Nachgeahmte Designermöbel und der Grundrechteschutz für EU-Unternehmen

Mit dem Grundrechtsschutz juristischer Personen aus der Europäischen Union und dem Verbreitungsrecht nach dem Urheberrechtsgesetz musste sich jetzt das Bundesverfassungsgericht in einer Verfassungsbeschwerde befassen, die einen Rechtsstreit wegen nachgeahmter Le Corbusier-Designermöbel betraf.

Nachgeahmte Designermöbel und der Grundrechteschutz für EU-Unternehmen

Die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt eine aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) vertraglich veranlasste Anwendungserweiterung des deutschen Grundrechtsschutzes dar.

Durch die Annahme, das Recht der Europäischen Union lasse keinen Umsetzungsspielraum, kann ein Fachgericht Bedeutung und Tragweite der Grundrechte des Grundgesetzes verkennen.

Der Ausgangsfall[↑]

Nach dem Urheberrechtsgesetz steht dem Urheber eines Werkes das alleinige Verbreitungsrecht zu. § 17 Abs. 1 UrhG definiert das Verbreitungsrecht als das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Die Vorschrift dient unter anderem der Umsetzung von Art. 4 der europäischen Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG. Der Begriff der Verbreitung umfasste nach bislang allgemeiner Auffassung jede Handlung, durch die das Werk der allgemeinen Öffentlichkeit zugeführt wurde, wofür jede Besitzüberlassung ausreichte. Daneben enthält § 96 UrhG ein Verwertungsverbot für rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke.

Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht mit Sitz in Italien, produziert Möbel nach Entwürfen des 1965 verstorbenen Architekten und Möbeldesigners Le Corbusier und nimmt in Lizenz dessen Urheberrechte wahr. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, eine Zigarrenherstellerin, richtete in einer Kunst- und Ausstellungshalle eine Zigarrenlounge ein, in der sie Nachbildungen von Le-Corbusier-Möbeln aufstellte. Mit ihrer hiergegen gerichteten Unterlassungsklage obsiegte die Beschwerdeführerin vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht.

Der Bundesgerichtshof wies dagegen die Klage mit der Begründung ab, dass das Aufstellen der Möbel weder das Verbreitungsrecht verletze noch gegen das Verwertungsverbot verstoße1. Er stützte seine Entscheidung auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union, der in einem Parallelverfahren auf eine Vorlage des Bundesgerichtshofs hin entschieden hatte, dass eine Verbreitung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie nur bei Übertragung des Eigentums vorliege2. Danach sei – so der Bundesgerichtshof – das Verbreitungsrecht nicht verletzt, wenn Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbel der Öffentlichkeit lediglich zum Gebrauch zugänglich gemacht würden. Die Urheberrechtsrichtlinie stelle eine verbindliche Regelung im Sinne eines Maximalschutzes dar, über den ein mitgliedstaatliches Gericht nicht hinausgehen dürfe.

Die Verfassungsbeschwerde[↑]

Die Beschwerdeführerin sieht sich dadurch in ihrem verfassungsmäßigen Eigentumsrecht verletzt. Zudem rügt sie eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter, weil der Bundesgerichtshof vorab dem EuGH die Fragen hätte vorlegen müssen, ob die Gebrauchsüberlassung von Werkstücken überhaupt in den Anwendungsbereich der Urheberrechtsrichtlinie falle und ob die Richtlinie einen Maximalschutz begründe.

Das Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Zwar ist die Beschwerdeführerin als ausländische juristische Person mit Sitz in der Europäischen Union Trägerin von Grundrechten des Grundgesetzes. Sie ist im Streitfall jedoch nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.

Grundrechteschutz für juristische Personen aus EU-Mitgliedsstaaten[↑]

Das Bundesverfassungsgericht hat sich zunächst mit der Frage befasst, ob ausländische juristische Personen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, Träger materieller Grundrechte des Grundgesetzes sein können, und dies bejaht.

Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Auch wenn es sich bei juristischen Personen aus Mitgliedstaaten der EU nicht um „inländische“ im Sinne des Grundgesetzes handelt, entspricht eine Anwendungserweiterung des Grundrechtsschutzes auf diese juristische Personen den durch die europäischen Verträge übernommenen vertraglichen Verpflichtungen, die insbesondere in den europäischen Grundfreiheiten und dem allgemeinen Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zum Ausdruck kommen. Diese verpflichten die Mitgliedstaaten und alle ihre Organe und Stellen, juristische Personen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat auch im Hinblick auf den zu erlangenden Rechtsschutz Inländern gleichzustellen. Die europarechtlichen Vorschriften verdrängen Art. 19 Abs. 3 GG nicht, sondern veranlassen lediglich die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf weitere Rechtssubjekte des Europäischen Binnenmarkts. Die Gleichstellung setzt einen hinreichenden Inlandsbezug der juristischen Person voraus, der regelmäßig vorliegen wird, wenn die ausländische juristische Person in Deutschland tätig wird und hier vor den Fachgerichten klagen und verklagt werden kann.

Die Beschwerdeführerin als juristische Person mit Sitz in Italien ist Trägerin von Grundrechten des Grundgesetzes. Die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union stellt eine aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) vertraglich veranlasste Anwendungserweiterung des deutschen Grundrechtsschutzes dar.

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Nach Art.19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die „wesensmäßige Anwendbarkeit“ ist bei den hier als verletzt gerügten Grundrechten ohne weiteres gegeben3.

Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht bislang entschieden, dass sich ausländische juristische Personen auf materielle Grundrechte – anders als auf prozessuale Grundrechte wie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG4 – nicht berufen können. Zur Begründung hat er auf Wortlaut und Sinn von Art.19 Abs. 3 GG verwiesen, die eine entsprechende ausdehnende Auslegung verböten5. In anderen Entscheidungen haben beide Senate des Bundesverfassungsgerichts die Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen ausdrücklich dahingestellt6.

Mit der spezielleren Frage, ob ausländische juristische Personen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, Träger materieller Grundrechte des Grundgesetzes sein können, hat sich das Bundesverfassungsgericht hingegen bislang nicht näher befasst. Allerdings wurde in einer Entscheidung aus dem Jahr 1968 die Verfassungsbeschwerde einer Vereinigung französischen Rechts mit Sitz in Frankreich ohne weitere Begründung für unzulässig erklärt7; in der Entscheidung aus dem Jahr 1973 zu einer französischen Handelsgesellschaft blieb deren Grundrechtsfähigkeit ausdrücklich dahingestellt8. In der Literatur ist die Frage umstritten9.

Nach dem Wortlaut von Art.19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte „für inländische juristische Personen“. Wegen der Beschränkung auf inländische juristische Personen lässt sich eine Anwendungserweiterung nicht mit dem Wortlaut von Art.19 Abs. 3 GG begründen. Es würde die Wortlautgrenze übersteigen, wollte man seine unionsrechtskonforme Auslegung auf eine Deutung des Merkmals „inländische“ als „deutsche einschließlich europäische“ juristische Personen stützen. Auch wenn das Territorium der Mitgliedstaaten der Europäischen Union angesichts des ihren Bürgern gewährleisteten Raumes „der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen“ mit freiem Personenverkehr (Art. 3 Abs. 2 EUV) nicht mehr „Ausland“ im klassischen Sinne sein mag, wird es dadurch nicht zum „Inland“ im Sinne der territorialen Gebietshoheit10.

Der Vorschrift lag jedoch kein Wille des Verfassungsgebers zugrunde, eine Berufung auf die Grundrechte auch seitens juristischer Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union dauerhaft auszuschließen. Der Allgemeine Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rats kam in einem Entwurf eines Art.20a GG, der dem heutigen Art.19 Abs. 3 GG entsprach, zu dem Schluss, es „dürfte kein Anlass bestehen, auch ausländischen juristischen Personen den verfassungsmäßigen Schutz der Grundrechte zu gewähren“11. Aus diesem Grund hatte der Vorsitzende des Ausschusses für Grundsatzfragen, v. Mangoldt, vorgeschlagen, das Wort „inländische“ einzufügen, womit sich der Ausschuss einverstanden erklärte12.

In den Jahren 1948/49 stand die Entwicklung eines gemeinsamen Europas noch am Anfang. Seitdem hat die Europäische Union zunehmend Gestalt angenommen und ist heute als hochintegrierter „Staatenverbund“13 ausgestaltet, an dem die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 23 Abs. 1 GG mitwirkt. Die Anwendungserweiterung von Art.19 Abs. 3 GG nimmt diese Entwicklung auf.

