Verfassungsschutz im Auslandseinsatz – und das parlamentarische Fragerecht

Für Informationen, die die Organisation und die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste betreffen, kommt eine Begrenzung des Fragerechts des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG im Sinne einer „Bereichsausnahme“ nicht in Betracht. Auch das parlamentarische Kontrollgremium ist nur ein zusätzliches Instrument der parlamentarischen Kontrolle, das sonstige parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt.

Verfassungsschutz im Auslandseinsatz – und das parlamentarische Fragerecht

So hat jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Weigerung der Bundesregierung, die Zahl der in den Jahren 2015 bis 2019 in das Ausland entsandten Bediensteten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) mitzuteilen, das parlamentarische Fragerecht des antragstellenden Bundestagsabgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.

Rechtfertigungsgründe für die Verweigerung der begehrten Auskunft sah das Bundesverfassungsgericht nicht; die Anfrage betreffe weder den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung noch Grundrechte Dritter. Eine Gefährdung des Staatswohls sei weder hinreichend dargelegt noch ansonsten ersichtlich. Die abstrakte Überlegung, dass ausländische Nachrichtendienste Informationen sammeln, um diese wie ein „Mosaik“ zusammenzuführen, entbinde die Bundesregierung nicht von der konkreten Darlegung, dass es sich bei der jeweiligen erfragten Tatsache gerade um einen solchen „Mosaikstein“ handeln könnte, der geeignet wäre, ein Gesamtbild entstehen zu lassen und damit den angestrebten Erkenntnisgewinn zu erreichen. An einer solchen Darlegung fehle es im vorliegenden Fall.

Die Bundesregierung hat den Abgeordnete durch die Nichterteilung der mit der schriftlichen Einzelfrage Nummer 32 für den Monat Dezember vom 09.12.20201 erbetenen Auskunft über die Anzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit ins Ausland entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz in seinen Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

Der Ausgangssachverhalt

Der Antragsteller ist Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion. Er bat die Bundesregierung um Auskunft über die Anzahl der in den letzten fünf Jahren jeweils in das Ausland entsandten Bediensteten des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Die Frage lautete:

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz sind in den letzten fünf Jahren für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit in das Ausland entsandt worden (bitte aufschlüsseln nach Jahr) und wie bewertet die Bundesregierung die Entsendung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Blick auf die Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst?

Mit Schreiben vom 09.12.2020 teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Namen der Bundesregierung mit, dass die Beantwortung der Frage nicht – auch nicht eingestuft als geheimhaltungsbedürftige Verschlusssache – erfolgen könne:

Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage zu den in der Fragestellung erbetenen Informationen nicht – auch nicht in eingestufter Form – erfolgen kann. Gegenstand der Frage sind solche Informationen, die in besonderem Maße das Staatswohl berühren. Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch schutzwürdige Interessen – gleichfalls von Verfassungsrang – wie das Staatswohl begrenzt. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Sicherheitsbehörden des Bundes sind im Hinblick auf die künftige Aufgabenerfüllung besonders schutzwürdig. Eine (zur Veröffentlichung bestimmte) Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik und den konkreten Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dabei würde die Gefahr entstehen, dass ihre bestehenden oder in der Entwicklung befindlichen operativen Fähigkeiten und Methoden aufgeklärt und damit der Einsatzerfolg gefährdet würde. Es könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt werden. Dies könnte einen Nachteil für die wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten.

Die erbetenen Auskünfte sind danach geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und insbesondere dessen Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden stehen.

Insbesondere durch die Auskunft über die Größenordnung des eingesetzten Personals können Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV gezogen werden. Dieses, wenn auch geringfügige, Risiko des Bekanntwerdens im Falle einer eingestuften Beantwortung der Frage kann in keinem Fall hingenommen werden.

Die erbetenen Informationen berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt.

In einem weiteren Schreiben führte er darüber hinaus aus, bereits die Offenlegung von personellen Größenordnungen zeige den Rahmen nachrichtendienstlicher Methodik als Grundlage operativen Handelns auf und ließe damit Rückschlüsse auf die operativen Fähigkeiten des BfV zu. Auch das geringfügige Risiko des Bekanntwerdens im Fall einer eingestuften Beantwortung der Frage könne nicht hingenommen werden.

Das Organstreitverfahren

Der Bundestagsabgeordnete begehrt im Wege des Organstreitverfahrens die Feststellung, dass ihn die Bundesregierung durch die Verweigerung der erbetenen Auskunft in seinem parlamentarischen Fragerecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat den zugleich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verworfen2. Der Antrag war unzulässig, da er auf Rechtsfolgen gerichtet war, die im Organstreitverfahren nicht erreicht werden können, und es außerdem an einer substantiierten Darlegung der Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung fehlte.

Mit seinem Antrag im Hauptsacheverfahren begehrt der Abgeordnete die Feststellung, dass die Bundesregierung ihn dadurch in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt hat, dass sie die mit der schriftlichen Frage Nr. 32 für den Monat Dezember vom 09.12.20203 erbetenen Auskünfte verweigert hat.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Zulässig des Antrags

Der Antrag ist zulässig.

Dem Abgeordnete kommt als Abgeordnetem des Deutschen Bundestages gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, den er im Organstreitverfahren als „anderer Beteiligter“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG verteidigen kann4. Die Bundesregierung ist sowohl in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG als oberstes Bundesorgan (Art. 62 ff. GG) als auch in § 63 BVerfGG ausdrücklich als mögliche Bundesregierung bezeichnet.

Die Bundesregierung ist die richtige Antragsgegnerin. Durch ihre zwischenzeitliche Neukonstituierung wird ihre Organidentität nicht berührt5.

