Einstweilige Anordnung im Organstreitverfahren – oder: das Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Einstweilige Anordnung im Organstreitverfahren – oder: das Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG erfüllt sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen1. Die Gründe müssen so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen2. Im Organstreitverfahren ist dabei zu berücksichtigen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung einen Eingriff des Bundesverfassungsgerichts in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans bedeutet3. Der Erlass kann allein der vorläufigen Sicherung des streitigen organschaftlichen Rechts des Bundestagsabgeordneten dienen, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung der Hauptsache durch Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt wird4. Das Verfahren nach § 32 BVerfGG ist zudem nicht darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz vor dem Eintritt auch endgültiger Folgen zu bieten5.

Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erweist sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet6.

Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn einerseits eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg hätte, und andererseits die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre7.

Das Bundesverfassungsgericht ist bei seiner Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht an den Antrag gebunden und kann gehalten sein, sich bei mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten hinsichtlich des Inhalts einer einstweiligen Anordnung für die Maßnahme zu entscheiden, welche sich im Rahmen der Folgenbewertung am wenigsten nachteilig auswirkt8.

Der Ausgangsfall

Der antragstellende Bundestagsabgeordnete begehrt im Wege des mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundenen Organstreitverfahrens die Feststellung der Verletzung seiner Rechte als Mitglied des Deutschen Bundestages durch einzelne Verfahrensschritte im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung9. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zielt darauf ab, dem Deutschen Bundestag vorläufig zu untersagen, die zweite und dritte Lesung des vorgenannten Gesetzentwurfs auf die Tagesordnung zu setzen, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen Textpassagen des für die zweite Lesung maßgeblichen Gesetzentwurfs mindestens 14 Tage vorher zugegangen sind.

Das Bundeskabinett beschloss am 19.04.2023 die Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes, zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung (im Folgenden: Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz – GEGÄndG). Der Bundesminister der Finanzen erklärte dabei zu Protokoll, dass das Bundesministerium der Finanzen dem Gesetzentwurf in dem Bewusstsein zustimme, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestages diesen im parlamentarischen Verfahren intensiv beraten und auch weitere Änderungen vornehmen würden. Der Bundesrat nahm am 12.05.2023 zu dem Gesetzentwurf Stellung10. Im Anschluss wurde der Gesetzentwurf am 17.05.2023 in den Bundestag eingebracht11.

Am Dienstag, dem 13.06.2023, veröffentlichten die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (im Folgenden: Koalitionsfraktionen) ein zweiseitiges Papier mit dem Titel „Leitplanken […] zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes“12. Dieses enthält eine Aufzählung von den Gesetzentwurf modifizierenden und im weiteren Verfahren zu beratenden „Gesichtspunkten“. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion qualifizierte das Leitplankenpapier als einen „Paradigmenwechsel“13.

Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen stimmten zu Beginn der Plenarsitzung des Bundestages am Donnerstag, dem 15.06.2023, im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte gegen die Stimmen der Abgeordneten der Fraktionen von CDU/CSU, AfD und DIE LINKE für die Erweiterung der Tagesordnung und die Aufsetzung des vorgenannten Gesetzentwurfs der Bundesregierung14. Der Abgeordnete Frei (CDU) monierte, dass erst seit dem 13.06.2023 eine „zweiseitige Leitplankenerklärung“ vorgelegen habe15. Der Abgeordnete Vogel (FDP) entgegnete, dass durch die Vereinbarung im Leitplankenpapier „in der Tat das Gesetz vom Kopf auf die Füße gestellt“ und der „Gesetzentwurf grundlegend verändert“ werde16.

Im Anschluss wurde der Gesetzentwurf in erster Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages beraten. In der Debatte äußerte der Abgeordnete Spahn (CDU), dass der Gesetzentwurf nach dem, was in den Leitplanken stehe, das Papier nicht mehr wert sei17. Der Abgeordnete Bernhard (AfD) führte aus, dass in der nächsten Sitzungswoche eine Expertenanhörung zu einem Gesetzentwurf abgehalten werde, von dem schon jetzt bekannt sei, dass er untauglich und nicht umsetzbar sei18. Der Abgeordnete Ernst19, gleichzeitig Vorsitzender des Ausschusses für Klimaschutz und Energie, stellte die Frage, weshalb dem Parlament nicht genügend Zeit gegeben werde, einen Gesetzentwurf zu beraten, in dem drinstehe, was wirklich passieren solle. Die sogenannten Leitplanken, über die im Ausschuss geredet werde, seien nicht der Gesetzentwurf20. Ähnlich äußerte sich der Abgeordnete Luczak (CDU)21. Der Gesetzentwurf wurde schließlich federführend an den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen.

