Gemeinsames Adoptionsrecht bei eingetragenen Lebenspartnerschaften

Das Bundesverfassungsgericht hat sich einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des in § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB und § 9 Abs. 6 und 7 LPartG vorgesehenen Ausschlusses der gemeinsamen Adoption durch eingetragene Lebenspartner entzogen und die beiden entsprechenden Richtervorlagen des Amtsgerichts Berlin-Schönefeld als unzulässig zurückgewiesen.

Gemeinsames Adoptionsrecht bei eingetragenen Lebenspartnerschaften

Nach den derzeit geltenden Regelungen zur Adoption bestehen Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den Adoptionsmöglichkeiten Verheirateter, in eingetragener Lebenspartnerschaft Lebender sowie weder verheirateter noch in eingetragener Lebenspartnerschaft lebender Personen.

So ist die Einzeladoption durch Personen, die weder verheiratet sind noch in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, unter gleichen Voraussetzungen möglich. Die Einzeladoption ist grundsätzlich auch bei bestehender eingetragener Lebenspartnerschaft möglich, erfordert dann aber die Einwilligung des anderen Lebenspartners (§ 9 Abs. 6 LPartG).

Verheiratete Personen können ein Kind hingegen grundsätzlich nur gemeinschaftlich annehmen (§ 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die gemeinschaftliche Adoption ist wiederum für eingetragene Lebenspartner in § 9 LPartG nicht vorgesehen und durch § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen.

Die Adoption des leiblichen Kindes des Partners (Stiefkindadoption) ist Ehepartnern nach § 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB und eingetragenen Lebenspartnern nach § 9 Abs. 7 LPartG gleichermaßen möglich. Die Adoption des angenommenen Kindes des Partners (Sukzessivadoption) ist Ehepartnern nach § 1742 BGB möglich. Die Adoption des angenommenen Kindes des Lebenspartners ist hingegen nicht gesetzlich geregelt. Mit Urteil vom 19.02.20131 hat das Bundesverfassungsgericht allerdings entschieden, dass § 9 Abs. 7 LPartG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit danach die Annahme eines adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner nicht möglich ist. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 30.06.2014 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Bis zur gesetzlichen Neuregelung ist § 9 Abs. 7 LPartG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Adoption des angenommenen Kindes des eingetragenen Lebenspartners möglich ist.

Weiterlesen:
Verfahrenskostenhilfe für den Verfahrenspfleger im Unterbringungsverfahren

Den Verfahren der konkreten Normenkontrolle lagen zwei Adoptionsverfahren zugrunde, die ein in eingetragener Lebenspartnerschaft lebendes Paar im Hinblick auf zwei volljährige ehemalige Pflegekinder veranlasst hat. Das Amtsgericht Schöneberg hatte die beiden Adoptionsverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob der in § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB und § 9 Abs. 6 und 7 LPartG vorgesehene Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption durch eingetragene Lebenspartner mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist2. Das Bundesverfassungsgericht hat die beiden Richtervorlagen als unzulässig verworfen:

Die Beschlüsse entsprechen, so die Verfassungsrichter, nicht den Begründungsanforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung an eine Richtervorlage anlegt. Das Amtsgericht hat die einschlägige Fachliteratur und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinen Darlegungen kaum berücksichtigt. Insbesondere hat es die unmittelbar einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption eingetragener Lebenspartner vom 19.02.2013 nicht zur Grundlage seiner rechtlichen Ausführungen gemacht.

Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat3. Hierfür muss das vorlegende Gericht in nachvollziehbarer und für das Bundesverfassungsgericht nachprüfbarer Weise darlegen, dass es bei seiner anstehenden Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist4.

Weiterlesen:
Scoring auf einem Unternehmens-Bewertungsportal - der Fall

Die Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar darstellen. Dabei muss das Gericht jedenfalls auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen5 und die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen6. Insbesondere muss sich der Vorlagebeschluss mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzen7.

Diesen Anforderungen genügen die zur Entscheidung stehenden Vorlagen nicht. Das vorlegende Gericht hat in seinen Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Regelung einschlägige Fachliteratur und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kaum berücksichtigt.

