Vor dem Bundesverfassungsgericht waren heute die Anträge im Organstreit „ESM/Euro-Plus-Pakt” erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem heute verkündeten Urteil die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für begründet erachtet, mit denen die Antragstellerin eine Verletzung der Unterrichtungsrechte des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und dem Euro-Plus-Pakt geltend macht.

Inhaltsübersicht
Zur Einordnung des BVerfG-Urteils[↑]
Mit diesem Urteil ist freilich nichts über die Verfassungsmäßigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) oder des „Euro-Plus-Paktes“ gesagt, dies war nicht Gegenstand des hier entschiedenen Karlsruher Verfahrens. Hier ging es ausschließlich um eine andere Frage, nämlich die, ob die Bundesregierung den Euro-Plus-Pakt alleine in Brüssel hinter verschlossenen Türen verhandeln durfte oder aber ob die Bundesregierung bereits im Vorfeld den Deutschen Bundestag hätte informieren und beteiligen müssen. Nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG muss die Bundesregierung den Deutschen Bundestag „in Angelegenheiten der Europäischen Union“ umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt unterrichten. Die Organstreit-Anträge der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen betreffen ausschließlich diese Frage, nämlich, ob die Bundesregierung in der ersten Jahreshälfte 2011 Unterrichtungspflichten aus Art. 23 Abs. 2 GG gegenüber dem Deutschen Bundestag verletzt hat.
Das Bundesverfassungsgericht musste vor diesem Hintergrund in diesem Organstreitverfahren klären, ob die Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte, die dem Deutschen Bundestag aus Art. 23 Abs. 2 GG zustehen, auch zwischenstaatliche Instrumente der genannten Art erfassen können, die von der Bundesregierung im Kontext der europäischen Integration und unionsbezogen behandelt werden.
Die Organstreit-Anträge[↑]
Der erste Antrag zielt auf den sog. Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Hierbei handelt es sich um ein zwischenstaatliches Instrument der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise im Gebiet der Europäischen Währungsunion. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die Bundesregierung die Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 GG verletzt hat, indem sie es unterlassen hat, unmittelbar vor und nach der Tagung des Europäischen Rates vom 4. Februar 2011 umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt und fortlaufend über die Ausgestaltung des ESM zu unterrichten und insbesondere spätestens am 6. April 2011 den Entwurf eines Vertrages über den ESM an den Deutschen Bundestag zu übersenden.
Der zweite Antrag betrifft den sog. Euro-Plus-Pakt, der auf der Tagung des Europäischen Rates vom 4. Februar 2011 öffentlich vorgestellt wurde. Diese Abmachung, die in Deutschland zunächst auch unter dem Begriff „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ diskutiert wurde, soll namentlich die Gefahr von Währungskrisen im Euro-Raum strukturell verringern. Hierfür will der Euro-Plus-Pakt unter anderem die wirtschaftliche Säule der Währungsunion stärken und „eine neue Qualität der wirtschaftspolitischen Koordinierung“ erreichen. In diesem Kontext begehrt die Antragstellerin die Feststellung, dass die Bundesregierung die Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 GG verletzt hat, indem sie es vor der Tagung des Europäischen Rates am 4. Februar 2011 unterlassen hat, den Bundestag über die Initiative der Bundeskanzlerin zu einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung der Mitglieder des Euro-Währungsgebietes zu unterrichten, und es nach der Tagung bis zum 11. März 2011 unterlassen hat, umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über den Euro-Plus-Pakt zu unterrichten.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[↑]
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Bundesregierung den Deutschen Bundestag sowohl im Hinblick auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus als auch hinsichtlich der Vereinbarung des Euro-Plus-Paktes in seinen Unterrichtungsrechten aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat:
Zu den Angelegenheiten der Europäischen Union im Sinne von Art. 23 Abs. 2 GG gehören Vertragsänderungen und entsprechende Änderungen auf der Ebene des Primärrechts (Art. 23 Abs. 1 GG) sowie Rechtsetzungsakte der Europäischen Union (Art. 23 Abs. 3 GG). Um eine Angelegenheit der Europäischen Union handelt es sich auch bei völkerrechtlichen Verträgen, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen. Maßgebend dafür ist eine Gesamtbetrachtung der Umstände, einschließlich der Regelungsinhalte, -ziele und -wirkungen.
Die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG geregelte Unterrichtungspflicht knüpft an das in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Recht des Deutschen Bundestages auf Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union an. Das Erfordernis der umfassenden Unterrichtung will dem Deutschen Bundestag die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte ermöglichen. Dementsprechend ist eine umso intensivere Unterrichtung geboten, je komplexer ein Vorgang ist, je tiefer er in den Zuständigkeitsbereich der Legislative eingreift und je mehr er sich einer förmlichen Beschlussfassung oder Vereinbarung annähert. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Qualität, Quantität und Aktualität der Unterrichtung.
Die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG genannte Zeitvorgabe „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ ist so auszulegen, dass der Bundestag die Informationen der Bundesregierung spätestens zu einem Zeitpunkt erhalten muss, der ihn in die Lage versetzt, sich fundiert mit dem Vorgang zu befassen und eine Stellungnahme zu erarbeiten, bevor die Bundesregierung nach außen wirksame Erklärungen, insbesondere bindende Erklärungen zu unionalen Rechtsetzungsakten und intergouvernementalen Vereinbarungen, abgibt.
Grenzen der Unterrichtungspflicht ergeben sich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Innerhalb der Funktionenordnung des Grundgesetzes kommt der Regierung ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Solange die interne Willensbildung der Bundesregierung nicht abgeschlossen ist, besteht kein Anspruch des Parlaments auf Unterrichtung.
Dementsprechend urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Bundesregierung den Deutschen Bundestag in seinem Unterrichtungsrecht aus Artikel 23 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt hat,
- indem sie es unterlassen hat, ihm einen ihr am 21. Februar 2011 vorliegenden Text der Europäischen Kommission über die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie den Entwurf eines Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 6. April 2011 zuzuleiten, sowie ferner
- indem sie es unterlassen hat, ihn über die am 4. Februar 2011 öffentlich vorgestellte Initiative für den Beschluss eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit vorab zu informieren sowie ihm das inoffizielle Dokument der Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates vom 25. Februar 2011 mit der Bezeichnung „Enhanced Economic Policy Coordination in the Euro Area – Main Features and Concepts“ zuzuleiten.
Die Zulässigkeit der Organstreit-Anträge[↑]
Die Anträge sind zulässig. Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen macht hierin eine Verletzung der Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG auf Unterrichtung durch die Antragsgegnerin in Angelegenheiten der Europäischen Union geltend. Sie begehrt die Feststellung, dass die Antragsgegnerin den Deutschen Bundestag im Zusammenhang mit der Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und des Euro-Plus-Paktes im Frühjahr 2011 nicht den Vorgaben der Verfassung entsprechend unterrichtet habe. Bezüglich des Europäischen Stabilitätsmechanismus wendet sich die Antragstellerin gegen die unterlassene Unterrichtung im Hinblick auf die Tagung des Europäischen Rates am 4. Februar 2011 und rügt die unterlassene Übersendung des Vertragsentwurfs vom 6. April 2011. Betreffend den Euro-Plus-Pakt beanstandet die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Tagung des Europäischen Rates vom 4. Februar 2011 das Unterlassen jeglicher Unterrichtung über die Initiative der Antragsgegnerin sowie einer umfassenden und frühestmöglichen Information über den Pakt.
Eine Konkretisierung dieser Anträge im Sinne der im Tenor festgestellten Unterlassungen der Antragsgegnerin ergibt sich in hinreichendem Maße aus der Antragsbegründung. Dort werden der der Bundesregierung am 21. Februar 2011 vorliegende Text der Europäischen Kommission über die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Entwurf eines Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 6. April 2011 ebenso in Bezug genommen wie die Initiative für den Beschluss eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit und das inoffizielle Dokument der Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates vom 25. Februar 2011.
Die Antragstellerin ist als Fraktion im 17. Deutschen Bundestag im Organstreitverfahren parteifähig (§ 13 Nr. 5, § 63 BVerfGG) und berechtigt, Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen1. Dies ist sowohl Ausdruck der Kontrollfunktion des Parlaments als auch ein Instrument des Minderheitenschutzes2. Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.
Das gerügte Unterlassen der Antragsgegnerin ist zulässiger Gegenstand eines Organstreitverfahrens (§ 64 Abs. 1 BVerfGG).
Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 64 Abs. 1 BVerfGG) und hat ihre Anträge den Anforderungen des § 64 Abs. 2 BVerfGG entsprechend begründet. Sie macht eine Verletzung der Unterrichtungspflicht der Bundesregierung aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG geltend, der ein Recht des Deutschen Bundestages auf Unterrichtung korrespondiert. Diese als verletzt geltend gemachte Rechtsposition gründet in einem Verfassungsverhältnis, in dem sich auf beiden Seiten Verfassungsorgane gegenüber stehen und um verfassungsrechtliche Positionen streiten.
Soweit die als verletzt gerügten Unterrichtungspflichten sich auch nach dem einfachen Recht – hier insbesondere dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – bestimmen, ist dies im Organstreit allenfalls insoweit relevant, als das Gesetz unmittelbar aus der Verfassung selbst folgende Rechte und Pflichten widerspiegelt; eine Verletzung einfachen Rechts kann im Organstreit nicht geltend gemacht werden3.
Beide Anträge sind auch fristgerecht gestellt. Sie sind am 25. Juli 2011 und damit innerhalb von sechs Monaten seit Bekanntwerden der Unterlassung (§ 64 Abs. 3 BVerfGG) beim Bundesverfassungsgericht eingegangen4.
Die Frist zur Antragstellung beginnt erst dann, wenn ein entsprechender Verstoß mit hinreichender Sicherheit feststeht oder wenn sich der Antragsgegner erkennbar weigert, die Maßnahmen zu treffen, die der Antragsteller zur Wahrung der Rechte aus seinem verfassungsrechtlichen Status für erforderlich hält5. Dies war hier bezüglich beider Anträge frühestens am 26. Januar 2011 der Fall.
Da der Lauf der Frist nach § 64 Abs. 3 BVerfGG jedenfalls nicht vor einer entsprechenden und eindeutigen Weigerung des zuständigen Ressortministers beginnen kann6, wurde die Antragsfrist hinsichtlich des Antrags zu 1. frühestens am 26. Januar 2011 in Gang gesetzt. An diesem Tag lehnte der Bundesminister der Finanzen gegenüber dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union die Weiterleitung eines inoffiziellen Papiers (non paper) der Europäischen Kommission mit Inhalten und Plänen zum Gesamtpaket („comprehensive package“) von Europäischer Finanzstabilisierungsfazilität und Europäischem Stabilitätsmechanismus ausdrücklich mit der Begründung ab, dass im Hinblick auf Sitzungen der Finanzminister der Euro-Gruppe eine mündliche Unterrichtung ausreiche.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin wurde ein früherer Fristlauf weder durch die E-Mail eines Referatsleiters im Bundesministerium der Finanzen vom 19. Januar 2011 noch durch Erklärungen im Finanzausschuss und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union vom gleichen Tag ausgelöst. Hierin lässt sich bereits keine eindeutige Weigerung der Bundesregierung erblicken, den Deutschen Bundestag über die Entwicklung der Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und ihn betreffende Vertragsentwürfe zu unterrichten. Noch am 17. Januar 2011 hatte das Bundesministerium der Finanzen auf die Dokumentenanforderung aus dem Bundestag (Referat PA 1 – Europa) telefonisch zugesichert, inoffizielle Dokumente (non papers) der Europäischen Kommission, sobald sie vorlägen, an den Deutschen Bundestag zu übermitteln; zudem wurde sowohl in der E-Mail vom 19. Januar 2011 als auch in den Erklärungen gegenüber den Ausschüssen ausdrücklich versichert, dass der Bundestag über die Arbeiten an dem permanenten Europäischen Stabilitätsmechanismus wie bisher regelmäßig unterrichtet beziehungsweise beteiligt werde, sobald eine abgestimmte Position der Bundesregierung vorliege. Selbst wenn man die in der E-Mail vom 19. Januar 2011 geäußerte Auffassung, es gehe bei den Überlegungen zur Entwicklung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus um die Vorbereitung eines zwischenstaatlichen Instruments der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes und nicht um ein Vorhaben der Europäischen Union, als Weigerung verstehen wollte, der Unterrichtungspflicht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG nachzukommen, könnte diese nicht der Bundesregierung zugerechnet werden. Denn bei den Äußerungen handelte es sich lediglich um die – überdies informell geäußerte – Rechtsauffassung eines Referatsleiters beziehungsweise anderer Beamter des Bundesministeriums der Finanzen.
