Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde in einem Altanschließerfall in Brandenburg nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Versagung eines staats- und amtshaftungsrechtlichen, auf die Rückzahlung eines in der Vergangenheit gezahlten Beitrages für die Herstellung und Anschaffung einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage gerichteten Ansruchs wandte.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht erachtete die Beitragsforderung als rechtmäßig. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht, nachdem der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren das Landesrecht abweichend von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg ausgelegt hatte und sich nicht durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015 an der eigenständigen und abweichenden Auslegung gehindert sah. Das Oberlandesgericht schloss sich dieser Sichtweise an.
Das Bundesverfassungsgericht stellte nun klar, dass in einem zivilgerichtlichen Rechtsstreit eine Verpflichtung der Gerichte, sich der hierzu ergangenen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit anzuschließen, weder einfach- noch verfassungsrechtlich besteht. Auch haben die Zivilgerichte in den angegriffenen Entscheidungen die Bindungswirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015, welche gleichfalls die hier entscheidungserheblichen landesrechtlichen Vorschriften zum Gegenstand hatte, nicht in verfassungswidriger Weise missachtet.
Der Ausgangsfall vor den Zivilgerichten
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines in Brandenburg gelegenen Grundstücks, das vor dem 1.01.2000 an das kommunale Trinkwassernetz angeschlossen wurde. Unter Bezugnahme auf seine Beitragssatzung in Verbindung mit dem zu diesem Zeitpunkt gültigen § 8 Abs. Abs. 7 Satz 2 Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG Bbg n. F.) setzte der Zweckverband im Jahr 2011 einen Anschlussbeitrag fest. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Von einer Klageerhebung sahen die Beschwerdeführer ab und bezahlten die festgesetzte Summe. Die Beschwerdeführer erachteten ein Klageverfahren als nicht erfolgversprechend, nachdem die zwischenzeitlich in anderen Verfahren erfolgte Rechtsprechung davon ausgegangen war, dass § 8 Abs. 7 KAG Bbg n. F. verfassungsgemäß sei und insbesondere nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoße1. Das Bundesverfassungsgericht kam jedoch in einem Kammerbeschluss aus dem Jahre 2015 zur Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n. F. in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bgb a. F. nicht mehr erhoben werden könnten, zum entgegengesetzten Ergebnis2 . Demnach verstieß eine rückwirkende Änderung der Rechtslage durch den Gesetzgeber gegen das Rückwirkungsverbot und war verfassungswidrig.
Daraufhin beantragten die Beschwerdeführer, ebenso wie eine Vielzahl weiterer Betroffener, erfolglos das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Rückzahlung des Betrages. Mit der anschließend erhobenen Klage vor den Zivilgerichten verlangten sie Ersatz des entrichteten Anschlussbeitrags auf der Grundlage eines staats- und amtshaftungsrechtlichen Anspruchs. Das Brandenburgische Oberlandesgericht wies die Klage im ersten Berufungsverfahren ab. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück3, das die Klage daraufhin erneut abwies4.
Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n. F. entsteht eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung. In § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a. F. fehlte das Wort „rechtswirksamen“. Das Oberverwaltungsgericht Brandenburg legte diese Fassung des Gesetzes dahin aus, dass für das Entstehen der Beitragspflicht der Zeitpunkt des Erlasses der ersten Satzung mit formellem Geltungsanspruch maßgeblich war, unabhängig von ihrer materiellen Wirksamkeit. War diese Satzung materiell unwirksam, musste nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts eine spätere (wirksame) Satzung auf den Zeitpunkt des Erlasses der ersten unwirksamen Satzung zurückwirken. Dies hatte zur Folge, dass die Beitragspflicht wegen rückwirkender Festsetzungsverjährung gleich wieder erlosch. Dadurch war es in vielen Fällen von vornherein nicht möglich, Beiträge zu erheben. Dem wollte der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg mit Wirkung zum 1.02.2004 entgegenwirken, die seither eine rechtswirksame Satzung als Voraussetzung für das Entstehen der Beitragspflicht ausdrücklich vorsieht.
Mit Beschluss vom 12.11.20155 entschied das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass die Anwendung der Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg auf Fallgestaltungen, in denen unter Zugrundelegung der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur früheren Fassung der Norm Verjährung bereits eingetreten war, zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung führe.
