Ein (Berufungs-)Schriftsatz ist als elektronisches Dokument auch dann durch Übermittlung zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden (§ 130a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 ZPO), wenn der im Transfervermerk enthaltene Zusatz „Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt.“ aufgrund eines Softwarefehlers unzutreffend ist.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Münchener Rechtsstreit: Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts vom 06.12.2019 ist dem Klägervertreter am 10.12.2019 zugestellt worden. Der Klägervertreter hat die Berufungsschrift am 7.01.2020 durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ohne qualifizierte elektronische Signatur übermittelt. Im Transfervermerk heißt es unter „Informationen zum Übermittlungsweg: Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach. Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt.“ Mit Verfügung vom 09.01.2020 ist dies dem Klägervertreter mitgeteilt worden. Es bedürfe noch der Prüfung, was dies für die Wirksamkeit der Berufungseinlegung bedeute. Daraufhin hat der Klägervertreter zunächst mitgeteilt, dass dies nicht nachvollzogen werden könne, und auf das ordnungsgemäße Sendeprotokoll vom 07.01.2020 sowie die Eingangsbestätigung des Berufungsgerichts vom 08.01.2020 verwiesen. Mit Verfügung vom 24.01.2020 ist dem Klägervertreter mitgeteilt worden, dass die Berufungsschrift nicht wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg übermittelt worden sei und dass eine qualifizierte elektronische Signatur nicht vorliege. Die Berufungsbegründung hat der Klägervertreter am 7.02.2020 übermittelt. Am 13.02.2020 hat der Klägervertreter erneut Berufung eingelegt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Mit Beschluss vom 20.02.2020 hat das Oberlandesgericht München die Berufung des Klägers und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen. Da der Transfervermerk den Zusatz „Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt.“ enthalte, liege keine Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg vor. Warum die vom Klägervertreter vorgelegten Unterlagen diese Fehlermeldung nicht auswiesen, sei zwar nicht verständlich, aber unerheblich. Die deshalb erforderliche qualifizierte Signatur liege ebenfalls nicht vor. Mit Verfügung vom 01.04.2020 ist der Klägervertreter darauf hingewiesen worden, dass der Transfervermerk ausweislich der Stellungnahme der IT-Stelle ordnungsgemäß sein dürfte; soweit der Verwerfungsbeschluss schon rechtskräftig geworden sein sollte, sehe der Bundesgerichtshof aber zu seinem Bedauern keine prozessuale Möglichkeit mehr, dem nunmehr noch Rechnung zu tragen. In der Stellungnahme der IT-Stelle ist ausgeführt, es habe sich herausgestellt, dass die ursprüngliche Angabe, das Zertifikat sei gesperrt gewesen, aufgrund eines Softwarefehlers unzutreffend sei. Die abweichende Darstellung im Transfervermerk beruhe auf einem Softwarefehler, der zur Behebung angemeldet sei.
Gegen den Verwerfungsbeschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, die vor dem Bundesgerichtshof Erfolg hatte:
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, obwohl der Klägervertreter durch die Einreichung des Schriftsatzes am 7.01.2020 fristgerecht Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet hat (§ 517, §§ 520, 519 Abs. 1, § 130a Abs. 1 ZPO), und damit das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren sowie Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt. Die Berufungsschrift ist als elektronisches Dokument durch Übermittlung zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts entgegen der dem Beschluss des Berufungsgerichts vom 20.02.2020 zu Grunde liegenden Annahme auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden (§ 130a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 ZPO). Der im Transfervermerk enthaltene Zusatz „Das Zertifikat des Herkunftsnachweises ist gesperrt.“ ist, wie die Überprüfung der IT-Stelle des Berufungsgerichts ergeben hat, aufgrund eines Softwarefehlers unzutreffend.
Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Standt ist daher nicht mehr zu entscheiden.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VI ZB 26/20
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