Die Anwendungserweiterung des Grundrechtsschutzes auf juristische Personen aus der Europäischen Union entspricht den durch die europäischen Verträge übernommenen vertraglichen Verpflichtungen, wie sie insbesondere in den europäischen Grundfreiheiten und – subsidiär – dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV zum Ausdruck kommen. Die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot stehen im Anwendungsbereich des Unionsrechts einer Ungleichbehandlung in- und ausländischer Unternehmen aus der Europäischen Union entgegen und drängen insoweit die in Art.19 Abs. 3 GG vorgesehene Beschränkung der Grundrechtserstreckung auf inländische juristische Personen zurück.

Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist seit 1957 in den europäischen Verträgen verankert und wurde im Lissabonner Vertrag unverändert in Art. 18 AEUV übernommen. Es ist ein Grundprinzip des Unionsrechts14, das in den Grundfreiheiten weiter ausgestaltet wird. Das Diskriminierungsverbot gehört zum Kernbestand der Unionsbürgerschaft und ist unmittelbar vor mitgliedstaatlichen Gerichten anwendbar; es begünstigt neben natürlichen auch juristische Personen15. Das allgemeine und die speziellen Diskriminierungsverbote verpflichten die Mitgliedstaaten und alle ihre Organe und Stellen, juristische Personen aus einem anderen EUMitgliedstaat auch im Hinblick auf den zu erlangenden Rechtsschutz Inländern gleichzustellen. In einem Vorabentscheidungsverfahren auf Vorlage des Bundesgerichtshofs hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass die europarechtliche Niederlassungsfreiheit eine nichtdiskriminierende Beurteilung der Rechts- und damit Parteifähigkeit vor deutschen Zivilgerichten verlangt16.

Eine Anwendungserweiterung erübrigt sich nicht, weil ein gleichwertiger Schutz der Beschwerdeführerin anderweitig gesichert wäre. Zwar können sich juristische Personen mit Sitz in einem anderen EUMitgliedstaat in fachgerichtlichen Verfahren ohnehin auf die unmittelbare Geltung des primären Unionsrechts stützen und bleiben somit auch ohne Berufung auf die deutschen Grundrechte nicht ohne Rechtsschutz. Für einen gleichwertigen Schutz im Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote reicht es jedoch nicht aus, wenn ausländische juristische Personen zwar im fachgerichtlichen Verfahren auf eine materielle Gleichstellung mit inländischen juristischen Personen hinwirken, ihre Rechte aber gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mangels Grundrechtsträgerschaft nicht auch mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts durchsetzen können.

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Ein Eingreifen der aus den Grundfreiheiten und Art. 18 AEUV abgeleiteten unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote setzt voraus, dass die betroffenen juristischen Personen aus der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden. Der Anwendungsbereich der Verträge richtet sich insoweit nach dem jeweiligen Stand des Primär- und Sekundärrechts der Europäischen Union und damit nach den ihr in den europäischen Verträgen übertragenen Hoheitsrechten (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EUV)17. Insbesondere ist er bei der Verwirklichung der Grundfreiheiten des Vertrags und dem Vollzug des Unionsrechts eröffnet. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin, die sich unter anderem auf unionsrechtlich (teil)harmonisiertes Urheberrecht beruft, welches durch wirtschaftliche Aktivitäten in Deutschland verletzt worden sein soll, fällt in den Anwendungsbereich der Verträge in diesem Sinne18.

Durch die Anwendungserweiterung des Art.19 Abs. 3 GG werden juristische Personen mit einem Sitz im EUAusland ebenso behandelt wie inländische juristische Personen. Dies impliziert umgekehrt, dass EUAusländern die gleichen Vorschriften der Verfassung wie inländischen juristischen Personen entgegengehalten werden können. Voraussetzung der Berufungsmöglichkeit auf die Grundrechte ist demnach ein hinreichender Inlandsbezug der ausländischen juristischen Person, der die Geltung der Grundrechte in gleicher Weise wie für inländische juristische Personen geboten erscheinen lässt. Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn die ausländische juristische Person in Deutschland tätig wird und hier vor den Fachgerichten klagen und verklagt werden kann19.

Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof durch das Bundesverfassungsgericht bedarf es nicht. Die nationalen Gerichte sind selbst dazu befugt, eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts vorzunehmen. Die richtige Auslegung der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote ist hier so offenkundig, dass keinerlei Raum für vernünftige Zweifel bleibt („acte clair“20).

Die Anwendungserweiterung des Art.19 Abs. 3 GG auf juristische Personen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union reagiert auf die europäische Vertrags- und Rechtsentwicklung und vermeidet eine Kollision mit dem Unionsrecht. Die Bundesrepublik Deutschland ist an Art. 18 AEUV und die sich aus den Grundfreiheiten ergebenden Diskriminierungsverbote einschließlich ihres Anwendungsvorrangs vor nationalem Recht21 gebunden. Die Anwendungserweiterung beachtet den Grundsatz, dass das supranational begründete Recht der Europäischen Union keine rechtsvernichtende, derogierende Wirkung gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht entfaltet, sondern nur dessen Anwendung soweit zurückdrängt, wie es die Verträge erfordern und es die durch das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben. Mitgliedstaatliches Recht wird insoweit lediglich unanwendbar22. Die europarechtlichen Vorschriften verdrängen Art.19 Abs. 3 GG nicht, sondern veranlassen lediglich die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf weitere Rechtssubjekte des Binnenmarkts. Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 GG erlaubt, unter Wahrung der in Art. 79 Abs. 2, 3 GG genannten Voraussetzungen Hoheitsgewalt auch insoweit auf die Europäische Union zu übertragen, als dadurch die Reichweite der Gewährleistungen des Grundgesetzes geändert oder ergänzt wird, ohne dass dabei das Zitiergebot des Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG eingreift23. Mit der vertraglichen Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu den Vorläuferregelungen zu Art. 18 AEUV und zu den Grundfreiheiten wurde unter Wahrung der Grenzen des Art. 79 Abs. 2, 3 GG auch der Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote mit der von Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG geforderten Mehrheit gebilligt24. Dies wirkt sich auch auf den Anwendungsbereich der Grundrechte aus, sofern eine Erstreckung der Grundrechtsgeltung auf juristische Personen aus der Europäischen Union veranlasst ist, um im Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Grundrechtsträgerschaft zu vermeiden. Die einzelnen Grundrechte des Grundgesetzes verändern sich durch die Erweiterung des Art.19 Abs. 3 GG jedoch nicht.

Die dem Bundesverfassungsgericht aufgegebene Kontrolle des europäischen Rechts auf Erhaltung der Identität der nationalen Verfassung, auf Einhaltung der nach dem System der begrenzten Einzelermächtigung überlassenen Kompetenzen und der Gewährleistung eines im Wesentlichen dem deutschen Grundrechtsschutz gleichkommenden Schutzniveaus bleibt erhalten. Die Identität der Verfassung25 wird durch die Erweiterung der Anwendung des Art.19 Abs. 3 GG offensichtlich nicht berührt.

Umsetzung von europäischen Unionsrecht[↑]

Das Bundesverfassungsgericht hatte weiter zu klären, ob und inwieweit die Fachgerichte das von ihnen anzuwendende, ganz oder teilweise unionsrechtlich harmonisierte deutsche Recht am Maßstab des deutschen Grundgesetzes und des Rechts der Europäischen Union zu messen haben und inwieweit das Bundesverfassungsgericht die fachgerichtliche Auslegung seinerseits am Grundgesetz überprüft. Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung des Urheberrechts den Eigentumsschutz nach dem Grundgesetz zu beachten, soweit das europäische Recht hierbei Auslegungsspielräume lässt. Halten die Gerichte eine Vollharmonisierung durch das Unionsrecht für eindeutig, ohne ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, unterliegt dies der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, das hierbei nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt ist. Fehlt es an einem mitgliedstaatlichen Auslegungsspielraum, müssen die Gerichte das anwendbare Unionsrecht bei gegebenem Anlass auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Unionsrechts prüfen und, wenn erforderlich, ein Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH einleiten.

