Eine behauptete Änderung der im Erstprozess einem Versäumnisurteil zugrunde gelegten (fingierten) Verhältnisse erlaubt keine Abänderung nach § 323 ZPO. Eine Abänderung ist vielmehr nur dann und insoweit möglich, als sich die seinerzeit gegebenen tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.

Nach der in dem jetzt vom Bundesgerichtshof noch anwendbaren Vorschrift des § 323 ZPO a.F. (vgl. jetzt § 238 FamFG) kann von jeder Partei die Abänderung eines Urteils über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen beantragt werden, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Damit ermöglicht § 323 ZPO eine Durchbrechung der Rechtskraft, die geboten ist, wenn sich die Prognose der Umstände, auf denen das Urteil auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen beruht, nachträglich als unzutreffend erweist. Aus der Zielsetzung des § 323 Abs. 1 ZPO, nämlich nur unvorhersehbare Veränderungen der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse nachträglich berücksichtigen zu können, ergeben sich zugleich die Grenzen für die Durchbrechung der bestehenden Rechtskraft. Die sich aus der Rechtskraft ergebende Bindungswirkung des Ersturteils darf deswegen auf eine Abänderungsklage hin nur insoweit beseitigt werden, als das Ersturteil auf Verhältnissen beruht, die sich nachträglich geändert haben1.
Die Abänderungsklage kann deswegen nach § 323 Abs. 2 ZPO auch nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht mehr möglich ist oder war. Für eine Tatsachenpräklusion nach § 323 Abs. 2 ZPO kommt es also in erster Linie darauf an, ob die geltend gemachten Abänderungsgründe nach der letzten Tatsachenverhandlung entstanden sind. Auch wenn eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vorliegt, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen2.
Ist das abzuändernde Urteil ein Versäumnisurteil, scheidet eine Abänderung nach § 323 Abs. 2 ZPO schon dann aus, wenn die Gründe noch durch Einspruch gegen das Versäumnisurteil geltend gemacht werden konnten. Die Abänderungsgründe müssen also nicht nur nach der mündlichen Verhandlung entstanden sein, in der das Versäumnisurteil ergangen ist, sondern sogar nach dem Ablauf der Einspruchsfrist3. Der durch ein Versäumnisurteil Beschwerte ist danach gehalten, alle vor Ablauf der Einspruchsfrist entstandenen Abänderungstatsachen schon mit einem Einspruch geltend zu machen4.
Für die Frage der Zulässigkeit einer Abänderungsklage kommt es nach § 323 ZPO a.F. darauf an, welche tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse der Entscheidung zugrunde liegen und ob insoweit eine wesentliche Veränderung vorgetragen ist5.
Die Frage, welche tatsächlichen Verhältnisse einem Versäumnisurteil zugrunde liegen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten6. Der Bundesgerichtshos hat diese Frage bislang offen gelassen7.
Teilweise wird vertreten, für die Abänderung eines Versäumnisurteils sei nicht von den tatsächlichen Verhältnissen bei Erlass des Urteils, sondern von den fingierten Verhältnissen auszugehen. Das Versäumnisurteil beruhe allein auf dem schlüssigen Klägervortrag und nur dieser liege wegen der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO dem abzuändernden Versäumnisurteil zugrunde8.
Nach anderer Auffassung ist auch für die Abänderung eines Versäumnisurteils auf eine Änderung der tatsächlichen Umstände abzustellen. Nur eine Abänderung der tatsächlichen Verhältnisse könne eine Abänderung des Versäumnisurteils unter Wahrung seiner Grundlagen nach § 323 Abs. 4 ZPO rechtfertigen und dabei zugleich die Rechtskraft der abzuändernden Entscheidung wahren9.
Der Bundesgerichtshof schließt sich für eine Änderung der Einkommensverhältnisse der zuletzt genannten Auffassung an. Nur diese wahrt bei der Abänderung eines Versäumnisurteils wegen veränderter Einkommensverhältnisse die Rechtskraft des abzuändernden Versäumnisurteils10.
Zwar beruht ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten nach § 331 ZPO auf dem Tatsachenvortrag des Klägers, der vom Gericht lediglich auf sei-ne Schlüssigkeit nachgeprüft wird. Denn nach § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen (vgl. § 288 ZPO). Dies könnte dafür sprechen, dass es sich bei den nach § 323 Abs. 1 ZPO a.F. für die Bestimmung der Höhe der Leistung maßgebenden Verhältnisse11 um die Verhältnisse nach dem Tatsachenvortrag des Klägers, also um fingierte Verhältnisse, han-delt.
