(K)eine Schweinerei mit dem Schinken

Nach ihrer Verkehrsbezeichnung hat eine Puten-Formschnitte „Cordon Bleu“ Schinken und Käse zu enthalten und darf nicht mit Putenschinken und Schmelzkäsezubereitung gefüllt sein.

(K)eine Schweinerei mit dem Schinken

Mit dieser Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Stuttgart in dem hier vorliegenden Fall geklärt, ob ein Produkt unter irreführender Bezeichnung in den Verkehr gebracht wird. Die Klägerin, eine Herstellerin von Geflügelfleischerzeugnissen, begehrt die Feststellung. Das Hessische Landeslabor beanstandet das Produkt „Puten-Formschnitte ‘Cordon Bleu‘“, das die Klägerin vertreibt, als irreführend. Das Produkt ist weiter als „Schnitte aus z. T. fein zerkleinertem Putenfleisch zusammengefügt, mit Käse und Schinken gefüllt, paniert und gegart“ beschrieben. Die Klägerin trat dem entgegen und berief sich zum einen darauf, der informierte Verbraucher lese das Zutatenverzeichnis, in dem Putenschinken und Schmelzkäsezubereitung zutreffend aufgeführt seien. Mit Gutachten vom 31.03.2011 monierte das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart ebenfalls einen Verstoß des Produktes gegen § 4 LMKV. Das Landratsamt erließ daraufhin einen Bußgeldbescheid wogegen Einspruch eingelegt wurde. Am 30.06.2011 hat die Klägerin Feststellungsklage erhoben.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht getroffen werden, denn die von ihr gewählte Verkehrsbezeichnung „Puten-Formschnitte Cordon Bleu; Schnitte aus zum Teil fein zerkleinertem Putenfleisch zusammengefügt, mit Schinken und Käse gefüllt, paniert und gegart“ verstößt gegen das Irreführungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB. Danach ist es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden (…).

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Die Angabe „Schinken“

Für die Angabe „Schinken“ in der Beschreibung der Füllung des Produkts existiert unstreitig keine in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung i.S.v. § 4 Abs. 1 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV). Allerdings existiert eine nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV. In den Leitsätzen des deutschen Lebensmittelbuchs für Fleisch- und Fleischerzeugnisse ist unter Nr. 2.31 Folgendes festgelegt: „Bei Bezeichnungen ohne Hinweis auf die Tierart (Schinken, Geräuchertes, gegart, Geselchtes, gegart, Schwarzgeräuchertes, Pökelfleisch, gegart, gekochtes Surfleisch, Pökelbraten usw.) handelt es sich – soweit in den Leitsätzen nichts Gegenteiliges angegeben ist – um Teile von Schweinen; im Übrigen wird auf die Tierart hingewiesen (gekochter Rinderschinken, gekochtes Rinderpökelfleisch, gekochter Kalbsschinken, gekochte Kalbskarbonade usw.).“ Dies bedeutet somit, dass nach allgemeiner Verkehrsauffassung die Angabe „Schinken“ auf Schweineschinken hinweist. Da das Produkt der Klägerin aber keinen Schweineschinken enthält, ist diese Angabe in der Bezeichnung zur Täuschung über die Art und Herkunft des Schinkens geeignet im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB.

Auch die Verkehrsauffassung zu der Bezeichnung „Cordon Bleu“ spricht für eine Verbrauchererwartung, die sich auf eine Füllung mit Schweineschinken richtet. Nach Ziff. 2.508.1 der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse besteht Cordon Bleu aus zwei gleichgroßen Schnitzeln (eventuell in Form einer Tasche), dazwischen Schinken und Käse, meist paniert. Dies bedeutet aber, dass auch hier in aller Regel Schweineschinken erwartet wird.

