Kopierkosten für eingereichten Mehrfertigungen sind nicht erstattungsfähig, sofern nicht zu deren Übersendung aufgefordert wurde und hierzu auch keine gesetzliche Verpflichtung besteht.

Die Höhe der Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (im Folgenden: VV RVG).
Der hier allein in Betracht kommende Kostentatbestand der Nummer 7000 Ziffer 1 Buchstabe b VV RVG ist nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer war nach den einschlägigen Regelungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht zur Vorlage von Mehrfertigungen seiner Schriftsätze verpflichtet. Zudem haben der Vorsitzende oder der Berichterstatter ihn zu keinem Zeitpunkt während des Verfahrens gemäß § 23 Abs. 3 BVerfGG zur Vorlage entsprechender Mehrfertigungen aufgefordert. Es spielt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch keine Rolle, ob das Gericht ihn darauf hinwies, dass es keine Mehrfertigungen benötige. Welche Unterlagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorzulegen sind, ergibt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz und muss dem rechtskundigen Beschwerdeführer im Übrigen auch bekannt sein.
Soweit der Beschwerdeführer die Erstattungsfähigkeit seiner Auslagen mit einem Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.07.19831 zu begründen versucht, ist diese Entscheidung mit der hiesigen Fallkonstellation nicht vergleichbar. Im dortigen Verfahren bejahte das Bundesverfassungsgericht die Erstattungsfähigkeit auch von unaufgefordert vorgelegten, für das Verfahren wesentlichen Unterlagen, weil der Berichterstatter die Beschwerdeführerin bereits zuvor um die Vorlage von Mehrfertigungen ihrer Schriftsätze ersucht hatte2. Das ist hier aber nicht der Fall. Der Beschwerdeführer wurde zu keinem Zeitpunkt zur Vorlage von Mehrfertigungen aufgefordert. Das Gericht hat auch sonst keine Veranlassung dafür gegeben, dass er sich zur Vorlage von Mehrfertigungen seiner Schriftsätze verpflichtet sehen musste.
Soweit im Schrifttum teilweise vertreten wird, dass eingereichte Mehrfertigungen stets erstattungsfähig seien, wenn das Gericht diese für eine Zustellung nutze, weil der Beschwerdeführer insoweit das Geschäft des Gerichts betreibe3, überzeugt diese Rechtsauffassung nicht. Sie widerspricht dem ausdrücklichen Wortlaut der Nummer 7000 Ziffer 1 Buchstabe b VV RVG und der Systematik der in Teil 7 VV RVG geregelten Erstattungstatbestände. Der Gesetzgeber hat mit den Tatbeständen in den Nummern 7000 ff. VV RVG abschließende Regelungen dazu getroffen, wann in den dort aufgeführten Fällen Auslagen für Kopien erstattungsfähig sind. Dies stellt eine auch in Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG festgehaltene Ausnahme des Grundsatzes dar, dass die allgemeinen Geschäftskosten einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts durch die Gebühren als abgegolten gelten4. Wollte man Auslagen für Mehrfertigungen als erstattungsfähig ansehen, die nicht unter die gesondert geregelten Tatbestände der Nummer 7000 VV RVG fallen, wäre dies eine Durchbrechung dieser gesetzlichen Systematik.
Darüber hinaus entspricht eine nur auf „notwendige“, das heißt für die Rechtsverfolgung zweckdienliche Maßnahmen beschränkte Kostenerstattung dem allen Prozessordnungen innewohnenden Gebot der Kostenschonung. Aus diesem Gedanken folgt, dass jeder Verfahrensbeteiligte verpflichtet ist, die Kosten seiner Prozessführung, die er im Falle seines Sieges vom Erstattungspflichtigen erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung seiner berechtigten Belange vereinbaren lässt5. Das Gebot der Kostenschonung ist eine Ausprägung des das Prozessrecht beherrschenden Prinzips von Treu und Glauben. Der erstattungspflichtige Beteiligte soll davor bewahrt werden, für jegliche im Zusammenhang mit der rechtlichen Auseinandersetzung entstandene Kosten aufkommen zu müssen. Die Beteiligten sollen daher zu einer kostenbewussten Verfahrensführung angehalten werden6. Diesem Gedanken, der durch die ausdrückliche Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der „Notwendigkeit“ im Wortlaut des § 34a Abs. 2 BVerfGG auch dem verfassungsgerichtlichen Verfahren innewohnt, widerspräche es, wenn einem Beschwerdeführer Auslagen für anlasslos eingereichte Mehrfertigungen von Schriftsätzen im Verfassungsbeschwerdeverfahren erstattet würden. Wenn das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde sowie sonstige Schriftsätze an die Verfahrensbeteiligten zustellen will, so fertigt es Mehrfertigungen der Schriftstücke selbst an. Die Kosten für die Erstellung dieser Mehrfertigungen fallen der Staatskasse anheim, da nach § 34 Abs. 1 BVerfGG eine Erstattung gerichtlicher Auslagen nicht vorgesehen ist. Reicht ein Beschwerdeführer dennoch ohne Aufforderung und ohne sonstige Veranlassung entsprechende Mehrfertigungen ein, so handelt es sich vor diesem Hintergrund nicht um „notwendige“, für die Rechtsverfolgung zweckentsprechende Maßnahmen. Vielmehr leistet der Beschwerdeführer etwas, was über das für die Rechtsverfolgung Erforderliche hinausgeht, und drängt dem Staat Leistungen auf.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28. September 2023 – 2 BvR 739/17
- BVerfGE 65, 72[↩]
- vgl. BVerfGE 65, 72 <75 f.>[↩]
- vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG, 8. Aufl.2019, § 34a Rn. 42; Zuck/Eisele, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 6. Aufl.2022, Rn. 1061[↩]
- vgl. Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl.2015, VV 7000 Rn. 1 ff.; Ebert, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl.2021, Vorb. 7 Rn. 1; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl.2021, Vorb. 7 Rn. 9 ff.[↩]
- vgl. zum Zivilprozess: Jaspersen, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, § 91 Rn. 119 zum Strafprozess: Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl.2023, § 464a Rn. 6; zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren: Kunze, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, § 162 Rn. 51a zum sozialgerichtlichen Verfahren: Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl.2020, § 193 Rn. 7; zum finanzgerichtlichen Verfahren: Stapperfend, in: Gräber, FGO, 9. Aufl.2019, § 139 Rn. 4; alle jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl.2020, § 91 Rn. 48[↩]
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