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Der Ausschuss führte am Mittwoch, dem 21.06.2023, zwischen 11:00 Uhr und 12:58 Uhr eine Sachverständigenanhörung durch. Der Ausschussvorsitzende Ernst (DIE LINKE) erklärte zu Beginn der Sitzung, dass der Ausschuss die Anhörung zu einem Gesetz durchführe, „wo wir eigentlich wissen, dass es so wahrscheinlich nicht eingebracht werden“ würde, und dass dem Ausschuss über die sogenannten Leitplanken hinaus keine neueren Unterlagen vorlägen. Einige Sachverständige kritisierten eingangs ihrer Stellungnahmen, dass über die Leitplanken hinaus Details der Änderungen nicht bekannt seien.

Auf Antrag der Koalitionsfraktionen fand am Dienstag, dem 27.06.2023, trotz Widerspruchs der CDU/CSU-Fraktion, eine Sondersitzung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie statt. In deren Verlauf wurde der Termin für eine zweite Anhörung mehrheitlich auf den darauffolgenden Montag, den 3.07.2023 (13:30 Uhr), festgelegt, unter der Voraussetzung, dass die Änderungsanträge bis Freitag, den 30.06.2023, vorgelegt würden. Anträge der CDU/CSU-Fraktion22 und des Ausschussvorsitzenden, dass die Änderungsanträge mit den maßgeblichen neuen Gesetzestexten zumindest bis Mittwoch, den 28.06.2023, beziehungsweise bis Donnerstag, den 29.06.2023, als Voraussetzung für die Durchführung der Anhörung vorzulegen seien, wurden mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Am Dienstag, dem 27.06.2023, stellten Vertreter der Koalitionsfraktionen die Ergebnisse ihrer Verhandlungen zu noch offenen Punkten vor. Laut Mitteilung der SPD-Fraktion seien Neuerungen zum Vorliegen einer verbindlichen Wärmeplanung, zur Förderkulisse, zum Mieterschutz und zum Einbau von Gas- und mit Biomasse betriebenen Heizungen beschlossen worden23.

Am Freitag, dem 30.06.2023, wurde dem Ausschuss für Klimaschutz und Energie die „Formulierungshilfe des BMWK für einen Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP“ vorgelegt24. Sie enthält eine 94-seitige Synopse des Gesetzentwurfs der Bundesregierung und der Änderungsvorschläge sowie einen 14-seitigen Begründungsteil.

Die zweite öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie fand am 3.07.2023 statt und am 5.07.2023 eine weitere Ausschusssitzung. Nach Angaben des Bundestags sollen am 7.07.2023 die zweite und dritte Lesung mit der Schlussabstimmung im Deutschen Bundestag stattfinden.

Der Bundestagsabgeordnete beantragt mit seiner Antragsschrift vom 27.06.2023, dem Deutschen Bundestag im Wege einstweiliger Anordnung nach § 32 BVerfGG zu untersagen, die zweite und dritte Lesung der 2. Novelle des Gebäudeenergiegesetzes auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu setzen, solange nicht allen Abgeordneten die wesentlichen textlichen Passagen des für die zweite Lesung maßgeblichen Gesetzentwurfs mindestens 14 Tage vorher schriftlich zugegangen sind.

Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

Durch eine einstweilige Anordnung darf die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden25, denn sie soll lediglich einen Zustand vorläufig regeln, nicht aber die Hauptsache präjudizieren26.

Unzulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung daher regelmäßig dann, wenn es dem Bundestagsabgeordneten um eine eilige Entscheidung über die im Hauptsacheverfahren angegriffene Maßnahme und nicht nur um eine vorläufige Regelung geht27. Eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist anzunehmen, wenn der beantragte Inhalt der einstweiligen Anordnung und das Rechtsschutzziel in der Hauptsache, wenn nicht deckungsgleich, so doch zumindest vergleichbar sind, wenn also die stattgebende einstweilige Anordnung mit dem Zeitpunkt ihres Erlasses einen Zustand in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu verwirklichen erlaubt, der erst durch die zeitlich spätere Entscheidung in der Hauptsache hergestellt werden soll28.

Die Vorwegnahme der Hauptsache steht indes der Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich zu spät käme und dem Bundestagsabgeordneten in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte29. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Gegenstand des Hauptsacheverfahrens durch ein einmaliges oder nur kurze Zeit währendes Geschehen bestimmt wird, auf das eine Entscheidung in der Hauptsache keinen Einfluss mehr nehmen könnte, weil es bis dahin bereits erledigt wäre30.

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch dann regelmäßig unzulässig, wenn das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Rechtsfolge im Verfahren der Hauptsache nicht bewirken könnte31. Demgemäß kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreit, welche die Verpflichtung des Bundestags zu einem bestimmten Verhalten zum Gegenstand hat, grundsätzlich nicht in Betracht32. Dies gilt auch, soweit der Bundestagsabgeordnete eine Anordnung mit rechtsgestaltender Wirkung begehrt33.

