Ein Umgang von einer Woche jeden Monat kann auch gegen den Willen eines Elternteils dem Kindeswohl entsprechen.

Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat jedes Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet. Dabei steht das Umgangsrecht eines Elternteils ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutze des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Das Umgangsrecht ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrecht zu erhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen1. Dem Kind soll das Umgangsrecht gem. § 1626 Abs. 3 BGB ermöglichen, die Beziehung zu dem nicht mit ihm zusammenlebenden Elternteil aufrecht zu erhalten, sie durch Begegnungen und gegenseitige Aussprache zu pflegen. Denn es ist für eine gedeihliche seelische Entwicklung des Kindes und für seine psychische Verarbeitung der Elterntrennung und Familienauflösung sehr bedeutsam, nicht nur einen sorgenden (und sorgeberechtigten) Elternteil als ständigen Bindungspartner zu haben, sondern auch den anderen Elternteil faktisch nicht zu verlieren, vielmehr die Beziehungen zu ihm so (qualitativ) gut wie möglich aufrechtzuerhalten2. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, so regelt das Familiengericht den Umgang ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls nach Maßgabe des § 1684 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BGB; dabei muss die Entscheidung des Familiengerichts sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen und sich im Einzelfall um einen Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen3.
Vorliegend ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die Abänderung einer bereits bestehenden Umgangsregelung begehrt. Nach § 1696 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht einen gerichtlich gebilligten Vergleich zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Dieser Maßstab ist strenger als die oben dargestellten Grundsätze für eine erstmalige Umgangsregelung. Die für die Abänderung maßgeblichen Gründe müssen die mit der Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen4. Eine getroffene Entscheidung zum Sorge- und Umgangsrecht soll nicht beliebig wieder aufgerollt und leicht abgeändert werden können5.
Solche triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründe liegen lediglich in Randbereichen vor, nicht aber hinsichtlich des Kernbegehrens der Antragstellerin.
Die hier von den beteiligten Eltern getroffene Umgangsvereinbarung einer monatlich wiederkehrenden Betreuung der Kindes durch den Vater für eine ganze Woche erscheint zunächst ungewöhnlich. Zwar verbietet sich bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts jeder Schematismus6, allerdings hat sich in vielen Konstellationen bewährt, lediglich die Freizeit des Kindes zwischen dem betreuenden Elternteil und dem umgangsberechtigten Elternteil hälftig zu teilen, d.h. ein Umgang findet an jedem zweiten Wochenende sowie in der Hälfte der Ferien statt.
Dem gegenüber steht das hier zumindest teilweise praktizierte sog. Wechselmodell, in dem das Kind auch seinen (Schul-)Alltag von wechselnden Lebensmittelpunkten aus erlebt. Es ist zwar anerkannt, dass mit dem regelmäßigen Wechsel des Kindes zwischen zwei Haushalten erhebliche Vorteile für das Kind und die Eltern verbunden sind. Die enge Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Kind und beiden Elternteilen wird aufrechterhalten und das Kind erlebt den Alltag mit beiden Eltern. Beide Elternteile bleiben in der Verantwortung für ihre Kinder und werden durch das Wechselmodell von der Mehrfachbelastung, die bei einem allein erziehenden Elternteil besteht, entlastet7.
Gegen ein solches Modell können aber Bedenken bestehen. Diese sind allerdings wohl nicht damit zu begründen, dass ein fester Lebensmittelpunkt für die gesunde Entwicklung eines Kindes erforderlich sei, weil ein solcher allgemeiner entwicklungspsychologischer Grundsatz nicht gesichert ist8. Vielmehr kann dies jeweils nur im konkreten Einzelfall festgestellt werden9. Im vorliegenden Fall hat das eingeholte gerichtliche Gutachten keine Hinweise in diese Richtung ergeben. Solche werden von der Antragstellerin auch lediglich allgemein behauptet. Zu Recht hat der Gutachter aber insoweit ausführlich dargelegt, dass die Kinder unter dem Streit der Eltern und nicht unter dem zeitlichen Umfang des Umgangs mit dem Vater leiden.
