Wird die Berufungsbegründung per Telefax übersandt, kommt es für die Rechtzeitigkeit ihres Eingangs allein darauf an, ob sie bei Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen ist. Zwar darf der Prozessbevollmächtigte einer Partei bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz wie hier am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Das zur Fristwahrung Gebotene tut der Anwalt bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nur, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24:00 Uhr gerechnet werden kann.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am Tag des Ablaufs der (verlängerten) Berufungsbegründungsfrist gemäß der Zeitangabe auf seinem Telefaxgerät ab 23:50 Uhr versucht, die elfseitige Berufungsbegründungsschrift an das Berufungsgericht unter der Durchwahlnummer 3570 zu senden. Um 23:50 Uhr, 23:52 Uhr und 23:54 Uhr jeweils nach der Zeitangabe des Sendegeräts hat er die Rückmeldung erhalten: „Teilnehmer antwortet nicht“. Um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) ist ihm das Ergebnis des Sendevorgangs mit „Korrekt“ und die Dauer der Übersendung von zwölf Seiten (letzte Seite zweifach) mit 2 Minuten 50 Sekunden mitgeteilt worden. Eine ebenfalls um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) von einem zweiten Telefaxgerät veranlasste Übermittlung von elf Seiten an die zweite Durchwahlnummer des Berufungsgerichts 2747 ist mit „OK“ und einer Übertragungsdauer von 2 Minuten 13 Sekunden auf dem Journal des Sendegeräts niedergelegt.
Auf dem Empfangsjournal des Telefaxgeräts des Berufungsgerichts zur Durchwahlnummer 3570 ist für den 5.02.2015 ab 23:53 Uhr der Eingang eines fünfunddreißigseitigen Schriftsatzes der Rechtsanwälte S. dokumentiert, dessen Übermittlung laut Empfangsjournal 6 Minuten 13 Sekunden gedauert hat. Für den 6.02.2015 ist ab 00:00 Uhr der Eingang von zwölf Seiten über 2 Minuten 57 Sekunden verzeichnet. Das Empfangsjournal des zweiten Telefaxgeräts dokumentiert für den 6.02.2015 ab 00:00 Uhr den Eingang von elf Seiten über eine Dauer von 2 Minuten 23 Sekunden. Die Posteingangsstelle des Berufungsgerichts hat auf einem Telefax zunächst einen auf den 5.02.2015 datierten Eingangsstempel aufgebracht, den sie nachträglich auf den 6.02.2015 korrigiert hat.
Das Oberlandesgericht München hat nach Erteilung eines Hinweises und Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der bei der Posteingangsstelle tätigen Bediensteten die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung zurückgewiesen1. Der Bundesgerichtshof billigte dies:
Das Berufungsgericht hat die Frist zur Begründung der Berufung rechtsfehlerfrei und ohne Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte als versäumt angesehen, weil der Kläger die Berufungsbegründung erst am 6.02.2015 und damit nicht innerhalb der bis zum 5.02.2015 verlängerten Frist eingereicht hat (§ 520 Abs. 2 ZPO).
Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen im Freibeweisverfahren zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dabei muss die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung – wie die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels – zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden. Hiernach etwa verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Rechtsmittelführers, der zu beweisen hat, dass er die Berufung rechtzeitig begründet hat2.
Wird die Berufungsbegründung per Telefax übersandt, kommt es für die Rechtzeitigkeit ihres Eingangs allein darauf an, ob sie bei Ablauf des letzten Tages der Frist – hier also am 5.02.2015 bis 24:00 Uhr – vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen ist. Es müssen die gesamten Signale aufgenommen und nach Verarbeitung als abrufbare digitale Datei auf den internen Datenspeicher des Geräts geschrieben worden sein3. Die Eingangszeit ist dabei nach der gesetzlichen Zeit gemäß §§ 4, 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EinhZeitG zu beurteilen.
Nach den Empfangsjournalen gingen die Sendungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers an beiden Anschlüssen des Berufungsgerichts nicht vor dem 6.02.2015, 00:00 Uhr, und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ein. Um die Frist zu wahren, hätte die Berufungsbegründung vor Beginn des auf den letzten Tag der Frist folgenden Tages um 00:00 Uhr eingehen müssen4 und damit, weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde existiert, vor Ablauf von 23:59 Uhr5.
Vortrag des Klägers dazu, die Zeiteinstellung bei den Empfangsgeräten sei „vorgegangen“, so dass die Empfangsjournale die Eingangszeit zu seinem Nachteil nicht richtig dokumentiert hätten, hat das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG als unsubstantiiert behandelt.
Auf das Vorbringen, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die Zeitangaben der Sendegeräte um 23:45 Uhr mit den Zeitangaben seines Mobiltelefons und seines Computers verglichen, musste das Berufungsgericht nicht näher eingehen. Der Kläger hat zum einen nichts dafür angeführt, die Protokollierung der Sendezeit habe notwendig auch die Eingangszeit dokumentiert6. Zum anderen hat er nicht geltend gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe die Zeiteinstellungen der von ihm genutzten Sendegeräte anhand einer Funkuhr überprüft. Dass sein Mobiltelefon und sein Computer die physikalisch exakte Zeit angaben, hat er weder behauptet noch belegt. Damit hat er nicht substantiiert ausgeführt, die Sendeberichte hätten die allein maßgebliche gesetzliche Zeit wiedergegeben.