Gleichwohl kann eine solche rechtsgestaltende Wirkung im Wege der einstweiligen Anordnung zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen im Sinne einer endgültigen Vereitelung des geltend gemachten Rechts ausnahmsweise zulässig sein. Andernfalls könnte die einstweilige Anordnung ihre Funktion grundsätzlich nicht erfüllen34.

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Hieran gemessen begehrt der Bundestagsabgeordnete mit dem Eilantrag keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Gegenstand seines Eilantrags ist die vorläufige Sicherung seiner geltend gemachten Mitwirkungsrechte im Verfahren zum Erlass des Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetzes. Hierzu beantragt er eine Regelungsanordnung, obwohl eine solche in dem auf Feststellung gerichteten Hauptsacheverfahren grundsätzlich nicht ergehen kann. Vorliegend bedarf es einer solchen Regelungsanordnung jedoch, um die Schaffung vollendeter Tatsachen im Sinne eines möglicherweise eintretenden endgültigen Rechtsverlusts zum Nachteil des Bundestagsabgeordneten zu verhindern.

Die mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung auf der einen und dem Antrag im Hauptsacheverfahren auf der anderen Seite verfolgten Rechtschutzziele sind weder deckungsgleich noch der Sache nach vergleichbar. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Bundestagsabgeordnete die Sicherung seiner gleichberechtigten Teilnahme an der parlamentarischen Beratung durch die Gewährleistung einer hinreichenden Vorbereitungszeit. In der Hauptsache beantragt er hingegen, darüber hinausgehend festzustellen, dass durch die gewählte Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere die Einbringung eines veralteten Gesetzentwurfs sowie die Terminierung der zweiten und dritten Lesung der Novelle, die verfassungsrechtlichen Anforderungen der sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden organschaftlichen Rechte im Zusammenwirken mit anderen Verfassungsnormen, namentlich Art. 42 und 76 f. GG, nicht gewahrt wurden.

Der Erlass der einstweiligen Anordnung hat zwar zur Folge, dass der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetzes in der laufenden Sitzungswoche (27. Kalenderwoche) nicht in zweiter und dritter Lesung beraten und beschlossen werden kann. Damit wird aber nicht zugleich über den weitergehenden Feststellungsantrag in der Hauptsache entschieden und insbesondere keine erst dort zu prüfende Verletzung der Abgeordnetenrechte des Bundestagsabgeordneten festgestellt.

Begründetheit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Der Antrag im Organstreit erscheint zum derzeitigen Zeitpunkt jedenfalls mit Blick auf das Recht des Bundestagsabgeordneten auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Eine darüber hinausgehende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist nicht geboten. Davon ausgehend führt die vorzunehmende Folgenabwägung zur Stattgabe des Antrags auf Erlass der einstweiligen Anordnung im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Der Antrag im Organstreit erscheint zum derzeitigen Zeitpunkt jedenfalls mit Blick auf das Recht des Bundestagsabgeordneten auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Vor diesem Hintergrund kann hier offenbleiben, ob mit Blick auf die weiteren vom Bundestagsabgeordneten geltend gemachten Abgeordnetenrechte, die er aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 42 beziehungsweise  76 f. GG ableitet, erfolgreich eingewendet werden kann, dass ein Antrag im Organstreit insoweit von vornherein unzulässig und/oder offensichtlich unbegründet wäre.

Der Antrag im Organstreit ist nicht von vornherein unzulässig.

Insbesondere kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass die Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens einschließlich der Terminierung der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag einen statthaften Antragsgegenstand bildet.

Einzelne Akte des Gesetzgebungsverfahrens können statthafter Antragsgegenstand des Organstreitverfahrens sein, wenn ein Beteiligter schlüssig darlegen kann, dadurch sei in seine Rechte eingegriffen worden35. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die Terminierung einer zweiten und dritten Lesung eines Gesetzentwurfs im Beschluss vom 28.04.200536 als eine vorbereitende, nicht rechtserhebliche Maßnahme eingeordnet37. Ob diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall einschlägig ist, erscheint jedoch fraglich. Der Bundestagsabgeordnete im dortigen Verfahren sah sich durch die Terminierung der zweiten und dritten Lesung in seinem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt und machte geltend, das beabsichtigte Zustimmungsgesetz sei verfassungs- und staatswidrig38. Demgegenüber verwies das Bundesverfassungsgericht darauf, dass der Deutsche Bundestag mit der Terminierung der zweiten und dritten Lesung die im parlamentarischen Binnenrecht vorgesehenen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahrens erfülle. Erst die freie Debatte im Bundestag ermögliche dem Abgeordneten, die Verantwortung für seine Entscheidung zu übernehmen, weil sich dort das rechtstechnische Gesetzgebungsverfahren mit einer substantiellen, auf die Kraft des Arguments gegründeten Willensbildung verbinde39. Vorliegend moniert der Bundestagsabgeordnete, wegen zu kurzfristig zur Verfügung gestellter Unterlagen und der Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens in seiner Gesamtheit gerade nicht in der Lage zu sein, gleichberechtigt an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Insoweit wendet er sich nicht ausschließlich, sondern nur „insbesondere“ gegen die Terminierung der zweiten und dritten Lesung der Gesetzesnovelle. Dass aber die Ausgestaltung eines Gesetzgebungsverfahrens in seiner Gesamtheit möglicherweise die Beteiligungsrechte des einzelnen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzen und damit tauglicher Gegenstand eines Organstreits sein kann, liegt ungeachtet der Frage, ob einzelne Akte in diesem Verfahren nur vorbereitenden Charakter haben, auf der Hand. Daher kann offenbleiben, ob die ebenfalls angegriffene Einbringung eines unvollständigen „Platzhalter“-Gesetzentwurfs für sich genommen einen statthaften Antragsgegenstand im Organstreitverfahren darstellt.

