Die Religionsfreiheit hat ihre Grenzen – zumindest im Arbeitsrecht. So hat jetzt das Landesarbeitsgericht Nordrhein-Westfalen in Essen einem Arbeitgeber Recht gegeben, der einem Call-Center-Mitarbeiter, der jedes Kundentelefonat mit „Jesus hat Sie lieb“ beendete, verhaltensbedingt gekündigt hatte.

Der Kläger steht seit dem Jahre 2004 bei der Beklagten in deren Call-Center als sogenannter Telefonagent in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist tief religiös und beendet jedenfalls seit Januar 2010 die telefonisch geführten Kundengespräche mit der Verabschiedungsformel „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei QVC und einen schönen Tag“. Bei Beanstandungen der verwendeten Schlussformel berief sich der Kläger auf seine religiösen Überzeugungen. Nach Beteiligung des bei ihr bestehenden Betriebsrates kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos und hilfsweise fristgerecht.
Hiergegen richtet sich die beim Arbeitsgericht Bochum eingereichte Kündigungsschutzklage. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam, da er lediglich versuche, sowohl seinen religiösen Verpflichtungen als auch seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Kundenbeschwerden habe es auch nicht gegeben. Dem hat die Beklagte entgegen gehalten, die Glaubensbezeugungen berechtigten den Kläger nicht dazu, sich den Arbeitsanweisungen der Beklagten beharrlich zu widersetzen.
Das Arbeitsgericht Bochum hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben1. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts war die Kündigung bereits unwirksam war, da die Beklagte nicht dargelegt habe, dass der Betriebsrat vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden ist. Die Kündigung sei aber auch deswegen unwirksam, weil die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeberin hinter die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers zurückzutreten habe. Der Kläger genieße den Grundrechtschutz des Art. 4 GG.
Dies sah das Landesarbeitsgericht Nordrhein-Westfalen in Essen sah das freilich anders und wies auf die Berufung des Arbeitgebers hin die Kündigungsschutzklage ab. Anders als das Arbeitsgericht war das Landesarbeitsgericht der Auffassung, die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei gerechtfertigt. Der mit 6 Stunden im Call-Center der Beklagten teilzeitbeschäftigte Kläger habe sich arbeitsvertragswidrig verhalten, indem er trotz einer ausdrücklich erteilten Anweisung der Beklagten nicht habe darauf verzichten wollen, sich am Ende eines jeden Verkaufsvorgangs von den Gesprächspartnern mit den Worten „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei QVC und einen schönen Tag“ zu verabschieden. Das Landesarbeitsgericht hat auf das Spannungsfeld zwischen Glaubensfreiheit und unternehmerischer Betätigungsfreiheit hingewiesen und die Grundsätze aufgezählt, die im Rahmen dieses Abwägungsprozesses anzustellen seien.
In tatsächlicher Hinsicht hat es sodann festgestellt, dass der tiefgläubige Kläger in nicht ausreichendem Maße hat darlegen können, warum er in innere Nöte gekommen wäre, hätte er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bei der Beklagten darauf verzichtet, die ansonsten bei der Beklagten übliche Grußformel um die Worte „Jesus hat Sie lieb“ zu ergänzen. Nach Auffassung der Berufungskammer muss ein Arbeitnehmer, der sich darauf beruft, dass die Befolgung einer Arbeitsanweisung ihn in seiner Glaubensfreiheit beeinträchtigt, nachvollziehbar darlegen, dass er ohne innere Not nicht von einer aus seiner Sicht zwingenden Verhaltensregel absehen könne. Für das Berufungsgericht war in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass der Kläger der Beklagten anlässlich eines nachfolgenden Streitverfahrens angeboten hatte, im Rahmen einer sogenannten Prozessbeschäftigung für die Beklagten tätig zu werden – und sich zugleich für diese Beschäftigung verpflichtet hatte, auf die Ergänzung der Grußformel zu verzichten.
Landesarbeitsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. April 2011 – 4 Sa 2230/10
- ArbG Bochum, Urteil vom 08.07.2010 – 4 Ca 734/10[↩]