Der Bundesgerichtshof entschied demgegenüber, dass der an die Beschwerdeführer gerichtete Beitragsbescheid nicht deswegen rechtswidrig sei, weil die Beitragsforderung infolge von Verjährung nicht mehr hätte geltend gemacht werden dürfen. Entgegen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg setze auch schon die alte Fassung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg für das Entstehen der Beitragspflicht und damit für den Beginn der Festsetzungsverjährung das Inkrafttreten einer rechtswirksamen Satzung voraus.
Der die Beschwerdeführer belastende Beitragsbescheid halte sich auch innerhalb der durch § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG Bbg vorgegebenen zeitlichen Obergrenze für den Vorteilsausgleich. Danach dürften Anschlussbeiträge ungeachtet der Satzungslage nach Vollendung des 15. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage folgt, nicht mehr erhoben werden, wobei der Lauf der Frist bis zum 3.10.2000 gehemmt sei und Beiträge damit erst ab dem 3.10.2015 nicht mehr festgesetzt werden dürften.
Die Beschwerdeführer machen im Verfassungsbeschwerdeverfahren insbesondere geltend, das Brandenburgische Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof setzten sich in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts6 und des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg hinweg. Die angegriffenen Entscheidungen verstießen daher gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sich die Beschwerdeführer gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs wenden. Es mangelt an der erforderlichen Beschwerdebefugnis. Die Beschwerdeführer werden durch diese Entscheidung nicht unmittelbar in ihren im Verfassungsbeschwerdeverfahren rügefähigen Rechten betroffen. In deren Rechtsstellung wird angesichts des Erfolgs ihrer Revision und der damit verbundenen Rückverweisung erst durch das erneut klageabweisende Urteil des Oberlandesgerichts eingegriffen.
Soweit die Beschwerdeführer das Urteil des Oberlandesgerichts angreifen, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG vor. Insbesondere erweist sich der mittelbar angegriffene § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG Bbg als verfassungsgemäß. Darüber hinaus ist das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt.
Grundrecht auf Rechtssicherheit und Vertrauensschutz
Die Beschwerdeführer werden nicht in ihrem Grundrecht auf Rechtssicherheit und Vertrauensschutz (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG) verletzt. Weder hat das Oberlandesgericht die sich aus § 31 Abs. 1 BVerfGG ergebende Bindungswirkung verkannt, noch war es an der Auslegung von Landesrecht gehindert, noch musste es der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. folgen. Die bestehenden Auslegungsdivergenzen zwischen den Gerichtsbarkeiten verstoßen auch nicht gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte. Ebenso wenig verstößt die mittelbar angegriffene Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG Bbg gegen das Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.
Das Oberlandesgericht hat die sich aus § 31 Abs. 1 BVerfGG ergebende Bindungswirkung des Kammerbeschlusses vom 12.11.20157 nicht in verfassungswidriger Weise missachtet. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes liegt nicht vor.
Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug8. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen9.
Zivilgerichte – und die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte
Besonderer Bedeutung kommt dabei der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG zu, die im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit die Verbindlichkeit der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vorsieht – darunter fallen auch stattgebende Kammerbeschlüsse nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG10. § 31 BVerfGG bindet alle Gerichte im Geltungsbereich des Gesetzes generell an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Soweit das Bundesverfassungsgericht eine Gesetzesbestimmung für nichtig oder für gültig erklärt, hat seine Entscheidung nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft. Aber auch in anderen Fällen entfalten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG eine über den Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen11.
Durch § 31 BVerfGG sind alle Gerichte auch daran gehindert, eine verfassungswidrige Normauslegung weiterhin einer Entscheidung zugrunde zu legen. Tun sie es dennoch, so verstoßen sie gegen Art.20 Abs. 3 GG und verletzen die Betroffenen in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG12.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet im Falle rückwirkenden Rechts allein über die Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung, nicht über die verbindliche Auslegung des einfachen Rechts, das der Gesetzgeber rückwirkend ändern wollte13. Hält das Bundesverfassungsgericht die auf der fachgerichtlichen Auslegung des einfachen Rechts basierende Rückwirkung für verfassungswidrig, ist es weiterhin der Fachgerichtsbarkeit aufgegeben, den Inhalt der alten Rechtslage durch Auslegung zu klären. Die weitere, insbesondere höchstrichterliche Auslegung durch die Fachgerichte kann ergeben, dass die Norm gerade so zu verstehen ist, wie es der Gesetzgeber nachträglich feststellen wollte. Dies bleibt jedoch eine Frage der Auslegung geltenden Rechts, die nicht dem Gesetzgeber, sondern der Gerichtsbarkeit und dabei in erster Linie der Fachgerichtsbarkeit obliegt14.