Auch der Antrag zu 2. ist fristgerecht gestellt. Vor dem 25. Januar 2011 ist eine den Fristlauf in Gang setzende endgültige Weigerung der Antragsgegnerin, dem Deutschen Bundestag Informationen zum Euro-Plus-Pakt zu übermitteln, nicht ersichtlich.
Der Antragstellerin fehlt es für die Anträge schließlich nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Umfang und Reichweite der Informationspflichten und -rechte aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG sind unklar und zwischen den Beteiligten umstritten. Dies gilt bereits für den Anwendungsbereich der in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG geregelten Unterrichtungsrechte des Bundestages. Hier ist klärungsbedürftig, ob Angelegenheiten der Europäischen Union auch intergouvernementale Verträge und Absprachen erfassen, die zwar im Zusammenhang mit der europäischen Integration stehen, aber nicht auf eine Rechtsetzung durch die Europäische Union zielen. Hinsichtlich des Antrags zu 1. hatte die Antragsgegnerin bereits vorprozessual zu erkennen gegeben, dass sie völkerrechtliche Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht als Angelegenheiten der Europäischen Union verstanden wissen will. Darüber hinaus hat der Bundesminister der Finanzen die Auffassung vertreten, über Dossiers der Euro-Gruppe sei nur mündlich zu unterrichten.
Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bereits am 17. Mai 2011 und damit vor Stellung des Antrags im Organstreitverfahren den Entwurf zum Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus und am 11. März 2011 zum Euro-Plus-Pakt zugeleitet hat. Das Rechtsschutzbedürfnis im Organstreitverfahren entfällt grundsätzlich nicht deshalb, weil eine beanstandete Rechtsverletzung abgeschlossen ist7. Ob besondere Umstände im Sinne eines „Fortsetzungsfeststellungsinteresses“ erforderlich sind, damit über eine in der Vergangenheit liegende und abgeschlossene Rechtsverletzung entschieden werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung; denn solche Umstände sind hier in Form eines objektiven Interesses an der Klärung der Reichweite der Unterrichtungspflichten aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG8 und in Form einer Wiederholungsgefahr9 gegeben. Die Rechtsauffassung, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Vorgängen nicht um Angelegenheiten der Europäischen Union handele, hat die Antragsgegnerin auch in der Antragserwiderung vorgetragen. Zudem hatte sie vorprozessual vertreten, Papiere, die noch nicht zwischen den Ressorts abgestimmt seien, müssten auch dann nicht dem Bundestag vorgelegt werden, wenn diese von der Bundeskanzlerin zur Grundlage deutscher politischer Initiativen auf europäischer Ebene gemacht würden. Auch bei mündlich eingebrachten Initiativen bestehe keine Unterrichtungspflicht im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG. Den gerügten Unterlassungen liegen damit jeweils Rechtsauffassungen der Antragsgegnerin zu Grunde, die zukünftig in vergleichbaren Fällen zu gleichen Reaktionen auf geltend gemachte Informationsansprüche des Parlaments führen können.
Der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts[↑]
Art. 23 GG räumt dem Deutschen Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union weitreichende Mitwirkungs- und Informationsrechte ein. Die stärkere Einbindung des Parlaments in den europäischen Integrationsprozess dient dem Ausgleich der mit der Europäisierung verbundenen Kompetenzverschiebungen im nationalen Gewaltengefüge zugunsten der mitgliedstaatlichen Regierungen. Zu den Angelegenheiten der Europäischen Union gehören Vertragsänderungen und entsprechende Änderungen auf der Ebene des Primärrechts (Art. 23 Abs. 1 GG) sowie Rechtsetzungsakte der Europäischen Union (Art. 23 Abs. 3 GG). Um eine Angelegenheit der Europäischen Union handelt es sich auch bei völkerrechtlichen Verträgen, wenn diese in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen. Wann ein solches Verhältnis vorliegt, lässt sich nicht anhand eines einzelnen abschließenden und zugleich trennscharfen Merkmals bestimmen. Maßgebend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Umstände, einschließlich geplanter Regelungsinhalte, -ziele und -wirkungen, die sich, je nach Gewicht, einzeln oder in ihrem Zusammenwirken als ausschlaggebend erweisen können.
Die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG geregelte Pflicht der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten, soll dem Bundestag die Wahrnehmung seiner in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Rechte auf Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union ermöglichen. Die Unterrichtung muss dem Bundestag eine frühzeitige und effektive Einflussnahme auf die Willensbildung der Bundesregierung eröffnen und so erfolgen, dass das Parlament nicht in eine bloß nachvollziehende Rolle gerät. Zudem hat die Auslegung und Anwendung des Art. 23 Abs. 2 GG dem Umstand Rechnung zu tragen, dass diese Bestimmung auch dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz parlamentarischer Öffentlichkeit dient.
Das Erfordernis einer umfassenden Unterrichtung ist seiner Funktion gemäß so auszulegen, dass eine umso intensivere Unterrichtung geboten ist, je komplexer ein Vorgang ist, je tiefer er in den Zuständigkeitsbereich der Legislative eingreift und je mehr er sich einer förmlichen Beschlussfassung oder Vereinbarung annähert. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Qualität, Quantität und Aktualität der Unterrichtung. So erfasst die Pflicht zur umfassenden Unterrichtung nicht nur Initiativen und Positionen der Bundesregierung selbst sowie Gegenstand, Verlauf und Ergebnis der Sitzungen und Beratungen von Organen und Gremien der Europäischen Union, in denen die Bundesregierung vertreten ist. Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich vielmehr auch auf die Weiterleitung amtlicher Unterlagen und Dokumente der Organe, Gremien und Behörden der Europäischen Union und anderer Mitgliedstaaten.
Dem Zeitpunkt der Unterrichtung kommt eine ihrem Umfang gleichrangige Bedeutung zu. Die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG genannte Zeitvorgabe „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ ist dahin auszulegen, dass der Bundestag die Informationen der Bundesregierung spätestens zu einem Zeitpunkt erhalten muss, der ihn in die Lage versetzt, sich fundiert mit dem Vorgang zu befassen und eine Stellungnahme zu erarbeiten, bevor die Bundesregierung nach außen wirksame Erklärungen, insbesondere bindende Erklärungen zu unionalen Rechtsetzungsakten und intergouvernementalen Vereinbarungen, abgibt.
Die Unterrichtung hat angesichts der Anforderungen an ihre Klarheit, Verstetigung und Reproduzierbarkeit grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Ausnahmen sind nur in engen Grenzen zulässig, unter Umständen aber auch geboten, wenn die Bundesregierung eine umfassende und zugleich frühestmögliche Unterrichtung nur mündlich sicherstellen kann.
Grenzen der Unterrichtungspflicht ergeben sich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Innerhalb der Funktionenordnung des Grundgesetzes kommt der Regierung ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Solange die interne Willensbildung der Bundesregierung nicht abgeschlossen ist, besteht kein Anspruch des Parlaments auf Unterrichtung. Wenn die Bundesregierung indes ihre Willensbildung selbst so weit konkretisiert hat, dass sie Zwischen- oder Teilergebnisse an die Öffentlichkeit geben kann oder mit einer eigenen Position in einen Abstimmungsprozess mit Dritten eintreten will, fällt ein Vorhaben nicht mehr in den gegenüber dem Bundestag abgeschirmten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.
Im Einzelnen:
Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung in und über Angelegenheiten der Europäischen Union ist Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG. Mit Art. 23 GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber die traditionelle Aufgabenverteilung zwischen Exekutive und Legislative im Bereich der auswärtigen Gewalt für die Angelegenheiten der Europäischen Union dergestalt geordnet, dass er dem Deutschen Bundestag weitreichende Mitwirkungsrechte eingeräumt hat. Die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Unterrichtungspflichten der Bundesregierung sind Voraussetzung und Ausdruck dieser Mitwirkungsrechte und haben den daraus folgenden Informationsbedürfnissen des Bundestages – unter Wahrung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung – in sachlicher, zeitlicher und förmlicher Hinsicht zu genügen.
Das Grundgesetz hat in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen10. Die Rolle des Parlaments ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt11. Zwar sieht Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Notwendigkeit der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in Form eines Bundesgesetzes vor. Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands fallen aber grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung. Die grundsätzliche Zuordnung der Akte des auswärtigen Verkehrs zum Kompetenzbereich der Exekutive beruht auf der Annahme, dass institutionell und auf Dauer typischerweise allein die Regierung in hinreichendem Maße über die personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren, und so die staatliche Aufgabe, die auswärtigen Angelegenheiten verantwortlich wahrzunehmen, bestmöglich zu erfüllen12. Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages unter Überspielung der konkreten Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht im Grundgesetz würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus13. Sie lässt sich nicht auf einen aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten allumfassenden Parlamentsvorbehalt stützen14.
Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht aber nicht außerhalb parlamentarischer Kontrolle15. Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes stellt dem Deutschen Bundestag auch insoweit geeignete Instrumente für die politische Kontrolle der Bundesregierung zur Verfügung. Der Bundestag kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen, Art. 67 Abs. 1 Satz 1 GG16.
Bei der Gestaltung völkerrechtlicher Verträge ist der Bundestag grundsätzlich auf die nachträgliche Zustimmung gemäß Art. 59 Abs. 2 GG verwiesen („Ratifikationslage“). Inwieweit die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Unterrichtungspflichten treffen, die in den Bereich der vorausgehenden Vertragsverhandlungen hineinreichen, ist nicht grundsätzlich geklärt und hier nicht zu entscheiden.
Für den Bereich der Europäischen Union hat Art. 23 GG das Spannungsverhältnis zwischen exekutiver Außenvertretung und parlamentarischer Verantwortung auf spezifische Weise ausgestaltet und dem Deutschen Bundestag in Ansehung der mit der Europäisierung verbundenen Gewichtsverlagerung zugunsten der Exekutive weitreichende Mitwirkungsrechte zugestanden.
Art. 23 GG sieht für die Ausübung der auswärtigen Gewalt durch die Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union eine Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat vor (Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG). Zentraler, wenn auch nicht alleiniger Bezugspunkt der Mitwirkung des Bundestages ist die Verpflichtung der Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag vor einer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG) und diese Stellungnahme bei den Verhandlungen zu berücksichtigen (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG).