Der Antrag bezieht sich auf einen zulässigen Antragsgegenstand. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein. Es kommt mit Blick auf § 64 Abs. 1 BVerfGG nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Bundesregierung um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfrage des Abgeordnetes können diesen in seinem Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die angegriffenen Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich6.

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Der Abgeordnete ist antragsbefugt.

Er hat mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art.20 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechend § 64 Abs. 2 BVerfGG die Bestimmungen des Grundgesetzes bezeichnet, gegen die die Verweigerung der Beantwortung der Anfrage seiner Ansicht nach verstößt. Ein den Abgeordnete und die Bundesregierung umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis7 liegt vor. Der Abgeordnete beanstandet die Antwortverweigerung sowie deren Begründung und rügt, dass Gründe des Staatswohls nicht tangiert seien. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des verfassungsrechtlich verankerten Frage- und Informationsrechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen8.

Das Frage- und Informationsrecht des Parlaments wird verletzt, wenn auf parlamentarische Anfragen ohne rechtfertigenden Grund nicht, nicht vollständig oder bewusst falsch geantwortet wird. Eine Rechtsverletzung liegt auch vor, wenn die Bundesregierung die Gründe nicht hinreichend darlegt, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert9, wenn sie unter Verkennung der Reichweite des Geheimnisschutzes eine öffentliche Antwort verweigert oder wenn eine unzureichende Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit gegeben wird10.

An dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments haben die einzelnen Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Bundestages teil8. Ihnen steht ein eigenes organschaftliches Recht auf Beantwortung ihrer Fragen zu.

Der Abgeordnete hat hinreichend dargelegt, dass er durch das angegriffene Verhalten der Bundesregierung in diesem Recht verletzt sein kann. Er macht mit nachvollziehbarer Begründung geltend, dass die Bundesregierung die Beantwortung seiner Frage unter Verkennung ihrer verfassungsrechtlichen Antwortpflicht zu Unrecht verweigert habe. Aus der Antragsbegründung geht hervor, dass nicht auszuschließen ist, dass die Bundesregierung von einem fehlerhaften Verständnis der Staatswohlbelange im Bereich der Nachrichtendienste ausgegangen ist und das Informationsrecht des Abgeordnetes fehlerhaft gewichtet hat. Damit erscheint es möglich, dass die Bundesregierung durch ihren Umgang mit der parlamentarischen Anfrage den Informationsanspruch des Abgeordnetes aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat.

Das im Organstreit auf Seiten des Abgeordnetes erforderliche Rechtsschutzbedürfnis11 ist gegeben. Insbesondere ist der Abgeordnete seiner Konfrontationsobliegenheit12 nachgekommen. Er hat die Bundesregierung bereits mit Schreiben vom 14.01.2021 darauf hingewiesen, dass die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage unzureichend sei. Der Konflikt, dessen Bereinigung der Abgeordnete im kontradiktorischen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht begehrt, war für die Bundesregierung damit zuvor erkennbar13.

Dem Rechtsschutzbedürfnis steht auch der Ablauf der Legislaturperiode nicht entgegen. Unabhängig davon besteht der Streit über die verfassungsrechtliche Pflicht der Bundesregierung zur Beantwortung der gestellten Anfrage fort. Der Abgeordnete gehört dem Deutschen Bundestag weiterhin an und hat daher ein schutzwürdiges Interesse an der Klärung, ob die Bundesregierung zur vollständigen Beantwortung der von ihm gestellten Anfrage verpflichtet war.

Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages

Der Antrag ist begründet. Nach den zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Maßstäben verletzt die Weigerung der Bundesregierung, die Zahl der in den Jahren 2015 bis 2019 ins Ausland entsandten Bediensteten des BfV mitzuteilen, das Recht des Abgeordnetes aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.

Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art.20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung gegenübersteht14. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages dienen dazu, dem Deutschen Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu geben. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen insoweit die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments15.

Das parlamentarische Regierungssystem wird nicht zuletzt durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht zum einen den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt16. Er gebietet eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht ihr gegenüber nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht17.

Die Kontrollfunktion ist zum anderen Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art.20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden18.

Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Dies setzt die Kenntnis des Parlaments über das Handeln der Regierung voraus. Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen19.

Der parlamentarische Informationsanspruch ist auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt10. Der Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit dient der effektiven Wahrnehmung der Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber den Wählerinnen und Wählern20, die einen zentralen Mechanismus des effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt darstellt21. Die verantwortliche Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung setzt voraus, dass die Einzelnen von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend wissen, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können22. Dem entspricht die Pflicht der Regierung, gegenüber dem Parlament grundsätzlich in öffentlich zugänglicher Weise Rechenschaft abzulegen.

Der Informationsanspruch des Deutschen Bundestages und der einzelnen Abgeordneten ist allerdings nicht grenzenlos. Diese Grenzen müssen aber, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben23. Dazu zählen die Grenzen des Zuständigkeitsbereichs der Regierung (a), der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung (b), die Grundrechte Dritter (c) und das Staatswohl (d).

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Da das Interpellationsrecht Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament ist, kann sich der Informationsanspruch des Deutschen Bundestages und der einzelnen Abgeordneten von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen. Insoweit fehlt es von vornherein an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag24.

Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung umfasst nicht nur das Regierungshandeln im engeren Sinn, sondern auch den von ihr verantworteten Aufgabenbereich, mithin das Handeln nachgeordneter Behörden5. Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung daher auch berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen25.

