Altersgrenze für Notare

Die in § 48a BNotO bestimmte Altersgrenze von 70 Jahren, bei deren Erreichen das Amt des Notars erlischt (§ 47 Nr. 1 BNotO), ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt auch unter Berücksichtigung neuerer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesarbeitsgerichts nicht gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters.

Altersgrenze für Notare

Diese Rechtsfragen sind durch die BGH-Beschlüsse vom 17.03.20141 und2 sowie durch die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 05.01.20113 und vom 27.06.20144, mit denen die Verfassungsbeschwerden gegen diese Entscheidungen zurückgewiesen worden sind, bereits geklärt. Danach verstoßen § 47 Nr. 1 und § 48a BNotO weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf5 folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Hieran hält der Bundesgerichtshof fest.

Der Bundesgerichtshof hat sich insbesondere in den Beschlüssen vom 25.11.20136 mit der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur beruflichen Altersgrenze auseinandergesetzt7 und darauf im Beschluss vom 17.03.20148 Bezug genommen.

Im Beschluss vom 25.11.20139 hat sich der Bundesgerichtshof ausführlich damit befasst, dass die Altersgrenze nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt, weil die für deutsche Notare geltende Altersgrenze nach den Maßstäben der Richtlinie beschäftigungspolitisch dadurch gerechtfertigt ist, dass andernfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit, gewährleistet wäre, dass lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere frei machen und diesen eine Perspektive eröffnet wird, den angestrebten Beruf des Notars binnen angemessener Zeit ausüben zu können10.

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Soweit der Notar geltend macht, es habe sich mittlerweile ein Mangel an Nachwuchsinteressenten für das Anwaltsnotariat eingestellt, rechtfertigt dies nicht, die Regelung in § 48a BNotO nicht mehr anzuwenden, selbst wenn dieser Befund zutreffen und sich verstetigen sollte. Ob, wann und in welcher Weise der Gesetzgeber die Rechtslage geänderten tatsächlichen Verhältnissen anpasst, liegt in seinem, von den Gerichten schon aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektierenden Gestaltungsspielraum. Dass sich die Bewerberverhältnisse derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Altersgrenze des § 48a BNotO der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, ist nicht ansatzweise ersichtlich.

Einen Vertrauensschutz zugunsten des Notars durch die in der Bestallungsurkunde aufgenommene Formulierung, dass der Notar für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Landgericht Bremen zum Notar bestellt werde, verneint der Bundesgerichtshof ebenfalls. Der Bundesgerichtshof teilt die Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen11, dass die Bestallungsurkunde keine eigene den Notar begünstigende Regelung hinsichtlich der Dauer der Bestellung zum Notar enthält, sondern lediglich festlegt, mit welcher der in § 3 BNotO zugelassenen Notariatsformen der Notar betraut werden sollte.

Unbehelflich ist der Hinweis des Notars darauf, dass das Erlöschen des Notaramts die wirtschaftliche Sicherung seines Alters gefährde, weil die nach seiner Auffassung zu hohe Zahl der Rechtsanwälte in B. einen Ausgleich der aufgrund der Altersgrenze entgehenden Einnahmen als Notar durch die anwaltliche Tätigkeit nicht zulasse. Maßgebend für die Altersgrenze des § 48a BNotO ist die Sicherung einer geordneten Altersstruktur des aktiven Notariats und die Notwendigkeit, im Interesse der beruflichen Perspektive jüngerer Anwärter für eine ausreichende Fluktuation zu sorgen, weil im Interesse einer geordneten Rechtspflege die Limitierung der Stellenanzahl nach § 4 BNotO gilt12. Diesen für die Altersgrenze maßgeblichen Gründen fehlt ein inhaltlicher Bezug zur Art und Weise, wie die Versorgung der Notare, deren Amt nach § 47 Nr. 1, § 48a BNotO erloschen ist, ausgestaltet ist.