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Der Antrag in der Hauptsache ist auch nicht wegen fehlender Antragsbefugnis von vornherein unzulässig. Die Möglichkeit einer Verletzung der Rechte des Bundestagsabgeordneten unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG erscheint nicht ausgeschlossen und wird vom Bundestag auch nicht bestritten. Ob darüber hinaus Art. 42 und 76 ff. GG auf die Rechtsstellung des Bundestagsabgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG einwirken, kann daher dahinstehen und bleibt gesonderter Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Der Antrag im Organstreit ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht offensichtlich unbegründet.

38 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert den Status der Gleichheit der Abgeordneten in einem formellen und umfassenden Sinn. Danach sind alle Abgeordneten berufen, gleichermaßen an der parlamentarischen Willensbildung mitzuwirken40. Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen (zu „beschließen“, vgl. Art. 42 Abs. 2 GG), sondern auch das Recht zu beraten (zu „verhandeln“, vgl. Art. 42 Abs. 1 GG). Dies setzt eine hinreichende Information über den Beratungsgegenstand voraus41. Die Abgeordneten müssen dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können42. Die gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung umfasst daher das Recht der Abgeordneten, sich über den Beratungsgegenstand auf der Grundlage ausreichender Informationen eine eigene Meinung bilden und davon ausgehend an der Beratung und Beschlussfassung des Parlaments mitwirken zu können43.

Welche Bindungen sich aus dem Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe der Abgeordneten an der parlamentarischen Willensbildung für die Ausgestaltung von Gesetzgebungsverfahren ergeben, hat das Bundesverfassungsgericht bisher nicht entschieden44.

Zwar ist es der Parlamentsmehrheit (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG) grundsätzlich vorbehalten, die Prioritäten und Abläufe bei der Bearbeitung von Gesetzgebungsverfahren zu bestimmen45. Auch enthält das Grundgesetz keine konkreten Vorgaben für die Dauer der Gesetzesberatung46. Dies ist Folge des Umstandes, dass eine abstrakte Bestimmung der Angemessenheit der Dauer einer konkreten Gesetzesberatung nicht möglich ist. Vielmehr bedarf es der Berücksichtigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls sowohl hinsichtlich des konkreten Gesetzentwurfs als auch hinsichtlich weiterer, die Arbeitsabläufe des Parlaments bestimmender Faktoren47.

Auch wenn der Parlamentsmehrheit ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Verfahrensabläufe im Parlament zusteht, spricht einiges dafür, dass die Verfahrensautonomie die Parlamentsmehrheit nicht von der Beachtung des durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Status der Gleichheit der Abgeordneten entbindet und das Abgeordnetenrecht verletzt wird, wenn es bei der Gestaltung von Gesetzgebungsverfahren ohne sachlichen Grund gänzlich oder in substantiellem Umfang missachtet wird48. Für die Möglichkeit einer missbräuchlichen Beschleunigung von Gesetzgebungsverfahren mit dem Ziel, die Teilhaberechte der Abgeordneten ohne jeden Sachgrund einzuschränken, bieten Art. 77 Abs. 1, Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG keine Grundlage49.

Hieran gemessen ist der Antrag auf Feststellung einer Verletzung der Beteiligungsrechte des Bundestagsabgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG nicht offensichtlich unbegründet. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens erscheint offen. Aufgrund der besonderen Umstände bei der Durchführung des streitgegenständlichen Gesetzgebungsverfahrens bedarf die Frage, ob die Wahrnehmung der Verfahrensautonomie der Parlamentsmehrheit vorliegend in ausreichendem Umfang den verfassungsrechtlich garantierten Beteiligungsrechten des Bundestagsabgeordneten Rechnung getragen hat, eingehender Prüfung.

