Die doppelstöckige Rechtsanwaltsgesellschaft

§ 59i Abs. 1 Satz 1 BRAO in der seit dem 1.08.2022 geltenden Fassung gestattet die Beteiligung von zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften an anderen Berufsausübungsgesellschaften.

Die doppelstöckige Rechtsanwaltsgesellschaft

Nach § 59e Abs. 1 Satz 1 und 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung in der bis zum 31.07.2022 geltenden Fassung (im Folgenden: BRAO a.F.) war eine mehrstöckige Rechtsanwaltsgesellschaft unzulässig. Nach Wortlaut und gesetzgeberischem Willen konnten lediglich natürliche Personen Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft werden.

Zum 1.08.2022 trat das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 07.07.20211 in Kraft. Gemäß § 59i Abs. 1 Satz 1 BRAO dürfen nunmehr zugelassene Berufsausübungsgesellschaften Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft sein.

In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es allerdings, dass der Berufsausübungsgesellschaft mindestens eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt als Gesellschafter angehören müsse, da Berufsausübungsgesellschaften nach der Bundesrechtsanwaltsordnung nur solche Gesellschaften seien, in denen sich Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte zur gemeinschaftlichen Berufsausübung mit anderen Personen zusammenschlössen. Eine Berufsausübungsgesellschaft, deren Gesellschafterkreis sich allein aus Berufsausübungsgesellschaften zusammensetze, sei nicht zulässig2.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz geht davon aus, dass eine Alleingesellschafterstellung einer Rechtsanwalts-GmbH in einer weiteren Rechtsanwalts-GmbH unter Geltung der neuen Rechtslage zulassungsfähig sei. Dem stehe die Begründung des Gesetzentwurfs nicht entgegen. Erforderlich sei lediglich, dass mindestens ein beteiligter Rechtsanwalt oder eine beteiligte Rechtsanwältin aktiv in jeder Berufsausübungsgesellschaft mitarbeite. Dieses Erfordernis werde auch dann erfüllt, wenn Gesellschafter einer Muttergesellschaft in der Tochtergesellschaft mitarbeiteten. Dem Begehren der Beschwerdeführerinnen werde durch die Neuregelung daher umfassend Rechnung getragen. Demgegenüber vertritt die Bundesrechtsanwaltskammer, dass eine solche Organisationsstruktur weiterhin nicht zulassungsfähig sei. Der Deutsche Anwaltverein wiederum geht davon aus, dass eine doppelstöckige Rechtsanwaltsgesellschaft unter Geltung des neuen Rechts nunmehr umsetzbar ist.

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Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG

Das Bundesverfassungsgericht ging in einer aktuellen Entscheidung nun davon aus, dass  mit Inkrafttreten der Neuregelung des § 59i Abs. 1 Satz 1 BRAO doppelstöckige/mehrstöckige Rechtsanwaltsgesellschaften zulässig sind:

§ 59i Abs. 1 Satz 1 BRAO gestattet nunmehr die Beteiligung von – nach neuer Terminologie – zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften an anderen Berufsausübungsgesellschaften. Es finden sich  im Wortlaut der Norm keine Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Struktur nicht zulässig sein könnte. Gegenteiliges soll sich laut Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das den Gesetzentwurf federführend verantwortete, auch nicht aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergeben.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. August 2022 – 1 BvR 1072/17

  1. BGBl I S. 2363[]
  2. vgl. BT-Drs.19/27670, S.190 f.[]

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