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Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV sind nicht erfüllt. Der Bundesgerichtshof nimmt insoweit auf die Ausführungen in seinen Beschlüssen vom 22.03.201013; und vom 25.11.201314 Bezug. Eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV scheidet nach den Maßstäben der so genannten acteclair-Doktrin15 aus. Dass die notarielle Tätigkeit gemäß § 1 BNotO ein öffentliches Amt ist, wird auch durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24.05.201116 nicht in Frage gestellt17. Nach der Auffassung des Gerichtshofs ist zwar die Beurkundungstätigkeit der Notare als solche nicht im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden. Doch werden mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Dies stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der etwaige Beschränkungen im Sinne von Art. 43 EG rechtfertigen kann, die sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit ergeben, wie etwa den für die Notare aufgrund der Verfahren zu ihrer Bestellung geltenden Vorgaben, der Beschränkung ihrer Zahl und ihrer örtlichen Zuständigkeit oder auch der Regelung ihrer Bezüge, ihrer Unabhängigkeit, der Unvereinbarkeit von Ämtern und ihrer Unabsetzbarkeit, soweit diese Beschränkungen zur Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich sind18. Die Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare gehört zu den Beschränkungen im Sinne von Art. 43 EG (= Art. 49 AEUV), die durch einen zwingenden Grund des allgemeinen Interesses gerechtfertigt werden können, weil mit den notariellen Tätigkeiten in diesem Interesse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Dementsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 06.11.201219 zur Herabsetzung der Altersgrenze für ungarische Richter, Staatsanwälte und Notare von 70 Jahren auf 62 Jahre hervorgehoben, dass die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur, um die Einstellung und Beförderung jüngerer Bediensteter zu begünstigen, ein legitimes Ziel einer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist, das eine Altersgrenze rechtfertigt20. Der Gerichtshof hat einen Verstoß der betreffenden ungarischen Regelung gegen die Richtlinie nur deshalb beanstandet, weil die in Rede stehende Regelung eine plötzliche und erhebliche Senkung der Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden aus dem Dienst vornahm, ohne Übergangsmaßnahmen vorzusehen, die geeignet gewesen wären, das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen, die eine Einbuße von mindestens 30 % ihres Gehalts hätten hinnehmen müssen21.

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Von einer derartigen Fallgestaltung ist der Notar im hier entschiedenen Fall aufgrund der von ihm beanstandeten, bereits seit dem 3.02.1991 (Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte22) in Kraft befindlichen Regelungen nicht betroffen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. November 2014 – NotZ(Brfg) 5/14

  1. BGH, Beschluss vom 17.03.2014 – NotZ(Brfg) 21/13, ZNotP 2014, 111[]
  2. BGH, Beschluss vom 22.03.2010 – NotZ 16/09, BGHZ 185, 30[]
  3. BVerfG, Beschluss vom 05.01.2011 – 1 BvR 2870/10, NJW 2011, 1131[]
  4. BVerfG, Beschluss vom 27.06.2014 – 1 BvR 1313/14[]
  5. ABl. EG L 303/16[]
  6. BGH, Beschlüsse vom 25.11.2013 – NotZ(Brfg) 8/13, NotZ(Brfg) 11/13 und – NotZ(Brfg) 12/13 jeweils aaO[]
  7. BGH, aaO jeweils Rn. 5 ff.[]
  8. BGH, Beschluss vom BGH, Beschluss vom 17.03.2014 – NotZ(Brfg) 21/13 aaO Rn. 5[]
  9. BGH, Beschluss vom 25.11.2013 – NotZ(Brfg) 11/13, DNotZ 2014, 313 4 ff.[]
  10. vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 22.03.2010 – NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 29[]
  11. OLG Bremen, Urteil vom 07.03.2014 – 2 Not 1/13[]
  12. vgl. zur Vereinbarkeit der Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare mit Art. 43 EG und Art. 49 AEUV EuGH, Urteil vom 24.05.2011 – C54/08, NJW 2011, 2941 Rn. 98[]
  13. BGH, Beschluss vom 22.03.201 – NotZ 16/09, aaO Rn. 32 ff.; siehe hierzu auch BVerfG NJW 2011, 1131 Rn. 14[]
  14. BGH, Beschluss vom 25.11.2013 – NotZ(Brfg) 11/12 aaO Rn. 14 und – NotZ(Brfg) 12/13 aaO Rn. 14[]
  15. siehe hierzu z.B. BGH, Beschlüsse vom 22.03.2010 aaO Rn. 33 f.; und vom 26.11.2007 – NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34[]
  16. EuGH, Urteil vom 24.05.2011 – C54/08, NJW 2011, 2941 Rn. 98[]
  17. vgl. hierzu auch BVerfGE 131, 130 Rn. 131 ff.[]
  18. vgl. EuGH, aaO Rn. 93 ff.[]
  19. EuGH, Urteil vom 06.11.2012 – C286/12[]
  20. EuGH, aaO Rn. 60, 62 f. mwN[]
  21. EuGH, aaO Rn. 68, 70[]
  22. vom 29.01.1991, BGBl. I S. 150[]
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Berufsgerichtliche Verfahren - und die Feststellung des Strafurteils