Dabei wird in Rechnung zu stellen sein, dass der Bundesminister der Finanzen bereits bei dem Beschluss zur Einbringung des Gesetzentwurfs im Bundeskabinett eine Protokollerklärung abgab, wonach seine Zustimmung im Bewusstsein erfolge, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestages den Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren intensiv beraten und weitere Änderungen vornehmen würden, und die Koalitionsfraktionen wenige Tage vor der ersten Lesung am 15.06.2023 ein zweiseitiges Papier mit dem Titel „Leitplanken […] zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes“12 veröffentlichten, das vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion als „Paradigmenwechsel“13 sowie von dem FDP-Abgeordneten Vogel als „grundlegende Veränderung“ des Gesetzentwurfs50 bezeichnet wurde. Gleichwohl fand am 21.06.2023 eine erste Anhörung zu dem Gesetzentwurf statt. Am Freitag, dem 30.06.2023, übersandte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz51. Diese umfasst 110 Seiten. Auf 94 Seiten erfolgt eine synoptische Darstellung des Gesetzentwurfs und der vorgeschlagenen Änderungen. Daran schließt sich eine Begründung dieser Änderungen an. Auf dieser Grundlage fand am Montag, dem 3.07.2023, im Ausschuss für Klimaschutz und Energie eine zweite Sachverständigenanhörung statt. Dabei äußerten die Sachverständigen in ihren schriftlichen Stellungnahmen überwiegend, dass eine angemessene Vorbereitung der Anhörung innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen sei52. Nach der Einbringung eines Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen und der abschließenden Beratung im Ausschuss für Klimaschutz und Energie soll die Schlussabstimmung am 7.07.2023 im Plenum des Deutschen Bundestages stattfinden.

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Dass dieses Verfahren sich als eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Wahrnehmung der Verfahrensautonomie der Parlamentsmehrheit darstellt, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden. Der Bundestag selbst räumt eine erhebliche Verdichtung der zeitlichen Abläufe und eine „nicht geringe Komplexität“ des Beratungsgegenstands ein. Auch wenn der Parlamentsmehrheit bei der Gestaltung der Verfahrensabläufe ein verfassungsrechtlich garantierter weiter Gestaltungsspielraum zukommt und bei dem dargestellten Geschehensablauf die Fristen, die die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages für die zweite Beratung eines Gesetzentwurfs vorsieht (§ 81 Abs. 1 Satz 2 GO-BT), gewahrt worden sein dürften, bedarf es näherer, im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht leistbarer Prüfung, ob die Beteiligungsrechte des Bundestagsabgeordneten vorliegend ohne ausreichenden sachlichen Grund in substantiellem Umfang beeinträchtigt wurden und sich die durch die Parlamentsmehrheit gewählte Verfahrensgestaltung als eine rechtsmissbräuchliche Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens darstellt49.

Dafür könnte sprechen, dass zumindest hinsichtlich des beabsichtigten Inkrafttretens des Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetzes ab dem 1.01.2024 für die durchgeführte Beschleunigung und Verdichtung der Gesetzesberatung keine zwingende Veranlassung bestanden haben dürfte. Allerdings wird auch zu prüfen sein, in welchem Umfang das zweiseitige Leitplankenpapier vom 13.06.2023 und die Mitteilung des Ergebnisses der Koalitionsverhandlungen vom 26./27.06.2023 eine den Anforderungen des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG genügende Beteiligung des Bundestagsabgeordneten an der weiteren Gesetzesberatung erlaubt haben. Ebenso wird in Rechnung zu stellen sein, dass die parlamentarische Arbeit arbeitsteilig erfolgt53 sowie die Abgeordneten auf den Austausch untereinander und die Unterstützung durch eigene Mitarbeiter (vgl. § 12 Abs. 3 AbgG) und solche der Fraktion zurückgreifen können. Darüber hinaus bedarf es der Prüfung, ob die vom Bundestag geltend gemachten Aspekte des Bestandes von Einigungszwängen angesichts sich schließender Zeitfenster und der Dokumentation der Handlungsfähigkeit der Koalition durch den Beschluss des Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetzes vor der Sommerpause sachliche Gründe darstellen, die einer möglichen rechtsmissbräuchlichen Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens entgegenstehen.

Zugleich wird der Hinweis des Bundestagsabgeordneten zu würdigen sein, dass Formulierungshilfen der Ministerien nicht mit Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen gleichzusetzen seien. Außerdem wird die vom Bundestag vertretene Auffassung, dass eine missbräuchliche Beschleunigung eines Gesetzesvorhabens durch die Parlamentsmehrheit eine subjektive Komponente im Sinne absichtsvollen Vorgehens erfordere, im Hauptsacheverfahren zu erörtern sein.