Mit Art. 23 GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber auf mit der europäischen Integration verbundene Verschiebungen im nationalen Gewaltengefüge reagiert. Die europäische Union besitzt aufgrund der Übertragung von Hoheitsrechten (Art. 23 Abs. 1 GG) die Kompetenz, selbst Recht zu setzen, das unmittelbar gilt und in vielfältiger Weise Rechte und Pflichten für die Bürger begründet. Bei seinem Erlass agieren über den Europäischen Rat und den Rat nicht primär die nationalen Gesetzgebungsorgane, sondern die mitgliedstaatlichen Exekutiven. Die der Gesetzgebung zugrunde liegenden poIitischen Vorstellungen werden vom Europäischen Rat, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und den Präsidenten des Europäischen Rates und der Kommission zusammensetzt, in Bezug auf die allgemeinen politischen Ziele festgelegt (Art. 15 EUV). Vor allem ist der Rat, der aus den Vertretern der Mitgliedstaaten auf Ministerebene besteht (vgl. heute Art. 16 Abs. 2 EUV) und grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit entscheidet (Art. 16 Abs. 3 EUV), für die Festlegung der Politik zuständig und – in der Regel gemeinsam mit dem Europäischen Parlament – zentrales Gesetzgebungsorgan (vgl. Art. 16 Abs. 1 EUV). Das stellt die parlamentarische Demokratie auf nationaler Ebene vor besondere Herausforderungen, weil das Parlament aus der Rolle der zentralen Entscheidungsinstanz teilweise verdrängt wird17. Eine stärkere Einbindung der nationalen Parlamente in den Integrationsprozess kann deren Kompetenzverluste gegenüber der jeweiligen nationalen Regierung ausgleichen.
Eine verbesserte Mitwirkung des nationalen Parlaments an den Entscheidungen der an der Rechtsetzung im Rat beteiligten Bundesregierung wurde als Bedingung ausreichender demokratischer Legitimation der supranationalen Rechtsetzung betrachtet18. Daher wurde in den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat eine umfassende und frühestmögliche Unterrichtung durch die Bundesregierung gefordert, um Bundestag und Bundesrat zumindest Gelegenheit zur Einflussnahme auf die Mitwirkung der Bundesregierung an Vorhaben der Europäischen Union zu geben19.
Die verglichen mit der allgemeinen Gewichtsverteilung zwischen Bundesregierung und Deutschem Bundestag im Bereich der auswärtigen Gewalt stärkere Einbindung des Parlaments in Angelegenheiten der Europäischen Union durch weitreichende Informations- und Mitwirkungsrechte20 ist zudem Teil einer institutionellen Architektur, die den nationalen Parlamenten in der Europäischen Union eine über die Mitgliedstaaten hinausweisende Rolle zuweist und auf diese Weise ihr demokratisches Legitimationspotential für die Europäische Union fruchtbar machen will21. Art. 23 Abs. 2 GG korrespondiert insoweit mit Art. 12 EUV, der den nationalen Parlamenten eine stärkere Rolle im institutionellen Gefüge der Europäischen Union beimisst22.
Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG bezieht das Mitwirkungsrecht des Parlaments auf Angelegenheiten der Europäischen Union und bestimmt damit zugleich den Gegenstand der Unterrichtungspflicht gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG. Zu den Angelegenheiten der Europäischen Union gehören Vertragsänderungen und entsprechende Änderungen auf der Ebene des Primärrechts (Art. 23 Abs. 1 GG; vgl. auch §§ 2 ff. IntVG23) sowie Rechtsetzungsakte der Europäischen Union (Art. 23 Abs. 3 GG). Darin erschöpft sich der Anwendungsbereich der Norm aber nicht.
Um Angelegenheiten der Europäischen Union kann es sich auch in anderen Fällen handeln. Insbesondere gehören völkerrechtliche Verträge unabhängig davon, ob sie auf eine förmliche Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG) gerichtet sind, zu den Angelegenheiten der Europäischen Union, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen. Wann ein solches Verhältnis vorliegt, lässt sich nicht anhand eines einzelnen abschließenden und zugleich trennscharfen Merkmals bestimmen (vgl. auch die Technik lediglich exemplarischer Aufzählung von Vorhaben in § 3 EUZBBG). Maßgebend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Umstände, einschließlich geplanter Regelungsinhalte, -ziele und -wirkungen, die sich, je nach Gewicht, einzeln oder in ihrem Zusammenwirken als ausschlaggebend erweisen können. Für die Zugehörigkeit zu den Angelegenheiten der Europäischen Union kann es etwa sprechen, wenn die geplante völkerrechtliche Koordination im Primärrecht verankert oder die Umsetzung des Vorhabens durch Vorschriften des Sekundär- oder Tertiärrechts vorgesehen ist oder ein sonstiger qualifizierter inhaltlicher Zusammenhang mit einem in den Verträgen niedergelegten Politikbereich – also mit dem Integrationsprogramm der Europäischen Union – besteht, wenn das Vorhaben von Organen der Europäischen Union vorangetrieben wird oder deren Einschaltung in die Verwirklichung des Vorhabens – auch im Wege der Organleihe – vorgesehen ist oder wenn ein völkerrechtlicher Vertrag ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschlossen werden soll. Ein qualifizierter inhaltlicher Zusammenhang mit einem der primärrechtlich normierten Politikbereiche der Europäischen Union (vgl. auch § 4 Abs. 4 Nr. 1 EUZBBG), der ein Ergänzungs- oder sonstiges besonderes Näheverhältnis zum Unionsrecht begründet, wird insbesondere dann vorliegen, wenn der Sinn eines Vertragsvorhabens gerade im wechselseitigen Zusammenspiel mit einem dieser Politikbereiche liegt, und erst recht dann, wenn der Weg der völkerrechtlichen Koordination gewählt wird, weil gleichgerichtete Bemühungen um eine Verankerung im Primärrecht der Union nicht die notwendigen Mehrheiten gefunden haben.
Für dieses weite Verständnis des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG spricht zunächst sein Wortlaut. Der Formulierung „Angelegenheiten der Europäischen Union“ kann keine Beschränkung auf bestimmte Rechtsakte entnommen werden. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenspiel des Begriffs „Angelegenheiten“ mit dem Begriff der „Europäischen Union“. Der Wortlaut ist vielmehr offen: Er lässt einerseits eine Deutung dergestalt zu, dass nur solche Vorhaben gemeint sind, deren Urheberin oder unmittelbarer Gegenstand die Europäische Union als Institution ist. Er lässt sich jedoch auch zwanglos als umfassender Verweis auf Angelegenheiten mit spezifischem Bezug zur Europäischen Union und dem ihr zugewiesenen Integrationsprogramm ohne Festlegung auf bestimmte Gestaltungsformen verstehen.
Systematische Gesichtspunkte erhärten diese Auslegung. So ist in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG von der Entwicklung der Europäischen Union zum Zwecke der Verwirklichung eines vereinten Europas die Rede, womit Programm und Zielrichtung der gesamten Vorschrift bestimmt werden. Dem würde es widersprechen, weite Teile des dynamischen und vielgestaltigen Prozesses der Integration im Rahmen der Europäischen Union von vornherein aus dem parlamentarischen Mitwirkungsrecht auszuklammern.
Der in den Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission allgegenwärtige Kompensationsgedanke weist ebenfalls auf ein weites Verständnis der Regelung hin. Sie soll gewährleisten, dass der Deutsche Bundestag über seine Verantwortung für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union gemäß Art. 23 Abs. 1 GG24 hinaus auch an deren weiterer Gestaltung und an ihrem Wirken teilhat. Art. 23 Abs. 2 GG zielt deshalb darauf, dem Bundestag ausreichende Zeit für eine Entscheidung einzuräumen, ob und gegebenenfalls wie er sich an der nationalen Willensbildung beteiligen möchte25. Diese Frage stellt sich nicht nur mit Blick auf die Beteiligung an der Rechtsetzung im Sinne von Art. 288 ff. AEUV, sondern auch für sonstige Initiativen und Vorschläge, die für die Entwicklung und das Handeln der Europäischen Union von Bedeutung sind. Im Hinblick darauf muss Art. 23 Abs. 2 GG auch auf die Erarbeitung völkerrechtlicher Verträge und politischer Initiativen Anwendung finden, wenn diese im obigen Sinne substantielle Berührungspunkte mit dem in den Verträgen niedergelegten Integrationsprogramm aufweisen.
Schließlich legt auch die historische Auslegung eine weite Interpretation des Begriffs der „Angelegenheiten der Europäischen Union“ nahe. Art. 23 Abs. 2 GG hat im Zusammenhang mit der Ratifikation des Vertrags von Maastricht Eingang in das Grundgesetz gefunden, mit einem Vertrag also, der die damals bereits über 30 Jahre alten supranationalen Europäischen Gemeinschaften mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik, zwei seinerzeit intergouvernemental organisierten Politikbereichen, unter dem Dach der Europäischen Union zusammenfasste26. Der verfassungsändernde Gesetzgeber des Jahres 1992 hatte somit ein Bild der Europäischen Union vor Augen, in der die – allein supranationalen – Europäischen Gemeinschaften und die intergouvernementalen Bereiche unterschieden wurden. Wenn er die Mitwirkungsrechte des Bundestages vor diesem Hintergrund auf die Angelegenheiten der Europäischen Union bezogen hat, liegt es nahe, dass er zwischen den Säulen der Europäischen Union nicht differenzieren wollte. Vielmehr sollte sich Art. 23 Abs. 2 GG auf „alle Vorhaben der Europäischen Union [erstrecken], die für die Bundesrepublik Deutschland bzw. den Bundestag von Interesse sein könnten“27. Bestätigt wird dies durch die sich im Laufe der Beratungen verfestigende Erkenntnis, dass die europäische Integration ein dynamischer Entwicklungsprozess sei, der auf der Ebene der Mitgliedstaaten ein hohes Maß an Flexibilität erfordere28. Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung ergeben sich auch nicht aus der Ratifikation des Vertrags von Lissabon, weil nicht erkennbar ist, dass dadurch die Reichweite des Art. 23 Abs. 2 GG reduziert werden sollte.
Ob und inwieweit Maßnahmen in den Bereichen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik von Art. 23 Abs. 2 GG erfasst werden, ist hier nicht zu entscheiden.
Nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG hat die Bundesregierung den Bundestag (und den Bundesrat) umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Gegenstand, Grenzen sowie Art und Weise der Unterrichtung des Deutschen Bundestages sind mit Blick auf den Normzweck, diesem eine effektive Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union unter Wahrung der Eigenverantwortung der Exekutive zu ermöglichen, zu bestimmen. Daraus folgen nähere Anforderungen an die Unterrichtung.
Anknüpfungspunkt der Unterrichtungspflicht ist das in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Recht des Deutschen Bundestages auf Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union. Die Unterrichtung muss dem Bundestag in erster Linie eine frühzeitige und effektive Einflussnahme auf die Willensbildung der Bundesregierung eröffnen. Nur auf einer ausreichenden Informationsgrundlage ist der Bundestag in der Lage, den europäischen Integrationsprozess zu begleiten und zu beeinflussen, kann er das Für und Wider einer Angelegenheit diskutieren und Stellungnahmen erarbeiten. Die Unterrichtung muss so erfolgen, dass das Parlament nicht in eine bloß nachvollziehende Rolle gerät29.