Das Gewaltenteilungsprinzip ist zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung26. Die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament und dem Volk setzt notwendigerweise einen nicht ausforschbaren Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus. Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge27.

Daneben können das Fragerecht der Abgeordneten und des Deutschen Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte Dritter zu beachten haben28. Dabei ist zwischen den Grundrechten betroffener Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments gegebenenfalls ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden29.

Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Deutschen Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das insbesondere durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann30. Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls31.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist32. Das Parlament und seine Organe können insoweit nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind33.

Gegebenenfalls sind Formen der Informationsvermittlung zu suchen, die geeignet sind, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung zu befriedigen10. So ist die Übernahme von Aufgaben des Plenums durch geheim tagende parlamentarische Untergremien in bestimmten Fällen möglich34, allerdings muss dies auf wenige Ausnahmen mit eng begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein35. Die Beantwortung parlamentarischer Anfragen unter Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages kann geeignet sein, als milderes Mittel einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen5. Eine Berufung auf das Staatswohl kommt gegenüber dem Deutschen Bundestag daher in der Regel dann nicht in Betracht, wenn wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden36.

Der Deutsche Bundestag hat die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise festgelegt37. Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt38. Die Geheimschutzordnung stellt damit grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse dar39.

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung effektiv auszuüben vermag40. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache hat Geltung für alle drei Gewalten41. Die Geheimschutzbestimmungen des Deutschen Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt42.

Auch kommt für Informationen, die die Organisation und die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste betreffen, eine Begrenzung des Informationsanspruchs des Deutschen Bundestages im Sinne einer grundsätzlichen „Bereichsausnahme“ nicht in Betracht43. Sie stellen sich mit Blick auf die Vermeidung einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit als zwar besonders sensibel dar. Allerdings steht dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung ein ebenfalls gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments gegenüber44. Für die Tätigkeit der Nachrichtendienste sind die verfassungsrechtlich verankerten Geheimhaltungsinteressen und der parlamentarische Auskunftsanspruch in einer Weise in Ausgleich zu bringen, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten25.

In Bezug auf den Einsatz von Vertrauenspersonen hat das Bundesverfassungsgericht daraus gefolgert, dass eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar sind, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist25. Ein ausnahmsloser Vorrang von Geheimhaltungsinteressen besteht auch in diesem Fall nicht45.

Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse das durch das Plenum des Deutschen Bundestages gewählte Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. BVerfGE 130, 318 146, 1 ). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das in der Regel einen angemessenen Ausgleich der kollidierenden Interessen herbeiführen dürfte46.

Allerdings ist das Gremium ein zusätzliches Instrument, das die parlamentarische Kontrolle der Regierung erweitert, sonstige parlamentarische Informationsrechte aber nicht verdrängt47. Die zusätzliche parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll dazu beitragen, die Lücke zu schließen, die sich daraus ergibt, dass weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen47. Aufgrund seiner Zusammensetzung, Aufgabenstellung und Arbeitsweise sowie seiner eingeschränkten, teilweise an qualifizierte Mehrheitserfordernisse gebundenen Beweiserhebungsmöglichkeiten (vgl. § 7 Abs. 1 PKGrG, § 10 Abs. 2 PKGrG) vermag das Parlamentarische Kontrollgremium keine vollständige parlamentarische Kontrolle über die nachrichtendienstliche Tätigkeit zu leisten. Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können nicht auf die Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gibt47.

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Wenn die Bundesregierung die erbetenen Auskünfte ganz oder teilweise verweigert oder nur in nicht öffentlicher Form erteilt, hat sie dies zu begründen. Dabei ist ein Nachschieben von Gründen nicht zulässig.

Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, warum sie die erfragten Informationen nicht, unvollständig oder nicht öffentlich erteilt48. Sie hat – auch im Hinblick auf das Gebot der Organtreue – den Deutschen Bundestag in die Lage zu versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er die Abwägung der betroffenen Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist49.

Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Informationsverweigerungsrechts ist substantiiert und nicht lediglich formelhaft darzulegen. Eine substantiierte Begründung der ablehnenden Entscheidung ist unentbehrliche Grundlage auch der verfassungsgerichtlichen Kontrolle, die andernfalls weitgehend zur Disposition der Bundesregierung stünde50. Erfolgt eine Berufung der Bundesregierung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung oder auf Gründe des Staatswohls, bedarf es näherer Angaben, um den Fragesteller in die Lage zu versetzen, die Abwägung zwischen dem parlamentarischen Informationsrecht einerseits und den Geheimhaltungsinteressen andererseits überprüfen zu können51.

Ein Nachschieben von Gründen kommt nicht in Betracht, da es dem Zweck des Begründungserfordernisses widerspräche. Dieses soll gerade gewährleisten, dass der Fragesteller die Gründe der Antwortverweigerung erfährt und so in die Lage versetzt wird, sie nachzuvollziehen und die Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes abzuschätzen. Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung daher nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern52.

Die verfassungsgerichtliche Kontrolle im Organstreitverfahren ist vor diesem Hintergrund regelmäßig auf die Prüfung beschränkt, ob und inwieweit die bei der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage angeführten Gründe eine Antwortverweigerung tragen. Zu berücksichtigen sind allerdings auch diejenigen Gründe, durch die die Antwortverweigerung vor Einleitung des Organstreitverfahrens gegebenenfalls ergänzt oder konkretisiert wurde, wenn die Bundesregierung durch den Abgeordnete in Erfüllung der diesem regelmäßig obliegenden Konfrontationsobliegenheit auf die mutmaßliche Unrichtigkeit beziehungsweise Unvollständigkeit ihrer Antwort hingewiesen wird53.

