Vor dem Bundesverfassungsgericht blieb die Rechtssatzverfassungsbeschwerde zweier Notare gegen Meldepflichten aufgrund von Geldwäschevorschriften ohne Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, sie sei unzulässig, da sie nicht dem Subsidiaritätsgrundsatz genüge.

Konkret betraf die Verfassungsbeschwerde § 43 Absatz 1, 2, 6, § 46, § 47 Absatz 1, 4, 6, § 48 Absatz 1 sowie und in Verbindung mit § 51 Absatz 2, 5, 5a, § 52 Absatz 1 und 5 und § 56 Absatz 1 Nummer 69, 70, 71 und 73, Absatz 2 Nummer 6 und 7, Absatz 3 des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten – Geldwäschegesetz (GwG) –1 sowie § 1 und §§ 3 bis 7 der Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich (GwGMeldV-Immobilien)2.
Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer angezeigt. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist. Sie genügt bereits nicht dem Grundsatz der Subsidiarität.
Unmittelbar gegen Gesetze steht der fachgerichtliche Rechtsschutz in der Regel nicht offen3. Gleichwohl sind gesetzesunmittelbare Verfassungsbeschwerden nach dem Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) nicht schon dann zulässig, wenn Beschwerdeführende von dem streitgegenständlichen Gesetz selbst, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sind4. Vielmehr muss ein Beschwerdeführer zunächst im Rahmen des ihm Zumutbaren versuchen, Rechtsschutz durch die Fachgerichte zu erlangen5. Das Bundesverfassungsgericht soll nicht mangels Fallanschauung der Fachgerichte auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen fällen und Aussagen über den Inhalt einer einfachgesetzlichen Regelung treffen müssen, solange sich hierzu noch keine gefestigte Rechtsprechung der Fachgerichte entwickelt hat. Ein solcher Fall ist regelmäßig dann gegeben, wenn die angegriffenen Vorschriften auslegungsbedürftige und -fähige Rechtsbegriffe enthalten, von deren Auslegung und Anwendung es maßgeblich abhängt, inwieweit Beschwerdeführende durch die angegriffenen Vorschriften tatsächlich und rechtlich beschwert sind6.
Anders verhält es sich, soweit die Beurteilung einer angegriffenen Norm ausschließlich spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären; einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung bedarf es dann nicht7. Gleiches gilt, wenn die angegriffene Regelung die Beschwerdeführenden zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können8, oder wenn die Anrufung der Fachgerichte nicht zumutbar ist, etwa weil das offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre9. Grundsätzlich unzumutbar ist es, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm verstoßen zu müssen und sich dem Risiko einer Ahndung auszusetzen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können. Doch genügt eine Verfassungsbeschwerde auch dann nicht dem Grundsatz der Subsidiarität, wenn die Möglichkeit besteht, fachgerichtlichen Rechtsschutz außerhalb eines Straf- oder Bußgeldverfahrens zu erlangen10. Zum vorrangigen fachgerichtlichen Rechtsschutz außerhalb eines Straf- oder Bußgeldverfahrens zählt die – gegebenenfalls mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verbundene – vorbeugende negative Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO gegen die individuelle Verbindlichkeit normativer Verbote oder Verpflichtungen11. Diese ist statthaft, wenn die Feststellung begehrt wird, dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist12.
Danach haben die Beschwerdeführer den Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt.
Voraussetzung der beanstandeten Unterlassungs- und Schweigepflichten in §§ 46 f. GwG, der beanstandeten Befugnisse der Aufsichtsbehörden nach § 51 GwG, der beanstandeten Mitwirkungspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden nach § 52 GwG und der beanstandeten Ordnungswidrigkeitentatbestände in § 56 GwG ist das Bestehen einer Meldepflicht. Die angegriffenen Regelungen über Meldepflichten nach § 43 Abs. 1 und Abs. 6 GwG in Verbindung mit §§ 3 ff. GwGMeldV-Immobilien enthalten jedoch eine Vielzahl auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe. Von deren Auslegung hängt maßgeblich ab, ob und inwieweit die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Regelungen beschwert sind.
