In Zeiten von Corona lässt der hohe Rang der Rechtsgüter Leben und Gesundheit keinen Zweifel daran, dass die Einschränkung, Anwaltstermine nur in dringend erforderlichen Fällen wahrzunehmen, angemessen ist. Diese Regelung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Mit dieser Begründung hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in dem hier vorliegenden Fall die Ablehnung eines Eilantrages durch das Verwaltungsgericht Berlin [1] bestätigt, mit dem ein Berliner Rechtsanwalt sich gegen die Berliner Coronavirus-Eindämmungsmaßnahmenverordnung gewehrt hat. Er hatte sich dagegen gewandt, dass die Wahrnehmung von Terminen in Rechtsanwaltskanzleien nach den Regelungen der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung vom 22. März 2020 nur dann zulässig ist, wenn es sich dabei um dringend erforderliche Termine handelt, die gegenüber der Polizei und den zuständigen Ordnungsbehörden glaubhaft zu machen sind. Der Antragsteller hatte geltend gemacht, die Regelungen griffen unverhältnismäßig in seine Berufsausübungsfreiheit ein. Den Rechtssuchenden werde es in erheblichem Maß erschwert, bei ihm um Rechtsrat nachzusuchen. Dadurch werde das Recht, sich in Verfahren eines anwaltlichen Beistands zu bedienen, unzulässig eingeschränkt, zumal die rechtssuchende Person ihre Gründe im Fall einer Polizeikontrolle glaubhaft machen und damit offenlegen müsse.
Das Verwaltungsgericht Berlin [1] hat den Eilantrag zurückgewiesen mit der Begründung, dass dem Antragsteller ohne die beantragte gerichtliche Feststellung keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohten. Seine potentiellen Mandanten müssten bei einer allenfalls im Einzelfall erfolgenden Kontrolle im Wesentlich nur Ort und Zeit eines etwaigen Besprechungstermins in der Kanzlei glaubhaft machen; dies stelle schon keine erhebliche Hürde für die Inanspruchnahme und Erbringung anwaltlicher Hilfe dar. Im Übrigen sei die durch die angegriffenen Normen allenfalls verursachte geringfügige Beeinträchtigung des Antragstellers in seiner Berufsausübungsfreiheit angesichts des mit der – zeitlich ohnehin eng befristeten – Verordnung bezweckten Schutzes der überragend wichtigen Schutzgüter der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt und insbesondere nicht unverhältnismäßig. Der Verlangsamung der Ansteckungsrate durch Vermeidung sozialer Kontakte komme entscheidende Bedeutung zu, um die Überlastung und den Zusammenbruch des Gesundheitssystems und in der Folge erhebliche Gesundheitsschäden und den Tod einer Vielzahl von Menschen zu verhindern. Hierzu trage es bei, wenn nur dringend erforderliche persönliche Termine bei Rechtsanwältinnen und ‑anwälten wahrgenommen werden dürften. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sind die Regelungen verhältnismäßig. Die hohe Dynamik des Infektionsgeschehens und die damit verbundene Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems mit dramatischen Folgen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl infizierter Personen rechtfertige es, die Kontaktbeschränkungen gegenwärtig als erforderlich anzusehen und nur die in § 14 Abs. 3 SARS-CoV-2-EindmaßnV vorgesehenen Ausnahmen zuzulassen. Der hohe Rang der Rechtsgüter Leben und Gesundheit lasse keinen Zweifel daran, dass die vom Antragsteller angegriffene Einschränkung, Anwaltstermine nur in dringend erforderlichen Fällen wahrzunehmen, angemessen sei.
Es sei potentiellen Mandanten regelmäßig möglich, die Dringlichkeit ihres Anliegens glaubhaft zu machen, ohne dabei Einzelheiten der anwaltlichen Beratung oder Vertretung offenzulegen. Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden insoweit nicht.
Ebenso wenig verstoße die Regelung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insbesondere könne sich der Rechtsanwalt nicht auf Regelungen für Gewerbebetriebe berufen, die nach der Verordnung keinen Einschränkungen unterworfen seien, obwohl es dort ebenfalls zu engen Kontakten von Personen kommen könne. Denn dies lasse außer Acht, dass solche Gewerbebetriebe nach der Einschätzung des Verordnungsgebers für die Versorgung der Bevölkerung mit den Gütern des täglichen Lebens erforderlich seien.
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. April 2020 – OVG 11 S 20/20
- VG Berlin, Beschluss vom 02.04.2020 – VG 14 L 31.20[↩][↩]