Akteneinsicht am Gerichtssitz – und die (Reise-)Kostenerstattung

Die erstattungsfähigen Kosten umfassen alle notwendigen Kosten und damit auch die Reisekosten (Nr. 7004 VV RVG) sowie die Tage- und Abwesenheitsgelder (Nr. 7005 VV RVG) für Akteneinsichtnahmen, die am Sitz des Gerichts vorgenommen wurden.

Akteneinsicht am Gerichtssitz – und die (Reise-)Kostenerstattung

Nach § 34a Abs. 2 BVerfGG sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten, wenn sich die Verfassungsbeschwerde als begründet erweist. Notwendige Auslagen sind Kosten, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht aufgewendet werden müssen1.

Die Eigenständigkeit der Regelung des § 34a BVerfGG schließt es nicht aus, ergänzend auf Grundsätze des sonstigen Prozessrechts zurückzugreifen. Insbesondere bestehen keine Bedenken, im Verfassungsbeschwerdeverfahren im Regelfall die Grundsätze des § 91 ZPO entsprechend heranzuziehen2. Ein schematischer Rückgriff auf die Regelungen des § 91 ZPO verbietet sich jedoch. Vielmehr sind die Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zu berücksichtigen3.

Unter die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Sinne von § 34a BVerfGG fällt dabei unter anderem die Vergütung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts nach der gesetzlich vorgegebenen Höhe4. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sieht insoweit vor, dass dem in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Diese Regelung ist auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren anwendbar5.

Gemäß § 20 BVerfGG haben die Beteiligten in einem beim Bundesverfassungsgericht geführten gerichtlichen Verfahren das Recht auf Akteneinsicht. Dieses Recht steht den Beteiligten jederzeit während eines anhängigen Verfahrens zu6. Sollten dem Beteiligten bei der Akteneinsicht Kosten anfallen, wie zum Beispiel für die Anfertigung von Kopien der Aktenbestandteile oder Reisekosten für die am Gerichtssitz erfolgte Einsicht, können sie grundsätzlich als notwendige Auslagen im Sinne von § 34a BVerfGG erstattet werden7.

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Bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Reisekosten nebst Tage- und Abwesenheitsgeld für Akteneinsichtnahmen (Nrn. 7004, 7005 VV RVG) handelt es sich um dem Grunde nach erstattungsfähige notwendige Auslagen im Sinne von § 34a Abs. 2 BVerfGG. Insbesondere entsprechen diese Auslagen auch dem mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Zweck.

Für die Beurteilung, ob die Inanspruchnahme von Akteneinsicht eine zweckdienliche Rechtsverfolgung darstellt, kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, welchen konkreten Inhalt die Akte aufweist und ob das Gericht dem Beteiligten die eingehenden Stellungnahmen zur Kenntnisnahme weiterleitet. Denn der Sinn und Zweck des in § 20 BVerfGG normierten Akteneinsichtsrechts liegt nicht nur darin, dass der Beteiligte durch die Akteneinsicht von den zur Akte genommenen Dokumenten Kenntnis nehmen kann, sondern auch, dass er sich selbst ein Bild von der Aktenführung machen und sich von ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit überzeugen kann8. Demnach spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die Verfahrensakte zum Zeitpunkt eines Akteneinsichtsgesuchs im Wesentlichen aus den eigenen Schrift-sätzen des jeweiligen Antragstellenden und bereits weitergeleiteten Stellungnahmen von Äußerungsberechtigten besteht. Überdies trifft die Angabe des Beschwerdeführers zu, dass die Geschäftsstelle ihm mit Schreiben vom 09.11.2017 mitteilte, die Verfahrensakte habe 1.642 Seiten umfasst; dieser Umfang ließ sich aus Sicht des Beschwerdeführers nicht allein mit seiner Verfassungsbeschwerde nebst Anlagen begründen und damit grundsätzlich den Schluss darauf zu, dass weitere ihm nicht bekannte Unterlagen und Zugänge zur Akte gelangt waren.

