Vereinwechsel von Nachwuchsspielern im Profifußball

Vor einigen Jahren hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bereits das Transfersystem bei Profifußballern gehörig durcheinander gewirbelt. Wie es aussieht, steht ein ähnlicher Umbruch nun der Nachwuchsförderung im Profifußball ein ähnlicher Umbruch bevor. Auslöser hierfür ist ein Rechtsstreit zwischen Olympique Lyonnais und Newcastle United sowie einem jungen Profifußballer:

Vereinwechsel von Nachwuchsspielern im Profifußball

1997 unterzeichnete Olivier Bernard mit dem französischen Fußballverein Olympique Lyonnais einen Vertrag als „joueur espoir“ für drei Spielzeiten mit Wirkung von 1. Juli 1997. Den ihm im Anschluss daran angebotenen Vertrag als Berufsspieler lehnte er ab und schloss stattdessen einen Profivertrag mit dem englischen Verein Newcastle United.

Zum damaligen Zeitpunkt bestimmte die französische Berufsfußball-Charta, dass „joueurs espoir“ – viel versprechende Spieler im Alter von 16 bis 22 Jahren, die bei einem professionellen Verein im Rahmen eines befristeten Vertrags als Auszubildende beschäftigt sind – einen ihnen vom Ausbildungsverein angebotenen Profivertrag annehmen mussten. Wer ein solches Angebot ablehnte, durfte während eines Zeitraums von drei Jahren ohne schriftliche Zustimmung des Ausbildungsvereins zu keinem anderen französischen Club wechseln.

Olympique Lyonnais hat Olivier Bernard und Newcastle United daraufhin vor französischen Gerichten auf Zahlung von 53.357,16 € verklagt. Dies entspricht dem Gehalt, das der Nachwuchsfußballer nach Vertragsunterzeichnung bei Olympique Lyonnais in einem Jahr verdient hätte.

In erster Instanz erhielt Olympique Lyonnais die Hälfte dieser Summe zugesprochen, die Olivier Bernard und Newcastle United als Gesamtschuldner zahlen sollten. Nach erfolgreichem Rechtsmittel der Beklagten legte Olympique Lyonnais seinerseits Rechtsmittel bei der französischen Cour de cassation ein. Diese hat sodann dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ein Vorabentscheidungsersuchen zu der Frage vorgelegt, ob eine Bestimmung, nach der ein Auszubildender, der einen Profivertrag bei einem Club in einem anderen Mitgliedstaat abschließt, zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein kann, die vom EG-Vertrag garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt und, wenn ja, ob dies mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden kann, die Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsprofis zu fördern.

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In diesem Vorabentscheidungsersuchen hat nun die zuständige Generalanwältin dem Europäischen Gerichtshof den Schlussantrag vorgelegt. Die hierin geäußerte Ansicht der Generalanwältin ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es vielmehr, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften treten sodann in die Beratung ein, das Urteil wird dann zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Gleichwohl ist der Schlussantrag des Generalanwalts regelmäßig ein erstes Indiz, wie der Gerichtshofs wahrscheinlich urteilen wird. Und der Schlussantrag der in diesem Fall zuständigen Staatsanwältin wird so manchen Verein im Profifußball, der noch Nachwuchsförderung betreibt, schlucken lassen:

Die zuständige Generalanwältin ist in ihrem Schlussantrag der Ansicht, dass Bestimmungen, nach denen ein Fußballverein, der einen jungen Spieler verpflichtet, dessen Ausbildungsverein entschädigen muss, zwar gerechtfertigt sein können. Eine solche Entschädigung wäre aber nur dann verhältnismäßig, wenn sie anteilig anhand der vom Verein insgesamt für die Ausbildung von Spielern aufgewandten Kosten berechnet und angemessen unter allen an der Ausbildung des Spielers beteiligten Vereinen aufgeteilt würde.

Nach Ansicht der Generalanwältin beschränkt eine Bestimmung, nach der ein Auszubildender, der einen Profivertrag bei einem Club in einem anderen Mitgliedstaat abschließt, zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein kann, die Arbeitnehmerfreizügigkeit.