So stellt § 3 Abs. 1 und Abs. 2 GwGMeldV-Immobilien etwa auf einen „engen Bezug“ eines Beteiligten, eines Geschäftsgegenstands oder eines Bankkontos zu einem Risikostaat ab. Nach § 4 Abs. 2 GwGMeldV-Immobilien wird eine Meldepflicht dadurch ausgelöst, dass „Tatsachen“ auf bestimmte „wissentlich nicht richtige oder nicht vollständige Angaben“ „hindeuten“. Das gleiche gilt nach § 4 Abs. 3 und Abs. 6 GwGMeldV-Immobilien, wenn unter anderem ein Treuhandverhältnis oder die Zwischenschaltung einer Gesellschaft „keinen offensichtlichen wirtschaftlichen oder sonstigen rechtmäßigen Zweck hat“. § 4 Abs. 5 GwGMeldV-Immobilien fordert ein „grobes Missverhältnis“ zwischen Erwerbsvorgang sowie legalem Einkommen und Vermögen, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GwGMeldV-Immobilien ein „erhebliches“ Abweichen von Gegenleistung und tatsächlichem Verkehrswert des Geschäftsgegenstandes beziehungsweise vorherigem Preis, § 6 Abs. 2 Satz 1 GwGMeldV-Immobilien für die dort genannten Gestaltungen das Fehlen eines „nachvollziehbaren Grundes“ und § 6 Abs. 3 Satz 1 GwGMeldV-Immobilien bei Zahlung über ein Anderkonto das Fehlen eines „berechtigten Sicherungsinteresses“13.
Die Begrenzung der Prüfpflichten in § 1 Satz 2 GwGMeldV-Immobilien wird als unklar formuliert und als für die Abgrenzung der Pflichtenkreise unbehelflich angesehen14. Schließlich wird die Reichweite des § 7 GwGMeldV-Immobilien als weitgehend unklar erachtet und der praktische Anwendungsbereich der Norm in Zweifel gezogen15; Auslegungsbedarf wird auch im Hinblick auf die Abgrenzung des § 7 GwGMeldV-Immobilien zum „offensichtlichen wirtschaftlichen oder sonstigen rechtmäßigen Zweck“ in § 4 Abs. 3 GwGMeldV-Immobilien gesehen16.
Fachgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung der genannten Vorschriften ist bislang nicht ergangen. Die einzige Gerichtsentscheidung zur Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien ist bislang – soweit ersichtlich – der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 05.02.202117. In dieser Entscheidung werden jedoch keine einzelnen auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale der §§ 3 ff. GwGMeldV-Immobilien ausgelegt.
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Regelungen zu irreversiblen Dispositionen gezwungen wären. Dass sie aufgrund der Neuregelung weitreichende Lebensentscheidungen zu treffen hätten, legen sie nicht dar.
Dass fachgerichtlicher Rechtsschutz offensichtlich sinn- und aussichtslos und daher unzumutbar wäre, haben die Beschwerdeführer nicht aufgezeigt.
Zwar sind die betreffenden Vorschriften bußgeldbewehrt. Die Beschwerdeführer haben aber die Möglichkeit, fachgerichtlichen Rechtsschutz auch außerhalb eines Bußgeldverfahrens zu erlangen. Sie können sich im Wege einer mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen negativen Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO an die Verwaltungsgerichte wenden und dort die Feststellung begehren, dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit der gerügten Rechtsnormen kein Rechtsverhältnis zu den anderen Beteiligten begründet ist.
Dadurch könnte hier auch eine etwaige ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung verhindert werden. Insbesondere trifft es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht zu, dass die für die Ahndung einer etwaigen Ordnungswidrigkeit nach § 56 Abs. 1 und 2 GwG zuständige Verwaltungsbehörde nicht an eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung über den Pflichtenkanon der Beschwerdeführer gebunden und fachgerichtlicher Rechtsschutz schon deshalb sinnlos und daher unzumutbar wäre. Die Entscheidung über einen im Streitfall gegen das Land Berlin zu richtenden Rechtsschutzantrag wäre nämlich auch für den Präsidenten des dortigen Landgerichts als die für die Durchführung des Geldwäschegesetzes zuständige Aufsichtsbehörde des Landes Berlin verbindlich. Der Präsident des Landgerichts Berlin ist aber auch die für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Geldwäschegesetz zuständige Landesbehörde.
Der Verwaltungsgerichtsordnung liegt nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO das Rechtsträgerprinzip zugrunde, wonach Klagen und korrespondierende Eilrechtsschutzanträge gegen diejenige juristische Person des öffentlichen Rechts – etwa Bund, Land, Kreis oder Gemeinde – zu richten sind, deren Behörde gegenüber Rechte oder Pflichten bestehen beziehungsweise nicht bestehen sollen. Von der Ermächtigung in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (Behördenprinzip) hat das Land Berlin keinen Gebrauch gemacht. Einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung über Pflichten nach der Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien und dem Geldwäschegesetz käme demnach Wirkung zwischen den Beschwerdeführern als Normadressaten und dem Rechtsträger der verbotsvollziehenden Behörde sowie allen diesem zugeordneten Behörden zu (§ 121 Nr. 1, § 63 Nr. 1 und 2 VwGO)18.