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Nach diesen Maßstäben ist die Beschwerdeführerin durch das angegriffene Urteil nicht in ihrem von Art. 14 Abs. 1 GG umfassten Urheberrecht, die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der Möbel zu kontrollieren, verletzt. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Urheberrechtsrichtlinie in der Auslegung durch den EuGH lasse keinen Spielraum für die Einbeziehung der bloßen Gebrauchsüberlassung von Möbelplagiaten in den Schutz des Urheberrechts, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der EuGH hat im Parallelverfahren etwaige Umsetzungsspielräume nicht erwähnt und Erweiterungen des Verbreitungsbegriffs ausdrücklich dem Unionsgesetzgeber vorbehalten. Der Bundesgerichtshof konnte davon ausgehen, dass das Urteil des EuGH ihm keinen Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung von § 17 UrhG lässt.

Art. 14 Abs. 1 GG ist durch das angegriffene Urteil nicht verletzt. Zwar unterfällt das Urheberrecht der Beschwerdeführerin dem verfassungsmäßigen Recht am Eigentum, welches die Gerichte bei der Auslegung nationalen Rechts zu beachten haben, soweit das europäische Recht hierbei Auslegungsspielräume lässt. Die richtlinienkonforme Auslegung der streitentscheidenden Vorschriften der §§ 17, 96 UrhG durch den Bundesgerichtshof ist aber mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das in §§ 17, 96 UrhG gesetzlich ausgestaltete Recht des Urhebers, die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken seines Werks zu kontrollieren, stellt Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG dar. Nach diesen Vorschriften kommen auch Urheber angewandter Kunst in den Genuss dieses Rechts, soweit das Design die erforderliche Gestaltungshöhe besitzt. Dies ist hier unstreitig der Fall.

Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen26. Dabei hat der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsraum27. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, dem Urheber jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zuzuordnen28.

Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet29. Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht30 und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften31.

Wie etwa im Mietrecht und im Arbeitsrecht ist es allerdings auch in urheberrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben32. Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist vielmehr erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet33.

Ein Grundrechtsverstoß liegt insbesondere auch dann vor, wenn das Zivilgericht den grundrechtlichen Einfluss überhaupt nicht berücksichtigt oder unzutreffend eingeschätzt hat und die Entscheidung auf der Verkennung des Grundrechtseinflusses beruht34. Dies kann der Fall sein, wenn sich ein Gericht in der Annahme, an vermeintlich zwingendes Unionsrecht gebunden zu sein, an der Berücksichtigung der Grundrechte des Grundgesetzes gehindert sieht. Lässt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum, ist dieser grundgesetzkonform auszufüllen35. Die Fachgerichte müssen den Einfluss der Grundrechte bei der Auslegung zivilrechtlicher Vorschriften des nationalen Rechts, die unionsrechtlich nicht oder nicht vollständig determiniert sind, zur Geltung bringen36.

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Ob ein Umsetzungsspielraum besteht, ist durch Auslegung des dem nationalen Umsetzungsrecht zugrunde liegenden Unionsrechts, insbesondere also der umgesetzten Richtlinien zu ermitteln. Die Auslegung unionsrechtlicher Sekundärrechtsakte obliegt auf nationaler Ebene zuvörderst den Fachgerichten. Diese haben dabei gegebenenfalls die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV – auch in Bezug auf den Schutz der Grundrechte – in Betracht zu ziehen.

Halten die Fachgerichte eine vollständige Bindung durch das Unionsrecht ohne Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof für eindeutig, unterliegt dies der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Hierbei ist es nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt. Denn mit der Feststellung oder Verneinung eines unionsrechtlichen Umsetzungsspielraums wird zunächst durch die Fachgerichte darüber entschieden, ob Grundrechte des Grundgesetzes berücksichtigt werden müssen und ob das Bundesverfassungsgericht nach seiner Rechtsprechung die Überprüfung nationaler Umsetzungsakte am Maßstab des Grundgesetzes zurücknimmt, solange die Europäische Union einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen wirksamen Schutz der Grundrechte gewährleisten, der nach Inhalt und Wirksamkeit dem Grundrechtsschutz, wie er nach dem Grundgesetz unabdingbar ist, im Wesentlichen gleichkommt37.