Entgegen der Auffassung des Bundestags ist vorliegend für eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache kein Raum. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit rechtsgestaltender Wirkung, der im Rahmen eines verfassungsgerichtlichen Organstreits gestellt wird, eine summarische Bewertung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache stets geboten wäre, besteht nicht. Kann nicht festgestellt werden, dass sich der in der Hauptsache gestellte Antrag von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist, oder kann das Bundesverfassungsgericht die Hauptsache nicht so rechtzeitig entscheiden, dass hierdurch die absehbaren schweren Nachteile vermieden werden, kann die einstweilige Anordnung gerade – wie hier – deshalb nötig werden, weil dem Gericht die erforderliche Zeit für eine gewissenhafte (wenn auch nur summarische) Prüfung der Rechtsfragen fehlt, die für die Entscheidung der Hauptsache erheblich sind. Gerade dann wäre es nicht vertretbar, den Erlass einer einstweiligen Anordnung von einer summarischen Abschätzung der Erfolgschancen in der Hauptsache abhängig zu machen54.

Der demgegenüber erfolgte Verweis des Bundestags auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im 104. und 106. Band55 geht fehl. Diese Entscheidungen haben die Außervollzugsetzung abschließend beschlossener Regelungen des Deutschen Bundestages zum Gegenstand. Hier hingegen geht es um die Sicherung der Beteiligungsrechte einzelner Abgeordneter während eines noch laufenden Gesetzgebungsverfahrens.

Die demgemäß vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen.

Erginge die einstweilige Anordnung und bliebe dem Antrag in der Hauptsache der Erfolg versagt, käme es zu einem erheblichen Eingriff in die Autonomie des Parlaments beziehungsweise der Parlamentsmehrheit und damit in die originäre Zuständigkeit eines anderen obersten Verfassungsorgans. Von einem solchen Eingriff ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich abzusehen. In der vorliegenden Konstellation ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetzes zu einem sein Inkrafttreten ab dem 1.01.2024 nicht berührenden Zeitpunkt ohne Weiteres möglich bliebe. Insoweit weist der Bundestagsabgeordnete darauf hin, dass der Bundestag noch für den laufenden Kalendermonat eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages anberaumen könnte (vgl. Art. 39 Abs. 3 Satz 2 und 3 GG). Soweit der Bundestag darauf abstellt, dass bei einer Absetzung der Lesungen von der Tagesordnung in dieser Sitzungswoche eine Verabschiedung durch den Bundesrat und damit ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erst anlässlich der nächsten regulären Sitzung des Bundesrates Ende September möglich sei, übergeht er, dass der Präsident des Bundesrats zu dessen Einberufung verpflichtet ist, wenn die Bundesregierung dies verlangt (vgl. Art. 52 Abs. 2 Satz 2 GG).

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Der vom Bundestag geltend gemachte Umstand, dass die Verabschiedung des Gesetzes in der laufenden Sitzungswoche zum Nachweis der Handlungsfähigkeit der Koalition erforderlich sei, führt zu keiner anderen Bewertung. Gleiches gilt, soweit der Bundestag ausführt, dass bei einer entsprechenden Verzögerung der Verabschiedung des Gesetzes die von seinen Auswirkungen Betroffenen nicht in der Lage seien, sich in ihrem Verhalten auf dessen Inkrafttreten einzustellen.

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und hätte der Antrag in der Hauptsache (jedenfalls) hinsichtlich des geltend gemachten Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe des Bundestagsabgeordneten an der parlamentarischen Willensbildung Erfolg, käme es zu einer irreversiblen, substantiellen Verletzung dieses Rechts. Dem Bundestagsabgeordneten wäre unwiederbringlich die Möglichkeit genommen, bei den Beratungen und der Beschlussfassung über das Gebäudeenergiegesetzänderungsgesetz seine Mitwirkungsrechte in dem verfassungsrechtlich garantierten Umfang wahrzunehmen. Die irreversible und mit Blick auf die außergewöhnliche Verdichtung des Gesetzgebungsverfahrens substantielle Verletzung seiner Beteiligungsrechte wirkt sich im Verhältnis zwischen den Verfassungsorganen zulasten des Parlaments und seiner Autonomie aus56. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des Bundestags auch nicht aus dem Umstand, dass ein Erfolg in der Hauptsache möglicherweise positive Auswirkungen auf die Ausgestaltung künftiger Gesetzgebungsverfahren hätte.

Soweit der Bundestag meint, dass eine spätere Feststellung der Rechtsverletzung durch das Bundesverfassungsgericht das verletzte Recht zwar nicht wiederherstellen könne, aber eine ideelle Wiedergutmachung darstelle, die der Annahme eines vollständigen Rechtsverlusts entgegenstehe, überzeugt dies nicht. Dies würde dazu führen, dass die erfolgreiche Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes im Organstreit unter Verweis auf die etwaige Feststellung einer Rechtsverletzung in der Hauptsache selbst im Falle des Eintritts irreparabler Folgen ausgeschlossen wäre. Dadurch wäre dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit genommen, streitige organschaftliche Rechte zu sichern, obwohl dies im Einzelfall – trotz des grundsätzlich nicht lückenlosen vorläufigen Rechtsschutzes – verfassungsrechtlich geboten sein kann.