Verletzung der Abgeordnetenrechte

Nach diesen Maßstäben hat die Bundesregierung dem Abgeordnete die mit der schriftlichen Einzelfrage Nr. 32 für den Monat Dezember vom 09.12.2020 erbetene Auskunft ohne rechtfertigenden Grund verweigert und dadurch das parlamentarische Fragerecht des Abgeordnetes aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.

Die parlamentarische Anfrage bezieht sich auf einen Gegenstand im eigenen Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Rechtfertigungsgründe für die Verweigerung der begehrten Auskunft liegen nicht vor. Die Anfrage betrifft weder den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung noch Grundrechte Dritter. Eine Gefährdung des Staatswohls ist weder hinreichend dargelegt noch ansonsten ersichtlich. Unabhängig davon hat die Bundesregierung den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen bei der Verweigerung der begehrten Auskunft nicht Rechnung getragen.

Die Anfrage betrifft den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Das BfV war im entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nachgeordnete Behörde, die dessen Rechts- und Fachaufsicht unterstand. Die Bundesregierung hatte damit unmittelbaren Zugriff auf die vom Abgeordnete erfragten Informationen. Es ist nicht ersichtlich, dass deren Beschaffung nur mit unzumutbarem Aufwand54 möglich gewesen wäre.

Die Beantwortung der Anfrage berührt nicht den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Es erscheint nicht plausibel, dass durch die Mitteilung der Anzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 im Ausland tätigen Bediensteten des BfV die Möglichkeit des Mitregierens Dritter bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Bundesregierung im Bereich der Nachrichtendienste eröffnet würde. Die erbetene Auskunft betrifft ausschließlich in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Vorgänge.

Ebenso wenig kommt eine Verweigerung der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Grundrechte Dritter in Betracht. Die bloße Mitteilung der abstrakten Zahl der im nicht näher spezifizierten Ausland tätigen Bediensteten des BfV begründet keine relevanten Enttarnungsrisiken für einzelne Personen. Die Pflicht der Bundesregierung, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der verdeckt handelnden Bediensteten des BfV zu schützen25, steht daher einer Erteilung der begehrten Auskunft nicht entgegen.

Schließlich ist die Verweigerung der begehrten Informationen auf der Grundlage des Sachvortrags der Bundesregierung auch nicht aus Gründen des Staatswohls gerechtfertigt. Als ein solcher Grund kommt vorliegend ausschließlich das Interesse an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes in Betracht25. Es ist jedoch weder von der Bundesregierung dargelegt noch ansonsten ersichtlich, dass die Erteilung der begehrten Auskunft zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV führen kann. Zumindest fehlt es an einem feststellbaren Überwiegen der behaupteten exekutiven Geheimhaltungsinteressen gegenüber dem Informationsanspruch des Parlaments. Demgegenüber kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass angesichts sonstiger Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen zur Tätigkeit des BfV – selbst unter Geheimschutzbedingungen – kein Raum ist. Gleiches gilt, soweit die Nichtbeantwortung der parlamentarischen Anfrage auf die damit verbundene Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger gestützt wird.

Dass es sich bei der Zahl der Auslandsbediensteten des BfV um eine geheimhaltungsbedürftige Tatsache handelt, deren Mitteilung geeignet ist, die Effektivität seiner Arbeit in relevantem Umfang einzuschränken, ist nicht ersichtlich. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Hinweisen der Bundesregierung zur Methodik nachrichtendienstlicher Arbeit.

Die Anfrage des Abgeordnetes richtet sich ausschließlich auf die Mitteilung der Gesamtzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 jeweils im Ausland tätigen Bediensteten des BfV und eine Bewertung dieses Umstands mit Blick auf die Aufgabenverteilung zwischen BfV und BND. Eine Spezifizierung der erfragten Zahl der Auslandsbediensteten nach Einsatzorten oder -regionen, Einsatzzeiten, Tätigkeitsschwerpunkten oder sonstigen Merkmalen fordert der Abgeordnete nicht. Dass aber die bloße Mitteilung der jährlichen Gesamtzahl der Auslandsbediensteten über einen Zeitraum von fünf Jahren und eine Bewertung der Auslandsaktivitäten des BfV in Abgrenzung zum BND auf die Handlungsfähigkeit der Nachrichtendienste zurückwirken und diese einschränken könnten, ist nicht plausibel. Bei einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage wird lediglich die Zahl an Personen offengelegt, die vom BfV im bezeichneten Zeitraum jahresbezogen für Auslandsaktivitäten eingesetzt wurden. Rückschlüsse auf konkrete Aktivitäten oder Einsatzfelder können daraus weder für den erfragten Zeitraum gezogen werden, noch enthalten die erbetenen Zahlen Aussagen für die Gegenwart oder Zukunft.

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Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung der Bundesregierung, die Beantwortung der Anfrage ermögliche es ausländischen Nachrichtendiensten oder extremistischen Gruppierungen, sich operativ auf die Entsendung von Bediensteten des BfV ins Ausland einzustellen und die Wirksamkeit von Aufklärungsmaßnahmen zu beeinträchtigen, nicht nachvollziehbar. Die Möglichkeiten des Einsatzes von Bediensteten des BfV im Ausland dürften bereits aus allgemein zugänglichen Quellen ableitbar sein.

