Der erstmalige Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Gebot des Trennens von Konsum und Fahren führt nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig nicht unmittelbar zum Entzug der Fahrerlaubnis.

Die Fahrerlaubnisbehörde darf bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen, befand das Bundesverwaltungsgericht jetzt unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung. In solchen Fällen haben die Fahrerlaubnisbehörden vielmehr gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden.
In den beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren war bei Verkehrskontrollen jeweils festgestellt worden, dass die Kläger, die gelegentliche Cannabiskonsumenten waren, trotz vorangegangenen Konsums ein Kraftfahrzeug geführt hatten. Aufgrund der ermittelten Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Cannabiswirkstoff, im Blutserum von 1 ng/ml oder mehr gingen die Fahrerlaubnisbehörden davon aus, dass die Fahrsicherheit der Kläger beeinträchtigt sein konnte. Daher fehle ihnen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung wegen fehlender Trennung zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges die Fahreignung. Die Fahrerlaubnisbehörden entzogen den Betroffenen deshalb gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV ohne die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis.
Die hiergegen erhobenen Klagen sind erfolgreich gewesen, soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Berufung entschieden hat1. Er ist der Auffassung, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis nicht unmittelbar von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen darf, sondern zur Klärung der damit begründeten Zweifel an der Fahreignung im Ermessenswege über die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden hat. Dagegen kam das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis zu Recht auf der Grundlage von § 11 Abs. 7 FeV erfolgt sei2. Dieser Auffassung war auch eine Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, die deshalb in ihrem klageabweisenden Urteil unmittelbar die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen hat3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst seine bisherige Rechtsprechung zur THC-Konzentration im Blut4 bestätigt. Danach trennt ein gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), wenn bei der von ihm unternommenen Fahrt die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. Von einer solchen Möglichkeit kann nach wie vor ausgegangen werden, wenn beim Betroffenen im Anschluss an die Fahrt eine THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr festgestellt wird.
Allein dieser erstmalige Verstoß gegen die gebotene Trennung von Konsum und Fahren rechtfertigt indes in der Regel nicht (mehr) die Annahme, dass sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. An seiner gegenteiligen Annahme in seiner bisherigen Rechtsprechung5 hält das Bundesverwaltungsgericht nicht fest.
Auch ein einmaliger Verstoß begründet aber Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen muss. Erforderlich ist eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen wird. Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, bedarf es in der Regel der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde hat gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. April 2019 – 3 C 13.17, 3 C 14.17, 3 C 2/18, 3 C 7.18, 3 C 8/18 und 3 C 9/18
- BayVGH, Urteile vom 13.12.2017 – 11 BV 17.1879; vom 28.02.2018 – 11 BV 17.1036; und vom 10.04.2018 – 11 BV 18.259[↩]
- OVG NRW, Urteil vom 15.03.2017 – 16 A 551/16[↩]
- VG München, Urteil vom 11.04.2018 – M 6 K 17.1389[↩]
- BVerwG, Urteil vom 23.10.2014 – 3 C 3.13[↩]
- BVerwG, Urteil vom 23.10.2014, a.a.O.[↩]
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