Der Notar und seine Gebührenerhebungspflicht

Mit der sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 BNotO ergebenden Gebührenerhebungspflicht des Notars hatte sich jetzt der Notarsenat des Bundesgerichtshofs im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu befassen:

Der Notar und seine Gebührenerhebungspflicht

Im hier entschiedenen Fall hat der Notar nach Ansicht des Bundesgerichtshofs vorsätzlich gegen § 17 Abs. 1 BNotO und § 140 Satz 2 KostO (a.F.) (§ 125 GNotKG) verstoßen, indem er ihm zustehende Gebührenansprüche in einer Gesamthöhe von 606.441, 98 € entweder gar nicht oder nur verzögert durchgesetzt hat, wobei es sich bei den Gebührenschuldnern zu 75% um natürliche Personen oder Unternehmen handelt, die im weit verstandenen Immobiliensektor tätig sind.

Verstöße gegen die in § 17 Abs. 1 BNotO statuierte Pflicht des Notars zur Gebührenerhebung kommen als Dienstvergehen gemäß § 95 BNotO und damit als Grundlage für Disziplinarmaßnahmen gegen Notare in Betracht. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht1. Das Bundesverfassungsgericht hat es für mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar gehalten, dass eine Disziplinarmaßnahme gegen einen Notar auf einen lediglich „mittelbaren“ Verstoß gegen § 17 Abs. 1 BNotO gestützt worden ist2. Der von dem zugrunde liegenden Disziplinarverfahren betroffene Notar hatte systematisch das Entstehen von Zusatzgebühren für Auswärtsbeurkundungen vereitelt, um auf diese Weise Rechtsuchenden seine Amtstätigkeit zu geringeren Kosten anbieten zu können. Anhand des Verfassungsmaßstabs des Art. 12 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht den Regelungszweck der Gebührenerhebungspflicht vor allem in der Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs unter den Notaren erblickt. Damit bezwecke § 17 Abs. 1 BNotO „die Sicherung einer funktionsfähigen Rechtspflege, indem leistungsfähige Notariate und die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen gesichert werden sollen“. Diese diene daher einem wichtigen Gemeinwohlbelang3.

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Entgegen der von dem Notar vertretenen Rechtsauffassung bestehen unter dem Gesichtspunkt hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit des § 17 Abs. 1 BNotO keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich unmissverständlich eine als Amtspflicht ausgestaltete Pflicht des Notars, die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren für seine Tätigkeit zu erheben. Der Gesetzgeber hat 1998 durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 31.08.19984 die bis dahin lediglich in den allgemeinen Richtlinien für die Berufsausübung der Notare enthaltene Pflicht wegen ihres „statusbildenden Charakters“ als gesetzliche Pflicht verankert5. Ausnahmen von der Gebührenerhebungspflicht sind nur unter den Voraussetzungen von § 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO zugelassen. Der Gebührenanspruch des Notars ist öffentlichrechtlicher Natur6. Aus § 140 Satz 2 KostO (a.F.) und nunmehr aus § 125 GNotKG ergibt sich die grundsätzliche Unzulässigkeit von Vereinbarungen des Notars über die Höhe seiner Gebühren. Entgegen dem gesetzlichen Verbot geschlossene Vereinbarungen sind nichtig. Sie befreien den Schuldner nicht von der Pflicht zur Zahlung der Gebühren und den Notar nicht von der Pflicht zu deren Erhebung7.

Dem Notar ist zwar zuzugeben, dass sich § 17 Abs. 1 BNotO nicht unmittelbar entnehmen lässt, innerhalb welcher Fristen der Notar seine Pflicht zur Erhebung der Gebühren zu erfüllen hat. Angesichts der gesetzlichen Regelung der Ausnahmen von der Erhebungspflicht in § 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO lässt sich aber unter Berücksichtigung des Regelungszwecks der Vorschrift erkennen, dass eine Pflichtverletzung jedenfalls dann eintritt, wenn der Verzicht auf die Durchsetzung der Gebührenforderung oder deren verzögerte Art und Weise im tatsächlichen Ergebnis auf einen Gebührenerlass oder eine Gebührenermäßigung hinauslaufen. Dieser Erwägung entsprechend sehen die Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer und die Richtlinien der Rheinischen Notarkammer zu Ziffer VI. 3.01. vor, dass der Notar die Gebühren in angemessener Frist einzufordern und sie bei Nichtzahlung im Regelfall beizutreiben habe.