So wird in den Verfassungsschutzberichten aus dem fraglichen Zeitraum internationalen Bedrohungen, der Entwicklung internationaler Vernetzungen des islamistischen Terrorismus sowie verfassungsschutzrelevanten Aktivitäten ausländischer Staaten erheblicher Raum gegeben. Die Berichte enthalten jeweils ein eigenes Kapitel zum Islamismus und islamistischen Terrorismus mit Darstellungen internationaler Schauplätze und einzelner Beobachtungsobjekte55. Ebenso werden internationale Vernetzungen links- und rechtsextremistischer Bestrebungen mit dem Ausland aufgezeigt. In einem eigenen Kapitel zu geheimdienstlichen Aktivitäten für eine fremde Macht werden sicherheitsgefährdende Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste sowie deren Strukturen und Aufgaben geschildert.

Davon ausgehend erscheint es naheliegend, dass das BfV für die Gewinnung entsprechender Erkenntnisse auch im Ausland eigene Bedienstete einsetzt und jedenfalls nicht in allen der abgefragten, in der Vergangenheit liegenden Jahre die Gesamtzahl null war. Damit minimiert sich der Erkenntniswert für vom Ausland agierende extremistische Organisationen beziehungsweise für ausländische Nachrichtendienste, wenn über die Tatsache des Einsatzes von Auslandsbediensteten durch das BfV hinaus noch deren jahresbezogene Gesamtzahl mitgeteilt wird. Dass dies erhöhte Identifikationsrisiken begründet oder die Entwicklung von Gegenstrategien erleichtert, erschließt sich nicht. Im Ausland agierende Organisationen oder fremde Nachrichtendienste dürften davon ausgehen, dass deutsche Nachrichtendienste versuchen, auch durch den Einsatz von Bediensteten in den jeweiligen Ländern von dort ausgehende verfassungsfeindliche Aktivitäten aufzuklären. Durch die Mitteilung der Gesamtzahl der insoweit tätigen Bediensteten des BfV wird diese auf der Hand liegende Annahme allenfalls bestätigt.

Dem steht der Vortrag der Bundesregierung zur Methodik nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht entgegen. Sie behauptet, da Nachrichtendienste Informationen sammelten, um diese wie ein „Mosaik“ zu einem aussagekräftigen Gesamtbild zusammenzuführen, könnte die begehrte Auskunft ein entscheidendes Teilstück sein, um sicherheitsrelevante Rückschlüsse auf die Tätigkeit des BfV im Ausland ziehen zu können.

Diese abstrakte Überlegung vermag die Gefahr einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV im Falle der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage nicht zu begründen. Zwar ist der Bundesregierung zuzugestehen, dass sich aus der Kombination von – für sich genommen wenig aussagekräftigen – Informationen neue Erkenntnisse ergeben können. Dies entbindet sie aber nicht von der konkreten Darlegung, dass es sich bei der jeweiligen Tatsache gerade um einen solchen „Mosaikstein“ handeln könnte, der geeignet wäre, ein Gesamtbild entstehen zu lassen und damit den angestrebten Erkenntnisgewinn zu erreichen. Es ist auf der Grundlage des Sachvortrags der Bundesregierung nicht nachvollziehbar, inwieweit die bloße Zahl der im abgefragten Zeitraum jährlich insgesamt im Ausland eingesetzten Bediensteten des BfV fremden Nachrichtendiensten im Kontext mit weiteren Informationen die Möglichkeit „granularerer Spezifizierungen“ eröffnen oder inwieweit diese Information extremistischen Organisationen nützen könnte, wenn sie Tatvorbereitungen ins Ausland verlegen, mit dortigen Bestrebungen kooperieren oder durch grenzüberschreitende Bewegungen Observationen zu vermeiden suchen. Ohne spezifischere Darlegungen erschöpft sich die „Mosaikstein“-Argumentation der Bundesregierung in einer inhaltsleeren These, mit der jede Auskunft verweigert werden könnte, da naturgemäß jede Auskunft einen Inhalt hat, der abstrakt einen „Mosaikstein“ in irgendeinem Zusammenhang darstellen könnte. Die Bundesregierung verfehlt damit die Anforderungen an eine substantielle Begründung für die Auskunftsverweigerung.

Zumindest ergibt sich aus den Darlegungen der Bundesregierung nicht, dass die behaupteten Geheimhaltungsinteressen den parlamentarischen Informationsanspruch in einem Maße überwiegen, dass von einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage – gegebenenfalls in eingestufter Form – abgesehen werden durfte.

Die Übernahme der von der Bundesregierung vertretenen „Mosaiktheorie“ hätte ein nahezu völliges Leerlaufen des parlamentarischen Fragerechts der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Sinne einer Bereichsausnahme in Bezug auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste zur Folge. Genügte die bloße Behauptung, eine für sich genommen unproblematische Auskunft könne in Kombination mit weiteren Informationen zu Erkenntnissen führen, die geeignet seien, die Effektivität der Arbeit der Nachrichtendienste zu beeinträchtigen, bestünde die uneingeschränkte Möglichkeit der Bundesregierung, aus Gründen des Staatswohls parlamentarische Anfragen zu diesem Bereich unbeantwortet zu lassen.

Eine solche Bereichsausnahme für die Tätigkeit der Nachrichtendienste von der parlamentarischen Kontrolle kommt, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung bereits festgestellt hat41, nicht in Betracht. Sie widerspricht dem Gebot, bei einer Kollision des verfassungsrechtlich verankerten Geheimhaltungsinteresses mit dem parlamentarischen Auskunftsanspruch einen Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz herbeizuführen25. Gründe, hiervon ausnahmsweise abzuweichen56, liegen für den Bereich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit nicht vor. Dies hat zur Folge, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen ist, wie exekutives Geheimhaltungsinteresse und parlamentarisches Auskunftsinteresse bestmöglich zum Ausgleich gebracht werden können.