Die Entstehungsgeschichte von Art. 23 Abs. 2 GG bestätigt diese Interpretation. Vor der Neufassung des Art. 23 GG verlangten die im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen übereinstimmend die Verankerung von parlamentarischen Mitwirkungsrechten mit dem Ziel, die Entscheidungen über europäische Rechtsetzungsakte bereits vorab auf nationaler Ebene beeinflussen zu können30. Im Hinblick auf die Erfahrung, dass der Bundestag häufig vor vollendete Tatsachen gestellt worden war, die er nur noch hatte zur Kenntnis nehmen können, schlug die Gemeinsame Verfassungskommission die Festschreibung der Unterrichtungspflicht in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG vor. Es bestand insoweit weitgehende Einigkeit, dass eine fundierte Willensbildung und verantwortungsvolle Mitwirkung des Bundestages eine umfassende Information zum frühestmöglichen Zeitpunkt voraussetze31.
Die Unterrichtungspflicht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG soll dazu beitragen, „Informationsasymmetrien“ zwischen Bundesregierung und Bundestag auszugleichen, soweit dies zur Gewährleistung einer effektiven Rechtswahrnehmung erforderlich ist32. Eine enge Auslegung liefe diesem Zweck zuwider. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat sich, wie die Entstehungsgeschichte nahelegt, bewusst für eine weitreichende Unterrichtungspflicht entschieden.
Nachdem die ursprünglich vorgesehene Bindung an die Stellungnahmen des Bundestages33 auf Druck der Bundesregierung auf die – deutlich schwächere – Pflicht zur Berücksichtigung der Stellungnahmen (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG) reduziert worden war, setzte der Bundestag im Gegenzug eine strengere Fassung der Unterrichtungspflicht durch34. Wenn die Unterrichtungspflichten der Bundesregierung daher im Vergleich mit den in Art. 23 Abs. 3 GG geregelten Mitwirkungsrechten des Bundestages eine überschießende Tendenz aufweisen35, so verkörpert dies den spezifischen Zweck dieses institutionellen Arrangements, eine effektive Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union trotz Fehlens formaler Bindungsmöglichkeiten zu gewährleisten36.
Für die Auslegung und Handhabung des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG ist ferner von Bedeutung, dass die Unterrichtungspflicht nicht nur dazu dient, die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG zu ermöglichen. Sie sichert auf nationaler Ebene zugleich ab, dass der Deutsche Bundestag die ihm in Art. 12 EUV sowie in Art. 1 und 2 des Protokolls über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union und in Art. 4 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zugewiesenen Aufgaben erfüllen kann.
Die Auslegung und Anwendung des Art. 23 Abs. 2 GG hat darüber hinaus dem Umstand Rechnung zu tragen, dass diese Bestimmung auch dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz parlamentarischer Öffentlichkeit dient.
Der Deutsche Bundestag trifft seine Entscheidungen grundsätzlich im Plenum37 und in öffentlicher Beratung. Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Gerade das im parlamentarischen Verfahren nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, die sich bei einem weniger transparenten Vorgehen so nicht ergäben38. Im europäischen Kontext stärkt die öffentliche parlamentarische Willensbildung gleichzeitig die Responsivität von europäischen Entscheidungen für die Interessen und Überzeugungen der Bürger39. Erst die Öffentlichkeit der Beratung schafft die Voraussetzungen für eine Kontrolle durch die Bürger40. Dies gilt auch, wo die parlamentarische Beratung sich, sei es mitwirkend oder kontrollierend, auf das Entscheidungsverhalten bezieht41. Die parlamentarische Verantwortung gegenüber den Bürgern ist wesentliche Voraussetzung des von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG geforderten effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt42.
Entscheidungen von erheblicher rechtlicher oder faktischer Bedeutung für die Spielräume künftiger Gesetzgebung muss grundsätzlich ein Verfahren vorausgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen zu klären43. Exemplarisch dafür ist, dass der Deutsche Bundestag auch in einem System intergouvernementalen Regierens die haushaltspolitische Gesamtverantwortung nach diesen Grundsätzen wahrzunehmen hat. Nach seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung muss der Deutsche Bundestag der Ort sein, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird, auch im Hinblick auf internationale und europäische Verbindlichkeiten44. Hierfür gilt der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit als Ausprägung des allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips der Demokratie45.
Grenzen der Unterrichtungspflicht ergeben sich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Das Funktionengefüge des Grundgesetzes geht davon aus, dass die Regierung einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung besitzt, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt46. Ein solcher nicht ausforschbarer Kernbereich wird vom Bundesverfassungsgericht etwa im Zusammenhang mit den Ermittlungen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und parlamentarischen Fragerechten anerkannt47. Zu diesem Kernbereich gehört jedenfalls die Willensbildung der Regierung, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vor allem in ressortinternen und -übergreifenden Abstimmungsprozessen vollzieht48. Solange die interne Willensbildung der Bundesregierung nicht abgeschlossen ist, besteht daher kein Anspruch des Parlaments auf Unterrichtung.
Nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG muss die Unterrichtung des Bundestages in sachlicher Hinsicht umfassend sein, in zeitlicher Hinsicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen und in einer zweckgerechten Weise ausgestaltet sein. Diese Anforderungen besitzen zwar unterschiedliche Regelungsinhalte, stehen aber nicht isoliert nebeneinander, sondern sind aufeinander bezogen.
Das Erfordernis der umfassenden Unterrichtung ist seiner Funktion gemäß auszulegen, dem Deutschen Bundestag die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte zu ermöglichen. Dementsprechend ist eine umso intensivere Unterrichtung geboten, je komplexer ein Vorgang ist, je tiefer er in den Zuständigkeitsbereich der Legislative eingreift und je mehr er sich einer förmlichen Beschlussfassung oder Vereinbarung annähert. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Qualität, Quantität und Aktualität der Unterrichtung unter Berücksichtigung der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgenden Grenzen. Die Regelungen der §§ 4 ff. EUZBBG enthalten insoweit Konkretisierungen, die auch von der Bundesregierung im Grundsatz nicht in Frage gestellt worden sind.
In qualitativer Hinsicht erfasst die Pflicht zur umfassenden Unterrichtung zunächst Initiativen und Positionen der Bundesregierung selbst. Darüber hinaus erstreckt sie sich auf die Weiterleitung amtlicher Unterlagen und Dokumente der Organe sowie sonstiger Gremien und Behörden der Europäischen Union und anderer Mitgliedstaaten in Angelegenheiten der Europäischen Union, ist darauf aber nicht beschränkt. Sobald und soweit die Bundesregierung selbst mit einer Angelegenheit befasst ist, können auch ihr vorliegende Informationen über informelle und (noch) nicht schriftlich dokumentierte Vorgänge erfasst sein. Die Unterrichtungspflicht kann, unabhängig von einer förmlichen Dokumentation, auch Gegenstand, Verlauf und Ergebnis der Sitzungen und Beratungen von Organen und Gremien der Europäischen Union betreffen, in denen die Bundesregierung vertreten ist49.
Nach dem Zweck der Unterrichtungspflicht kommt es nicht darauf an, ob die Bundesregierung die Informationen auf offiziellem Wege oder auf andere Weise erlangt hat50. Unerheblich für das Bestehen einer Weiterleitungspflicht ist ferner, ob die Dokumente und Informationen von Organen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union stammen oder aus der Sphäre anderer Mitgliedstaaten51. Auch die eventuelle Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Information (vgl. etwa Art. 6 der Geschäftsordnung des Rates52) steht ihrer Weiterleitung an den Bundestag grundsätzlich nicht entgegen. In Fällen, in denen das Wohl des Staates durch das Bekanntwerden vertraulicher Informationen gefährdet werden kann, kann die Unterrichtung vertraulich erfolgen53. Die Voraussetzungen dafür hat der Bundestag mit dem Erlass seiner Geheimschutzordnung geschaffen54.
Quantität und Detailliertheit der dem Deutschen Bundestag zu übermittelnden Informationen bemessen sich im Hinblick auf den Zweck der Unterrichtung einerseits nach der Bedeutung einer Angelegenheit. So muss der Bundestag von allen Vorgängen erfahren, die seiner Mitwirkung nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG unterliegen, und zugleich die für eine fundierte Beschlussfassung erforderlichen Informationen erhalten. Auf der anderen Seite richten sich der gebotene Umfang und die erforderliche Tiefe der Unterrichtung auch nach dem jeweiligen Sach- und Verhandlungsstand.
Eine „Überflutung“ des Bundestages mit Informationen, die aufgrund ihrer Masse weder administrativ noch durch die Abgeordneten verarbeitet werden können, ist nicht Sinn des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG55. Zwar ist es in erster Linie Aufgabe des Parlaments selbst, im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie für eine sachgerechte Sichtung und Bewertung der unter Art. 23 Abs. 2 GG fallenden Angelegenheiten zu sorgen und die organisatorischen Voraussetzungen für die Verarbeitung der ihm übermittelten Informationen zu schaffen56 (vgl. auch § 4 Abs. 5 EUZBBG zur begrenzten Möglichkeit eines Verzichts auf Informationen). Doch erlaubt Art. 23 Abs. 2 GG bei Angelegenheiten, die nur von erkennbar geringer Bedeutung für den Bundestag sind, oder bei Vorgängen, die sich noch in einem sehr frühen, wenig konkreten Verfahrensstadium befinden, eine kursorische, auf die wesentlichen Eckpunkte beschränkte Unterrichtung, die den Bundestag in die Lage versetzt, nähere Informationen nachzufordern. Auch einer übermäßigen Belastung der Regierung, die deren Funktions- und Arbeitsfähigkeit bedroht, kann bei geringem Informationsinteresse des Parlaments im Einzelfall im Rahmen einer Abwägung Rechnung getragen werden57.
Die gebotene umfassende Unterrichtung erschöpft sich – wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang mit der Pflicht zur frühestmöglichen Unterrichtung ergibt – nicht in einem einmaligen Tätigwerden. Es handelt sich vielmehr um eine auf Dauer angelegte, fortlaufende Pflicht, die jedesmal aktualisiert wird, wenn sich bei der Behandlung einer Angelegenheit neue politische oder rechtliche Fragen stellen, zu denen sich der Deutsche Bundestag noch keine Meinung gebildet hat58.
Rechtsetzungsakten der Europäischen Union und intergouvernementalen Vereinbarungen gehen regelmäßig komplexe und langwierige Abstimmungsprozesse voraus. Die Bundesregierung kann dem Bundestag dabei nur die ihr selbst jeweils vorliegenden Informationen zuleiten, so dass die Pflicht zur umfassenden Unterrichtung nicht statisch, sondern dynamisch zu verstehen ist. Wissensstand und Haltung der Bundesregierung im Hinblick auf einen Vorgang bleiben im Regelfall nicht gleich, sondern sind im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen. Mit zunehmender Konkretisierung eines Vorhabens ist jedoch typischerweise auch eine Zunahme der Informationsdichte auf Seiten der Bundesregierung verbunden. Dabei entsteht mit jedem Erkenntnisgewinn der Bundesregierung zunächst eine Informationsasymmetrie im Verhältnis zum Bundestag, die – soll die verfassungsrechtliche Vorgabe einer „umfassenden“ Unterrichtung nicht wirkungslos bleiben – grundsätzlich ausgeglichen werden muss. Diese Pflicht zum Ausgleich von Informationsungleichgewichten zwischen Bundesregierung und Bundestag verdichtet sich mit zunehmender Komplexität und Bedeutung eines Vorgangs sowie mit der zeitlichen Nähe zu einer förmlichen Beschlussfassung oder zum Abschluss einer Vereinbarung.