Indem die Gegenmeinung im Rahmen einer anderweitig zulässigen Abänderungsklage auf die durch den Klägervortrag fingierten Verhältnisse ab-stellt, läuft sie allerdings auf eine Totalrevision und damit auf eine Korrektur von Fehlern in dem rechtskräftigen Versäumnisurteil hinaus. Dies hat der Bundesgerichtshof für streitige Urteile wegen der zu wahrenden Rechtskraft aber stets abgelehnt12. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, die Rechtskraft eines Versäumnisurteils anders zu bewerten als die Rechtskraft eines streitigen Urteils13.
Für die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung spricht zudem, dass die Zulässigkeit der Abänderungsklage in untrennbarem Zusammenhang zur Präklusion nach § 323 Abs. 2 ZPO steht. Weil die Abänderungsklage nur auf Gründe gestützt werden kann, die nicht mehr durch einen Einspruch gegen das Versäumnisurteil geltend gemacht werden können, können andere Gründe auch keine Zulässigkeit der Abänderungsklage rechtfertigen. Diese Konsequenz, die im Ansatz auch von der Gegenmeinung geteilt wird, beruht auf dem Gedanken der Rechtskraft und der daraus folgenden Präklusion nicht rechtzeitig vorgetragener Umstände. Wie bei einem streitigen Urteil können Versäumnisse in dem Ausgangsverfahren auch im Falle eines Versäumnisurteils nicht später im Wege der Abänderung korrigiert werden.
Um die Rechtskraft des Versäumnisurteils zu wahren, kann es sich bei den tatsächlichen Verhältnissen, die ihm im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO zugrunde liegen, also nicht um die vom Kläger vorgetragenen Umstände, sondern nur um die seinerzeit tatsächlich vorliegenden Umstände handeln. Nur in dem Umfang, in dem sich die tatsächlichen Verhältnisse bei Ablauf der Einspruchsfrist inzwischen geändert haben, ist eine Abänderung des rechtskräftigen Versäumnisurteils zulässig. Eine Korrektur der dem abzuändernden Urteil vorausgegangenen Fehler, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Abänderungsverfahren nicht möglich ist14, kann nur so ausgeschlossen werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Mai 2010 – XII ZR 98/08
- BGHZ 171, 206 = FamRZ 2007, 793, Tz. 36[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1995 – XII ZR 231/94, FamRZ 1996, 345; vgl. jetzt auch § 323 Abs. 4 ZPO[↩]
- vgl. schon RGZ 104, 228, 229 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 21.04.1982 – IV b ZR 696/80, FamRZ 1982, 792, 793[↩]
- BGHZ 98, 353, 355 = FamRZ 1987, 259, 261; vgl. jetzt § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO[↩]
- zum Streitstand vgl. Graba Die Abänderung von Unterhaltstiteln 3. Aufl. Rdn. 269; Johannsen/Henrich/Brudermüller Familienrecht 5. Aufl. § 238 FamFG Rdn. 99 und Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 323 Rdn. 31[↩]
- BGH, Urteil vom 15.11.1995 – XII ZR 231/94, FamRZ 1996, 345, 347[↩]
- OLG Köln FamRZ 2002, 471; OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 907; OLG Zweibrücken FamRZ 1983, 291; OLG Stuttgart FamRZ 1982, 91, 92; Kalthoener/Büttner NJW 1990, 1640, 1648; Christian DAVorm 1988, 343, 347; Zöller/Vollkommer aaO § 323 Rdn. 31; MünchKommZPO/Gottwald § 323 Rdn. 77; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 30. Aufl. § 323 Rdn. 21; Göppinger/Wax/Vogel Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rdn. 2405 f.; differenzierend Maurer FamRZ 1989, 448[↩]
- OLG Frankfurt FamRZ 1995, 735; OLG Hamm FamRZ 1990, 772, 773; OLG Oldenburg FamRZ 1990, 188; OLG Hamm 1984, 1123, 1125; OLG Karls-ruhe FamRZ 1983, 624, 625; Spangenberg DAVorm 1984, 797, 798; Johannsen/Henrich/Brudermüller aaO § 238 FamFG Rdn. 99; differenzierend Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln bei fingierten Verhältnissen FamRZ 2002, 6, 8 f.[↩]
- offen gelassen noch in BHG, Urteil vom 15.11.1995 – XII ZR 231/94, FamRZ 1996, 345, 347[↩]
- vgl. jetzt § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO: „… der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen“[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1995 – XII ZR 231/94, FamRZ 1996, 345[↩]
- vgl. Graba, FamRZ 2002, 6, 8 f.; zum Anerkenntnisurteil vgl. BGHZ 173, 210 = FamRZ 2007, 1459 – Tz. 14 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2008 – XII ZR 101/05, FamRZ 2008, 872 Tz. 14 ff.[↩]