An einer Auseinandersetzung mit den in der Literatur vorherrschenden Rechtsansichten zu der Frage der Vereinbarkeit des Ausschlusses der gemeinschaftlichen Adoption durch eingetragene Lebenspartner mit der Verfassung fehlt es fast vollständig8.

Auch mit den bis zu den Vorlagebeschlüssen ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Ungleichbehandlungen von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten setzen sich die Vorlagen nur unvollständig auseinander9. Die Beschlüsse zitieren einzig die Entscheidung zur Hinterbliebenenversorgung von Lebenspartnern10. Zwar trifft diese Entscheidung grundlegende Aussagen zum Prüfungsmaßstab im Hinblick auf die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten. Soweit das Gericht eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG prüft, stellt es daher unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung zutreffend fest, dass Ungleichbehandlungen zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern einer strengen Prüfung unterliegen, da sie das personenbezogene Merkmal der sexuellen Orientierung betreffen. Inhaltlich bezog sich die Entscheidung allerdings auf die Versorgung des hinterbliebenen Lebenspartners, adoptions- und kindschaftsrechtliche Fragen wurden darin nicht näher behandelt.

Weiterlesen:
Ärztliche Zwangsmaßnahmen - formale Anforderungen an ihre Anordnung

Die unmittelbar einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption gleichgeschlechtlicher Lebenspartner vom 19.02.201311, hat das vorlegende Gericht hingegen nicht zur Grundlage seiner rechtlichen Ausführungen gemacht. Diese Entscheidung findet in den Vorlagen keine Erwähnung, obwohl das Urteil zum Zeitpunkt des Erlasses der Vorlagebeschlüsse bereits verkündet und bekannt war.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung offengelassen, ob der Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption durch zwei eingetragene Lebenspartner mit dem Grundgesetz vereinbar ist, weil dies nicht Gegenstand des dortigen Verfahrens war12. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des damals zu beurteilenden Ausschlusses der Sukzessivadoption und des hier zu beurteilenden Ausschlusses der gemeinschaftlichen Adoption durch eingetragene Lebenspartner wirft jedoch teilweise ähnliche oder identische verfassungsrechtliche Vorfragen auf. Angesichts der großen sachlichen Nähe hätte sich das vorlegende Gericht daher damit auseinandersetzen müssen, wie sich seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Rechtslage zu den dortigen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts verhält.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 1 BvL 2/13 – 1 BvL 3/13

  1. BVerfG, Urteil vom 19.02.2013 – 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, juris[]
  2. AG Schöneberg, Beschlüsse vom 08.03.2013 – 24 F 172/12 und 24 F 250/12[]
  3. vgl. BVerfGE 127, 335, 355 f.; stRspr[]
  4. vgl. BVerfGE 105, 61, 67; stRspr[]
  5. vgl. BVerfGE 86, 52, 57[]
  6. vgl. BVerfGE 76, 100, 104; 79, 240, 243 f.; 86, 71, 77[]
  7. vgl. BVerfGE 79, 240, 244 f.; BVerfG, Beschluss vom 18.08.2011 – 1 BvL 10/11; Beschluss vom 19.08.2011 – 1 BvL 15/11[]
  8. vgl. etwa Grehl, Das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, 2008; Dethloff, Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare, ZRP 2004, S.195 ff.; dies., Adoption und Sorgerecht – Problembereiche für die eingetragenen Lebenspartner?, FPR 2010, S.208 ff.; Gärditz, Gemeinsames Adoptionsrecht Eingetragener Lebenspartner als Verfassungsgebot?, JZ 2011, S. 930 ff.; Henkel, Fällt nun auch das „Fremdkindadoptionsverbot“?, NJW 2011, S. 259 ff.; Müller, Adoption in der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft – de lege lata et de lege ferenda, FF 2011, S. 56 ff.[]
  9. vgl. BVerfGE 126, 400; 131, 239; 132, 179; BVerfG, Urteil vom 19.02.2013 – 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09[]
  10. vgl. BVerfGE 124, 199[]
  11. vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19.02.2013 – 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, juris[]
  12. vgl. BVerfG, Urteil vom 19.02.2013 – 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09[]
Weiterlesen:
Zusammenlebende Geschwister sind keine Lebenspartnerschaft - auch nicht in der Erbschaftsteuer