Vorliegend sprechen die besseren Argumente für den Vorrang des parlamentarischen Informationsanspruchs. Selbst wenn zu unterstellen wäre, dass die – gegebenenfalls eingestufte – Mitteilung der Gesamtzahl der in den Jahren 2015 bis 2019 jeweils im Ausland tätigen Bediensteten Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des BfV haben könnte, wäre dies allenfalls in einem derart marginalen Umfang der Fall, dass ein vollständiges Zurücktreten des parlamentarischen Auskunftsrechts nicht gerechtfertigt ist.

Demgegenüber kann nicht darauf verwiesen werden, dass jedenfalls das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten hinter sonstigen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle der Nachrichtendienste zurückzutreten habe.

Die Bundesregierung macht insoweit geltend, bei der parlamentarischen Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste komme ein „Stufensystem praktischer Konkordanz“ zur Anwendung, bei dem die Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse berücksichtigt werden müsse. Dadurch sei sichergestellt, dass trotz der Nichtbeantwortung parlamentarischer Anfragen die Kontrolle der Nachrichtendienste unter Beachtung besonderer Geheimschutzmaßnahmen möglich bleibe. Darüber hinaus verweist die Bundesregierung auf das Vertrauensgremium gemäß § 10a Abs. 2 BHO, welches insbesondere die Personalausstattung der Nachrichtendienste unter Gewährleistung eines besonders hohen Maßes an Geheimhaltung überprüfe. Die Möglichkeit der Unterrichtung dieser Gremien habe zur Folge, dass das parlamentarische Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verdrängt werde.

Dies vermag nicht zu überzeugen. Der Auffassung der Bundesregierung steht entgegen, dass im Vertrauensgremium gemäß § 10a Abs. 2 BHO lediglich eine Finanzkontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit stattfindet und auch das Parlamentarische Kontrollgremium aufgrund seiner Aufgabenstellung (vgl. § 1 Abs. 1 PKGrG), seiner eingeschränkten Möglichkeiten der Beweiserhebung und deren Bindung an – teilweise qualifizierte – Mehrheitserfordernisse (vgl. § 7 Abs. 1 PKGrG, § 10 Abs. 2 PKGrG) lediglich eine partielle Kontrolle der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörden zu leisten vermag. Hinzu kommt, dass die einzelnen Abgeordneten, Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages auf Informationen, die diesen Gremien zur Verfügung gestellt werden, nicht zugreifen können25. Benötigt der einzelne Abgeordnete etwa im Zusammenhang mit Gesetzgebungsverfahren zur Regelung der Arbeit der Nachrichtendienste konkrete Informationen, hilft die Unterrichtung der genannten Gremien nicht weiter. Er bleibt darauf angewiesen, sich die aus seiner Sicht für die verantwortliche Wahrnehmung seines Mandats erforderlichen Informationen notfalls im Wege der Ausübung seines durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Fragerechts zu beschaffen. Die Beurteilung der Erforderlichkeit der Informationen für die parlamentarische Arbeit obliegt dabei – von Missbrauchsfällen abgesehen – dem parlamentarischen Fragesteller57.

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Davon ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung ausdrücklich klargestellt, dass das Parlamentarische Kontrollgremium lediglich ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle ist, das sonstige parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt58. Daran ist festzuhalten. Auch mit Blick auf das Vertrauensgremium gemäß § 10a Abs. 2 BHO kann nichts Anderes gelten. Für eine abweichende Beurteilung im hier vorliegenden Fall ist nichts ersichtlich.

Ebenso fehl geht die Auffassung, allein die Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger stehe der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage des Abgeordnetes selbst in eingestufter Form entgegen. Die Bundesregierung verweist insoweit darauf, dass mit jeder Erweiterung des Kreises der Zugangsberechtigten Geheimschutzrisiken in relevantem Maße zunähmen. Auch bei einer Übermittlung von Informationen nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages habe dies eine Vergrößerung des Kreises der Zugangsberechtigten um einen dreistelligen Faktor zur Folge. Vor diesem Hintergrund sei die Verweigerung einer Auskunft über geheimhaltungsbedürftige Tatsachen zur Tätigkeit der Nachrichtendienste – jenseits des Parlamentarischen Kontrollgremiums – zum Schutze des Staatswohls grundsätzlich und auch im vorliegenden Fall gerechtfertigt.

Dem steht entgegen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist. Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Staatswohl gerade gegenüber dem Deutschen Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden59.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt lassen und dass die Bundesregierung daher nicht verpflichtet ist, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet60.

Es hat zudem anerkannt, dass nicht jede Anfrage aufgrund der Möglichkeit einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes dürfen dem Parlament auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen besteht ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken25.

Davon ausgehend genügt allein die Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger für die Verweigerung einer eingestuften Beantwortung der parlamentarischen Anfrage des Abgeordnetes nicht.

Bei der jahresbezogenen Gesamtzahl der im Ausland tätigen Bediensteten des BfV handelt es sich nicht um eine besonders geheimhaltungsbedürftige Information, bei der ein legitimes Interesse besteht, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Wie vorstehend dargelegt, erscheint bereits zweifelhaft, ob das Bekanntwerden dieser Information überhaupt geeignet ist, zu einer relevanten Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV zu führen. Ein der Situation des Quellenschutzes vergleichbares besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht jedenfalls nicht.