Aus Gründen der Gewaltenteilung erstreckt sich der Unterrichtungsanspruch aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich nicht auf Aspekte, die dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung zuzuordnen sind. Initiativen der Bundesregierung und ihrer Positionierung bei von dritter Seite angestoßenen Vorhaben in Angelegenheiten der Europäischen Union geht ein – je nach Vorgang – mehr oder weniger umfangreicher Willensbildungsprozess voraus, in dessen Verlauf sich unter Umständen erst allmählich eine bestimmte Auffassung herausbildet. Bis dahin handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen und damit noch volatilen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich auch noch nicht zu informieren ist. Wenn die Bundesregierung indes ihre Willensbildung selbst so weit konkretisiert hat, dass sie Zwischen- oder Teilergebnisse an die Öffentlichkeit geben kann oder mit einer eigenen Position in einen Abstimmungsprozess mit Dritten eintreten will, fällt ein Vorhaben nicht mehr in den gegenüber dem Bundestag abgeschirmten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG gebietet in diesen Fällen eine substantielle Information des Bundestages durch die Bundesregierung über ihr Vorhaben.
Auch die strikten zeitlichen Anforderungen an die Unterrichtung nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG („zum frühestmöglichen Zeitpunkt“) sollen gewährleisten, dass der Bundestag in der Lage ist, seine Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union effektiv wahrzunehmen.
Entstehungsgeschichtlich erweist sich die strenge zeitliche Vorgabe als bewusste Abkehr von Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Römischen Verträgen vom 27. Juli 195759, wo lediglich eine laufende Unterrichtung des Bundestages vorgeschrieben und eine der Beschlussfassung im Rat zeitlich vorgelagerte Unterrichtung nur als Soll-Vorschrift vorgesehen war. Auf dieser Grundlage waren dem Bundestag Informationen häufig erst nach einer Beschlussfassung im Rat zugegangen und damit später als dem Bundesrat und den deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlaments60. Die in der Gemeinsamen Verfassungskommission und im Sonderausschuss Europäische Union zeitweise diskutierten Formulierungen einer „rechtzeitigen“ oder einer „regelmäßigen“ Unterrichtung wurden daher verworfen. Das Erfordernis einer regelmäßigen Unterrichtung stelle nicht hinreichend sicher, dass der Bundestag die relevanten Informationen so früh wie möglich erhalte34. Auch der Begriff „rechtzeitig“ erschien den Mitgliedern der Gemeinsamen Verfassungskommission zu unbestimmt, da er einen weiten Interpretationsspielraum eröffne und den Unterrichtungszeitpunkt letztlich in das Ermessen der Bundesregierung stelle. Um eine fundierte Willensbildung des Bundestages zu ermöglichen, sei eine umfassende Information zum frühestmöglichen Zeitpunkt unerlässlich61. Mit der gewählten Formulierung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber also eine möglichst präzise, objektiv bestimmbare Zeitvorgabe schaffen62.
Dem Zeitpunkt kommt eine dem Umfang der Unterrichtung gleichrangige Bedeutung zu. Nur wenn der Bundestag frühzeitig von einem Vorhaben erfährt, kann er den regelmäßig durch eine Vielzahl von Akteuren getragenen Entscheidungsprozess in Angelegenheiten der Europäischen Union noch beeinflussen. Im Hinblick darauf ist die in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG genannte Zeitvorgabe „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ so auszulegen, dass der Bundestag die Informationen der Bundesregierung spätestens zu einem Zeitpunkt erhalten muss, der ihn in die Lage versetzt, sich fundiert mit dem Vorgang zu befassen und eine Stellungnahme zu erarbeiten, bevor die Bundesregierung nach außen wirksame Erklärungen, insbesondere bindende Erklärungen zu unionalen Rechtsetzungsakten und intergouvernementalen Vereinbarungen, abgibt. Das schließt es aus, dass die Bundesregierung ohne vorherige Beteiligung des Deutschen Bundestages konkrete Initiativen ergreift oder an Beschlussfassungen mitwirkt, und gebietet die Weiterleitung sämtlicher Dokumente, sobald sie zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht werden.
Offizielle Dokumente, Berichte und Mitteilungen müssen daher ebenso wie alle inoffiziellen Informationen an den Bundestag weitergeleitet werden, sobald sie – gegebenenfalls über die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union – in den Einflussbereich der Bundesregierung gelangen63. Ein Ermessen der Bundesregierung hinsichtlich des Zeitpunktes der Weiterleitung besteht nicht. Verzögerungen bei der Weiterleitung sind nur zulässig, um der Bundesregierung eine Prüfung der Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG zu ermöglichen. Über Sitzungen der Organe und informelle Beratungen, an denen die Bundesregierung beteiligt ist, muss der Bundestag – auch wenn noch keine förmlichen Vorschläge oder sonstige Beratungsgrundlagen existieren – bereits im Voraus und so rechtzeitig informiert werden, dass er sich über den Gegenstand der Sitzungen eine Meinung bilden und auf die Verhandlungslinie und das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung Einfluss nehmen kann64. Über den Verlauf und die erzielten Zwischen- und Endergebnisse ist er unmittelbar im Anschluss an die Beratungen zu unterrichten. Für den Zeitpunkt der Unterrichtung über Initiativen und Positionierungen der Bundesregierung und das Gebot laufender Aktualisierung des Informationsstandes des Bundestages gilt das bereits Gesagte.
Aus dem mit der Unterrichtung des Bundestages verfolgten Zweck des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG folgen schließlich auch Anforderungen an das Verfahren und die Form der Unterrichtung. Adressat der Unterrichtung ist grundsätzlich der Bundestag als Ganzer; die Unterrichtung hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Einzelheiten können im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch Gesetz oder Vereinbarung zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung geregelt werden.
Adressat der Unterrichtung gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG ist der Bundestag als Ganzer. Damit soll gewährleistet werden, dass sämtliche Abgeordnete gleichermaßen und unterschiedslos auf die übermittelten Informationen zugreifen können. Allerdings verleiht Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG dem Parlament die Befugnis, seine inneren Angelegenheiten im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung autonom zu regeln und sich selbst so zu organisieren, dass es seine Aufgaben sachgerecht erfüllen kann65. Es ist daher in erster Linie Sache des Bundestages selbst, dafür Sorge zu tragen, dass die ihm übermittelten Informationen einer effektiven parlamentarischen Willensbildung zugeführt werden. Insbesondere obliegt ihm die Entscheidung, in welchem Umfang er den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 45 Satz 2 GG ermächtigt, die Rechte des Bundestages gemäß Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. Der Bundestag kann hierzu die erforderlichen Regelungen treffen und Einzelheiten der Unterrichtung im Wege einer Vereinbarung mit der Bundesregierung festlegen (vgl. § 12 EUZBBG). „Inoffizielle“ Informationen einzelner Abgeordneter oder von Fraktionen und deren Beauftragten wie den Obleuten in den Ausschüssen erfüllen den Anspruch des Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG nicht.
Der Zweck des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG verlangt im Grundsatz eine schriftliche Unterrichtung durch die Bundesregierung. Zwar ist die Schriftform in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG nicht ausdrücklich vorgesehen. Angesichts der Anforderungen an Klarheit, Verstetigung und Reproduzierbarkeit, die an eine förmliche Unterrichtung des Parlaments zu stellen sind, erscheint die Schriftform gegenüber der mündlichen Unterrichtung als das vorrangige Medium zur effektiven Information des Bundestages. Der mündlichen Unterrichtung des Plenums, des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union wie auch der Fachausschüsse kommt vor diesem Hintergrund grundsätzlich nur eine ergänzende und erläuternde Funktion zu.
Ausnahmen vom Schriftlichkeitsgrundsatz sind nur in engen Grenzen und insbesondere im Hinblick auf das Gebot einer Unterrichtung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zulässig, unter Umständen aber auch geboten. Da Informationsasymmetrien zwischen Regierung und Parlament nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur best-, sondern auch schnellstmöglich beseitigt werden sollen, sind Konstellationen denkbar, in denen die Bundesregierung eine umfassende und zugleich frühestmögliche Unterrichtung nur mündlich sicherstellen kann66. Das ist etwa der Fall, wenn zu einer Angelegenheit noch keine schriftlichen Unterlagen vorliegen und in vertretbarer Zeit auch nicht beschafft oder hergestellt werden können, eine Unterrichtung des Deutschen Bundestages jedoch im Hinblick auf die effektive Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte erforderlich ist. Für die Überlassung fremdsprachiger Unterlagen gilt Vergleichbares. Entfällt das Hindernis, ist das entstandene Informationsdefizit unverzüglich auszugleichen. Auch insoweit ist die Festlegung von Einzelheiten einer Regelung durch den Bundestag sowie einer näheren Konkretisierung in Vereinbarungen zwischen Bundestag und Bundesregierung zugänglich.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (European Stability Mechanism – ESM)[↑]
Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag nicht in dem nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG gebotenen Maß über die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus unterrichtet. Errichtung und Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sind eine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG. Da sie die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages und damit eine seiner wesentlichen Funktionen betreffen, war eine vollständige Unterrichtung erforderlich. Die Bundesregierung hat es unterlassen, dem Deutschen Bundestag einen ihr am 21. Februar 2011 vorliegenden Text der Europäischen Kommission über die Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus und den Entwurf eines Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 06.04.2011 zu übermitteln, und dadurch seine Rechte aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.
Die Errichtung und Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ist eine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine Gesamtschau der ihn prägenden Charakteristika ergibt substantielle Berührungspunkte mit dem Integrationsprogramm der Europäischen Verträge. Seine Gründung soll durch eine Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union abgesichert werden. Der zu seiner Errichtung zu schließende Vertrag weist den Organen der Europäischen Union neue Zuständigkeiten zu und dient der Absicherung eines Politikbereichs, der der Europäischen Union als ausschließliche Zuständigkeit zugewiesen ist. Dass es sich dabei um einen völkerrechtlichen Vertrag handeln soll, stellt seine Zuordnung zu dem in den Verträgen über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union niedergelegten Integrationsprogramm nicht in Frage.
Die Gründung des Europäischen Stabilitätsmechanismus soll durch eine Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union unionsrechtlich ermöglicht und abgesichert werden. Die insoweit vorgesehene Einfügung von Art. 136 Abs. 3 AEUV muss im Wege einer Vertragsänderung nach Art. 48 EUV erfolgen. Schon wegen dieses qualifizierten Zusammenhangs mit dem Unionsrecht handelt es sich um eine Angelegenheit der Europäischen Union.
Das Vorliegen einer Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG wird auch dadurch indiziert, dass verschiedene Organe der Europäischen Union durch den Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus neue Zuständigkeiten zugewiesen erhalten. Diese Zuständigkeitszuweisung war in den Verhandlungen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus, wie aus der in das Jahr 2010 zurückreichenden Vorgeschichte sowie den folgenden Konkretisierungsschritten ersichtlich ist, bereits zu Beginn des Jahres 2011 angelegt.
Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten sind in einem Beschluss vom 20. Juni 2011 übereingekommen, dass der Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus Bestimmungen enthalten solle, nach denen sowohl die Europäische Kommission als auch die Europäische Zentralbank die in dem Vertrag aufgeführten Aufgaben ausführen sollen. Auf der operativen Ebene, bei Aktivierung der Finanzhilfe, wurde namentlich der Europäischen Kommission eine wichtige Rolle zugedacht. Sie soll mit dem Internationalen Währungsfonds und in Absprache mit der Europäischen Zentralbank den tatsächlichen Finanzierungsbedarf des begünstigten Mitgliedstaats ermitteln. Ermächtigt vom Gouverneursrat, verhandelt sie ein makroökonomisches Anpassungsprogramm und überwacht die Einhaltung der politischen Auflagen, wiederum – in der sogenannten Troika – mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, die bereits in der Durchführung der Schuldentragfähigkeitsanalyse zusammenwirken. Art. 13 Abs. 1 des Entwurfs eines Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus sieht ferner vor, dass der Vorsitzende des Gouverneursrates Aufgaben auf die Europäische Kommission übertragen kann. Bleibt der Kreditnehmer über die Laufzeit des Programms hinaus Schuldner des Europäischen Stabilitätsmechanismus, kann der Rat eine fortdauernde Überwachung veranlassen. Nach Erörterung im Gouverneursrat kann er auf Vorschlag der Kommission beschließen, eine Überwachung nach der Durchführung des Programms durchzuführen, die so lange aufrechterhalten werden kann, wie ein bestimmter Betrag der Finanzhilfe noch nicht zurückgezahlt wurde.