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Die Ausübung des Sports falle insoweit unter das Gemeinschaftsrecht, als sie zum Wirtschaftsleben gehöre, was bei der entgeltlichen Beschäftigung professioneller Fußballer der Fall sei. Das Verbot von Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit erstrecke sich auch auf Vorschriften zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit, zu denen die von Fußballverbänden aufgestellten Regeln zählten. Die Generalanwältin erinnert überdies daran, dass Regeln die Freizügigkeit von Arbeitnehmern auch dann beeinträchtigen können, wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden und dass Bestimmungen, denen zufolge beim Transfer eines Berufsfußballers die Zahlung einer Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung zwischen Vereinen zu entrichten ist, grundsätzlich eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellen.

Im Hinblick auf eine mögliche Rechtfertigung solcher Bestimmungen stellt die Generalanwältin fest, dass sie gewährleisten, dass die Vereine nicht dadurch von der Einstellung und Ausbildung abgehalten werden, dass ihre entsprechenden finanziellen Aufwendungen einem anderen Verein zugute kommen könnten, ohne dass sie selbst dafür entschädigt werden. In Anbetracht der gesellschaftlichen Bedeutung des Fußballs und des weitgehenden Konsenses in der Öffentlichkeit, dass die Ausbildung und Einstellung junger Spieler gefördert werden muss, hält die Generalanwältin es für plausibel, dass Bestimmungen, nach denen Vereine für ihre finanziellen Aufwendungen für die Ausbildung entschädigt werden, aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können.

Allerdings gehe die streitige französische Regelung im Hinblick auf die Entschädigung über das zur Erreichung des verfolgten Zieles erforderliche hinaus. Lediglich eine Maßnahme, durch die die Vereine entsprechend den ihnen tatsächlich entstandenen Ausbildungskosten entschädigt würden, sei angemessen und verhältnismäßig. Eine Entschädigung, die sich nach dem voraussichtlichen Einkommen des Spielers oder nach dem voraussichtlich entgangenen Gewinn des Vereins berechne, sei unzulässig, da keines dieser Kriterien eine besondere Sachnähe zu der Frage aufwiesen, wie die Anwerbung und Ausbildung junger Spieler gefördert werden kann.

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Da nur eine Minderheit der ausgebildeten Spieler später eine erfolgreiche Profikarriere verfolge, sei die bei Beschäftigung von in anderen Vereinen ausgebildeten Spielern zu zahlende Entschädigung nicht nach den Ausbildungskosten des einzelnen Spielers, sondern anteilig anhand der vom anderen Verein insgesamt für die Ausbildung von Spielern aufgewandten Kosten zu bemessen. Auch bestehe die Möglichkeit, dass die Ausbildung eines bestimmten Spielers bei mehreren Vereinen erfolgt sei, so dass eine etwa geschuldete Entschädigung anhand einer angemessenen Berechnungsmethode anteilig unter den betreffenden Vereinen aufgeteilt werden müsse.

Schließlich hält es die Generalanwältin auch nicht für unangemessen, wenn unter bestimmten Umständen der Spieler selbst in irgendeinem Umfang zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung verpflichtet sein könnte, sofern sich der Betrag dann ausschließlich nach den Kosten für seine individuelle Ausbildung berechne, ohne dass es auf die Gesamtaufwendungen für Ausbildung ankomme.

Mit anderen Worten: Die Kosten für die Ausbildung der später nicht erfolgreichen Nachwuchsfußballer sollen die Ausbildungsvereine alleine tragen, die erfolgreichen können dann gegen reine Unkostenerstattung von anderen Vereinen verpflichtet werden. Sollte sich der EuGH dieser Ansicht anschließen, müsste jeder Profiverein als „blöd“ angesehen werden, der selbst noch in die Ausbildung von Nachwuchsfußballern investiert.

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Schlussanträge des Generalanwalts vom 16. Juli 2009 – C-325/08
(Olympique Lyonnais / Olivier Bernard & Newcastle United)

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