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Insgesamt kann daher § 17 Abs. 1 BNotO ausreichend eindeutig entnommen werden, dass die Pflicht des Notars zur Gebührenerhebung diejenige zur Durchsetzung der Gebührenforderung beinhaltet. Aus dem grundsätzlich bestehenden Verbot von Vereinbarungen über den Gebührenerlass und die ermäßigung lässt sich ein Verbot von Verhaltensweisen ableiten, die zu einer Umgehung der genannten ausdrücklichen Verbote führen. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch eine lediglich „mittelbare“ Verletzung von § 17 Abs. 1 BNotO als eine Disziplinarmaßnahmen begründende Amtspflichtverletzung verfassungsrechtlich unbeanstandet gelassen8.

An diesen Maßstäben gemessen hat der Notar gegen die Pflicht zur Gebührenerhebung und durchsetzung verstoßen, indem er Gebührenforderungen in einem Gesamtumfang von mehr als 600.000 € entweder gar nicht oder in einer Weise verzögert beigetrieben hat, die mit der vorgenannten Pflicht unvereinbar ist.

Angesichts des Fehlens ausdrücklicher Regelungen über die Art und Weise der Durchsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren ist zwar dem Notar sowohl hinsichtlich des Zeitraums der Gebührenerhebung als auch des Ergreifens von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei ausbleibender freiwilliger Erfüllung ein Beurteilungsspielraum einzuräumen. Dem tragen die Empfehlungen der Bundesnotarkammer (und die gleichlautenden Richtlinien der Rheinischen Notarkammer) mit dem Hinweis auf die „angemessene Frist“ und die „im Regelfall“ erfolgende Beitreibung bei Nichtzahlung Rechnung. Dagegen steht dem Notar kein Ermessen dahingehend zu, ob er Gebühren überhaupt erhebt oder deren gesetzlich vorgeschriebene Höhe ermäßigt. Insoweit besteht die außerhalb der im Gesetz geregelten Ausnahmen uneingeschränkte Pflicht, die auch faktische Umgehungen ausschließt.

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Auf der Grundlage des auch insoweit unstreitigen Sachverhalts hat der Notar in dem genannten Umfang selbst unter Berücksichtigung des im vorstehenden Absatz beschriebenen, auf die Angemessenheit der Erhebungsfrist und die zwangsweise Durchsetzung bezogenen Beurteilungsspielraums gegen seine Amtspflicht verstoßen.

Diese Amtspflichtverletzungen erweisen sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht lediglich in den Fällen der Stundungsvereinbarungen, sondern hinsichtlich der unzureichenden Gebührenbeitreibung bei einer Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände als vorsätzlich.

Die Pflicht zur Gebührenerhebung ist in § 17 Abs. 1 Satz 1 BNotO unmissverständlich statuiert. Gleiches gilt für die eng begrenzten Ausnahmefälle in § 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO. Ebenso eindeutig ergab sich im Zeitraum der Dienstvergehen aus § 140 KostO (a.F.) das Verbot von Gebührenvereinbarungen. Die Nichtigkeitsfolge bei Verletzung dieses Verbots entspricht ständiger Rechtsprechung. Dies war dem Notar jeweils bekannt. Aus den Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer und deren Umsetzung in den Richtlinien der Rheinischen Notarkammer lässt sich zudem entnehmen, dass die Gebührenerhebungspflicht auch die Durchsetzung der Gebührenforderung in angemessener Frist umfasst.

Auf der Grundlage dieser rechtlichen Vorgaben erlaubt das Gesamtverhalten des Notars, offensichtlich gesetzwidrige Stundungsvereinbarungen zu schließen, das Unterbleiben oder Verzögern der Gebührendurchsetzung in der ganz überwiegenden Zahl gegenüber Schuldnern aus dem Immobiliensektor bei gleichzeitiger weiterer Durchführung von Beurkundungen in deren Auftrag, den Rückschluss auf eine vorsätzliche Verletzung der notariellen Pflicht zur Gebührenbeitreibung. Dem steht nicht entgegen, dass es in einzelnen Fällen zu deutlich verzögerter Erfüllung von Gebührenforderungen gekommen ist. Die nachträgliche Erfüllung ist für den Pflichtverstoß, die Gebührenforderung in angemessener Frist beizutreiben, in objektiver Hinsicht ohne Bedeutung. In subjektiver Hinsicht hatte der Notar ungeachtet seiner Kenntnis von den Inhalten der Gebührenbeitreibungspflicht sich aus den vorstehend genannten Gründen entschlossen, diese nicht zu erfüllen.