Der Entwurf eines Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus sieht in seiner Fassung vom 02.02.2012 darüber hinaus vor, dass Programmbeschlüsse sowohl von der Europäischen Kommission als auch vom Rat der Europäischen Union nach den Art. 121 und 136 AEUV überwacht werden (17. Erwägungsgrund). Der Europäische Gerichtshof soll nach Maßgabe von Art. 273 AEUV schließlich über die Auslegung und Anwendung des Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus entscheiden.
Die Zuordnung zu den Angelegenheiten der Europäischen Union wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus die Organe der Europäischen Union lediglich im Wege der Organleihe in Anspruch nimmt. In der Sache werden den Organen damit, wenngleich nicht in dem eigentlich dafür vorgesehenen Verfahren nach Art. 48 Abs. 1 EUV, weitere Aufgaben und Befugnisse übertragen. Für die Kompetenzausstattung der Organe gelten daher auch insoweit der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV) sowie die Verbote, ihnen eine KompetenzKompetenz einzuräumen oder den Kern der grundgesetzlichen Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 und 20 GG) zu berühren67. Andernfalls könnten die der Fortentwicklung der europäischen Integration von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen und die insoweit vorgesehenen verfahrensrechtlichen Sicherungen umgangen werden. Jede Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen an die Europäische Union und/oder ihre Organe ist daher in der Sache eine Übertragung von Hoheitsrechten, und zwar auch dann, wenn die Organe für die Erledigung der Aufgabe „nur“ im Wege der Organleihe in Anspruch genommen und mit Befugnissen ausgestattet werden.
Dafür spricht im Übrigen auch die mit der Einräumung von Aufgaben und Befugnissen im Wege der Organleihe verbundene und von den Vertragsparteien offenkundig gewünschte Möglichkeit der Organe, diese Aufgaben und Befugnisse kohärent mit den Einzelermächtigungen aus dem Bereich des in den Verträgen niedergelegten Integrationsprogramms auszuüben und auf diese Weise eine Struktur zu schaffen, in der die Unterschiede zwischen „weichen“ Steuerungsinstrumentarien und imperativen Rechtsetzungs- und Aufsichtsakten verschwimmen68. Dies zeigt sich etwa in der Anhaltung des Gouverneursrates, seine Entscheidungen im zwischenstaatlichen Rahmen mit dem Verfahren im Überwachungsrahmen der Europäischen Union (Art. 121, 126, 136 Abs. 1 AEUV) zu verzahnen (17. Erwägungsgrund sowie Art. 13 Abs. 1 des Entwurfs eines Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus).
Der Europäische Stabilitätsmechanismus soll darüber hinaus der Absicherung eines Politikbereichs dienen, der der Europäischen Union als ausschließliche Zuständigkeit zugewiesen ist. Der Entwurf des Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ergänzt die Wirtschafts- und Währungspolitik.
Mit der Ergänzung von Art. 136 AEUV um einen Absatz 3, der die Finanzhilfen an strenge Auflagen und ein Tätigwerden des Europäischen Stabilitätsmechanismus daran bindet, dass es zur Stabilisierung des Währungsraums insgesamt unabdingbar ist (vgl. Art. 3 des Entwurfs eines Vertrags über den Europäischen Stabilitätsmechanismus), wird an die im Titel VIII geregelte Wirtschafts- und Währungspolitik (Art. 119 ff. AEUV) angeknüpft und deutlich gemacht, dass mit den Regelungen die Währungspolitik und insbesondere die Stabilität des Euro-Währungsgebietes gesichert werden soll. Damit wird ein Politikbereich ergänzt, den der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in die ausschließliche Zuständigkeit der Union verweist (Art. 3 Abs. 1 lit. c AEUV). Der Europäische Stabilitätsmechanismus dient mithin unmittelbar der Verwirklichung der Ziele der Union (Art. 3 Abs. 4 EUV). An dem auf der Grundlage von Art. 136 Abs. 3 AEUV zu schließenden Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus sollen zudem nur Mitgliedstaaten teilnehmen, die Teil des Euro-Währungsgebietes sind und für die Art. 136 ff. AEUV spezifische Regelungen enthalten. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass es sich bei dem in Aussicht genommenen Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus um eine Angelegenheit der Europäischen Union handelt.
Die Tatsache, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus im Wege eines gesonderten völkerrechtlichen Vertrages außerhalb der bisherigen Struktur des Unionsrechts etabliert werden soll, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie dargelegt, erfasst die Formulierung „Angelegenheiten der Europäischen Union“ auch Vorhaben, die intergouvernemental verwirklicht werden sollen, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Union stehen. Dass der Europäische Stabilitätsmechanismus im Wege intergouvernementaler Zusammenarbeit verwirklicht werden soll, ist somit ebenso wenig maßgeblich wie seine Qualifikation als zwischenstaatliche Organisation ohne eigene Hoheitsgewalt. Jedenfalls durch die Verflechtung mit supranationalen Elementen besitzt der Europäische Stabilitätsmechanismus eine hybride Natur, die ihn zu einer Angelegenheit der Europäischen Union macht. Ob in der gewählten Form des völkerrechtlichen Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus eine Umgehung des Unionsrechts liegt, namentlich ob der Vertrag mit Art. 48 EUV vereinbar ist, ist hier nicht zu entscheiden.
Errichtung und Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus betreffen die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages und damit eine seiner wesentlichen Funktionen. Daraus folgt die Notwendigkeit einer besonders umfangreichen und detaillierten Unterrichtung.
Angesichts der Komplexität und der Bedeutung des Europäischen Stabilitätsmechanismus für die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ist eine Beteiligung des Deutschen Bundestages geboten, die ihn in die Lage versetzt, sich – auch und gerade in öffentlicher Debatte – eingehend mit dem Thema auseinanderzusetzen und Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen zu klären. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch im Hinblick auf die mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus einhergehenden Verbindlichkeiten der Deutsche Bundestag der Ort ist, an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird.
Aus dem Gebot umfassender und frühestmöglicher Information ergeben sich deshalb im konkreten Fall hohe Anforderungen an die Qualität, Quantität, Aktualität und Verwertbarkeit der Unterrichtung über die Verhandlungen zum Europäischen Stabilitätsmechanismus. Die Unterrichtung hat sich namentlich ohne Abstriche auf die Weiterleitung der amtlichen Unterlagen und Dokumente aller Organe sowie sonstiger Gremien und Behörden der Europäischen Union und anderer Mitgliedstaaten zu erstrecken. Übermitteln muss die Bundesregierung aber auch Informationen über informelle und nicht schriftlich dokumentierte Vorgänge sowie über Gegenstand, Verlauf und Ergebnis der Sitzungen und Beratungen aller Organe und Gremien der Europäischen Union, in denen sie vertreten ist, sowie über bi- und multilaterale Aktionen von Mitgliedstaaten auf völkerrechtlicher Ebene. Nicht zuletzt verpflichtet Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG die Bundesregierung dazu, den Deutschen Bundestag über eigene Initiativen und Positionen in Angelegenheiten der Europäischen Union betreffend den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu informieren. Nur so kann verhindert werden, dass der Deutsche Bundestag in die Rolle des bloßen Nachvollzuges gerät69.
Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag nicht umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über den Europäischen Stabilitätsmechanismus unterrichtet. Sie hat dem Bundestag einen ihr spätestens am 21.02.2011 vorliegenden Text der Europäischen Kommission über die Merkmale des Stabilitätsmechanismus sowie einen Entwurf des Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 06.04.2011 nicht übermittelt. Spätere mündliche oder schriftliche Informationen ändern nichts an der Verletzung von Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG. Gründe, die einer Übermittlung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich; insbesondere kann sich die Bundesregierung nicht auf Vertraulichkeit berufen.
Die Bundesregierung hat einen ihr am 21. Februar 2011 vorliegenden Text der Europäischen Kommission über die Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der Gegenstand der Beratungen über die Merkmale des Stabilitätsmechanismus im Rat war, dem Deutschen Bundestag nicht zugeleitet. Die Existenz dieses Papiers wird durch einen internen Bericht des Verbindungsbüros des Deutschen Bundestages in Brüssel vom 21.02.2011 belegt. Wie aus dem Bericht des Verbindungsbüros hervorgeht, arbeitete der Rat – in dem die Bundesregierung vertreten ist – zu diesem Zeitpunkt an der Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus auf der Grundlage eines Textes der Europäischen Kommission. Da Papiere der Europäischen Kommission, auf deren Grundlage die Merkmale des Europäischen Stabilitätsmechanismus im Europäischen Rat wie auch im ECOFINRat und der EuroGruppe diskutiert wurden, insbesondere jener Text der Kommission, dem Deutschen Bundestag nicht zur Verfügung gestellt wurde, hatte dieser keine Möglichkeit, auf die konkrete Ausgestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem frühen Zeitpunkt Einfluss zu nehmen.
Ferner hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus in der Form des „Draft Treaty Establishing the European Stability Mechanism70“ nicht übermittelt.
Einen auf den 6.04.2011 datierenden Entwurf des Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus hat der Deutsche Bundestag lediglich aus informellen Quellen erhalten, obwohl dieser oder jedenfalls eine frühere Textstufe des Vertragsentwurfs der Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt vorlag. Dies ergibt sich aus dem Inhalt mündlicher Ausschussunterrichtungen vom selben Tag: Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen nannte gegenüber dem Haushaltsausschuss des Bundestages einzelne, bereits auf dem Europäischen Rat vom 24./25. März 2011 bindend verabredete Details des Vertragsinhalts und erklärte, der Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus werde derzeit auf europäischer Ebene weiter ausgearbeitet und befinde sich noch im Verhandlungsstadium71. Die Bundesregierung hatte mithin am 6. April 2011 konkrete Erkenntnisse über Textstufen des Vertragsentwurfs.
Spätere mündliche oder schriftliche Informationen, insbesondere die Übersendung des zu diesem Zeitpunkt in der erweiterten EuroGruppe bereits beratenen Entwurfs des Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus am 17. beziehungsweise 18.05.2011, ändern nichts an der Verletzung von Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Bundesregierung ist verpflichtet, dem Bundestag nicht nur einen abschließend beratenen oder sogar bereits beschlossenen Vertragstext zuzuleiten. Sie muss ihm zum frühestmöglichen Zeitpunkt ihr vorliegende Zwischenergebnisse und Textstufen – wie den auf den 6. April 2011 datierenden „Draft Treaty Establishing the European Stability Mechanism (ESM)” – übermitteln. Dass sich Entwürfe ändern und daher Aktualisierungen erforderlich werden, solche Informationen mithin „eine kurze Halbwertszeit“ aufweisen können, rechtfertigt es nicht, die schriftliche Unterrichtung auf einen Zeitpunkt zu verschieben, in dem die Ergebnisse bereits feststehen. Denn damit wird der Bundestag gerade in jene für völkerrechtliche Verträge charakteristische Ratifikationslage gebracht, die ihm eine inhaltliche Einflussnahme abschneidet und vor der ihn Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG schützen will. Wie sich bereits aus dem kumulativen Erfordernis frühzeitiger und umfassender Information ergibt, kann bei prozesshaften Vorgängen der vorliegenden Art die Unterrichtungspflicht nicht „in einem Gesamtpaket“ erledigt werden.
