Die falsche Telefax-Nummer in der Berufungsschrift

Ein Rechtsanwalt hat – dem Gebot des sichersten Weges folgend1 – durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht.

Die falsche Telefax-Nummer in der Berufungsschrift

Zwar darf er sich zur fristwahrenden Übermittlung solcher fristgebundenen Schriftsätze auch eines Telefaxgeräts bedienen. Ebenso darf er die Übermittlung solcher Schriftsätze durch Telefax als einfache büromäßige Aufgabe einer zuverlässigen, hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft übertragen, ohne die Ausführung des Auftrags stets konkret überwachen und kontrollieren zu müssen.

Er ist dabei allerdings gehalten, durch geeignete organisatorische Vorkehrungen, insbesondere durch entsprechende allgemeine Anweisungen an das Büropersonal, sicherzustellen, dass Fehlerquellen im größtmöglichen Umfang ausgeschlossen sind und gewährleistet ist, dass bei der Adressierung die zutreffende Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird2.

Der Rechtsanwalt hat zum erforderlichen Ausschluss von Fehlerquellen die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet3.

Die dazu nötigen organisatorischen Vorkehrungen erfordern, wenn solche Schriftsätze mittels Telefax übersandt werden, unter anderem die generelle Anordnung, die zuvor ermittelte Telefaxnummer einer nochmaligen selbständigen Überprüfung an Hand einer zuverlässigen Quelle, gleich ob unmittelbar im Anschluss an die Ermittlung oder nach Absendung des Telefax an Hand des Übersendungsberichts, zu unterziehen, um darüber etwaige Fehler bei der Ermittlung der Telefaxnummer aufdecken zu können4.

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Das örtlich unzuständige Berufungsgericht

Diese Sorgfaltsanforderungen kommen namentlich bei Informationsquellen zum Tragen, bei denen – wie hier bei dem Internetauftritt des Berufungsgerichts – an ein und demselben Ort mehrere Empfängeradressen aufgeführt sind, so dass das Risiko eines Versehens bei der Ermittlung der zutreffenden Empfängernummer in besonderem Maße besteht5.

Hätte die erforderliche Anweisung bestanden, die ermittelte Telefaxnummer einer nochmaligen Nachkontrolle an Hand einer zuverlässigen Quelle zu unterziehen, hätte im vorliegenden Fall der damit betrauten Büroangestellten bei Anwendung der dafür erforderlichen Sorgfalt nicht verborgen bleiben können, dass die von ihr dem Internetauftritt des Berufungsgerichts entnommene Telefaxnummer allein zu der Rubrik des Gesamtrichterrats gehörten und dieser beziehungsweise sein am Landgericht Cottbus dienstansässiger Vorsitzender schlechthin nicht der richtige Adressat der Berufungsschrift sein konnte. In Anbetracht des Umstandes, dass für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung einer Frist ursächlich geworden ist, von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen ist und kein weiterer Fehler hinzugedacht werden darf6, ist deshalb das Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten für den Fehler der Büroangestellten zumindest mitursächlich geworden7.

Für die Versäumung der Berufungsfrist war im hier entschiedenen Fall auch kein ein den Kausalitätszusammenhang unterbrechendes gerichtliches Verschulden ursächlich. Zwar ist auch ein mit der Sache – wie hier das Landgericht Cottbus – bislang nicht befasstes Gericht gehalten, den fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten, wenn seine Unzuständigkeit für die Berufungseinlegung schon nach der Adressierung des Schriftsatzes ohne Weiteres erkennbar war8. Das hat es jedoch nicht erfordert, die am letzten Tag der Berufungsfrist kurz vor Dienstschluss als Telefax eingegangene Berufungsschrift noch am gleichen Tage ebenfalls mit Telefax an das im Schriftsatz bezeichnete Berufungsgericht weiterzuleiten oder sonst noch am gleichen Tage bei den Prozessbevollmächtigten Rückfrage zu halten.

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Postausgangskontrolle - und das Fristfax

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Juni 2015 – VIII ZB 100/14

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 24.10.2013 – V ZB 154/12, WM 2014, 427 Rn. 10 ff.[]
  2. BGH, Beschluss vom 26.05.2011 – III ZB 80/10 8; BVerwG, NJW 2008, 932; BAG, NJW 1995, 2742, 2743; jeweils mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 04.11.2014 – VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 9 mwN[]
  4. BGH, Beschlüsse vom 27.08.2014 – XII ZB 255/14, MDR 2014, 1286 Rn. 7 ff.; vom 24.10.2013 – V ZB 154/12, WM 2014, 427 Rn. 8; vom 17.04.2012 – VI ZB 50/11, NJW-RR 2012, 1084 Rn.20; vom 26.05.2011 – III ZB 80/10, aaO; vom 12.05.2010 – IV ZB 18/08, NJW 2010, 2811 Rn. 11, 14; vom 10.05.2006 – XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 Rn. 13 ff.; jeweils mwN[]
  5. BGH, Beschlüsse vom 22.06.2004 – VI ZB 14/04, NJW 2004, 3491 unter – II 1; vom 24.04.2002 – AnwZ 7/01, BRAK-Mitt 2002, 171 unter – III 2[]
  6. BGH, Beschlüsse vom 04.11.2014 – VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 14; vom 16.07.2014 – IV ZB 40/13 13; vom 24.01.2012 – II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 14[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 24.10.2013 – V ZB 154/12, aaO Rn. 15 mwN[]
  8. BGH, Beschluss vom 24.06.2010 – V ZB 170/09, WuM 2010, 592 Rn. 7 f. mwN[]
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Die inhaltlich unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung - und keine Wiedereinsetzung der anwaltlich vertretenen Partei