Fehlt es an einem mitgliedstaatlichen Umsetzungsspielraum, muss das Fachgericht das anwendbare Unionsrecht bei gegebenem Anlass auf seine Vereinbarkeit mit den Unionsgrundrechten prüfen und, wenn erforderlich, ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV einleiten38. Dasselbe gilt, wenn das Unionsrecht, einschließlich der europäischen Grundrechte39, bislang ungeklärte Auslegungsfragen aufwirft. Eine Vorlage kann aus grundrechtlicher Sicht insbesondere dann erforderlich sein, wenn das Gericht Zweifel an der Übereinstimmung eines europäischen Rechtsakts oder einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs mit den Grundrechten des Unionsrechts, die einen den Grundrechten des Grundgesetzes entsprechenden Grundrechtsschutz gewährleisten, hat oder haben muss.

Ein Verstoß des angegriffenen Urteils gegen die Eigentumsfreiheit der Beschwerdeführerin gemäß Art. 14 Abs. 1 GG lässt sich nach diesen Maßstäben nicht feststellen. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Urheberrechtsrichtlinie in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof lasse keinen Spielraum für die Einbeziehung der bloßen Gebrauchsüberlassung nachgeahmter Möbelstücke in den Schutz des Verbreitungsrechts nach § 17 Abs. 1 UrhG und § 96 Abs. 1 UrhG, ist unter diesen Umständen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Bedeutung und Tragweite der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sind damit nicht verkannt.

Zur Harmonisierung des Verbreitungsrechts durch die Urheberrechtsrichtlinie werden verschiedene Auffassungen vertreten40. Der Bundesgerichtshof verweist zutreffend darauf, dass § 17 UrhG richtlinienkonform auszulegen ist. Er durfte von Verfassungs wegen davon ausgehen, dass die Annahme einer bloßen Teilharmonisierung mit dem Harmonisierungszweck der Richtlinie, wie er insbesondere in den Erwägungsgründen 1, 4, 6, 7 niedergelegt ist, und der Warenverkehrsfreiheit des Unionsrechts unvereinbar wäre. Der Europäische Gerichtshof hat im Parallelverfahren etwaige Umsetzungsspielräume nicht erwähnt und Erweiterungen des Verbreitungsbegriffs ausdrücklich dem Unionsgesetzgeber vorbehalten41. Die Generalanwältin hatte sich für eine Auslegung im Sinne eines abschließenden Verbreitungsbegriffs zudem auf die Notwendigkeit des Schutzes der unionsrechtlichen Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 EG42 gestützt43. Der Bundesgerichtshof konnte demnach davon ausgehen, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ihm keinen Auslegungsspielraum lässt, um im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung von § 17 UrhG den in der Richtlinie vorgesehenen Schutz des Verbreitungsrechts zu überschreiten. Damit hat der Bundesgerichtshof die Frage des Umsetzungsspielraums aufgeworfen und ohne Verfassungsverstoß unter Beachtung des Unionsrechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beantwortet.

Der Bundesgerichtshof konnte auch den Verbreitungsbegriff in § 96 UrhG mit § 17 UrhG übereinstimmend auslegen sowie davon ausgehen, dass er mittelbar ebenfalls von der Harmonisierung durch Art. 4 der Urheberrechtsrichtlinie erfasst wird und demnach kein Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung blieb. Dass sich die Verbreitungsbegriffe der §§ 17, 96 UrhG entsprechen, steht im Einklang mit der allgemeinen Meinung44.

Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union[↑]

Schließlich sah das Bundesverfassungsgericht durch das angegriffene Urteil die Beschwerdeführerin asuch nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass sie bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Anwendung dieser Regeln offensichtlich unhaltbar ist.

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Indem der Bundesgerichtshof die von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Fragen im Parallelverfahren dem EuGH vorgelegt hat, hat er seine Vorlagepflicht auch im Streitfall nicht grundsätzlich verkannt. Dem angegriffenen Urteil ist die vertretbare Überzeugung zu entnehmen, dass Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie eine vollharmonisierte Regelung des Verbreitungsrechts darstellt und der EuGH die Auslegung des Verbreitungsbegriffs der Richtlinie abschließend und umfassend geklärt hat.