Selbst wenn unterstellt würde, dass es sich bei der jahresbezogenen Gesamtzahl der Auslandsbediensteten des BfV im Zeitraum von 2015 bis 2019 um eine geheimhaltungsbedürftige Tatsache handelte, sodass deren Übermittlung an den Deutschen Bundestag trotz des Umstands, dass der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die öffentliche Beantwortung gestellter Fragen gerichtet ist10, von vornherein nur in eingestufter Form in Betracht käme, fehlte es an den Voraussetzungen, auch eine derartige Informationsweitergabe zu verweigern.

Die Bundesregierung trägt insoweit nicht vor, dass der Deutsche Bundestag keine wirksamen Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden der erfragten Auskunft im Falle eingestufter Übermittlung getroffen habe. Stattdessen verweist sie schlicht auf die Erweiterung des Kreises der Zugangsberechtigten bei einer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage in eingestufter Form. Reichte dies für eine Verweigerung der Beantwortung parlamentarischer Anfragen selbst in eingestufter Form aus, hätte dies ebenfalls den weitgehenden Ausfall des parlamentarischen Fragerechts bei der Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste zur Folge. Dem Gebot des bestmöglichen Ausgleichs zwischen staatlichem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischen Auskunftsansprüchen61 würde dadurch nicht Rechnung getragen. Vielmehr ergäbe sich auf dieser Grundlage ebenfalls eine unzulässige Bereichsausnahme für das parlamentarische Fragerecht in Angelegenheiten der Nachrichtendienste25.

Daher ist davon auszugehen, dass im Fall wirksamer Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen auf der Grundlage der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages auch geheimhaltungsbedürftige Tatsachen grundsätzlich an diesen zu übermitteln sind. Nur beim Vorliegen besonderer, die Geheimhaltung infrage stellender Umstände kommt eine Verweigerung der Übermittlung derartiger Tatsachen an den Deutschen Bundestag in Betracht. Dafür ist nichts ersichtlich.

Die Bundesregierung hat das parlamentarische Fragerecht des Abgeordnetes aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auch bereits dadurch verletzt, dass die Verweigerung der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage hinsichtlich der Zahl der Auslandsbediensteten des BfV den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen nicht genügt.

In ihrer Antwort auf die Anfrage führt die Bundesregierung lediglich aus, die erbetene Information berühre schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, weil dadurch spezifische Informationen zur Methodik und zu den konkreten Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden im In- und Ausland zugänglich gemacht würden. Dies erlaube Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des BfV, ermögliche die Entwicklung entsprechender Abwehrstrategien und gefährde den Einsatzerfolg. Auch in den Schreiben vom 01.02.2021; und vom 29.04.2021 beschränkt sich die Bundesregierung im Wesentlichen auf die Wiederholung dieser Angaben und betont, dass bereits die Offenlegung personeller Größenordnungen Rückschlüsse auf die operativen Fähigkeiten des BfV zulasse.

Diese Ausführungen genügen dem verfassungsrechtlichen Gebot nicht, den Abgeordnete in die Lage zu versetzen, anhand der Begründung beurteilen und entscheiden zu können, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen62.

Die Begründung der Bundesregierung beschränkt sich letztlich auf die bloße Behauptung, die Mitteilung der Gesamtzahl der im angefragten Zeitraum im Ausland tätigen Bediensteten des BfV begünstige die Entwicklung von Abwehrstrategien und gefährde dadurch den Einsatzerfolg. Warum dies der Fall sein soll, wird nicht näher erläutert. Auch eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass es sich bei der Auslandstätigkeit des BfV dem Grunde nach um eine offenkundige Tatsache handeln dürfte, erfolgt nicht. Konkrete Umstände, die die Behauptung einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des BfV bei Beantwortung der Anfrage nachvollziehbar erscheinen lassen, werden nicht vorgetragen. Warum durch die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage trotz des Verzichts auf die Darlegung von Einsatzorten und -zeiten sowie Tätigkeitsschwerpunkten die Entwicklung von Gegenstrategien begünstigt werden soll, bleibt im Dunkeln. Letztlich verharrt die Begründung der Antwortverweigerung auf einer abstrakten, über allgemeine Behauptungen nicht hinausgehenden Ebene. Sie versetzt den Abgeordnete nicht in die Lage, die Plausibilität der Antwortverweigerung eigenständig zu beurteilen.

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Soweit die Bundesregierung erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens ergänzend auf die Möglichkeit der Kombination der angefragten Angaben mit weiteren Informationen im Sinne einer „Mosaiktheorie“ einerseits und die Möglichkeit einer Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums anstelle der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage andererseits hingewiesen hat, kann dahinstehen, ob eine Berücksichtigung dieser Begründungsansätze bereits ausgeschlossen ist, weil es sich insoweit um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen handelt63. Denn diese Hinweise vermögen die Weigerung, die parlamentarische Anfrage vollständig zu beantworten, nicht zu tragen64. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob es sich bei diesen Aspekten, wie von der Bundesregierung vorgetragen, um bloße Rechtsfragen handelt, für die keine Begründung geschuldet werde, sodass ein Nachschieben von Gründen nicht vorliege.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. Dezember 2022 – 2 BvE 8/21