Im Ergebnis überwiegt daher unter den der besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Bundestagsabgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Bundestags, der der Umsetzung des konkret verfolgten Gesetzgebungsverfahrens letztlich nicht entgegensteht.

Das Bundesverfassungsgericht weicht mit der tenorierten einstweiligen Anordnung von dem Antrag des Bundestagsabgeordneten ab, um die nach der Folgenabwägung betroffenen Rechte zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Hierbei berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht insbesondere, dass der Eingriff in die Autonomie des Parlaments über die Bestimmung seiner Verfahrensabläufe so gering wie möglich zu halten ist und der Bundestag die weitere Terminierung der Verfahrensschritte des vorliegend in Streit stehenden Gesetzgebungsverfahrens unter Beachtung der hier in die Folgenabwägung eingestellten Rechte vornehmen wird.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2023 – 2 BvE 4/23

  1. vgl. BVerfGE 55, 1 <3> 82, 310 <312> 94, 166 <216 f.> 104, 23 <27> 106, 51 <58> 132, 195 <232 Rn. 86> 150, 163 <166 Rn. 10> 151, 58 <63 Rn. 11> – Änderung Parteienfinanzierung – Eilantrag; 155, 357 <373 Rn. 37> – AfD – Finanzierung Desiderius-Erasmus-Stiftung – eA; 160, 177 <184 Rn. 17> – Parlamentarisches Fragerecht zum Bundesamt für Verfassungsschutz – eA[]
  2. vgl. BVerfGE 151, 152 <161 Rn. 24> – Wahlrechtsausschluss Europawahl – Eilantrag; stRspr[]
  3. vgl. BVerfGE 106, 253 <261> 108, 34 <41> 118, 111 <122> 145, 348 <356 f. Rn. 29> 150, 163 <166 Rn. 10> 160, 177 <184 Rn. 17>[]
  4. vgl. BVerfGE 89, 38 <44> 96, 223 <229> 98, 139 <144> 108, 34 <41> 118, 111 <122> 145, 348 <356 f. Rn. 29> 150, 163 <166 Rn. 10> 151, 58 <65 Rn. 15> 154, 1 <9 Rn. 23> – Abwahl des Vorsitzenden des Rechtsausschusses – eA; 155, 357 <375 Rn. 40> 159, 1 <9 Rn. 24> – Vorschlagsrecht zur Wahl eines Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages – eA; 159, 14 <22 Rn. 26> – Wahl eines Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages – eA; 162, 188 <199 Rn. 29> – Bestimmung von Ausschussvorsitzenden im Deutschen Bundestag – eA[]
  5. vgl. BVerfGE 94, 166 <216> 150, 163 <166 Rn. 10> 160, 177 <184 Rn. 17>[]
  6. vgl. BVerfGE 89, 38 <44> 103, 41 <42> 118, 111 <122> 143, 65 <87 Rn. 35> 157, 332 <375 Rn. 68> – ERatG – eA; 159, 40 <65 Rn. 71> – Normenkontrolle Wahlrechtsreform 2020 – eA; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2022 – 2 BvF 1/22, Rn. 165 – Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021 – eA[]
  7. vgl. BVerfGE 105, 365 <371> 106, 351 <355> 108, 238 <246> 125, 385 <393> 126, 158 <168> 129, 284 <298> 132, 195 <232 f. Rn. 87> 143, 65 <87 Rn. 35> 157, 332 <377 Rn. 73> BVerfG, Beschluss vom 22.11.2022 – 2 BvF 1/22, Rn. 172; stRspr[]
  8. vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2022 – 2 BvF 1/22, Rn. 229 m.w.N.[]
  9. BT-Drs.20/6875[]
  10. vgl. BR-Drs. 170/23[]
  11. vgl. BT-Drs.20/6875[]
  12. vgl. BT-AusschussDrucks 20<25>397[][]
  13. vgl. Handelsblatt vom 13.06.2023, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/dpa/muetzenich-heizungsgesetz-wird-deutlich-verbessert/29203532.html[][]
  14. vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13174[]
  15. vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13170[]
  16. vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13173[]
  17. vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13176 , 13177 <A, B>[]
  18. vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13179[]
  19. DIE LINKE[]
  20. vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13181[]
  21. vgl. BT-Plenarprotokoll 20/109, S. 13196 []