Das angegriffene Urteil entzieht die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das nationale Gericht ist unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts wegen gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen45.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, „dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt“46. Die Entscheidungserheblichkeit der europarechtlichen Frage für den Ausgangsrechtsstreit hingegen beurteilt allein das nationale Gericht47.

Das Bundesverfassungsgericht überprüft allerdings nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist48. Die Vorlagepflicht wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der – seiner Auffassung nach bestehenden – Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), oder in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung)49. Dabei kommt es für die Prüfung einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV50.

Nach diesen Maßstäben liegt keine unhaltbare Handhabung der Vorlagepflicht vor.

Indem der Bundesgerichtshof die von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Fragen im Parallelverfahren dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat, hat er Art. 267 Abs. 3 AEUV auch im Streitfall nicht grundsätzlich verkannt. Auch wenn das Unionsrecht die Vorlage einer gleichen oder ähnlichen Auslegungsfrage erlaubt51, musste der Bundesgerichtshof aus verfassungsrechtlicher Sicht die Sache nicht erneut dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, wenn nach seiner Einschätzung die Antwort des Gerichtshofs keinen Raum für „vernünftigen Zweifel“46 ließ. Dem angegriffenen Urteil ist die vertretbare Überzeugung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen, dass Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie eine vollharmonisierte Regelung des Verbreitungsrechts darstellt und der Europäische Gerichtshof die Auslegung des Verbreitungsbegriffs der Richtlinie abschließend und umfassend geklärt hat.