Eine etwaige Vertraulichkeit beider Dokumente steht dem Erfordernis ihrer Übermittlung nicht entgegen. Die Bundesregierung kann sich insbesondere nicht auf eine grundsätzliche Vertraulichkeit im speziellen Format der informell tagenden erweiterten EuroGruppe berufen. Verhandlungen im Vorfeld völkerrechtlicher Verträge, die auf eine Bindung der Bundesrepublik Deutschland zielen und Gesetzesqualität erlangen sollen, sind gegenüber dem Deutschen Bundestag von vornherein nicht geheimhaltungsbedürftig. Sollten Gründe für eine Geheimhaltungsbedürftigkeit gegenüber der Öffentlichkeit im Hinblick auf einzelne Informationen oder Dokumente ausnahmsweise anzuerkennen sein, wäre die Bundesregierung verpflichtet, die Unterlagen dem Deutschen Bundestag unter Hinweis auf das Erfordernis einer vertraulichen Behandlung zuzuleiten. Die Voraussetzungen hierfür hat der Bundestag mit dem Erlass seiner Geheimschutzordnung geschaffen37. Weitere Gründe, die gegen eine Übermittlung hätten sprechen können, sind nicht ersichtlich.
Der Euro-Plus-Pakt[↑]
Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag zudem nicht umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über den Euro-Plus-Pakt unterrichtet und damit die Rechte des Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt. Die Vereinbarung des Euro-Plus-Paktes stellt eine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG dar, die wichtige Funktionen des Deutschen Bundestages berührt und deshalb in besonderem Maße dessen umfassende und frühzeitige Unterrichtung gebietet. Da die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über die am 4.02.2011 öffentlich vorgestellte Initiative für den Beschluss eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit nicht informiert sowie ihm das inoffizielle Dokument (non paper) der Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates mit der Überschrift „Enhanced Economic Policy Coordination in the Euro Area – Main Features and Concepts“ vom 25.02.2011 nicht übermittelt hat, ist die nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG gebotene umfassende und frühestmögliche Unterrichtung nicht erfolgt.
Die Vereinbarung des Euro-Plus-Paktes ist eine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine Gesamtschau ihrer Charakteristika ergibt, dass der Pakt substantielle Berührungspunkte mit dem in den Verträgen niedergelegten Integrationsprogramm aufweist.
Bereits der Umstand, dass sich der Euro-Plus-Pakt beziehungsweise die ihm vorausgegangene Initiative für den Beschluss eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union richtet, indiziert eine Ausrichtung auf das unionale Integrationsprogramm. Inhaltlich ist der Pakt angesichts seiner Ziele, eine qualitative Verbesserung der Wirtschaftspolitik und der öffentlichen Haushaltslage sowie eine Stärkung der Finanzstabilität zu erreichen, auf einen in den Verträgen niedergelegten Politikbereich der Europäischen Union ausgerichtet. In die Verwirklichung der Ziele des Paktes sind Organe der Europäischen Union eingeschaltet, wie bereits die vorgesehene jährliche Bewertung der von den Mitgliedstaaten des Euro-Plus-Paktes zur Erfüllung ihrer Selbstverpflichtungen unternommenen Reform- und Stabilitätsprogramme durch die Europäische Kommission, den Rat und die Euro-Gruppe zeigt.
Dass der Euro-Plus-Pakt überwiegend mit Selbstverpflichtungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten operiert, stellt seine Einordnung als Angelegenheit der Europäischen Union nicht in Frage. Zum einen steht auch eine nur begrenzte rechtliche Verbindlichkeit der Einordnung als Angelegenheit der Europäischen Union angesichts der gebotenen weiten, nicht auf Rechtsetzung beschränkten Auslegung des Begriffs nicht entgegen. Zum anderen entfaltet der Pakt durchaus eine gewisse Bindungswirkung. Zwar sieht er – anders als der durch das sogenannte „Sixpack“ reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt – keine Sanktionen für seine Verletzung vor. Mit dem jährlich durchzuführenden Benchmarking unter Einbindung der Europäischen Kommission enthält der Euro-Plus-Pakt jedoch ein Durchsetzungsinstrument, auf das in jüngerer Zeit auch das nationale Verfassungsrecht zurückgreift (vgl. Art. 91d GG) und das zudem in unmittelbarem Zusammenhang mit justitiablen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten steht72. Die damit verbundene Rechenschaftspflicht wird jede Bundesregierung treffen und hat bereits im Europäischen Semester und der damit verbundenen Mitteilung der Kommission vom 7. Juni 2011 über den „Abschluss des ersten Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Orientierung für die Politik der Mitgliedstaaten 20112012“73 ihren Niederschlag gefunden. Einen verbindlichen Bezug auf Europäisches Sekundärrecht enthält überdies die Verpflichtung der am Pakt teilnehmenden Mitgliedstaaten, die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehenen Vorgaben umzusetzen.
Ein substantieller Berührungspunkt zum unionalen Integrationsprogramm zeigt sich zudem in der teilweisen Umsetzung des Euro-Plus-Paktes durch Normen des Sekundärrechts. So erstreckt die im Rahmen des sogenannten „Sixpack“ ergangene Verordnung (EU) Nr. 1175/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) 1466/97 des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken den „Prüfungsumfang“ des damit ins Sekundärrecht aufgenommenen Europäischen Semesters auch auf die Ziele des Euro-Plus-Paktes.
Da der Euro-Plus-Pakt die Zuständigkeiten des Deutschen Bundestages in nicht unerheblicher Weise berührt, war eine vollständige Unterrichtung des Bundestages bereits in Bezug auf Initiativen und frühe Stadien der Verhandlungen geboten. Namentlich die Selbstverpflichtungen in Bereichen, die der Gesetzgebungszuständigkeit der Mitgliedstaaten unterfallen, wie etwa dem Steuer- und Sozialrecht, und in denen der Gesetzgeber in Zukunft einer Überwachung durch Organe der Europäischen Union unterworfen wird, betreffen die parlamentarische Verantwortung und sind geeignet, die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers einzuschränken. Der Bundestag hatte ein großes Interesse, vorab zu erfahren, darüber zu diskutieren und an der Entscheidung mitzuwirken, ob und gegebenenfalls in welchen Bereichen eine Koordinierung versprochen und welche Bewertungskriterien angestrebt werden sollten.
Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag nicht umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über den Euro-Plus-Pakt unterrichtet.
Sie hat den Deutschen Bundestag über die am 4. Februar 2011 öffentlich vorgestellte Initiative für den Beschluss eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit – später Euro-Plus-Pakt – nicht vorab informiert.
Der Euro-Plus-Pakt geht auf eine deutschfranzösische Initiative zurück, welche die Regierungen beider Mitgliedstaaten zum Gegenstand der Tagung des Europäischen Rates vom 4. Februar 2011 gemacht haben und die die Bundeskanzlerin auf dieser Tagung gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Über dieses Vorhaben hätte die Bundesregierung den Deutschen Bundestag spätestens am 2. Februar 2011 informieren müssen.
Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass den Staats- und Regierungschefs auf der unmittelbar bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates ein Diskussionsvorschlag für eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung im Euro-Währungsgebiet zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unterbreitet werden sollte. Dies geht nicht nur aus den Aussagen des Regierungssprechers auf der Regierungspressekonferenz vom 2. Frebruar 2011 hervor, wonach die Bundesregierung die wirtschaftspolitische Koordinierung als eine von mehreren jetzt zu ergreifenden Maßnahmen betrachte und beim Mittagessen der Staats- und Regierungschefs die Diskussion hierüber eröffnet werden solle. Auch der Staatsminister des Bundeskanzleramtes bestätigte nachträglich das Ziel der Bundesregierung, bei der Tagung des Europäischen Rates vom 4. Frebruar 2011 ein Verfahren zur Ausarbeitung eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit zu beschließen, und dass das Thema Wirtschafts- und Währungsunion am 2. Frebruar 2011 zusätzlich auf die Tagesordnung genommen worden sei74.
Sollte es – wie von der Bundesregierung geltend gemacht – vor dem 4. Frebruar 2011 noch keine endgültig abgestimmte Position zum avisierten Inhalt einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung im Euro-Währungsgebiet innerhalb der Bundesregierung gegeben haben, hätte dieser Umstand die Bundesregierung nicht von ihrer Unterrichtungspflicht entbunden. Gegenstand der gebotenen Unterrichtung war in diesem Fall (noch) nicht der Beschluss eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit als solcher, sondern allein die Absicht der Bundesregierung, einen Prozess zu dessen Ausarbeitung anzustoßen (vgl. auch § 5 Abs. 2 Satz 1 EUZBBG). Hierzu hatte der Regierungssprecher auf der Pressekonferenz vom 2. Frebruar 2011 eine abgestimmte Haltung der Bundesregierung angekündigt. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung war folglich insoweit abgeschlossen, als sie mit ihrer Initiative an die Öffentlichkeit gehen konnte und mit einer eigenen Position in einen Abstimmungsprozess mit Dritten eintreten wollte. Die Bundesregierung war daher verpflichtet, den Deutschen Bundestag vor Beginn der Tagung des Europäischen Rates über die Initiative zumindest in ihren Grundzügen zu informieren (vgl. auch § 5 Abs. 5 Satz 1 und 2 EUZBBG).
Die dem Deutschen Bundestag von der Bundesregierung unterbreiteten Informationen genügten nicht, um die Unterrichtungspflicht zu erfüllen.
Dies gilt zunächst für den „Vorbericht zum Europäischen Rat am 4. Frebruar 2011“ vom 2. Frebruar 2011. Darin heißt es lediglich, dass die Bundesregierung für ein von den Staats- und Regierungschefs der Eurozone ausgehendes starkes Signal eintrete, zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit die wirtschaftspolitische Koordinierung im Euro-Währungsgebiet zu verbessern. Nicht erwähnt wurde hingegen, dass die Bundesregierung zu diesem Zweck eine Initiative für den Beschluss eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit vorstellen wolle und was der wesentliche Inhalt dieser Initiative sein werde.
Zureichende Informationen über das geplante Vorhaben enthält auch nicht die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 2. Frebruar 2011 auf eine konkrete Anforderung des Deutschen Bundestages. Nachdem die Initiative der Bundesregierung bereits am 31. Januar 2011 in verschiedenen Nachrichtenmagazinen thematisiert worden war, hatte der Deutsche Bundestag am 1. Frebruar 2011 um Übermittlung von Papieren und Informationen gebeten, auf deren Basis die Initiative vorgestellt werden sollte. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie teilte hierauf nur mit, dass die Zeitungsartikel auf einen noch nicht abgeschlossenen Abstimmungsprozess Bezug nähmen und „im weiteren Fortgang die nach dem EUZBBG vorgesehenen Unterrichtungen unverzüglich erfolgen können“.
Schließlich genügte auch die am 3. Frebruar 2011 vom Staatsminister des Bundeskanzleramtes vorgenommene „Obleuteunterrichtung“75 nicht, um die Unterrichtungspflicht zu erfüllen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Obleute des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union bereits nicht die richtigen Unterrichtungsadressaten waren, hatte die Erklärung des Staatsministers des Bundeskanzleramtes lediglich zum Inhalt, „dass zu dem Thema noch keine abgestimmte Position der Bundesregierung bestehe und dementsprechend auch keine abgestimmte Position beim Europäischen Rat beschlossen werden würde“75.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag ein inoffizielles Dokument der Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates vom 25. Frebruar 2011 mit der Bezeichnung „Enhanced Economic Policy Coordination in the Euro Area – Main Features and Concepts“ nicht übermittelt, welches wesentliche Inhalte des Paktes für Wettbewerbsfähigkeit – später Euro-Plus-Pakt – beschrieb.