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Unbeachtlich ist nach den Umständen des Einzelfalles auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Februar 2018 ein zweites Mal Akteneinsicht beantragte. Zwischen der ersten Akteneinsichtnahme im November 2017 und dem zweiten Akteneinsichtsgesuch endete die durch den Vorsitzenden bestimmte Äußerungsfrist für die beteiligten Stellen – die Zustellungsempfänger gemäß §§ 94, 77 BVerfGG und sachkundige Dritte nach § 27a BVerfGG. Ein verständiger Beteiligter durfte damit rechnen, dass innerhalb dieser gesetzten Frist entsprechende Stellungnahmen eingehen. Die zwischenzeitlich bei Gericht eingegangenen Äußerungen waren dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seines zweiten Akteneinsichtsgesuchs vom 09.02.2018 auch noch nicht zugegangen. Der Zugang erfolgte nach seiner Aussage in der Beschwerdeschrift erst am 24.02.2018, das heißt knapp zwei Monate nach Ablauf der Äußerungsfrist am 31.12.2017. Insoweit gab es aus Sicht des Beschwerdeführers – auch vor dem Hintergrund der vorstehend geschilderten Umstände, die zum ersten Akteneinsichtsgesuch geführt haben – einen hinreichenden Anlass dazu, die Verfahrensakte erneut einzusehen und zu überprüfen. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche oder offenkundig überflüssige Inanspruchnahme des Akteneinsichtsrechts sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

Schließlich ist es mit dem Kostenschonungsgebot vereinbar, dass der Beschwerdeführer sich jeweils dafür entschied, die Akten am Gerichtssitz einzusehen. Nach der Praxis des Bundesverfassungsgerichts wird Akteneinsicht in der Weise gewährt, dass dem Beteiligten entweder die Möglichkeit eingeräumt wird, die Verfahrensakte am Gerichtssitz einzusehen, oder indem das Gericht Kopien aus der Verfahrensakte fertigt und dem Beteiligten übersendet9. Eine Übersendung der Akte an den Beteiligten findet grundsätzlich nicht statt10. Vor diesem Hintergrund und angesichts des erheblichen Umfangs der Akte stellte sich die Entscheidung des Beschwerdeführers, die Akten vor Ort einzusehen, als mit dem Kostenschonungsgebot vereinbare Art und Weise dar; vom Akteneinsichtsrecht Gebrauch zu machen. Hierfür spricht im Hinblick auf die erste Anreise zur Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle des Bundesverfassungsgerichts auch, dass die Geschäftsstelle dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.11.2017 mitteilte, für eine Ablichtung der gesamten Verfahrensakte fielen Schreibauslagen in Höhe von 263,80 € an.

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. September 2023 – 2 BvR 739/17

  1. vgl. BVerfGE 87, 270 <272> 88, 382 <383> 98, 163 <166> 99, 46 <47>[]
  2. vgl. BVerfGE 50, 254 <255> 89, 313 <314 m.w.N.>[]
  3. vgl. BVerfGE 46, 321 <323> 81, 387 <389> 87, 270 <272> 88, 382 <383> 89, 313 <314> 98, 163 <166>[]
  4. vgl. Barczak, in: ders., BVerfGG, 2018, § 34a Rn. 21; Graßhof, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 34a Rn. 83 ; ähnlich auch BVerfGE 81, 387 <390>[]
  5. vgl. BVerfGE 50, 254 <255> 81, 387 <389>[]
  6. vgl. Barczak, in: ders., BVerfGG, 2018, § 20 Rn. 12; Peterek, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Aufl.2022, § 20 Rn. 33[]
  7. vgl. Grünewald, in: Walter/Grünewald, BeckOK BVerfGG, § 20 Rn. 12 ; Peterek, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Aufl.2022, § 20 Rn. 36[]
  8. vgl. Barczak, in: ders., BVerfGG, 2018, § 20 Rn. 3; Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl.2020, § 20 Rn. 2; Peterek, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Aufl.2022, § 20 Rn. 4; Ulsamer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 20 Rn. 1 f.[]
  9. vgl. hierzu auch Barczak, in: ders., BVerfGG, 2018, § 20 Rn. 12; Grünewald, in: Walter/Grünewald, BeckOK BVerfGG, § 20 Rn. 11 f. ; Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl.2020, § 20 Rn. 7; Peterek, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Aufl.2022, § 20 Rn. 27, 34; Ulsamer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 20 Rn. 14[]
  10. vgl. Barczak, in: ders., BVerfGG, 2018, § 20 Rn. 12; Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl.2020, § 20 Rn. 7; Ulsamer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 20 Rn. 15[]
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