Danach verstößt die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht gegen die sich aus § 31 Abs. 1 BVerfGG ergebende Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Den Beschwerdeführern ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 12.11.201515 – im Gegensatz zum Bundesgerichtshof und dem Oberlandesgericht – von einer konstitutiven Änderung der Rechtslage durch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg n.F. ausging16. Zu diesem Ergebnis ist das Gericht jedoch nur vor dem Hintergrund gelangt, dass § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. von den Gerichten – konkret dem Oberverwaltungsgericht Brandenburg – in einem Sinn ausgelegt wurde, der mit der Neuregelung ausgeschlossen werden sollte17.
Insofern war es dem Oberlandesgericht (und auch dem Bundesgerichtshof) nicht verwehrt, eine andere methodisch vertretbare Auslegung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. vorzunehmen. Da sich das Oberlandesgericht wie der Bundesgerichtshof auf die Auslegung des einfachen Rechts beschränkt hat, kommt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts diesbezüglich keine Bindungswirkung zu. Es hatte selbst keine verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. vorgenommen, sondern an der plausiblen fachgerichtlichen Auslegung des Landesrechts durch die dafür zuständigen Landesverwaltungsgerichte angeknüpft.
Zivilgerichte – und die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte
Das Oberlandesgericht hat sich in der Sache den Ausführungen des Bundesgerichtshofs angeschlossen und eine eigenständige, von den Verwaltungsgerichten abweichende Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. vorgenommen. Verfassungsrechtlich ist diese Auslegung nicht zu beanstanden, auch wenn es sich vorliegend um die Auslegung von Landesrecht handelte, das bereits Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg gewesen ist, zu der die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts im Widerspruch steht.
Das Oberlandesgericht war nicht verpflichtet, sich der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg anzuschließen, ohne dass es auf die Frage ankommt, inwieweit diese Möglichkeit vor dem Hintergrund der Bindungswirkung nach § 563 Abs. 2 ZPO überhaupt bestand. Die erfolgte Abweichung von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg mag zwar die Rechtseinheit und damit die Rechtssicherheit beeinträchtigen. Eine Verpflichtung des Oberlandesgerichts, der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg zur Auslegung von Landesrecht zu folgen, besteht jedoch grundsätzlich weder einfach- noch verfassungsrechtlich18. Die Rechtspflege ist aufgrund der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) konstitutionell uneinheitlich. Vor diesem Hintergrund konnten die Beschwerdeführer nicht erwarten, dass sich das Oberlandesgericht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. automatisch zu eigen macht19.
Eine rechtswegübergreifende Bindung an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg kann zwar nach § 121 VwGO in Betracht kommen. Die Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO bindet allerdings in persönlicher Hinsicht nur die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens oder ihre Rechtsnachfolger und ist sachlich auf den Streitgegenstand beschränkt. Hier sind weder die Beschwerdeführer mit den Beteiligten in den Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Brandenburg identisch noch liegt derselbe Streitgegenstand vor. Vielmehr haben es die Beschwerdeführer unterlassen, um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.
Dies führt zwar zu einer Auslegungsdivergenz zwischen den Gerichtsbarkeiten und damit einer der Rechtssicherheit durchaus abträglichen Konstellation. Ein subjektiv-rechtlich geschütztes Vertrauen auf Auslegungsübereinstimmung über einen Gerichtszweig hinweg, der im Falle des Staatshaftungsrechts zu einer ständigen Korrespondenz der Gerichte auf der Primär- und Sekundärebene des Rechtsschutzes führt, kann Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aber nicht entnommen werden. Das folgt nicht zuletzt aus Art. 95 Abs. 3 Satz 1 GG, der einen Gemeinsamen Bundesverfassungsgericht eigens zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nur zwischen den obersten Gerichtshöfen vorsieht. Dass vorliegend auf diesem Wege keine Einheitlichkeit der Rechtsprechung hergestellt werden kann, beruht allein darauf, dass dem Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht eine Prüfung des Kommunalabgabengesetzes des Landes Brandenburg als Landesrecht gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO entzogen ist.