Für Notare ist nach § 50 Nr. 5 GwG der Präsident des Landgerichts, in dessen Bezirk der Notar seinen Sitz hat, die für die Durchführung des Geldwäschegesetzes zuständige Aufsichtsbehörde, im Fall der Beschwerdeführer also der Präsident des Landgerichts Berlin. Der Präsident des Landgerichts Berlin ist nach § 36 Abs. 2 OWiG in Verbindung mit § 1 Nr. 13 der Verordnung über sachliche Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten des Landes Berlin (OWi-ZustV), aber auch die für die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit nach dem Geldwäschegesetz zuständige Verwaltungsbehörde. Die Rechtskraft einer Entscheidung über einen gegen das Land Berlin als Rechtsträger der normvollziehenden Behörde (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gerichteten Rechtsschutzantrag der Beschwerdeführer würde sich daher gemäß § 121 VwGO auf den Präsidenten des Landgerichts Berlin erstrecken. Eine verwaltungsgerichtliche Feststellung wäre also auch gegenüber der für die Ahndung einer etwaigen Ordnungswidrigkeit zuständigen Behörde verbindlich, so dass über den fachgerichtlichen Rechtsschutz eine solche Ahndung verhindert werden könnte19.
Eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kam für das Bundesverfassungsgericht jedenfalls wegen des umfangreichen fachgerichtlichen Klärungsbedarfs nicht in Betracht20.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. November 2022 – 1 BvR 161/21
- vom 23.06.2017, BGBl. I SS. 1822, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23.05.2022, BGBl. I S. 754, geändert worden ist[↩]
- in der Fassung vom 20.08.2020, BGBl. I S.1965[↩]
- vgl. BVerfGE 150, 309 <326 Rn. 42>[↩]
- vgl. BVerfGE 146, 71 <111 Rn. 118 ff.>[↩]
- vgl. BVerfGE 143, 246 <321 Rn.209>[↩]
- vgl. BVerfGE 145, 20 <54 f. Rn. 86> 150, 309 <326 f. Rn. 44> BVerfG, Beschluss vom 19.11.2018 – 1 BvR 1335/18, Rn. 3; Beschluss vom 12.11.2020 – 1 BvR 2424/20, Rn. 10[↩]
- vgl. BVerfGE 143, 246 <322 Rn. 211> 150, 309 <327 Rn. 44> stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 43, 291 <387> 60, 360 <372> 150, 309 <327 Rn. 45>[↩]
- vgl. BVerfGE 55, 154 <157> 65, 1 <38> 102, 197 <208> 123, 148 <172>[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 70 <82 f.> 97, 157 <165> 138, 261 <271 f. Rn. 23> 145, 20 <54 Rn. 85>[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 69 <76> 115, 81 <95> 145, 20 <54 f. Rn. 86> BVerfG, Beschluss vom 25.06.2015 – 1 BvR 555/15, Rn. 11 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.07.2015 – 1 BvR 1014/13, Rn. 6[↩]
- zu Unklarheiten in den genannten Begrifflichkeiten vgl. Gabriel, in: BeckOK GwG, 1.06.2022, § 15 GwG Rn. 34; Krais, in: BeckOK GwG, 1.06.2022, § 6 GwGMeldV-Immobilien Rn. 5; ders., CCZ 2020, S. 311 <316, 320> Pelz, in: BeckOK GwG, 1.06.2022, § 4 GwGMeldV-Immobilien Rn. 7; Thelen, Geldwäscherecht in der notariellen Praxis, 2021, Rn. 480, 487, 503 und 522; siehe zu der genannten Formulierung aus § 4 Abs. 3 und Abs. 6 GwGMeldV-Immobilien auch BVerfG, Beschluss vom 19.11.2018 – 1 BvR 1335/18, Rn. 8[↩]
- vgl. Krais, CCZ 2020, S. 311 <321>[↩]
- vgl. Krais, CCZ 2020, S. 311 <313 f., 321> ders., in: BeckOK GwG, 1.06.2022, § 7 GwGMeldV-Immobilien Rn. 6 f.[↩]
- vgl. Pelz, in: BeckOK GwG, 1.06.2022, § 4 GwGMeldV-Immobilien Rn. 13[↩]
- 12 L 258/20[↩]
- dazu BVerwG, Beschluss vom 28.08.2002 – 9 VR 11/02, Rn. 4; vgl. dazu auch BVerfGE 75, 329 <346> BVerfG, Beschluss vom 19.07.1993 – 1 BvR 340/91 18[↩]
- vgl. dazu BVerfGE 142, 268 <280 Rn. 44> BVerfG, Beschluss vom 09.07.2020 – 1 BvR 2067/17 u.a., Rn. 25[↩]
- vgl. BVerfGE 139, 321 <347 Rn. 84> 145, 365 <372 Rn.19>[↩]
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