Nach dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten ist davon auszugehen, dass sich die Bundesregierung im Besitz dieses inoffiziellen Dokuments befand. Dies legt bereits der seinerzeitige EMail-Verkehr nahe. Danach hat der Deutsche Bundestag auf ausdrückliche Anfrage an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vom 3. März 2011 sowie an das Bundeskanzleramt vom 4. März 2011, ob der Bundesregierung ein gemeinsames Papier der Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates zur deutschfranzösischen Initiative für einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit vorliege, keine – das heißt auch keine verneinende – Antwort des Bundeskanzleramtes erhalten. Zudem hat sich die Bundesregierung im vorliegenden Verfahren auf den Vorwurf einer Unterrichtungspflichtverletzung eingelassen, ohne die darin implizit enthaltene Behauptung, ihr habe das Papier vorgelegen, in Abrede zu stellen, was im Hinblick auf die Arbeitsweise der beteiligten europäischen Organe auch fernliegend wäre.
Dieses Dokument stellte die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag trotz ausdrücklicher Anforderung nicht zur Verfügung (vgl. auch § 5 Abs. 3 EUZBBG). Erst am 11. März 2011 übersandte sie den offiziellen Entwurf eines Paktes für Wettbewerbsfähigkeit. Zu diesem Zeitpunkt bestand für den Deutschen Bundestag keine Möglichkeit mehr, dessen Inhalt zu diskutieren und durch eine Stellungnahme auf die Bundesregierung einzuwirken. Denn die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes einigten sich bereits am gleichen Tag, dem 11. März 2011, auf den Pakt. Damit entstanden bereits ab diesem Zeitpunkt konkrete Selbstverpflichtungen auch für die Bundesrepublik Deutschland, ohne dass der Deutsche Bundestag auf deren Inhalt hätte einwirken oder diese hätte verhindern können.
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 19. Juni 2012 – 2 BvE 4/11
- vgl. BVerfGE 2, 143, 165; 45, 1, 28; 67, 100, 125; 104, 151, 193; 118, 244, 254 f.; 124, 78, 106[↩]
- vgl. BVerfGE 45, 1, 29 f.; 60, 319, 325 f.; 68, 1, 77 f.; 121, 135, 151[↩]
- vgl. BVerfGE 104, 151, 193 f.; 118, 277, 319[↩]
- vgl. hierzu BVerfGE 92, 80, 89[↩]
- BVerfGE 92, 80, 89; 103, 164, 170 f.; 107, 286, 297; 114, 107, 118; zuletzt BVerfG, Beschluss vom 22.11.2011 – 2 BvE 3/08[↩]
- vgl. BVerfGE 21, 312, 319 f.; s. auch BVerfGE 4, 250, 269[↩]
- BVerfGE 1, 372, 379; 41, 291, 303; 121, 135, 152[↩]
- vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 1, 372, 379; 121, 135, 152[↩]
- vgl. BVerfGE 121, 135, 152; 124, 267, 275[↩]
- BVerfGE 104, 151, 207; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89, 125[↩]
- vgl. BVerfGE 104, 151, 207[↩]
- BVerfGE 68, 1, 87; vgl. auch BVerfGE 104, 151, 207[↩]
- vgl. BVerfGE 90, 286, 363; 104, 151, 207[↩]
- vgl. BVerfGE 49, 89, 124 ff.; 68, 1, 87[↩]
- vgl. BVerfGE 104, 151, 207; siehe ferner BVerfGE 49, 89, 125; 68, 1, 89; 90, 286, 364[↩]
- BVerfGE 68, 1, 109 f.; vgl. auch BVerfGE 104, 151, 208[↩]
- vgl. Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 43[↩]
- Abgeordneter Verheugen, Gemeinsame Verfassungskommission, 11. Sitzung am 15. Oktober 1992, Stenographischer Bericht, in: Deutscher Bundestag, Hrsg., Materialien zur Verfassungsdiskussion und zur Grundgesetzänderung in der Folge der deutschen Einigung, Band 1, Bericht und Sitzungsprotokolle, 1996, S. 543, 545[↩]
- vgl. Möller/Limpert, ZParl 24, 1993, S. 21, 24 ff.[↩]
- zu ähnlichen Regelungen in anderen Mitgliedstaaten vgl. etwa Art. 6 des Dänischen Gesetzes über den Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften; Art. 88-4 der Französischen Verfassung; Art. 23e des Österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes; Art. 197, 1. lit. i der Portugiesischen Verfassung; Kap. 10 §§ 2 und 3 der Schwedischen Reichstagsordnung[↩]
- vgl. Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 279 f.[↩]
- vgl. auch Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union; Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit[↩]
- Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union, Integrationsverantwortungsgesetz – IntVG – vom 22.09.2009, BGBl I 3022[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267, 351 ff.[↩]
- vgl. Schorkopf, in: Bonner Kommentar, Art. 23 Rn. 136, August 2011[↩]
- vgl. BVerfGE 89, 155, 158 ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 3 Rn. 2[↩]
- BT-Drucks 12/6000, S. 21[↩]
- BT-Drucks 12/3338, S. 6; BT-Drucks 12/6000, S. 20[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 07.09.2011 – 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10, NJW 2011, S. 2946, 2951, Rn. 124; Urteil vom 28.02.2012 – 2 BvE 8/11[↩]
- vgl. die Abgeordneten Dr. Möller und Verheugen, Gemeinsame Verfassungskommission, 11. Sitzung am 15. Oktober 1992, Stenographischer Bericht, in: Deutscher Bundestag, Hrsg., Materialien zur Verfassungsdiskussion und zur Grundgesetzänderung in der Folge der deutschen Einigung, Band 1, Bericht und Sitzungsprotokolle, 1996, S. 543, 544 f.[↩]
- vgl. BT-Drucks 12/3896, S. 19; BT-Drucks 12/6000, S. 21; vgl. auch Möller/Limpert, ZParl 24, 1993, S. 21, 26[↩]
- Schorkopf, in: Bonner Kommentar, Bd 6, Art. 23 Rn. 144, August 2011[↩]
- so noch der Vorschlag von Möller, Arbeitsunterlage Nr. 67 der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 9. Juli 1992[↩]
- vgl. Abgeordneter Verheugen, Gemeinsame Verfassungskommission, 11. Sitzung am 15. Oktober 1992, Stenographischer Bericht, in: Deutscher Bundestag, Hrsg., Materialien zur Verfassungsdiskussion und zur Grundgesetzänderung in der Folge der deutschen Einigung, Band 1, Bericht und Sitzungsprotokolle, 1996, S. 543, 545[↩][↩]
- vgl. Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 23 Rn. 75[↩]
- vgl. Rath, Entscheidungspotenziale des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenheiten, 2001, S. 43 ff.[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 28.02.2012 – 2 BvE 8/11[↩][↩]
- BVerfGE 70, 324, 355; vgl. auch BVerfGE 40, 237, 249[↩]
- vgl. Müller-Franken, DVBl 2009, S. 1072, 1080[↩]
- vgl. BVerfGE 125, 104, 125; zuletzt BVerfG, Urteil vom 28.02.2012 – 2 BvE 8/11[↩]
- zur Kontrollfunktion des Parlaments BVerfGE 67, 100, 130; 110, 199, 218 f.; 124, 78, 121[↩]
- vgl. BVerfGE 83, 60, 71 f.; 93, 37, 66[↩]
- vgl. BVerfGE 85, 386, 403 f.; 95, 267, 307 f.; 108, 282, 312[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 07.09.2011 – 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10, NJW 2011, S. 2946, 2951, Rn. 124; BVerfG, Urteil vom 28.02.2012 – 2 BvE 8/11[↩]
- vgl. BVerfGE 70, 324, 358[↩]
- BVerfGE 67, 100, 139; 77, 1, 59; 110, 199, 214; 124, 78, 120[↩]
- vgl. BVerfGE 67, 100, 139, zum Recht der Untersuchungsausschüsse; BVerfGE 110, 199, 215; 124, 78, 120, zum parlamentarischen Fragerecht[↩]
- BVerfGE 67, 100, 139; 110, 199, 214, 222; 124, 78, 120[↩]
- vgl. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 23 Rn. 101[↩]
- vgl. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 23 Rn. 101; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 23 Rn. 77[↩]
- vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 23 Rn. 74; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 23 Rn. 101; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 23 Rn. 77[↩]
- ABl. EU 2009 Nr. L 325 vom 11.12.2009, S. 35[↩]
- vgl. BVerfGE 124, 78, 123 f., zu Untersuchungsausschüssen[↩]
- vgl. BVerfGE 67, 100, 135; 70, 324, 359; 77, 1, 48; BVerfG, Urteil vom 28.02.2012 – 2 BvE 8/11[↩]
- vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 23 Rn. 75[↩]
- vgl. Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 23 Rn. 107[↩]
- vgl. auch BVerfGE 110, 199, 220; s. aus der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte etwa Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 14.07.2010 – 57/08, DVBl 2010, S. 966; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 06.06.2011 – Vf. 49-IVa-10, NVwZ-RR 2011, S. 841, 843[↩]
- vgl. Baach, Parlamentarische Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union, 2008, S. 162[↩]
- BGBl II S. 753[↩]
- vgl. Möller, Arbeitsunterlage Nr. 84 der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 15. Oktober 1992[↩]
- vgl. Möller, Arbeitsunterlage Nr. 84 der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 15. Oktober 1992; Möller/Limpert, a.a.O., S. 26; Schmalenbach, Der neue Europaartikel 23 des Grundgesetzes im Lichte der Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission, 1996, S. 144 f.[↩]
- vgl. Möller/Limpert, a.a.O., S. 26[↩]
- vgl. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 23 Rn. 101; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 23 Rn. 79[↩]
- vgl. Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 23 Rn. 77, 79; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 23 Rn. 113[↩]
- vgl. BVerfG, Urteil vom 28.02.2012 – 2 BvE 8/11, m.w.N.[↩]
- vgl. Schorkopf, in: Bonner Kommentar, Bd. 6, Art. 23 Rn. 144, August 2011[↩]
- vgl. BVerfGE 89, 155, 188; 123, 267, 370 f.[↩]
- vgl. Schuppert, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsfaktoren, in: GVwR Bd. I, 2. Aufl.2012, § 16 Rn. 173a ff., 173h ff.[↩]
- BVerfG, Urteil vom 28.02.2012 – 2 BvE 8/11; Urteil vom 07.09.2011 – 2 BvR 987/10, 2 BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10, NJW 2011, 2946, 2951, Rn. 124[↩]
- ESM[↩]
- Protokoll Nr. 17/52 der 52. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 06.04.2011, S. 12, 19[↩]
- vgl. hierzu die Rechtsprechung des EuGH zum bisherigen Stabilitäts- und Wachstumspakt: EuGH, Urteil vom 13.07.2004 – C-27/04 [Kommission gegen Rat], Slg. 2004, I-6649, insb. Rn. 89[↩]
- KOM, 2011 400 endgültig[↩]
- Protokoll Nr. 17/31 der 31. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union vom 09.02.2011, S. 14[↩]
- vgl. Protokoll Nr. 17/31 der 31. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union vom 09.02.2011, S. 11[↩][↩]