erschwert. Der Tarifvertrag verlangt vom Arbeitnehmer nicht, Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs einzuklagen, bevor der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geklärt ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2016 – 5 AZR 853/15

  1. st. Rspr., vgl. BAG 24.09.2014 – 5 AZR 593/12, Rn. 28, BAGE 149, 169; 24.06.2015 – 5 AZR 509/13, Rn. 28, BAGE 152, 75[]
  2. BAG 19.09.2012 – 5 AZR 924/11, Rn. 25; zur Auslegung der zweiten Stufe einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Ausschlussfrist BAG 19.03.2008 – 5 AZR 429/07, Rn. 22, BAGE 126, 198[]
  3. BAG 19.05.2010 – 5 AZR 253/09, Rn. 31[]
  4. BVerfG 1.12 2010 – 1 BvR 1682/07, Rn. 21 f.[]
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