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Anhaltspunkte für einen nicht vermeidbaren Irrtum des Notars über den Inhalt der aus § 17 Abs. 1 BNotO resultierenden Pflichten hat er gerade nicht vorgetragen. Der Hinweis auf das Fehlen einschlägiger Literatur und Rechtsprechung über die Art und Weise der Gebührenbeitreibung ändert daran nichts. Bereits aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des § 17 Abs. 1 BNotO lässt sich erkennen, dass ungeachtet eines gewissen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Modalitäten der Durchsetzung von Gebührenforderungen ein über Jahre geübter, ganz überwiegend Schuldner aus der Immobilienbranche begünstigender und im Ergebnis zu Außenständen im sechsstelligen Bereich führender Verzicht auf die Durchsetzung von Gebührenforderungen mit den Amtspflichten des Notars schlechterdings unvereinbar ist.

Die Verstöße gegen die Pflicht zur Gebührenbeitreibung in angemessener Zeit sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofs als sehr schwerwiegend zu bewerten. Bei der gebotenen Gesamtschau ist dabei zu berücksichtigen, dass diese Amtspflichtverletzungen mit Bemühen des Notars einhergehen, den Interessen von Mandanten aus der Immobilienbranche weitgehend unter Verletzung von Amtspflichten, die wiederum für das öffentliche Amt des Notars konstitutiv sind, entgegen zu kommen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Notars handelt es sich bei seinen einen Zeitraum von rund neun Jahren umfassenden Verstößen gegen die Amtspflicht vor allem aus § 17 Abs. 1 BNotO nicht in erster Linie um eine „Selbstschädigung“ seiner finanziellen Interessen. Wie bereits ausgeführt dient die Gebührenerhebungspflicht der Notare wichtigen Gemeinwohlbelangen in Gestalt der Sicherung funktionstüchtiger Rechtspflege und leistungsfähiger Notariate. Ein Verdrängungswettbewerb zwischen den Notaren soll durch sie gerade verhindert werden9. Indem der Notar auf die Durchsetzung und Geltendmachung seiner gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren in dem festgestellten Ausmaß, über den langen Zeitraum sowie in der ganz überwiegenden Zahl der Einzelfälle zu Gunsten von Schuldnern aus dem Immobiliensektor verzichtet oder diese unangemessen verzögert hat, hat er in schwerwiegender Weise den mit § 17 Abs. 1 BNotO erstrebten Schutzzweck in Frage gestellt.

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Das Verhalten des Notars insgesamt lässt den Schluss zu, dass er planmäßig unter Verletzung mehrerer bedeutsamer Dienstpflichten den Interessen von Mandanten aus der genannten Branche entgegen gekommen ist, um sich hierdurch unberechtigte Vorteile im Wettbewerb mit anderen Notariaten zu verschaffen.

In der Gesamtschau ergibt sich ein so schwerwiegend dienstpflichtwidriges, auf einseitige Rücksichtnahme auf die Interessen von Urkundsbeteiligten aus dem Immobilienbereich gerichtetes Verhalten, dass ein weiterer Verbleib im Amt mit dessen Prägung als unparteiisch und unabhängig nicht vereinbar ist.

Angesichts der vorstehend aufgezeigten Schwere der Disziplinarverstöße sowie der Bereitschaft des Notars, um der Interessenwahrung seiner Mandanten aus der Immobilienbranche willen eigene finanzielle Nachteile hinzunehmen, genügte vorliegend die Verhängung einer Geldbuße selbst in dem höchsten zulässigen Umfang von 50.000 Euro (§ 97 Abs. 4 Satz 1 BNotO) nicht, um das schuldhafte Dienstvergehen zu ahnden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. November 2014 – NotSt(Brfg) 1/14

  1. BVerfG, Beschluss vom 01.12 2010 – 1 BvR 1747/10 16 ff.[]
  2. BVerfG aaO Rn. 17[]
  3. BVerfG aaO Rn. 17 mwN[]
  4. BGBl. I S. 2585[]
  5. BT-Drs. 13/4184 S. 25 re.Sp.[]
  6. siehe nur BGH, Urteil vom 13.07.1989 – III ZR 64/88, BGHZ 108, 268, 269[]
  7. OLG Celle, ZNotP 2012, 158 f. mwN, siehe auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.11.2012 – 20 W 154/11 12[]
  8. BVerfG aaO[]
  9. BVerfGK 18, 267, 273 f.[]
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