Bundesverfassungsericht, Beschluss vom vom 19. Juli 2011 – 1 BvR 1916/09

  1. BGH, Urteil vom 22.01.2009 – I ZR 148/06[]
  2. EuGH, Urteil vom 17.04.2008 – C-456/06 [Peek&Cloppenburg/Cassina], Slg. 2008, S. I-2731[]
  3. vgl. zu Art. 14 Abs. 1 GG: BVerfGE 4, 7, 17; 23, 153, 163; 35, 348, 360; 53, 336, 345; 66, 116, 130; zu den Prozessgrundrechten: BVerfGE 3, 359, 363; 12, 6, 8; 18, 441, 447; 19, 52, 55 f.; 64, 1, 11; 75, 192, 200[]
  4. vgl. BVerfGE 12, 6, 8; 18, 441, 447; 21, 362, 373; 64, 1, 11[]
  5. vgl. BVerfGE 21, 207, 208 f.; 23, 229, 236; 100, 313, 364[]
  6. vgl. allgemein BVerfGE 12, 6, 8; 34, 338, 340; 64, 1, 11; sowie BVerfGE 18, 441, 447 hinsichtlich Art. 14 Abs. 1 GG[]
  7. BVerfGE 23, 229, 236[]
  8. BVerfGE 34, 338, 340[]
  9. vgl. befürwortend Drathen, Deutschengrundrechte im Lichte des Gemeinschaftsrechts, 1994; H. Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, 2. Aufl.2004, Art.19 Abs. 3 Rn.20 f., 83 f.; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl.2010, Art.19 Abs. 3 Rn. 305 ff.; Kotzur, DÖV 2001, S.192, 195 ff.; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art.19 Abs. 3 Rn. 93 ff., Mai 2009; ablehnend Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art.19 Abs. 3 Grundgesetz, 1985, S. 46 ff.; Quaritsch, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 2. Aufl.2000, § 120 Rn. 36 ff.; v. Mutius, in: Bonner Kommentar zum GG 1975, Art.19 Abs. 3 Rn. 50, 52; Weinzierl, Europäisierung des deutschen Grundrechtsschutzes?, 2006[]
  10. vgl. BVerfGE 123, 267, 402 f.[]
  11. Parlamentarischer Rat, Drucks. 370 vom 13.12.1948[]
  12. Kurzprotokoll der 32. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen, Drucks. 578 vom 11.01.1949, S. 10[]
  13. BVerfGE 123, 267, 348[]
  14. EuGH, Urteil vom 27.10.2009 – C115/08 Österreich/CEZ, EuZW 2010, S. 26, Rn. 89; vgl. schon H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 592[]
  15. vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.1993 – Phil Collins, a.a.O., Rn. 30 ff.[]
  16. BVerwG, Urteil vom 05.11.2002 – Überseering, a.a.O., Rn. 76 ff.[]
  17. vgl. BVerfGE 123, 267, 349 ff.; 126, 286, 302[]
  18. vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.1993 – Phil Collins, a.a.O., Rn. 22, 27; Urteil vom 06.06.2002 – C360/00 Ricordi, Slg.2002, S. I5088, Rn. 24[]
  19. so der Sache nach zu den Prozessgrundrechten bereits BVerfGE 12, 6, 8; 18, 441, 447[]
  20. vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982 – Rs. 283/81 C.I.L.F.I.T., Slg.1982, S. 3415, Rn. 16[]
  21. vgl. BVerfGE 126, 286, 301 f.[]
  22. vgl. BVerfGE 123, 267, 398 ff.; 126, 286, 301 f.[]
  23. vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 05.11.1993, BT-Drucks 12/6000, S. 21; Pernice, in: H. Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl.2006, Art. 23 Rn. 87; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Oktober 2009, Art. 23 Rn. 115[]
  24. vgl. BVerfGE 126, 286, 302[]
  25. vgl. BVerfGE 123, 267, 354, 398 ff.; 126, 286, 302 f.[]
  26. vgl. BVerfGE 31, 229, 240 f.; 79, 1, 25[]
  27. vgl. BVerfGE 21, 73, 83; 79, 1, 25; 79, 29, 40[]
  28. vgl. BVerfGE 31, 248, 252; 31, 275, 287[]
  29. vgl. BVerfGE 89, 1, 9[]
  30. vgl. BVerfGE 8, 210, 221; 88, 145, 166[]
  31. vgl. BVerfGE 112, 332, 358 m.w.N.[]
  32. vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2010 – 1 BvR 2760/08, GRUR 2011, S. 223, Rn.19 m.w.N.[]
  33. vgl. BVerfGE 89, 1, 9 f.; 95, 28, 37; 97, 391, 401; 112, 332, 358 f.[]
  34. vgl. BVerfGE 97, 391, 401[]
  35. vgl. BVerfGE 113, 273, 300 ff.[]
  36. vgl. BVerfGE 118, 79, 95 ff.[]
  37. vgl. BVerfGE 73, 339, 387; 102, 147, 161; 123, 267, 335[]
  38. vgl. BVerfGE 118, 79, 97[]
  39. vgl. Art. 6 EUV in Verbindung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten[]
  40. vgl. die Nachweise im angegriffenen Urteil, a.a.O., Rn. 13 f., sowie Goldmann/Möller, GRUR 2009, S. 551, 554 f.; v. Lewinski, in: Hilty/Drexl/Nordemann, Festschrift für Loewenheim, 2009, S. 175, 180 ff.; Schulze, GRUR 2009, S. 812, 813 f.; vgl. auch die Stellungnahme der GRUR im vorliegenden Verfahren, a.a.O.[]
  41. BVerwG, Urteil vom 17.04.2008, a.a.O., Rn. 37 ff.[]
  42. jetzt Art. 34 AEUV[]
  43. Schlussanträge vom 17.01.2008, Slg.2008, S. I2731, Rn. 33 ff.[]
  44. vgl. nur Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Aufl.2009, § 96 Rn. 9[]
  45. vgl. BVerfGE 82, 159, 192 f.[]
  46. EuGH, Urteil vom 06.10.1982, a.a.O., Rn. 21[][]
  47. vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982, a.a.O., Rn. 10; Urteil vom 27.06.1991 – C348/89 Mecanarte, Slg.1991, S. I3277, Rn. 47; BVerfGE 82, 159, 194[]
  48. vgl. BVerfGE 82, 159, 194 ff.; 126, 286, 315 ff.[]
  49. vgl. BVerfGE 82, 159, 195 f.; 126, 286, 316 f.[]
  50. vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Bundesverfassungsgerichts vom 25.01.2011 – 1 BvR 1741/09, NJW 2011, S. 1427, Rn. 104 f.; der Sache nach ebenso gehandhabt in BVerfGE 126, 286, 317 f.[]
  51. vgl. EuGH, Urteil vom 11.06.1986 – C14/86 Pretore di Salò, Slg.1987, S. 2545, Rn. 12; stRspr[]
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