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Dem kann nicht entgegengehalten werden, wie es die Klägerin will, dass die Gesamtaufmachung des Produkts eindeutig ergebe, dass nur Putenfleisch verwendet werde. Zwar ist auf der Vorder-und Rückseite der Packung das Markenzeichen „G.“ mit dem gezeichneten, stilisierten Hahn angebracht; außerdem ist zweimal das Wort „Putenfleisch“ zu lesen. Dies reicht für ein eindeutiges Verständnis ohne die Möglichkeit eines Irrtums nicht aus, da der Zusatz in der Verkehrsbezeichnung „mit Schinken und Käse gefüllt“ abgesetzt von dem Begriff „Putenfleisch“ verwendet wird. Es kommt hinzu, dass die Bezeichnung Cordon Bleu am größten gedruckt ist. Die Gesamtaufmachung ist damit nicht geeignet, das damit einhergehende Verständnis, es müsse Schweineschinken enthalten sein, zu erschüttern. Erst recht ist das Markenzeichen „G.“ beim Verbraucher nicht derart bekannt, dass ein großer Anteil des Publikums diesem Markenzeichen einen Hersteller von Geflügelprodukten zuordnete.

Schließlich ist es auch nicht so, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher regelmäßig das Zutatenverzeichnis studierte, so dass deshalb ein Irrtum auszuschließen wäre. Zwar hat der Europäische Gerichtshof1 die Auffassung geäußert, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen. Diese Erwägung gilt allerdings nur für den – kleineren – Teil der Verbraucher, denen es eben speziell auf die Zusammensetzung des Erzeugnisses ankommt. Dies könnten im vorliegenden Fall Verbraucher sein, die aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch zu sich nehmen wollen. Für den übrigen Teil der Verbraucher besteht indessen kein Anlass, das Zutatenverzeichnis zu studieren, wenn eine Verkehrsbezeichnung verwendet wird, die einen leicht verständlichen, eingeführten Inhalt hat. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Verkehrsbezeichnung unverständlich oder nicht gängig ist (wie z.B. in dem vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall der Vollmilch-Mortadella2). Eine derartige Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Angabe der Füllung mit Schinken trotz Verwendung eines Putenschinkens ist daher irreführend.

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Die Angabe „Käse“

Hier wird als Füllung Käse angegeben, obwohl eine Schmelzkäsezubereitung verwendet wird. Eine Schmelzkäsezubereitung ist in § 1 Abs. 4 Nr. 3 KäseV als eine Untergruppe der Erzeugnisse aus Käse definiert. Sie muss daher nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 b der KäseV die Kennzeichnung „Schmelzkäsezubereitung“ als Verkehrsbezeichnung enthalten. Dies bedeutet, dass eine in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung im Sinne von § 4 Abs. 1 LMKV existiert, die zur Vermeidung einer Irreführung auch zu verwenden ist. Das Verwaltungsgericht kann offen lassen, ob deshalb etwas anderes gilt, weil der Käse nicht als solcher in einer Fertigpackung angeboten, sondern als Zutat verwendet wird. Auch wenn man deshalb gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Anl. 1 LMKV als Erleichterung die Verwendung des Klassennamens „Käse“ grundsätzlich für zulässig halten wollte, so sind doch die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben. In der Anlage 1 zur LMKV kann der Klassenname Käse verwendet werden für Käse oder Käsemischungen aller Art, wenn Bezeichnung oder Aufmachung sich nicht auf eine bestimmte Käsesorte beziehen. Vorliegend handelt es sich aber nicht um eine derartige Käsemischung, sondern gemäß der Legaldefinition in § 1 Abs. 4 KäseV um ein Erzeugnis aus Käse. Eine Käsemischung liegt nur dann vor, wenn verschiedene Käsesorten vermischt werden, die selbst aber wieder Käse darstellen. Anders, als es die Klägerin will, sind „Käsekompositionen“ im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 4 KäseV keine derartigen Käsemischungen.

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Damit ist die Verwendung des Begriffs „Käse“ für die Füllung der Putenschnitte zur Täuschung geeignet, da sie bewusst eine höherwertige Beschaffenheit der Füllung vorspiegelt. Auch hier besteht kein Anlass für den Verbraucher, aufgrund einer ungewöhnlichen Bezeichnung die Zutatenliste näher zu studieren.

Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 9. Februar 2012 – 4 K 2394/11

  1. EuGH, Urteil vom 26.10.1995 – RS.C 51/94, EuZW 1996, 245, Sauce Hollandaise/ Sauce Béarnaise[]
  2. Nieders.OVG, Urteil vom 25.03.2004 – 11 LC 96/03[]