Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.

Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn sich der Rechtsanwalt in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn1. Hierbei ist nach der ständigen Bundesgerichtshofsrechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs infolge des ab 1.09.2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten2.
Der Umstand, dass es nur einen vollstreckenden Gläubiger gibt, steht der Annahme eines Vermögensverfalls nicht entgegen3.
Ein Rechtsanwalt befindet sich in ungeordneten finanziellen Verhältnissen, wenn er es immer wieder zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in sein Vermögen wegen berechtigter und fälliger Forderungen kommen lässt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich bei der Forderung, derentwegen vollstreckt wird, um eine persönliche Verbindlichkeit des Rechtsanwalts handelt, die er trotz Fälligkeit nicht beglichen hat. Er zeigt damit, dass es ihm nicht gelingt, seine Schulden geordnet zurückzuführen und ihre ordnungsgemäße Begleichung durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit Gläubigern sicherzustellen4. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung nur eine Verbindlichkeit des Rechtsanwalts besteht, derentwegen in sein Vermögen vollstreckt wird.
Der Hinweis des Rechtsanwalts, dass der Wert seiner die Verbindlichkeit gegenüber der Sparkasse sichernden Immobilien die Höhe der Verbindlichkeit überstieg, ist unerheblich. Immobilienvermögen ist nur dann von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat. Auf die Liquidität entsprechender Mittel kommt es insoweit nach ständiger Bundesgerichtshofsrechtsprechung entscheidend an5. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Annahme des Vermögensverfalls auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt wegen dessen persönlicher Verbindlichkeiten gründet. Eine solche Annahme erscheint nur nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Erfüllung der Verbindlichkeit(en), derentwegen vollstreckt wird, aufgrund – wiedererlangter – Liquidität materiell und zeitlich nichts mehr im Wege steht und mit ihr daher unmittelbar zu rechnen ist.
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden6. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast7. Die Annahme einer solchen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern8.
Soweit der Rechtsanwalt darauf hinweist, dass er ein Fremdgeldkonto eingerichtet habe, so dass die Gewähr bestehe, dass Fremdgeldbestände getrennt geführt und den jeweiligen Mandanten überwiesen werden könnten sowie dem etwaigen Zugriff von Gläubigern entzogen seien, gibt dies keinen Anlass, an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu zweifeln. Die Gefahr, dass der in Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt ihm anvertraute Gelder – wenigstens zeitweise – für eigene Zwecke verwendet, wird nicht durch die Einrichtung eines Anderkontos zur Verwaltung von Fremdgeldern ausgeschlossen9; vom 27.05.2002 – AnwZ (B) 39/01 5; vom 11.02.2014 – AnwZ (Brfg) 79/13 2)). Denn es kommt immer wieder vor, dass Zahlungen per Scheck oder in bar erfolgen. Bei diesen Zahlungen hängt es ausschließlich vom Willen des Rechtsanwalts ab, ob er die erhaltenen Beträge bestimmungsgemäß verwendet oder nicht10. Auch kann eine – erhebliche – Forderung die Gefahr begründen, dass der in Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt ihm anvertraute Gelder zu ihrer Erfüllung und zur Abwendung der weiteren Zwangsvollstreckung verwendet.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2015 – AnwZ (Brfg) 46/14
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; und vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 77/13 3, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.06.2011, aaO Rn. 9 ff.; und vom 10.03.2014, aaO Rn. 3[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 19.03.2014 – AnwZ (Brfg) 4/14 6; vom 26.08.2013 – AnwZ (Brfg) 31/13 4[↩]
- vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 05.09.2012 – AnwZ (Brfg) 28/12 5[↩]
- vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 16.06.2004, AnwZ (B) 3/03, ZVI 2004, 598, 599; vom 07.10.2013 – AnwZ (Brfg) 44/13 5; vom 19.03.2014, aaO Rn. 7[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 18.10.2004 – AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 31.05.2010 – AnwZ (B) 54/09 6; vom 24.05.2013 – AnwZ (Brfg) 15/13 5[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 08.02.2010 – AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt.2010, 129 Rn. 11; vom 05.09.2012 – AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5; vom 24.05.2013, aaO[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 18.10.2004 – AnwZ (B) 43/03, aaO; vom 24.10.2012 – AnwZ (Brfg) 43/12 9; vom 26.08.2013 – AnwZ (Brfg) 31/13 5; vom 04.01.2014 – AnwZ (Brfg) 62/13 6[↩]
- st. Rspr.; z.B. BGH, Beschlüsse vom 21.09.1987 – AnwZ (B) 20/87, BRAK-Mitt.1988, 50 ((unter – II 1 b[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 21.09.1987; und vom 27.05.2002, jeweils aaO[↩]