  1. BT-Drs.19/25159, Seite 24[]
  2. BVerfG, Beschluss vom 26.01.2022 – 2 BvE 8/21[]
  3. BT-Drs.19/25159[]
  4. vgl. BVerfGE 2, 143 112, 363 137, 185 140, 115 147, 50 stRspr[]
  5. vgl. BVerfGE 147, 50 [][][]
  6. vgl. BVerfGE 96, 264 103, 81 104, 310 137, 185 139, 194 147, 50 []
  7. vgl. BVerfGE 1, 208 84, 290 124, 161 137, 185 139, 194 140, 115 147, 50 stRspr[]
  8. vgl. BVerfGE 124, 161 137, 185 139, 194 147, 50 [][]
  9. vgl. BVerfGE 124, 161 137, 185 147, 50 []
  10. vgl. BVerfGE 124, 161 147, 50 [][][][]
  11. vgl. BVerfGE 62, 1 67, 100 68, 1 119, 302 124, 78 140, 115 147, 50 []
  12. vgl. BVerfGE 152, 35 []
  13. vgl. BVerfGE 147, 31 []
  14. vgl. BVerfGE 124, 161 146, 1 stRspr[]
  15. vgl. BVerfGE 13, 123 57, 1 105, 252 105, 279 124, 161 137, 185 139, 194 146, 1 147, 50 []
  16. BVerfGE 3, 225 7, 183 146, 1 147, 50 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  17. vgl. BVerfGE 67, 100 110, 199 124, 78 137, 185 139, 194 146, 1 147, 50 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  18. vgl. BVerfGE 83, 60 93, 37 130, 76 137, 185 139, 194 146, 1 147, 50 []
  19. vgl. BVerfGE 130, 76 137, 185 146, 1 147, 50 []
  20. vgl. BVerfGE 125, 104 130, 318 []
  21. vgl. BVerfGE 83, 60 93, 37 147, 50 []
  22. vgl. BVerfGE 44, 125 147, 50 []
  23. vgl. BVerfGE 147, 50 zum Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses BVerfGE 124, 78 143, 101 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  24. vgl. BVerfGE 124, 161 137, 185 139, 194 146, 1 147, 50 []
  25. vgl. BVerfGE 146, 1 [][][][][][][][][]
  26. vgl. BVerfGE 110, 199 143, 101 146, 1 147, 50 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  27. vgl. BVerfGE 67, 100 110, 199 124, 78 131, 152 143, 101 146, 1 147, 50 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  28. vgl. BVerfGE 67, 100 76, 363 124, 78 137, 187 146, 1 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  29. vgl. BVerfGE 146, 1 zum parlamentarischen Untersuchungsrecht BVerfGE 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  30. vgl. BVerfGE 67, 100 124, 78 137, 185 146, 1 147, 50 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  31. vgl. BVerfGE 146, 1 147, 50 []
  32. vgl. BVerfGE 67, 100 124, 78 137, 185 146, 1 []
  33. vgl. BVerfGE 124, 78 137, 185 146, 1 []
  34. vgl. BVerfGE 70, 324 130, 318 []
  35. vgl. BVerfGE 130, 318 147, 50 []
  36. vgl. BVerfGE 67, 100 137, 185 146, 1 []
  37. vgl. BVerfGE 67, 100 77, 1 146, 1 147, 50 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss ?Benennung von V-Person-Führer?; vgl. auch BVerfGE 70, 324 []
  38. vgl. BVerfGE 67, 100 137, 185 146, 1 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss ?Benennung von V-Person-Führer?[]
  39. vgl. BVerfGE 67, 100 70, 324 124, 78 137, 185 146, 1 []
  40. vgl. BVerfGE 67, 100 70, 324 137, 185 143, 101 146, 1 []
  41. vgl. BVerfGE 146, 1 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss ?Benennung von V-Person-Führer?[][]
  42. BVerfGE 146, 1 147, 50 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss ?Benennung von V-Person-Führer?[]
  43. vgl. BVerfGE 146, 1 demgegenüber für den Bereich der Rüstungsexporte BVerfGE 137, 185 []
  44. vgl. BVerfGE 146, 1 156, 270 – Amri- Untersuchungsausschuss ?Benennung von V-Person-Führer?[]
  45. vgl. BVerfGE 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss[]
  46. vgl. BVerfGE 137, 185 146, 1 []
  47. vgl. BVerfGE 124, 161 146, 1 [][][]
  48. vgl. BVerfGE 124, 161 137, 185 139, 194 143, 101 146, 1 147, 50 stRspr[]
  49. vgl. BVerfGE 124, 161 137, 185 139, 194 143, 101 146, 1 147, 50 []
  50. vgl. BVerfGE 124, 78 147, 50 []
  51. vgl. BVerfGE 139, 194 146, 1 147, 50 []
  52. vgl. BVerfGE 124, 78 146, 1 147, 50 []
  53. vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 28.01.2020 – 5/18 104; VerfGH Berlin, Beschluss vom 20.03.2019 – 92/17 22[]
  54. vgl. dazu BVerfGE 124, 161 147, 50 []
  55. vgl. BMI, Verfassungsschutzbericht 2015, S. 150 ff.; BMI, Verfassungsschutzbericht 2016, S. 154 ff.; BMI, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2017, S. 164 ff.; BMI, Verfassungsschutzbericht 2018, S. 170 ff.; BMI, Verfassungsschutzbericht 2019, S. 172 ff.[]
  56. vgl. BVerfGE 137, 185 []
  57. vgl. BVerfGE 124, 161 []
  58. vgl. BVerfGE 124, 161 146, 1 siehe dazu auch Grzeszick, DÖV 2018, S.209 Wolff, JZ 2010, S. 173 []
  59. vgl. BVerfGE 67, 100 146, 1 auch BVerfGE 156, 270 – Amri-Untersuchungsausschuss ?Benennung von V-Person-Führer?[]
  60. vgl. BVerfGE 67, 100 146, 1 []
  61. vgl. dazu BVerfGE 146, 1 []
  62. vgl. BVerfGE 124, 78 146, 1 156, 270 []
  63. vgl. BVerfGE 124, 78 146, 1 []
  64. s.o. Rn. 88 ff., 94 ff.[]