Schülerbeförderungskosten – und die Kinder von Grenzgängern

Die Regelung in Rheinland-Pfalz, dass die Kostenübernahme der Schülerbeförderung an den Wohnsitz der Kinder im Bundesland gebunden ist, verstößt gegen Europarecht. Für Kinder von Grenzgängern müssen ebenfalls die Schülerbeförderungskosten übernommen werden.

Schülerbeförderungskosten – und die Kinder von Grenzgängern

So hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in dem hier vorliegenden Fall entschieden, nachdem der Europäische Gerichtshof1 auf seine Vorlage hin geurteilt hat, dass das Wohnsitzerfordernis eine nicht gerecht­fertigte Diskriminierung von Kindern sog. Grenz­arbeiter darstelle. Nun hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des beklagten Landkreises zurückgewiesen und damit das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt.

In dem Verfahren stritten sich die Beteiligten um die Pflicht des beklagten Landkreises, den Klägern die Schüler­beförderungskosten für das Schuljahr 2015/2016 zu erstatten. Die Kläger besuchten im betreffenden Schuljahr die 7. bzw. die 10. Klassenstufe einer Realschule plus im beklagten Landkreis. Sie sind – wie ihre Eltern – deutsche Staats­angehörige, die Familie wohnt in Wissem­bourg/Frankreich. Die Mutter der Kläger war während des gesamten Schuljahres 2015/2016 als Angestellte in Deutschland tätig. Der beklagte Land­kreis verweigerte die in den vorherigen Schuljahren noch gewährte Übernahme der Schülerbeförderungskosten unter Hinweis darauf, das rheinland-pfälzische Schul­gesetz weise den Landkreisen die Schülerbe­för­derung ausdrücklich nur für diejeni­gen Schülerinnen und Schüler zu, die ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz hätten. Die Kläger machten dagegen vor allem geltend, dieses Wohnsitzerfordernis stelle europarechtlich eine unzulässige Diskriminie­rung dar.

Weiterlesen:
Fernsehen live aus dem Stadtrat

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich hier um eine europarechts­widrige (mittelbare) Diskriminierung der Kläger. Daher ist der Klage stattgegeben worden. Der beklagte Landkreis hat dagegen Berufung eingelegt.

In seiner Urteilsbegründung hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ausgeführt, dass es an die von dem Europäischen Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren vor­ge­nommene Auslegung des Unionsrechts2 bei der Entscheidung über den Ausgangsrechts­streit gebunden sei. Danach stelle eine nationale Rechtsvorschrift, die die Über­nahme der Schüler­beförde­rung durch ein Bundesland von der Voraussetzung eines Wohnsitzes in diesem Bun­desland abhängig mache, eine mittelbare Diskriminierung dar, da sie sich ihrem Wesen nach eher auf Grenzarbeitnehmer als auf inlän­dische Arbeit­neh­mer auswirken könne. Auch praktische Schwierigkeiten im Zusam­menhang mit der effizien­ten Organisation der Schülerbeförderung in einem Bundes­land stelle, wie der Europäische Gerichtshof weiter geurteilt habe, keinen zwingen­den Grund des Allgemeininteresses dar, der eine als mittelbare Diskri­mi­nierung eingestufte nationale Maßnahme rechtfertigen könne. Deshalb sei, so das Oberverwaltungsgericht, das Wohnsitzer­for­der­nis, wie es im rheinland-pfälzischen Schulgesetz nor­miert sei, insoweit als unions­rechts­widrig einzustufen. Es stelle eine nicht gerecht­fertigte mittelbare Diskriminierung von Kindern von Grenzarbeitnehmern dar. Die gewährte Ver­günstigung sei daher, wie auch bereits das Ver­waltungs­gericht zutreffend ent­schie­den habe, bis zu einer gesetzlichen Neurege­lung auf die Mitglieder der europa­rechts­widrig benachteiligten Gruppe, der die Kläger als Kinder von Grenzgängern angehören, zu erstrecken und die Schülerbeförderungskosten daher zu übernehmen.

Weiterlesen:
Landeskinderregelungen bei Auslandsstipendien

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juni 2020 – 2 A 10461/20.OVG

  1. EuGH, Entscheidung vom 02.04.2020 – Rs. C-830/18[]
  2. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung [EU] Nr. 492/2011 des Euro­päischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeit­nehmer innerhalb der Union[]