Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls – und der noch nicht rechtskräftige Steuerbescheid

Es stellt ein hinreichendes Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall des Rechtsanwalts dar, wenn gegen diesen seitens des Finanzamts aufgrund vollstreckbarer Steuerforderungen1 erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt wurden und die Vollziehung der den Forderungen zugrunde liegenden Steuerbescheide nicht ausgesetzt worden ist2.

Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls – und der noch nicht rechtskräftige Steuerbescheid

Auf den rechtskräftigen Abschluss eines hinsichtlich solcher Forderungen anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens kommt es insoweit nicht an3. Der Rechtsanwalt hatte im vorliegenden Fall im Übrigen nichts dazu vorgetragen, inwiefern die Steuerbescheide der Beklagten fehlerhaft sind4.

Es war danach Sache des Rechtsanwalts, das in den erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts liegende Beweisanzeichen für seinen Vermögensverfall durch geeigneten Vortrag auszuräumen5. Dies ist ihm nicht gelungen. Das pauschale Vorbringen des Rechtsanwalts, das Finanzamt sei sein einziger Gläubiger, der nicht bedient werde, reicht insoweit nicht aus.

Im Übrigen konnte nach den im angefochtenen Urteil beschriebenen geringen Einkommensverhältnissen des Rechtsanwalts, der lediglich über ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 1.700 € netto verfügt, nicht davon ausgegangen werden, dass er in absehbarer Zeit auch nur einen Bruchteil der Forderungen des Finanzamts hätte begleichen können. Dem entsprechend hat der Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof erklärt, er könne die Steuerbescheide des Finanzamts wegen seines geringen Einkommens „derzeit nicht bezahlen“.

Der vom Rechtsanwalt angeführte vorgenannte Gesichtspunkt, das Finanzamt sei sein einziger Gläubiger, der nicht bedient werde, und der hiermit zusammenhängende Umstand, dass die Beklagte den Widerruf nur auf Forderungen dieses einen Gläubigers gestützt hat, begründen ebenfalls keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache. Die Annahme eines Vermögensverfalls setzt nicht voraus, dass es vor dem Widerruf zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von mehr als einem Gläubiger gekommen ist6.

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Auch das Vorbringen des Rechtsanwalts, es mangele an einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, erfüllt nicht die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes. Der Rechtsanwalt meint, bei nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen insbesondere nur eines Gläubigers könne die Gefährdung von Mandantengeldern durch geeignete Auflagen der Rechtsanwaltskammer beseitigt werden. Hiermit vermag der Rechtsanwalt schon deshalb nicht durchzudringen, weil die beiden von ihm zur Begründung angeführten Gesichtspunkte aus den oben genannten Gründen nicht maßgeblich sind.

Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern7. Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Rechtsanwalt ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom vom 29. Juli 2016 – AnwZ (Brfg) 60/15

  1. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19.12 1997 – 5 StR 569/96, BGHSt 43, 381, 407[]
  2. vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.12 2013 – AnwZ (Brfg) 40/13, HFR 2014, 637; vom 21.04.2016 – AnwZ (Brfg) 1/16, aaO Rn. 7; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16 7[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16, aaO mwN[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16, aaO[]
  5. vgl. BGH, Beschlüsse vom 05.11.2015 – AnwZ (Brfg) 28/15 6; vom 21.04.2016 – AnwZ (Brfg) 1/16, aaO Rn. 8[]
  6. vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 09.02.2015 – AnwZ (Brfg) 46/14 9; vom 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16, aaO Rn. 6; jeweils mwN[]
  7. vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26.08.2013 – AnwZ (Brfg) 31/13 5; vom 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16, aaO Rn. 4; jeweils mwN[]
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