Verfassungsgemäßheit vom § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG Bbg
Auch soweit die Beschwerdeführer mittelbar § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG Bbg angreifen, erweist sich die Verfassungsbeschwerde als unbegründet.
Das Rechtsstaatsprinzip schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und
Sowohl die in § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG Bbg geregelte Hemmung der Frist infolge der Deutschen Einheit als auch die aus § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG Bbg resultierende Maximalfrist von 25 Jahren halten sich in Anbetracht der Sondersituation der neuen Länder und angesichts des in die Zukunft fortwirkenden Vorteils eines Anschlusses an Trinkwasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen noch im Rahmen gesetzgeberischer Einschätzung.
Kein Verstoß gegen das Willkürverbot
Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verstößt auch nicht gegen das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Willkürverbot.
Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den konkreten Fall sind zwar Sache der dafür zuständigen Gerichte und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; ein verfassungsrechtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt allerdings unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in seiner Bedeutung als Willkürverbot in Betracht20. Ein solcher Verstoß gegen das Willkürverbot liegt bei gerichtlichen Entscheidungen nicht schon dann vor, wenn die Rechtsanwendung Fehler enthält, sondern erst dann, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht21.
Die Auslegung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. durch die Zivilgerichte erscheint zwar nicht zwingend. Die Grenze zur Willkür im Sinne vorgenannter Maßstäbe ist jedoch nicht überschritten.
Auch der Umstand, dass das Oberlandesgericht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Brandenburg nicht gefolgt ist, begründet nicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Beruht die abweichende Entscheidung verschiedener Behörden oder Gerichte zu denselben Rechtsvorschriften auf einer verschiedenartigen Rechtsauslegung, so liegt darin grundsätzlich noch keine Verletzung des Grundrechts der Gleichheit vor dem Gesetz. Willkür im Sinne der genannten Maßstäbe ist hier nicht erkennbar.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. Juli 2020 – 1 BvR 2838/19
- vgl. nur OVG Brandenburg, Urteil vom 08.06.2000 – 2 D 29/98.NE[↩]
- BVerfG; vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u. a.[↩]
- BGH, Urteil vom 27.06.2019 – III ZR 93/18[↩]
- OLG Brandenburg, Urteil vom 19.11.2019 – 2 U 21/17[↩]
- BVerfG, vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u. a.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u. a.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 12.12.2015 – 1 BvR 2961/14 u.a.[↩]
- vgl. BVerfGE 60, 253, 267 f.; 63, 343, 357; 132, 302, 317 Rn. 41; 133, 143, 158 Rn. 41[↩]
- vgl. BVerfGE 13, 261, 271; 63, 215, 223; 133, 143, 158 Rn. 41[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.12.2004 – 1 BvR 2495/04, Rn. 11; Beschluss vom 05.12.2005 – 2 BvR 1964/05, Rn. 73; Beschluss vom 27.01.2006 – 1 BvQ 4/06, Rn. 29[↩]
- vgl. BVerfGE 19, 377, 391 f.; 40, 88, 93[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2005 – 2 BvR 1964/05, Rn. 73; vgl. auch BVerfGE 40, 88, 94; 42, 258, 260; 115, 97, 108; hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 05.05.1987 – 2 BvR 104/87, Rn. 41 [Verstoß gegen Art.19 Abs. 4 GG im Verwaltungsprozess][↩]
- vgl. BVerfGE 135, 1, 18 f. Rn. 52 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 135, 1, 18 f. Rn. 54[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u.a.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u.a., Rn. 47[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 u.a., Rn. 49 f.[↩]
- vgl. auch BVerfGE 75, 329, 346[↩]
- zum verfassungsrechtlichen Anspruch auf ein faires Verfahren vgl. auch BVerfGE 78, 123, 126[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 102, 127; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 4, 1, 7; 87, 273, 278 f.; stRspr[↩]
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