Ebenfalls nicht weiter auseinandersetzen musste sich das Berufungsgericht mit dem Vorbringen, die Zeitangaben der Empfangsjournale seien von den Zeitangaben auf einem Sendebericht der Rechtsanwälte S. abgewichen. Ausweislich dieses Sendeberichts übersandten die Rechtsanwälte S. beginnend ab 23:48 Uhr einen Schriftsatz an das Empfangsgerät mit der Durchwahlnummer 3570. Das Empfangsjournal dieses Empfangsgeräts weist den Beginn des Empfangs des Schriftsatzes für 23:53 Uhr aus. Die Zeitmessung des Empfangsgeräts des Berufungsgerichts differierte damit – den zeitgleichen Beginn der Sendung und des Empfangs unterstellt – von der des Sendegeräts der Rechtsanwälte S. um fünf Minuten. Für die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verwendeten Sendegeräte bestand dagegen ein Unterschied von vier Minuten (Sendebeginn laut Sendegerät 23:56 Uhr, Beginn des Empfangs laut Empfangsjournal 00:00 Uhr), so dass schon die Zeitmessung der Sendegeräte des klägerischen Prozessbevollmächtigten und der Rechtsanwälte S. nicht übereinstimmte. Ob und wie sichergestellt war, dass das Sendegerät der Rechtsanwälte S. die gesetzliche Zeit maß oder verlässliche Angaben auch zur Eingangszeit machen konnte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Damit war sein Vorbringen zu den Zeitangaben dieses Sendegeräts insgesamt nicht geeignet, die Unrichtigkeit der Zeiteinstellung auf den Empfangsgeräten zumal im Lichte ihrer Überprüfung am 6.02.2015 (Freitag) und dem täglichen Abgleich ihrer Zeitmessung mit einer Funkuhr in Frage zu stellen.
Das Berufungsgericht hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung rechtsfehlerfrei und ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG versagt, so dass auch insoweit eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich ist. Der Kläger war nicht ohne das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) gehindert, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht die Anforderungen, die an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts zu stellen sind, nicht überspannt.
Zwar darf der Prozessbevollmächtigte einer Partei bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz wie hier am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Das zur Fristwahrung Gebotene tut der Anwalt bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nur, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24:00 Uhr gerechnet werden kann7.
Das war hier nicht der Fall. Nach den vorgenannten Grundsätzen widersprach es den Sorgfaltsanforderungen, erst wenige Minuten vor Fristablauf mit der Übersendung zu beginnen. Eine Partei muss bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze nicht nur Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden die Belegung des Empfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört8. Sie muss auch sicherstellen, dass der Empfang der Sendung noch innerhalb der Frist abgeschlossen werden kann.
Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muss, nicht getan. Entsprach, wovon das Berufungsgericht aufgrund der eingeholten dienstlichen Stellungnahme zutreffend ausgegangen ist, die täglich mit einer Funkuhr abgeglichene Zeitangabe der Empfangsgeräte der physikalisch exakten Zeit und gingen damit die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verwendeten Sendegeräte vier Minuten „nach“, scheiterte die Übermittlung zwischen 23:54 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:50 Uhr) und 23:59 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:55 Uhr) daran, dass, worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers eingestellt sein musste, das Empfangsgerät mit der Durchwahlnummer 3570 ausweislich des Empfangsprotokolls zwischen 23:53 Uhr und 23:59 Uhr belegt war. Damit war, was das Berufungsgericht ohne Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geschlussfolgert hat, das Fristversäumnis nicht unverschuldet, zumal für die Übermittlung ein zweites Empfangsgerät des Berufungsgerichts zur Verfügung gestanden hätte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Januar 2016 – XI ZB 14/15
- OLG München, Beschluss vom 17.03.2015 – 19 U 4563/14[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 15.09.2009 – XI ZB 29/08 12; und vom 17.04.2012 – XI ZB 4/11 18 mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 15.09.2009 – XI ZB 29/08 16 f.; und vom 17.04.2012 – XI ZB 4/1119[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.07.2003 – VII ZB 8/03, WM 2004, 648, 649; vgl. auch BVerfGE 41, 323, 328[↩]
- BGH, Beschluss vom 08.05.2007 – VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045 Rn. 12[↩]
- BGH, Beschluss vom 07.07.2011 – I ZB 62/10, HRF 2012, 94, 95[↩]
- BGH, Beschluss vom 03.05.2011 – XI ZB 24/10 9; BGH, Beschluss vom 27.11.2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 7 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 03.05.2011 – XI ZB 24/10 10; BGH, Beschluss vom 27.11.2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 8[↩]