  22. BT-AusschussDrucks 20<25>419[]
  23. vgl. SPD-Bundestagsfraktion, 28.06.2023, Heizungsgesetz – Eine sozial gerechte Wärmewende, abrufbar unter https://www.spdfraktion.de/heizungswende[]
  24. vgl. BT-AusschussDrucks 20<25>426[]
  25. vgl. BVerfGE 34, 160 <162> 46, 160 <163 f.> 67, 149 <151> 147, 39 <46 f. Rn. 11> 152, 63 <65 Rn. 5> – Einstweilige Anordnung PSPP II; stRspr[]
  26. vgl. BVerfGE 8, 42 <46> 15, 219 <221> 147, 39 <47 Rn. 11> 152, 63 <66 Rn. 5> 159, 40 <58 Rn. 53>[]
  27. vgl. BVerfGE 147, 39 <47 Rn. 11> 152, 63 <66 Rn. 5>[]
  28. vgl. BVerfGE 147, 39 <47 Rn. 12> 152, 63 <66 Rn. 6> 159, 40 <58 f. Rn. 54>[]
  29. vgl. BVerfGE 34, 160 <163> 46, 160 <163 f.> 67, 149 <151> 108, 34 <40> 111, 147 <153> 130, 367 <369> 132, 195 <233 Rn. 88> 143, 65 <87 f. Rn. 36> 147, 39 <47 Rn. 11> 152, 63 <66 Rn. 5> 155, 357 <374 Rn. 38> 157, 332 <375 Rn. 69> 160, 177 <185 Rn.19> BVerfG, Beschluss vom 25.01.2023 – 2 BvR 2189/22, Rn. 104 – Wiederholungswahl Berlin – eA[]
  30. vgl. BVerfGE 159, 40 <59 Rn. 55> Graßhof, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 32 Rn. 48[]
  31. vgl. BVerfGE 7, 99 <105> 14, 192 <193> 16, 220 <226> 151, 58 <64 Rn. 13> 154, 1 <9 Rn. 22> 155, 357 <374 Rn. 38> 159, 1 <8 Rn. 22> 159, 14 <21 Rn. 24>[]
  32. vgl. BVerfGE 151, 58 <64 Rn. 13> 155, 357 <374 Rn. 38> 159, 1 <8 Rn. 22> 159, 14 <21 Rn. 24>[]
  33. vgl. BVerfGE 136, 277 <301 Rn. 64> m.w.N., auch mit Verweis auf eine Sonderkonstellation in BVerfGE 112, 118 <147 f.> 162, 188 <199 Rn. 30>[]
  34. vgl. BVerfGE 154, 1 <9 Rn. 22> m.w.N.; 155, 357 <375 Rn. 40> 162, 188 <200 Rn. 31>[]
  35. vgl. BVerfGE 2, 143 <177> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvE 5/18, Rn. 42 – PartGuaÄndG 2018 – Organstreit[]
  36. BVerfGE 112, 363[]
  37. vgl. BVerfGE 112, 363 <365 f.>[]
  38. vgl. BVerfGE 112, 363 <364>[]
  39. vgl. BVerfGE 112, 363 <366>[]
  40. vgl. BVerfGE 70, 324 <335> 130, 318 <342> 137, 185 <242 Rn. 151> 160, 368 <383 f. Rn. 48 f.> m.w.N. – Wahl eines Vizepräsidenten des Bundestages – Vorschlagsrecht; BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 93 – Parteienfinanzierung – Absolute Obergrenze[]
  41. vgl. BVerfGE 70, 324 <355> 125, 104 <123> 150, 204 <231 Rn. 81> 150, 345 <368 f. Rn. 58> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 93[]
  42. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 93 m.w.N.[]
  43. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 93; vgl. auch BVerfGE 150, 345 <369 Rn. 58>[]
  44. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 92[]
  45. vgl. BVerfGE 145, 348 <360 f. Rn. 37> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 91[]
  46. vgl. BVerfGE 145, 348 <360 Rn. 37> BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 91[]
  47. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 91[]
  48. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 96; zur Verweigerung der Beratung einer Gesetzesinitiative BVerfGE 145, 348 <361 f. Rn. 38>[]
  49. vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2023 – 2 BvF 2/18, Rn. 96[][]
  50. vgl. BT-Plenarprotokoll 29/109, S. 13173[]
  51. BT-AusschussDrucks 20<25>426[]
  52. vgl. BT-AusschussDrucks 20<25>429, S. 5; 20<25>432, S. 4; 20<25>433, S. 2; 20<25>435, S. 4 f.; 20<25>438, S. 3; 20<25>439, S. 3; 20<25>440, S. 2; siehe auch BT-AusschussDrucks 20<25>430, S. 3[]
  53. vgl. zur Funktion der Ausschüsse BVerfGE 80, 188 <221 f.>[]
  54. vgl. BVerfGE 104, 23 <28> m.w.N.[]
  55. vgl. BVerfGE 104, 23 <28> 106, 253 <261>[]
  56. vgl. zur Bedeutung substantieller Einschränkungen der Mitwirkung an der politischen Willensbildung BVerfGE 160, 368 <391 Rn. 64>[]

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