Allerdings stellt die Durchführung eines regelmäßigen Wechsels des Aufenthaltes des Kindes auch im (Schul-)Alltag an die Eltern höhere Anforderungen bezüglich der Kommunikation, Kompromissbereitschaft, aber auch des Kontaktes miteinander als bei einem Umgang lediglich in der Freizeit des Kindes10. Deshalb wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung ein solches Wechselmodell allgemein für nicht tragfähig erachtet, wenn ein Elternteil dieses ablehnt11. Allerdings sind die für diesen Grundsatz in Anspruch genommenen Entscheidungen soweit ersichtlich ausnahmslos zur Frage der Beibehaltung einer gemeinsamen elterlichen Sorge ergangen, stellen also „Alles-oder-nichts, Entscheidungen“ dar, während es vorliegend lediglich um den zeitlichen Umfang eines Umgangsrechtes geht. Dies ist insofern von Bedeutung, als hier bei den Stellungnahmen beider Eltern anklingt, dass viele Konflikte im Zusammenhang mit der Absprache der konkreten Übergabetermine entstehen, es sich im Übrigen als hilfreich erwiesen hat, während des Aufenthalts beim anderen Elternteil keine Telefonate oder Besuche durchzuführen. Wie sich auch aus den ausführlichen Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt, ist belastend für die Kinder vor allem der Wechsel zwischen den streitenden Eltern. Die Anzahl der abzusprechenden Übergabetermine und damit die Berührungspunkte zwischen der Welt der Mutter und der Welt des Vaters würde durch die von der Antragstellerin begehrte Ersetzung der „Lahrwoche“ durch ein „Lahrwochenende“ aber gerade nicht reduziert. Vielmehr bestehen die geschilderten Konflikte zwischen den Eltern vom Grundsatz her unabhängig von dem zeitlichen Umfang der Umgangskontakte.
Die Antragstellerin hat darüber hinaus geltend gemacht, die Kinder würden darunter leiden, auch im Alltag zwei sehr verschiedenen Erziehungsstilen ausgesetzt zu sein. Dies würde sich etwa im Umgang mit dem Üben der Musikinstrumente oder im zeitlich späteren Lebensrhythmus beim Vater äußern. Der Vater würde in dieser Woche auch zu viel Zeit mit den Kindern verbringen, so dass sie nicht mehr ausreichend den Hort und ihre Freunde besuchen könnten.
Konkrete, über das bei getrennten Eltern auch bei bloßem Wochenendumgang unvermeidbare Maß hinausgehende, Beeinträchtigungen der Kinder sind allenfalls im Hinblick auf einige wenige Ereignisse ersichtlich (vergessener Turnbeutel, fast nicht wahrgenommener Elternabend, nicht vorbereitete Anmal-Eier). Für die bisher gelebten zwei Jahre fällt das aber nicht entscheidend ins Gewicht, da solche Abstimmungspannen auch bei zusammen lebenden Eltern immer wieder vorkommen dürften. Auch die unterschiedliche Förderung und der Umgang mit konkreten Situationen (z.B. wenn B. erklärt, gerade keine Lust auf Geigeüben zu haben) ist keine Besonderheit der vorliegenden Situation und kann sich auch bei funktionierender Partnerschaft der Eltern ereignen.
Darüber hinaus haben beide Kinder bei ihrer Anhörung durch das Oberlandesgericht noch einmal bekräftigt, dass an den Kontakten zum Vater nichts geändert werden solle. Dies entspricht dem geäußerten Kindeswillen bei früheren Gelegenheiten, etwa gegenüber dem Gutachter oder bei der Anhörung durch das Familiengericht. Das Oberlandesgericht hat dabei berücksichtigt, dass die Anhörungen, vor allem die gerichtlichen Anhörungen, im Wesentlichen während des Aufenthalts beim Vater stattfanden. Anhaltspunkte für eine entscheidende Beeinflussung des kindlichen Willens durch den Vater hat das Oberlandesgericht aber nicht feststellen können, insoweit im Einklang mit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen.
Vor dem oben dargestellten rechtlichen Hintergrund kommt daher eine Abschaffung dieser Umgangswoche durch eine Abänderung der gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung nicht in Betracht.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 5. November 2013 – 5 UF 27/13
- BVerfG, FamRZ 2007, 105[↩]
- Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1684 BGB Rn. 3[↩]
- BGH, FamRZ 2005, 1471, 1472; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., Rn. 7; BVerfG, FamRZ 2002, 809; 2004, 1166, 1167; 2007, 105; 2010, 1622[↩]
- vgl. OLG Bamberg FamRZ 1990, 1135; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1605; Palandt/Götz, BGB, 72. Auflage 2013, § 1696 Rn. 9[↩]
- s. amtliche Begründung BT-Drs. 13/4899, S. 109[↩]
- Palandt/Götz, a.a.O., § 1684 Rn. 14[↩]
- vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 12.01.2010 – 11 UF 251/09 – Juris Rn. 15[↩]
- vgl. dazu OLG Dresden, Beschluss vom 03.06.2004 – 21 UF 144/04 – Juris Rn. 13; Sünderhauf, FamRB 2013, 290, 291; wovon aber – ohne nähere Begründung – ausgehen etwa KG Berlin, Beschluss vom 14.03.2013 – 13 UF 234/12 – Juris Rn. 30 und Staudinger/Rauscher, BGB, Bearbeitung 2006, § 1684 Rn. 189[↩]
- in diese Richtung auch OLG Koblenz, Beschluss vom 12.01.2010 – 11 UF 251/09 – Juris Rn.20[↩]
- vgl. OLG Dresden, a.a.O., Rn. 15[↩]
- KG Berlin, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.; vgl. dazu auch OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 17 ff.[↩]